Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften
(Zweites Pflegestärkungsgesetz - PSG II)

Punkt 8 der 940. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2015

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Begründung:

Als übergeordnetes Ziel haben die Regierungsparteien auf Bundesebene im Koalitionsvertrag vereinbart:

"Pflege muss für alle Menschen, die auf sie angewiesen sind, bezahlbar bleiben." Zudem gilt eine besondere Priorität angesichts des drohenden Fachkraftmangels einer qualitativen aber vor allem auch quantitativen Stärkung der Pflegeausbildung.

Bisher stehen diese beiden Zielsetzungen in einem nur auf Bundesebene aufzulösenden Widerspruch: Die "Bezahlbarkeit" von Pflege hängt nicht nur davon ab, wie auskömmlich der Teilkaskozuschuss der Pflegeversicherung ausfällt, der den pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung steht. Ein mindestens genauso wichtiger Faktor sind die Kosten, die eine gute Pflege verursacht. Dabei werden die Ausbildungskosten bisher faktisch vollständig durch die heute Pflegebedürftigen als Personalkosten über die Pflegesätze finanziert. Dies ist nicht sachgerecht.

Gerade die Sicherstellung einer zukünftigen ausreichenden Fachkraftausbildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln oder durch die Solidargemeinschaft zu finanzieren ist und nicht auf dem Rücken der heutigen Pflegebedürftigen.

Auch in den Ländern, die erfolgreich ein sogenanntes Ausgleichsverfahren (Umlage) zur Aufbringung der Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege nach § 25 Altenpflegegesetz eingeführt haben, übernehmen die Pflegebedürftigen letztendlich einen erheblichen Teil der Ausbildungskosten. Die zur Finanzierung der Ausbildungsvergütungen der Altenpflegeschülerinnen und schüler erforderliche Ausgleichsmasse wird durch die stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen aufgebracht. Diese haben durch die bundesrechtliche Vorschrift des § 82a SGB XI jedoch die Möglichkeit, die Umlagebeiträge durch Aufschläge je Belegungstag bzw. je abgerechnetem Punkt gegenüber den von ihnen betreuten Pflegebedürftigen abzurechnen und somit zu refinanzieren.

Die Auswirkungen erfolgreicher Umlageverfahren machen sich sehr deutlich im ambulanten Bereich bemerkbar. Steigende Schülerzahlen führen zu einem erhöhten Mittelbedarf zur Refinanzierung der Ausbildungsvergütungen in den Umlageverfahren und damit zu höheren Aufschlägen je Belegungstag bzw. je abgerechnetem Punkt. Steigende Ausbildungszahlen sichern daher auf der einen Seite den heute pflegebedürftigen Menschen eine verlässliche pflegerische Versorgung, sie belasten die Pflegebedürftigen bzw. die Sozialhilfeträger auf der anderen Seite durch steigende Kosten. Steigende Ausbildungskosten führen letztendlich auch zu weniger direkter Pflege. Aufgrund der gedeckelten Leistungen der Pflegeversicherung kaufen die Pflegebedürftigen weniger Leistungen bei den ambulanten Pflegediensten ein, wenn die Belastungen durch die Ausbildungsumlage steigen.

Die Länder setzen sich vor diesem Hintergrund auf Bundesebene für eine Neuregelung und eine Übernahme der Ausbildungskosten durch die Pflegeversicherung ein, um so die gesellschaftliche Verantwortung für eine Zukunftssicherung der Pflegeberufe auch finanziell sachgerecht abzubilden. Es ist auch die überwiegende Meinung der Fachministerinnen und Fachminister sowie der Fachsenatorinnen und Fachsenatoren, dass spätestens mit Einführung der gemeinsamen Pflegeausbildung die Kosten der Ausbildung solidarisch finanziert werden müssen. Dies erfordert - wenn nicht der Bund eine Steuerfinanzierung einführt - eine Kostenübernahme durch die Pflegeversicherung. Leider hat die Bundesregierung die Forderung der Länder bislang nicht umgesetzt.

Hinweise darauf, wie dramatisch sich die demographische Entwicklung in den nächsten Jahren auswirken wird, gibt der aktuelle "BARMER GEK Pflegereport 2015": Im Zuge der Vorstellung des Reports wurde darauf hingewiesen, dass sich bei einem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten vier Dekaden um 80 Prozent und bei gleichzeitig sinkendem Erwerbspotenzial im gleichen Zeitraum um voraussichtlich ein Viertel der Anteil der in der Pflege Beschäftigten an der Erwerbsbevölkerung mehr als verdoppeln müsste, um auch nur die derzeitige Relation von Pflegekräften pro Pflegebedürftigem beizubehalten.

Das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereiten aktuell einen Gesetzentwurf für ein neues Pflegeberufegesetz vor. Ziel dieser Novellierung ist, die bestehenden Pflegeberufe zu einem gemeinsamen (generalistischen) Pflegeberuf zusammenzuführen.

Spätestens mit diesem Gesetz ist der Grundsatz umzusetzen:

Die Sicherstellung und Finanzierung des Fachkräftebedarfs durch eine quantitativ und qualitativ gute pflegerische Ausbildung ist eine Aufgabe der Solidargemeinschaft. Krankenversicherung und Pflegeversicherung sind an den Kosten zu beteiligen. Eine Kostenbelastung von Auszubildenden und von pflegebedürftigen oder kranken Menschen darf nicht erfolgen.