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963. Sitzung des Bundesrates am 15. Dezember 2017
- 1. Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat ferner, die nachstehende Entschließung zu fassen:
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Beitragssatzverordnung für das Jahr 2018 den gesetzlichen Vorgaben des § 158 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch entspricht. Der Beitragssatz ist gemäß der Verordnungsermächtigung zwingend abzusenken, da ansonsten die Höchstnachhaltigkeitsrücklage überschritten werden würde.
- 3. Der Bundesrat sieht allerdings die gesetzlichen Vorgaben des § 158 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sowohl zur Mindestrücklage als auch zur Höchstnachhaltigkeitsrücklage in ihrer derzeitigen Fassung kritisch. Er spricht sich daher für eine Anhebung dieser Unter- und Obergrenzen für die Nachhaltigkeitsrücklage aus.
- 4. Die Höchstnachhaltigkeitsrücklage sollte so beschaffen sein, dass absehbare Beitragssatzschwankungen verhindert und zukünftige Beitragssatzsteigerungen zumindest gedämpft werden können.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus zu prüfen, ob durch eine vorausschauende Beitragssatzgestaltung Spielräume geschaffen werden können, um das Rentenniveau wieder anzuheben.
- 6. Zudem hält der Bundesrat weitere Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung für erforderlich. So sollten beispielsweise die bis 2024 schrittweise in Kraft tretenden Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und Erwerbsminderungsrentner auch auf die Bestandsrentnerinnen und Bestandsrentner ausgedehnt werden.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass durch die Absenkung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte keine nachhaltigen Effekte auf Wirtschaft und Konsum zu erwarten sind, da mit Mehrkosten für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und die Verwaltung der Rentenversicherungsträger durch die Umstellung zu rechnen ist und die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur von marginaler Bedeutung sein wird.
Begründung:
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung ist so zu bemessen, dass die Nachhaltigkeitsrücklage den gesetzlich vorgegebenen Korridor von 0,2 bis 1,5 Monatsausgaben nicht verlässt. Diese Werte sollten angesichts der auf das deutsche Alterssicherungssystem zukommenden Herausforderungen angehoben werden:
In absehbarer Zeit werden die Ausgaben der Rentenversicherung deren Einnahmen überschreiten. Das Finanzpolster der Rentenversicherung wird kontinuierlich schrumpfen. Die kürzlich beschlossenen Leistungsverbesserungen sowie die steigende Zahl der Rentenbezieherinnen und Rentenbezieher werden zu höheren Ausgaben führen. Für das Jahr 2018 prognostiziert die Bundesregierung im aktuellen Rentenversicherungsbericht ein Minus von 138 Millionen Euro in der Rentenkasse. Die Nachhaltigkeitsrücklage wird entsprechend sinken und spätestens im Jahre 2022 wird eine Erhöhung des Beitragssatzes erforderlich sein. Sollte die wirtschaftliche Entwicklung nicht so verlaufen, wie von der Bundesregierung unterstellt, wird die Rentenversicherung noch größere Einnahmedefizite verkraften müssen; eine Anhebung des Beitragssatzes schon vor dem Jahr 2022 wäre also erforderlich.
Unabhängig davon ist eine Mindestnachhaltigkeitsrücklage von 0,2 Monatsausgaben nicht hoch genug, um auszuschließen, dass die Rentenversicherung bei unvorhergesehenen Beitragsausfällen außerplanmäßige Hilfen des Bundes bis hin zu Liquiditätshilfen in Anspruch nehmen muss. Sie sollte daher angehoben werden.
Auch der Höchstwert für die Nachhaltigkeitsrücklage sollte heraufgesetzt werden, um eine Demografiereserve zu bilden. Damit könnte der in den nächsten Jahren zu erwartende Anstieg des Beitragssatzes gedämpft werden.
Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob über eine vorausschauende Beitragssatzgestaltung Spielräume für eine Anhebung des Rentenniveaus geschaffen werden können.
Nach den Hochrechnungen im Rentenversicherungsbericht wird das Rentenniveau von derzeit 48,2 Prozent auf circa 45 Prozent bis zum Jahr 2030 sinken. Derzeit kann somit davon ausgegangen werden, dass der Mindestwert von 43 Prozent im Jahr 2030 nicht unterschritten wird; für die Zeit danach ist jedoch eine Sicherung des Rentenniveaus gesetzlich nicht garantiert.
Die durch die Absenkung des Rentenniveaus entstehende Versorgungslücke wird von den meisten Menschen nicht durch zusätzliche Altersvorsorge geschlossen werden können, insbesondere nicht von denen, die aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation von Altersarmut bedroht sind. Deshalb ist zu befürchten, dass eine angemessene Altersversorgung selbst für zahlreiche Menschen, die viele Jahre gearbeitet und auskömmliche Löhne erhalten haben, kaum noch gewährleistet ist.
Rechtzeitige Maßnahmen zur Anhebung des Rentenniveaus sind daher dringend erforderlich.
Das deutsche Durchschnittsgehalt für Vollzeitbeschäftigte liegt derzeit bei knapp über 3 000 Euro. Somit werden durch die Absenkung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit lediglich jeweils circa 1,50 Euro monatlich entlastet. Dies steht in keiner Relation zu den Bürokratiekosten, die beispielsweise Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für die Umstellung ihrer EDV-Programme aufbringen müssen. Auch die Entlastung der Arbeitnehmer führt zu keiner spürbaren Verbesserung der Kaufkraft. Darüber hinaus entsteht ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand bei den Rentenversicherungsträgern, wie beispielsweise durch den Druck neuer Broschüren.