Der Bundesrat hat in seiner 963. Sitzung am 15. Dezember 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Bestreben der Kommission, Schwächen des bestehenden Investitionsstreitbeilegungssystems, insbesondere der sogenannten Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS), zu beheben. Er teilt die Einschätzung der Kommission, wonach das geltende Investitionsschutzrecht insbesondere in Bezug auf die Ausgestaltung der Streitbeilegungsverfahren reformbedürftig ist. Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren müssen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Der Bundesrat unterstützt daher nachdrücklich das Ziel, ein reformiertes Investitionsschutzstreitbeilegungssystem zu schaffen, das sich durch Transparenz, Verantwortung, Effizienz und Unparteilichkeit auszeichnet.
- 2. Er weist darauf hin, dass die Schaffung einer neuen ständigen multilateralen Investitionsgerichtbarkeit mit erheblichen Kosten verbunden ist. Es muss eine neue Infrastruktur aufgebaut werden, die entsprechend auszustatten sein wird. Zudem wird nicht unerheblicher finanzieller Aufwand durch die Vergütung der Richterinnen und Richter sowie des sonstigen Personals entstehen. Daher sollte unter Effizienzgesichtspunkten darauf geachtet werden, dass dieser Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Fallaufkommen steht.
- 3. Zum einen wird es aus Sicht des Bundesrates entscheidend darauf ankommen, wie viele Staaten sich an einer multilateralen Investitionsgerichtsbarkeit beteiligen werden. Selbst im Falle eines breiten Teilnehmerkreises gibt er zu bedenken, dass es weltweit bislang nur eine äußerst geringe Zahl von ISDS-Schiedsverfahren gab. Laut den von UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) veröffentlichten Zahlen gab es bislang insgesamt 817 Verfahren. Im Jahr 2016 wurden 69 neue Verfahren eingeleitet. Gleichzeitig gibt es weltweit 3 321 internationale (bi- und multilaterale) Abkommen mit Investitionsschutzregelungen, davon sind rund 2 700 in Kraft. Diese Zahlen mahnen zur Vorsicht, wenn es um den Aufbau kostenintensiver Strukturen für einen speziellen und äußerst überschaubaren Bereich internationaler Streitigkeiten geht.
- 4. Schließlich spricht sich der Bundesrat dafür aus, die mit einer multilateralen Investitionsgerichtsbarkeit verbundenen erheblichen Kosten nicht allein oder im Wesentlichen den Vertragsstaaten aufzubürden. Dies gilt gleichermaßen für die fallbezogenen wie für etwaige Fixkosten (zum Beispiel Fixgehälter der Richterinnen und Richter sowie des sonstigen Personals). Eine solche spezielle Gerichtsbarkeit sollte aus seiner Sicht finanziell von denen getragen werden, die sie nutzen und von dieser Streitbeilegungsmöglichkeit profitieren, also von den Streitparteien und insbesondere von den klageberechtigten Investoren. Er weist darauf hin, dass für Streitigkeiten vor anderen Gerichtsbarkeiten in der Regel Gebühren anfallen, die von den Parteien zu tragen sind. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Streitparteien der Investitionsgerichtsbarkeit insoweit privilegiert werden sollten.
- 5. Nicht zuletzt um eine missbräuchliche Inanspruchnahme eines multilateralen Gerichtshofes zu vermeiden, sollte auch hier der Grundsatz gelten, dass die unterlegene Streitpartei die Kosten des Rechtsstreits trägt ("Der Verlierer zahlt"). Bei einem Teilerfolg sollten diese je nach Obsiegen und Unterliegen anteilig von den Streitparteien getragen werden. Zu diesem Zweck sollte für eine multilaterale Investitionsgerichtsbarkeit ein Gebührensystem geschaffen werden, das ihre Kosten letztlich insgesamt (Fix- und fallbezogene Kosten) trägt und eine kostendeckende Arbeitsweise sicherstellt. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, die Ziffer 13 der Verhandlungsrichtlinien, auf deren Grundlage die Verhandlungen geführt werden (Artikel 2 der Beschlussempfehlung und Anhang), entsprechend anzupassen.
- 6. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.