Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze

Der Bundesrat hat in seiner 968. Sitzung am 8. Juni 2018 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b (§ 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 WpPG-E)

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 WpPG-E gestrichen werden sollte, um einen Gleichlauf in Bezug auf die betragsmäßigen Ausnahmen von der Prospektpflicht für alle Emittenten herzustellen.

Begründung:

Im EU-Prospektrecht gibt es seit dem Jahr 2003 für die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Emissionen bis zu einem betragsmäßigen Emissionsvolumen von der Prospektpflicht auszunehmen (ab 2003: 2,5 Mio. Euro, ab 2010: 5 Mio. Euro, ab 2017: 8 Mio. Euro).

Der deutsche Gesetzgeber hat in der Vergangenheit von dieser EU-rechtlichen Möglichkeit dahingehend Gebrauch gemacht, dass er Emissionen von Banken und börsennotierten Emittenten bis zu 2,5 Mio. Euro bzw. 5 Mio. Euro von der Prospektpflicht befreit hat. Die Einschränkung auf diesen Kreis der Emittenten hat der Gesetzgeber stets damit begründet, dass diese Emittenten weitreichend reguliert sind und insofern nur bei ihnen aus Anlegerschutzgesichtspunkten eine Ausnahme vertretbar ist. Banken, Sparkassen und börsennotierte Emittenten nutzen diese Ausnahme regelmäßig für sogenannte Kleinemissionen.

Nun steht die Umsetzung der Möglichkeit aus der Prospekt-VO aus dem Jahr 2017 (8 Mio. Euro) an. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen künftig folgende betragsmäßigen Ausnahmen von der Prospektpflicht gelten:

Die Grenzen beziehen sich nach dem Wortlaut zwar auf unterschiedliche Begriffe ("Verkaufspreis"/"Gesamtgegenwert"). Nach der Gesetzesbegründung soll sich aber an den Vorgaben zur Ermittlung des Grenzwerts, die auf den Verkaufspreis abstellen, nichts ändern.

Zur Begründung der unterschiedlichen Grenzen spricht der Gesetzentwurf lediglich davon, im Falle von Banken und börsengelisteten Emittenten den Status Quo beibehalten zu wollen. Im Übrigen soll von der EU-Möglichkeit vollständig Gebrauch gemacht werden. Eine weitergehende Begründung für die Unterscheidung fehlt.

Für die unterschiedlichen Grenzen sind auch anderweitig keine Gründe erkennbar. Insbesondere die Argumentation in der Vergangenheit (besondere Regulierung und Anlegerschutz) lässt sich mit dieser Differenzierung nicht vereinbaren. Diejenigen Emittenten, denen nun eine Ausnahme bis 8 Mio. Euro zugestanden wird - wie Unternehmen -, sind regelmäßig deutlich geringer reguliert als Banken und börsennotierte Emittenten. Auch lässt sich nicht pauschal feststellen, dass die Anforderungen an Banken und börsennotierte Emittenten beim Vertrieb ihrer emittierten Wertpapiere geringer sind als bei den übrigen Emittenten.

Insofern sprechen sehr gewichtige Gründe dafür, die - aus dem bisherigen Recht - beibehaltene Sonderregelung in § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 WpPG-E zu streichen und damit einen Gleichlauf für prospektfreie Emissionen bis 8 Mio. Euro für alle Emittenten herzustellen.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe c (§ 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 WpPG-E)

In Artikel 1 Nummer 3 sind in § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 die Wörter "Gesamtgegenwert im Europäischen Wirtschaftsraum" durch die Wörter "Verkaufspreis für alle im Europäischen Wirtschaftsraum angebotenen Wertpapiere" zu ersetzen.

Begründung:

In den EU-Vorgaben zum Prospektrecht (EU-Prospektrichtlinien aus den Jahren 2003 und 2010 sowie die EU-Prospektverordnung aus dem Jahr 2017) werden die betragsmäßigen Ausnahmen von der Prospektpflicht regelmäßig am Begriff "Gesamtgegenwert der angebotenen Wertpapiere" bemessen.

Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Begriff in der Vergangenheit konsequent mit dem Begriff "Verkaufspreis der angebotenen Wertpapiere" umgesetzt. Dieser Begriff hat sich in der Praxis der Behörden, Emittenten und Anleger bewährt.

§ 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 WpPG-E sieht nun vor, dass die Anhebung der Ausnahme von der Prospektpflicht von 100 000 Euro auf 8 Mio. Euro vom "Gesamtgegenwert" und nicht mehr vom "Verkaufspreis der angebotenen Wertpapiere" bemessen wird. Laut Gesetzesbegründung soll sich an den Vorgaben zur Ermittlung des Grenzwerts nichts ändern.

Insofern ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auf den bewährten Begriff "Verkaufspreis" zurückgegriffen werden kann. Vielmehr ist von einem redaktionellen Versehen auszugehen, das im Interesse der Handhabbarkeit in der Praxis korrigiert werden sollte.

3. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 3c WpPG-E)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger über die Vorgaben der EU-Prospektverordnung hinausgehen und daher entfallen sollten.

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts bei öffentlichen Angeboten ab 1 000 000 Euro an nicht qualifizierte Anleger nur greift, soweit bestimmte Einzelanlageschwellen beachtet werden. Nicht qualifizierte Anleger, beispielsweise Privatanleger, dürfen dann maximal 1 000 Euro investieren. Selbst bei höheren Einkommen oder großem Vermögen soll das Investitionsvolumen auf 10 000 Euro beschränkt werden. Die Einführung dieser Einzelanlageschwellen würde eine Verschärfung der EU-Prospektverordnung darstellen und die Entscheidungshoheit von Privatanlegern einschränken. Dies würde der Intention des europäischen Gesetzgebers, das Kapitalmarktangebot für Anleger zu erweitern, entgegenstehen. Die Einzelanlageschwellen könnten außerdem den Erwerb von bewährten Standardprodukten wie Inhaberschuldverschreibungen limitieren, deren Risiko für Privatanleger überschaubar und verständlich ist - insbesondere, wenn zuvor eine Beratung stattgefunden hat. Sie sollten im weiteren Gesetzgebungsverfahren deshalb auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.

4. Zu Artikel 8 Nummer 9 Buchstabe d (§ 46f Absatz 9 KWG-E)

Der Bundesrat dankt der Bundesregierung, dass sie seiner Anregung bezüglich § 46f KWG vom 12. Juni 2015 (Bundesratsdrucksache 193/15(B) HTML PDF , Ziffer 3) nachkommt. Die zum 1. Januar 2017 geschaffene geltende Rechtslage privilegiert Finanzprodukte wie Derivate und strukturierte Schuldtitel gegenüber Schuldtiteln mit festen Konditionen, wie etwa Schuldverschreibungen von kleinen und mittleren Banken.

Die nun von der Bundesregierung vorgeschlagene Korrektur gilt aber nur für Papiere, die nach Inkrafttreten emittiert werden. Deshalb bittet der Bundesrat zu prüfen, ob seinem damaligen Petitum entsprechend, diese Regelung auch für vorhandene Papiere gelten soll. Hierfür müsste die Übergangsregelung des § 46f Absatz 9 KWG-E gestrichen oder angepasst werden.