Der Bundesrat hat in seiner 888. Sitzung am 14. Oktober 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission, für grenzüberschreitende Fälle ein einheitliches, standardisiertes Verfahren der vorläufigen Kontenpfändung zu schaffen. Dies kann zu deutlichen Verbesserungen für Gläubiger mit häufigen grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen führen.
- 2. Der Bundesrat gibt indessen zu bedenken, dass in dem neuen Verfahren auch die Belange des Schuldners ausreichende Berücksichtigung finden müssen. Zudem erscheint das vorgesehene Verfahren insgesamt sehr kompliziert ausgestaltet und ist insbesondere für den Rechtsuchenden nur schwer zu durchschauen, wodurch der Vereinfachungszweck zum Teil verfehlt werden könnte.
- 3. Der Bundesrat erinnert, wie bereits in seiner Stellungnahme zu dem zugrunde liegenden Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung, KOM (2006) 618 endg.; Ratsdok. 14583/06, vgl. BR-Drucksache 754/06(B) , daran, dass eine Zuständigkeit der EU nur für grenzüberschreitende Sachverhalte besteht. Diese Voraussetzung hält der Verordnungsvorschlag zwar formal ein. Jedoch sieht Artikel 3 des Verordnungsvorschlags eine über die bestehende Kompetenz hinausgehende Ausdehnung des grenzüberschreitenden Bezugs vor, die von den kompetenziellen Grundlagen nicht gedeckt ist und daher der Korrektur bedarf.
- 4. Aus Sicht des Bundesrates ist zu den einzelnen Regelungskomplexen des Verordnungsvorschlags Folgendes zu bemerken:
- 5. Der Bundesrat erachtet die in Artikel 6 sowie Artikel 14 vorgesehene Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaates, in welchem das Bankkonto gelegen ist, in das vollstreckt werden soll, neben der Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache für problematisch. Zwar erleichtert diese Zuständigkeit dem Gläubiger die Vollstreckung. Die Zuständigkeit eines Gerichts, das nicht Prozessgericht ist, führt aber zur Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hinsichtlich der Frage, ob die berechtigte Annahme besteht, dass die Forderung gegenüber dem Antragsgegner begründet ist. Dies gilt umso mehr, als das erlassende Gericht in diesen Fällen in der Regel ausländisches Recht anwenden muss. Zwar kennt auch das deutsche Recht in § 919 ZPO für den Arrest eine ähnliche Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Hauptsachegericht und Gericht am Belegenheitsort. Dennoch ist hier die Gefahr divergierender Entscheidungen weitaus geringer, da beide Gerichte in derselben Rechtstradition stehen, denselben Verfahrensregeln folgen und in der Regel das eigene nationale Recht anzuwenden haben.
Die Problematik wird auch nicht durch die Regelung des Artikels 19 Absatz 2 gelöst, wonach ein Gericht den Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf) ablehnen kann, wenn ausweislich der Mitteilung des Antragstellers bereits ein anderes Gericht einen EuBvKpf oder eine einzelstaatliche Sicherungsmaßnahme erlassen hat. Bis dahin müssten mehrere Gerichte parallel die Voraussetzungen eines bei ihnen jeweils beantragten EuBvKpf prüfen, bis ein Gericht als erstes einen Beschluss fasst. Dies birgt die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen.
- 6. Anlass zu Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes gibt aus Sicht des Bundesrates die in Artikel 10 vorgesehene Regelung, wonach der Schuldner vor dem Erlass des EuBvKpf keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten soll, "sofern der Antragsteller nichts anderes begehrt". Angesichts der weitreichenden, unter Umständen existenzvernichtenden Wirkung einer wenn auch nur der Sicherung dienenden Vollstreckung und der in Artikel 23 des Vorschlags vorgesehenen ohne Weiteres gegebenen Vollstreckbarkeit erscheint das grundsätzliche Verbot, den Antragsgegner anzuhören, auch unter Berücksichtigung der Zwecke des Verordnungsvorschlags als problematisch. Stattdessen sollte entsprechend dem in § 922 ZPO vorgesehenen Verfahren bestimmt werden, dass eine mündliche Verhandlung oder schriftliche Anhörung des Schuldners nach Ermessen des Gerichts im Einzelfall angeordnet werden kann.
- 7. Ferner hält der Bundesrat hinsichtlich der Bedingungen für den Erlass eines EuBvKpf vor Erlangung eines vollstreckbaren Titels die in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b vorgesehene Formulierung "[, dass] ... ohne den Beschluss die spätere Vollstreckung eines bestehenden oder künftigen Titels gegen den Antragsgegner unter Umständen unmöglich oder sehr erschwert würde, unter anderem weil die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner von dem oder den Bankkonten, die vorläufig gepfändet werden sollen, Geld abhebt oder die Gelder anderweitig verwendet oder verschiebt." für zu unbestimmt. Diese Formulierung macht nicht hinreichend deutlich, ob stets die konkrete Gefahr einer Vermögensverschiebung oder sonstigen Vollstreckungsvereitelung durch den Schuldner bestehen muss oder ob auch schon lediglich die Gefahr einer allgemeinen Vermögensverschlechterung beim Schuldner oder eines Zugriffs anderer Gläubiger auf das Schuldnervermögen den Erlass eines EuBvKpf zu begründen vermag.
Es wird daher an die engere Formulierung in der Stellungnahme des Bundesrates vom 9. März 2007 zum Grünbuch der Kommission, vgl. BR-Drucksache 754/06(B) , erinnert, in der gefordert wurde, dass der Gläubiger darlegen und glaubhaft machen muss, dass der Schuldner Maßnahmen unternimmt, die geeignet sind, die Befriedigung des Anspruchs zu vereiteln oder erheblich zu erschweren.
- 8. Die Bestimmung zur Sicherheitsleistung in Artikel 12 des Verordnungsvorschlags ist aus Sicht des Bundesrates aufgrund ihrer Ausgestaltung als reine Ermessensvorschrift nicht hinreichend geeignet, der Gefahr des Missbrauchs zu Lasten von unberechtigt in Anspruch genommenen Schuldnern vorzubeugen. Hier erscheint eine Ausgestaltung als "Soll"-Vorschrift, gegebenenfalls verbunden mit einer Konkretisierung der Voraussetzungen der Sicherheitsleistung, vorzugswürdig.
Darüber hinaus hält der Bundesrat - wie bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission dargelegt, vgl. BR-Drucksache 754/06(B) - aus Gründen des Schuldnerschutzes die Regelung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Gläubigers zum Ersatz sämtlichen Schadens, der dem Schuldner durch die vorläufige Kontenpfändung entstanden ist, für geboten.
- 9. Nicht unerhebliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Schuldner- sowie des Datenschutzes bestehen auch gegenüber der Bestimmung über die Einholung von Konteninformationen nach Artikel 17 des Verordnungsvorschlags. Da ein Antrag auf Erlass eines EuBvKpf nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a bereits vor Einleitung oder während eines gerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache beantragt werden kann, greifen die Maßnahmen zur Ermittlung von Kontenverbindungen des Schuldners in einem sehr frühen Verfahrensstadium ein. Sie sind zudem allein an den Sachvortrag des Antragstellers nach Artikel 7 des Verordnungsvorschlags geknüpft. Danach genügt eine hinreichend belegte Annahme des Gerichts, dass die Forderung des Antragstellers begründet ist und die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner das vorhandene Guthaben beiseite schafft. Aus Sicht des Bundesrates sollte die Schwelle für einen Anspruch auf Konteninformation im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Antragstellers wegen der damit verbundenen erheblichen Eingriffe deutlich höher gelegt werden.
Soweit der Verordnungsvorschlag hinsichtlich der in den Artikeln 16 ff. geregelten Informationspflichten in Bezug auf Bankverbindungen des Schuldners auf die entsprechende Regelung in Artikel 61 der Unterhaltsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABl. L 7 vom 10. Januar 2009, S. 1) hinweist und diese als Vorbild heranzieht, ist dies aus Sicht des Bundesrates verfehlt. Anders als bei der Unterhaltsverordnung besteht im allgemeinen Schuldrecht kein öffentliches Interesse daran, dass der Schuldner die private Schuld an den Gläubiger begleicht.
- 10. Im Übrigen begrüßt der Bundesrat die zum Schutz der Rechte des Schuldners in den Artikeln 34 ff. vorgesehenen Rechtsbehelfe, wobei als problematisch zu bewerten ist, dass die geregelten Zuständigkeiten dazu führen können, dass verschiedene Gerichte gleichzeitig mit Rechtsbehelfen des Schuldners befasst sind.
Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte ferner in Bezug auf die in Artikel 36 genannten Schuldner angesichts der derzeitigen Formulierung "Geht der Schuldner in seiner Eigenschaft als Verbraucher, abhängig Beschäftigter oder Versicherter gegen den Beschluss zur vorläufigen Pfändung vor, ..." deutlicher gemacht werden, dass es für diese Fallgruppen darauf ankommt, dass der Schuldner im konkreten Verfahren und im Verhältnis zum Gläubiger in seiner Eigenschaft als Verbraucher, abhängig Beschäftigter oder Versicherter gerichtlich belangt worden ist, so wie es auch in den Hinweisen zum Formular in Anhang IV aufgeführt ist.
- 11. Soweit der Verordnungsvorschlag den zuständigen Gerichten bestimmte Fristen für die Bearbeitung vorschreibt, erkennt der Bundesrat zwar an, dass die Zeit einen wichtigen Faktor für den Vollstreckungserfolg darstellt. Abgesehen davon, dass dem deutschen Recht derartige Fristen fremd sind und sie vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit als problematisch zu bewerten sind, erscheinen auch unter Berücksichtigung des genannten Zeitfaktors die vorgesehenen Fristen jedenfalls zu kurz.
So steht zu befürchten, dass derart knappe Fristen, wie sie beispielsweise in Artikel 21 Absatz 3 und Absatz 5 (sieben bzw. drei Kalendertage) bestimmt sind, gerade im Hinblick auf Wochenenden und Feiertage nicht einzuhalten sind. Dies gilt umso mehr, als im Rahmen des dort gegenständlichen Erlasses des EuBvKpf vom Gericht eine sachliche Prüfung verlangt wird, ob die Forderung begründet ist und ob die Gefahr besteht, dass der Schuldner Gelder von Bankkonten abzieht. Sollten die vom Antragsteller vorgelegten Belege nicht ausreichen, muss zudem auf schriftliche Zeugenaussagen zurückgegriffen werden, die zunächst beim Antragsteller angefordert werden müssen. Gegebenenfalls muss auch gemäß Artikel 20 Kontakt mit dem Hauptsachegericht aufgenommen werden. All dies ist innerhalb der vorgesehenen Fristen mit der gebotenen, auch dem Schuldnerschutz in ausreichendem Umfang Rechnung tragenden Sorgfalt regelmäßig nicht zu leisten.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur Fristüberschreitung nach Artikel 44 des Verordnungsvorschlags. Zum einen greift diese Möglichkeit nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, während aus den angegebenen Gründen bereits im Normalfall die Einhaltung der Frist kaum möglich sein dürfte. Zum anderen ist der in Artikel 44 vorgesehene Anspruch einer Partei darauf, dass das Gericht oder die Behörde die außergewöhnlichen Umstände nachweist, problematisch. Wie dieser Nachweis beschaffen sein soll, ergibt sich weder aus der Vorschrift selbst noch aus der Begründung. Auch wäre der mit einem Nachweis verbundene zusätzliche Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig hoch, würde weitere Arbeitskraft binden und wäre daher im Ergebnis kontraproduktiv. Schließlich bezieht sich die Bestimmung nicht auf alle Fristen; ausgenommen sind etwa die Fristen nach Artikel 21 Absatz 5 und Artikel 28 Absatz 2 Satz 2 des Verordnungsvorschlags.
- 12. Erheblich zu kurz bemessen erscheint auch die Frist von 48 Stunden für die Freigabe des den Anspruch übersteigenden Teilbetrags nach Artikel 28 Absatz 2 Satz 2 des Verordnungsvorschlags. Hinsichtlich dieser Frist ist zudem der Bezugspunkt unklar. Es bleibt offen, ob der Antragsteller innerhalb dieser Frist die zuständige Behörde (gegebenenfalls welche) darüber informieren muss, dass eine vorläufige "Überpfändung" vorliegt, oder ob und gegebenenfalls in welcher Form innerhalb der Frist die Freigabe durch die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats bereits durchgeführt sein muss.
- 13. Zudem bestehen bei einigen der vorgesehenen Fristen nicht unerhebliche Unklarheiten:
So ist nicht klar, ob eine Frist gilt und wie diese sich bemisst, wenn das "Ursprungsgericht", vor dem der vollstreckbare Titel erwirkt wurde, im Fall des Artikels 5 Absatz 2 i.V.m. Artikel 14 Absatz 1 den Beschluss erlässt. Dieser Fall fällt weder unter Artikel 21 Absatz 3 (Fälle des Artikel 5 Absatz 1) noch unter Artikel 21 Absatz 5 (Erlassbehörde nach Artikel 14 Absatz 3).
Ungenau erscheint auch die in Artikel 27 Absatz 1 Satz 1 bestimmte Frist von drei Tagen, innerhalb der die Bank nach Erhalt des EuBvKpf ihre Erklärung abzugeben hat. Überwiegend wird bei den in dem Verordnungsvorschlag nach Tagen bestimmten Fristen jeweils zwischen Arbeitstagen und Kalendertagen differenziert. Eine Klarstellung und konsequente Differenzierung wäre auch bei den anderen Tagesfristen in dem Verordnungsvorschlag (vgl. z.B. Artikel 13, Artikel 21 Absatz 7 Buchstabe b, Artikel 22 Absatz 2, Artikel 34 Absatz 2 und Artikel 35 Absatz 4) angezeigt.
- 14. Hinsichtlich der Fristbestimmungen für die Einlegung des Rechtsbehelfs gegen den EuBvKpf in Artikel 34 Absatz 2 bzw. Artikel 35 Absatz 4 weist der Bundesrat zum einen darauf hin, dass nach deutschem Recht der Rechtsbehelf des Widerspruchs ( § 924 ZPO) nicht fristgebunden ist.
Zum anderen ist der Fristbeginn nicht klar festgelegt. Der Antrag auf Nachprüfung ist danach umgehend, jedenfalls aber innerhalb von 45 Tagen zu stellen, "nachdem der Antragsgegner vom Inhalt des Beschlusses tatsächlich Kenntnis genommen hat und imstande war, dagegen vorzugehen". Eine eindeutige Fristberechnung ist insoweit nicht möglich. Es empfiehlt sich daher, stattdessen auf den Zeitpunkt der Zustellung an den Antragsgegner gemäß Artikel 25 abzustellen und bei unverschuldeter Fristversäumnis die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung vorzusehen.
- 15. Der Bundesrat gibt in Bezug auf Artikel 26 zu bedenken, dass die Wirkungen des EuBvKpf nicht erst mit dessen Ausführung durch die Bank eintreten sollten, sondern bereits mit Zustellung des EuBvKpf. Nur so ist gewährleistet, dass laufende Kontovorgänge nicht mehr beendet werden können. Für den Fall, dass die Bank in Unkenntnis von der Zustellung des EuBvKpf eine Kontobewegung ausgeführt oder zugelassen hat, die nach nationalem Recht nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sollte eine Regelung getroffen werden, inwieweit die Bank von ihrer Verpflichtung frei wird, oder klargestellt werden, dass sich dieser Punkt nach nationalem Recht regelt.
- 16. In Artikel 28 Absatz 1 ist bestimmt, dass dann, wenn sich der EuBvKpf auf mehrere Konten bezieht, die der Antragsgegner bei derselben Bank unterhält, die Bank den Beschluss nur in Höhe des darin angegebenen Betrages ausführt. Es wird jedoch nicht geregelt, nach welchen Kriterien die Bank diese Teilsperrung vornehmen oder den Betrag auf mehrere Konten aufteilen soll. Diese Entscheidung sollte nicht der Bank überlassen werden, da sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger ein - eventuell widerstreitendes - Interesse an einer bestimmten Aufteilung haben können.
Gemäß Artikel 28 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags hat der Schuldner gegenüber dem Gläubiger im Fall einer Übersicherung lediglich einen Anspruch auf Freigabe des Betrages, der den Betrag im EuBvKpf übersteigt. Dabei fehlen Regelungen dazu, wie dieser Freigabeanspruch vom Schuldner möglichst schnell und effektiv durchgesetzt werden kann. Aus Sicht des Bundesrates bietet es sich zur Vermeidung dieses Problems an, die Entscheidung, welches von mehreren Konten - oder gegebenenfalls in welcher Verteilung und jeweiligen Höhe - von der Sperrung betroffen sein soll, dem Schuldner zu überlassen. Dafür spricht auch, dass für den Gläubiger in der Regel nur die betragsmäßige Sicherung als solche wichtig ist, der Schuldner aber ein erhebliches Interesse daran haben kann, dass z.B. bei ausreichend möglicher Sicherung des Gläubigers durch Sperrung eines Sparguthabens das Girokonto des Schuldners verfügbar bleibt.
- 17. Soweit nach dem Verordnungsvorschlag die Möglichkeit bestehen soll, Antragsformulare und Rechtsbehelfe "elektronisch oder auf jedem anderen Weg" zu übermitteln (Artikel 8 Absatz 4, Artikel 15 Absatz 3, Artikel 34 Absatz 3 und Artikel 35 Absatz 5), verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme zu Frage 16 des dem Verordnungsvorschlag zugrunde liegenden Grünbuchs der Kommission, vgl. BR-Drucksache 754/06(B) , Ziffer 17. Eine (wünschenswerte) Übermittlung auf elektronischem Wege kommt nach wie vor erst in Betracht, wenn ein gemeinschaftsweiter Standard der elektronischen Signatur, des Übermittlungsstandards und des gesicherten elektronischen Postfachs existiert und die Eingangspostfächer der Banken bekannt sind.
- 18. In den Antragsformularen für den Erlass eines EuBvKpf (Anhang I) und für den Antrag auf Nachprüfung (Anhang IV) wird einleitend darauf hingewiesen, dass das jeweilige Formular in der Sprache des Gerichts auszufüllen ist, bei dem der Antrag gestellt wird. In dem Verordnungsvorschlag selbst ist dieser Punkt aber nicht ausdrücklich geregelt. Hier sollte aus Sicht des Bundesrates auf eine Klarstellung hingewirkt werden. Außerdem sollte vorgesehen werden, dass den den Anträgen beizufügenden Dokumenten eine Übersetzung in die Sprache dieses Gerichts beizugeben ist, weil sonst die Voraussetzungen für den Erlass bzw. die Aufhebung des EuBvKpf nicht sachgerecht überprüft werden können.
Zudem sollte klargestellt werden, ob die Formulare für den Beschluss nach Artikel 21 (Anhang II) und für die Erklärung der Bank nach Artikel 27 (Anhang III) auch in der jeweiligen Sprache ausgefüllt oder übersetzt werden müssen. Insoweit fehlen sowohl eine Regelung in dem Verordnungsvorschlag als auch ein Hinweis im Formular.
- 19. Mit dem Antrag auf Erlass eines EuBvKpf (Anhang I) kann zugleich ein Ersuchen an die zuständige Behörde um Einholung von Kontoinformationen nach Artikel 17 gestellt werden. Aus Sicht des Bundesrates wäre es sinnvoll, den Antrag auf Einholung von Kontoinformationen nach Artikel 17 ausdrücklich, z.B. durch Einfügen eines Ankreuzfeldes "Ich beantrage...", in das Antragsformular für den EuBvKpf aufzunehmen, da durch diesen Antrag auch Kosten anfallen können. Die in Ziffer 4 des Antragsformulars enthaltene Information erscheint insoweit nicht ausreichend.
- 20. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass die Gestaltung der in dem Formular in Anhang I lediglich fakultativ auszufüllenden Felder nicht einheitlich erfolgt. Während unter Ziffer 2 des Formulars (Nummern 2.5 und 2.6) hierauf mit Fußnoten verwiesen wird, erfolgt unter Ziffer 3 eine Kennzeichnung durch Sternchen. Hierzu ergeht ein ausdrücklicher Hinweis "fakultativ (*)" in Ziffer 3. Es wird daher angeregt, die Kennzeichnung von fakultativ auszufüllenden Feldern einheitlich zu gestalten.
- 21. In dem Formular für den Antrag auf Nachprüfung (Anhang IV) sollte aus Sicht des Bundesrates unter den Nummern 7.1.1 und 7.1.2 jeweils ein Feld für die Begründung der Behauptungen eingefügt werden. Bisher wird auch in der Regelung des Artikels 35 hierzu keine eigene Begründung gefordert. Eine Begründungspflicht bzw. eine Pflicht zu näheren Angaben sollten aber vorgesehen werden.
Des Weiteren regt der Bundesrat an, hinsichtlich der Nummern 6.1.3, 7.2, 7.3 und 7.4 dem Antragsteller aufzugeben, dem Antrag auf Nachprüfung entsprechende Belege hierfür beizufügen.
Aus Sicht des Bundesrates erschließt sich auch nicht, weshalb einige auszufüllende Felder im Formular (vgl. z.B. die Nummern 1.2.1, 1.2.2 und 1.2.3) kursiv gedruckt sind. Dies gilt im Übrigen ebenso für das Formular für die Erklärung der Bank (Anhang III).
- 22. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Regelungen zur Beteiligung der zuständigen Behörde nicht konsistent sind.
Nach dem Verordnungsvorschlag ist in den Fällen, in denen sich das Gericht bzw. die Erlassbehörde im selben Mitgliedstaat wie die Bank befindet (Artikel 6 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 3), die Zustellung des Beschlusses nach nationalem Recht durchzuführen (Artikel 24 Absatz 2). Eine zuständige Behörde ist nicht beteiligt. Lediglich bei grenzüberschreitender Zustellung an die Bank erfolgt eine Übermittlung des Beschlusses an die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, die den Beschluss sodann nach der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324 vom 10. Dezember 2007, S. 79) an die Bank zustellt und anschließend eine Zustellbescheinigung erteilt, vgl. Artikel 24 Absatz 3. Es ist somit unklar, ob die Übermittlung der Erklärung der Bank nach Artikel 27 in jedem Fall an die zuständige Behörde zu erfolgen hat oder lediglich in den Fällen einer vorherigen Zustellung durch diese Behörde nach Artikel 24 Absatz 3. Sollte Letzteres gelten, müsste für die Fälle der Zustellung nach Artikel 24 Absatz 2 zusätzlich zum Antragsteller eine Unterrichtung desjenigen, der die Zustellung nach den nationalen Vorschriften veranlasst hat, durch die Bank vorgesehen werden.
- 23. Die Problematik der Beteiligung der zuständigen Behörde wirft aus Sicht des Bundesrates auch hinsichtlich der in Artikel 25 geregelten Zustellung des EuBvKpf an den Antragsgegner Fragen auf. Hier geht der Verordnungsvorschlag in Artikel 25 Absatz 3 und 4 davon aus, dass die zuständige Behörde in allen Fällen bereits nach Artikel 24 Absatz 3 (Zustellung an die Bank durch die zuständige Behörde) am Verfahren beteiligt ist, sobald der Antragsgegner seinen Wohnsitz im Vollstreckungsmitgliedstaat (Artikel 25 Absatz 3) oder in einem Mitgliedstaat hat, der weder Ursprungs- noch Vollstreckungsmitgliedstaat (Artikel 25 Absatz 4) ist. Lediglich im Fall eines Wohnsitzes im Ursprungsmitgliedstaat soll eine Zustellung an den Antragsgegner ohne Einbeziehung der zuständigen Behörde nach nationalem Recht erfolgen (Artikel 25 Absatz 2). Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass in allen Fällen einer Zustellung nach Artikel 24 Absatz 2 an die Bank (ohne Beteiligung der zuständigen Behörde) der Antragsgegner seinen Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat hat und somit eine Beteiligung der zuständigen Behörde nicht erforderlich ist. Stellt man auf den Wohnsitz ab, könnte ebenso eine Zustellung an den Antragsgegner nach Artikel 25 Absatz 4 über die zuständige Behörde in Betracht kommen; die vorherige Zustellung an die Bank (und gegebenenfalls die Rückleitung von deren Erklärung nach Artikel 27) erfolgte jedoch nach Artikel 24 Absatz 2 (Gericht und Bank im selben Mitgliedstaat) ohne Beteiligung der zuständigen Behörde. Hinsichtlich der Zustellung an den Antragsgegner nach Artikel 25 Absatz 3 und 4 kann also nicht davon ausgegangen werden, dass vorher in jedem Fall eine Zustellung des Beschlusses an die Bank durch die zuständige Behörde nach Artikel 24 Absatz 3 erfolgte.
- 24. Ferner sollte klargestellt werden, wie verfahren werden soll, wenn im Antrag gleichzeitig ein Ersuchen nach Artikel 17 (Einholung von Kontoinformation) gestellt wird. Nach Artikel 17 ist der EuBvKpf in diesen Fällen "gemäß Artikel 24" an die zuständige Behörde zu übermitteln, die nach Erhalt der Kontoinformationen den Beschluss nach Artikel 24 der Bank zustellt. Es ist davon auszugehen, dass die zuständige Behörde sowohl nach Artikel 24 Absatz 2 als auch nach Artikel 24 Absatz 3 eine Zustellung veranlassen kann. Eine Zustellung nach Artikel 24 Absatz 2 (nach nationalen Vorschriften) würde sodann immer unter Beteiligung der zuständigen Behörde erfolgen, sobald ein Ersuchen nach Artikel 17 gestellt ist. Da die zuständige Behörde nicht in allen Fällen beteiligt ist, stellt sich auch die Frage, ob die Pfändungsfreigrenzen in den Fällen ohne Beteiligung sodann nach nationalem Recht zu berücksichtigen sind. Eine Bestimmung durch die zuständige Behörde nach Artikel 32 Absatz 3 scheidet hier mangels Beteiligung aus.
- 25. Es unterliegt zudem Bedenken, dass die zuständige Behörde nach Artikel 38 (anderweitige Sicherheitsleistung) befugt sein soll, bei entsprechender Sicherheitsleistung die Vollstreckung des EuBvKpf, also einer gerichtlichen Entscheidung, außer Kraft zu setzen. Auch in diesem Zusammenhang weist der Bundesrat außerdem auf die Problematik hin, dass die zuständige Behörde nach dem Verordnungsvorschlag nicht in sämtlichen Fällen vorher am Verfahren beteiligt wird.
- 26. Der Bundesrat weist darauf hin, dass für den Fall, dass das Verfahren auf Erlass eines EuBvKpf erst nach Erlangung eines vollstreckbaren Titels durchgeführt wird, eine dem Artikel 9 (Prüfung des Antrags) entsprechende Regelung nicht vorgesehen ist. Eine Prüfung sollte jedoch auch hier erfolgen, wenngleich nicht im selben Umfang. Auch hier sollten die Voraussetzungen der Artikel 2 (Anwendungsbereich), 14 (Zuständigkeit), 15 (Antragsformalien) sowie die für die erste Variante in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b geforderte "Notwendigkeit" geprüft werden. Dementsprechend sollte auch der Rechtsbehelf nach Artikel 34 auf die Fälle des bereits vorliegenden vollstreckbaren Titels ausgedehnt werden, soweit er auf die Rüge gegründet wird, dass die genannten Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten.
Bei Mängeln hinsichtlich der Angaben im Formular (Artikel 15) sollte parallel zu Artikel 9 Absatz 2 dem Antragsteller auch in diesem Verfahren die Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt werden.
Auch eine Regelung entsprechend Artikel 12 (etwaige Sicherheitsleistung des Antragstellers) sollte in dieser Fallgestaltung vorgesehen werden. Eine etwaige Haftung könnte sich auch in diesen Fällen aus nationalem Recht ergeben.
- 27. Soweit der Verordnungsvorschlag Regelungen schafft, die einen Bezug zu Vorschriften der "Verordnung Brüssel-I" (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 12 vom 16. Januar 2001, Seite 2) sowie der Unterhaltsverordnung haben, ist darauf zu achten, dass insoweit keine Widersprüche entstehen, sondern die Regelungen konsistent sind.
Mit Blick auf die in Artikel 23 des Verordnungsvorschlags geregelte Abschaffung des Exequaturverfahrens erinnert der Bundesrat an seine Stellungnahme vom 18. März 2011 zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, KOM (2010) 748 endg.; Ratsdok. 18101/10, vgl. BR-Drucksache 833/10(B) . Die Abschaffung des Exequaturverfahrens hinsichtlich einseitiger einstweiliger Maßnahmen zur Vollstreckung, die ohne Vorladung des Schuldners angeordnet wurden, ist aus Gründen des Schuldnerschutzes kritisch zu beurteilen.
- 28. Der Bundesrat geht davon aus, dass Artikel 2 Absatz 4 gestrichen wird, sollte der Verordnungsvorschlag vor den europäischen Rechtsetzungsakten zu den in diesem Absatz genannten Regelungsmaterien verabschiedet werden.
- 29. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.