Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 3322 - vom 7. Juli 2005. Das Europäische Parlament hat die Empfehlung in der Sitzung am 7. Juni 2005 angenommen.
Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Europäischen Rat und den Rat zum "Thema Terroranschläge - Prävention, Vorsorge und Reaktion" (2005/2043(INI))
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf den von Alexander Nuno Alvaro im Namen der ALDE-Fraktion eingereichten Vorschlag für eine Empfehlung an den Rat zu einem integrierten Ansatz auf EU-Ebene, um Terroranschlägen jeder Art vorzubeugen, sich auf sie vorzubereiten, auf sie zu reagieren und mit ihren Folgen fertig zu werden (B6-0081/2005),
- - unter Hinweis auf Titel V des EU-Vertrags,
- - unter Hinweis auf Titel VI des EU-Vertrags, insbesondere die Artikel 29, 30, 31, 32, 34, 39 und 42,
- - unter Hinweis auf den Vertrag über eine Verfassung für Europa, insbesondere die Artikel I-43 und III-284,
- - unter Hinweis auf die zwölf Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus,
- - unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das von der UN-Konferenz der diplomatisch Bevollmächtigten am 17. Juli 1998 verabschiedet wurde,
- - unter Hinweis auf den Aktionsplan zur Bekämpfung des Terrorismus, der vom Europäischen Rat auf seiner Sondertagung vom 21. September 2001 in Brüssel angenommen wurde,
- - in Kenntnis der Erklärungen des informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs vom 19. Oktober 2001 in Gent,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates auf seiner Tagung vom 14. und 15. Dezember 2001 in Laeken,
- - in Kenntnis des Beschlusses 2002/187/JI des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität1,
- - in Kenntnis des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten2,
- - in Kenntnis des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung3,
- - in Kenntnis des Rahmenbeschlusses 2002/465/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen4,
- - in Kenntnis des Rahmenbeschlusses 2003/577/JI des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union5,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates auf seiner Tagung vom 25. und 26. März 2004 in Brüssel,
- - in Kenntnis der Erklärung des Europäischen Rates vom 25. März 2004 in Brüssel zum Kampf gegen den Terrorismus,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates auf seiner Tagung vom 17. und 18. Juni 2004 in Brüssel,
- - unter Hinweis auf den überarbeiteten Aktionsplan der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung, der vom Rat auf seiner Tagung vom 14. Juni 2004 zur Kenntnis genommen wurde,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates auf seiner Tagung vom 4. und 5. November 2004 in Brüssel,
- - unter Hinweis auf das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union6, das von diesem Europäischen Rat verabschiedet wurde,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates auf seiner Tagung vom 16. und 17. Dezember 2004 in Brüssel,
- - in Kenntnis der Mitteilungen der Kommission über die Prävention und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung mithilfe von Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsaustauschs und zur Förderung der Transparenz und der Rückverfolgbarkeit von Finanztransaktionen (KOM (2004) 0700), die Abwehrbereitschaft und Folgenbewältigung bei der Terrorismusbekämpfung (KOM (2004) 0701) und den Schutz kritischer Infrastrukturen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung (KOM (2004) 0702),
- - in Kenntnis der Mitteilungen der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über bestimmte Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Terrorismus und anderer schwerwiegender Formen der Kriminalität, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung des Informationsaustauschs, zu treffen sind (KOM (2004) 0221),
- - unter Hinweis auf den Entwurf eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere in Bezug auf schwerwiegende Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen (10215/2004),
- - gestützt auf Artikel 114 Absatz 3 und Artikel 94 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A6-0166/2005),
A. in der Erwägung, dass die wichtigste Priorität der Europäischen Union bei der Vorsorge und der Reaktion auf Terroranschläge in der Fähigkeit der Gemeinschaftsorgane und der Mitgliedstaaten besteht, Terroranschlägen vorzubeugen,
B. in der Überzeugung, dass eine endlos lange und allgemeine Liste von Vorschlägen für Aktionen nicht ausreicht, um mit dem Terrorismus fertig zu werden,
C. in der Erwägung, dass der Kampf gegen den Terrorismus als Reaktion auf terroristische Anschläge oder in sonstiger Weise immer mit der Verteidigung der Menschenrechte und der Achtung der Grundfreiheiten als wesentliches Element und Kennzeichen unserer Institutionen einhergehen muss, und dass Notstandsgesetzgebungen nicht gegen die Menschenrechte, die Grundfreiheiten und den Datenschutz verstoßen dürfen,
D. in der Erwägung, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine spezifische Strategie für jede einzelne der terroristischen Organisationen erfordert, weshalb ihre Strategie berücksichtigt werden muss, wenn neue Instrumente festgelegt werden,
E. in der Erwägung, dass der diffuse und unberechenbare Charakter terroristischer Organisationen stets ein Vorteil für diese Organisationen ist, da man niemals genau weiß, wie groß ihr Aktionsbereich ist und wo ihre gesellschaftliche Unterstützung beginnt oder endet, weshalb man sie und das soziale Umfeld, das sie schützt und unterstützt, kennen muss, um sie wirksam zu bekämpfen,
F. in der Erwägung, dass diese Organisationen, da sie nicht durch Grenzen oder auf bestimmte geografische Gebiete beschränkt sind, oftmals die mangelnde Transparenz in "gescheiterten und scheiternden Staaten" missbrauchen und in der Lage sind, verheerende Folgen in verschiedenen Staaten gleichzeitig zu verursachen,
G. in der Erwägung, dass, wenn man die Bedrohungen der Union bewertet, der Terrorismus in allen seinen Erscheinungsformen ein noch in Entwicklung befindliches Phänomen ist, weshalb man noch wenig über seine operative Struktur, seine Zeitplanung und darüber weiß, wie oft und in welchen Abständen mit Anschlägen zu rechnen ist,
H. in der Erwägung, dass das nachdrückliche Eintreten für den Pluralismus, die Verschiedenartigkeit, die Menschenrechte und den friedlichen Dialog die beste Prävention und das beste Mittel gegen die Radikalisierung und die schädliche gesellschaftliche Polarisierung, die oftmals Teil und Konsequenz des Phänomens Terrorismus sind, darstellt,
I. in der Überzeugung, dass sich die Prävention auf Information, eine ständige öffentliche Debatte über die Bedrohung durch den Terrorismus, eine kollektive Ablehnung des Terrorismus als politische Strategie und eine Analyse der Gründe, die von einigen als Rechtfertigung für die Weigerung, den Terrorismus abzulehnen, vorgeschoben werden, stützen sollte, wobei zu berücksichtigen ist, dass immer versucht werden muss, zu vermeiden, dass grundlos Alarm ausgelöst und die tatsächliche Art der Bedrohung unrichtig dargestellt wird,
J. in der Erwägung, dass es sich als wichtigstes europäisches Forum für den Dialog mit der Gesellschaft und zwischen den verschiedenen Institutionen der Europäischen Union sieht und daher in der Lage ist, Informationen über terroristische Organisationen und deren Vorgehensweise sowie über die Anstrengungen der Europäischen Union bei deren Bekämpfung auszutauschen,
K. in der Überzeugung, dass die Union zur Bekämpfung des Terrorismus ein für die europäischen Bürger leicht erkennbares europäisches politisches Projekt zur Förderung der inneren und äußeren Sicherheit festlegen und umsetzen muss, und eine Liste mit allgemeinen Maßnahmen nicht ausreicht,
L. in der Überzeugung, dass man nur dann von einer politischen Antwort sprechen kann, wenn es Prävention gibt, denn die andere Seite, die Reaktion, wird auf europäischer Ebene immer ungenügend sein und unter mangelnder Abstimmung leiden,
M. in der Erwägung, dass die interne und externe Sicherheitspolitik der Europäischen Union kohärent sein sollte und dass sich dies in der Funktionsweise ihrer Organe widerspiegeln sollte,
1. richtet folgende Empfehlungen an den Europäischen Rat und den Rat:
- A) im Hinblick auf die Prävention:
- a) die derzeitige Liste erschöpfender und allgemeiner Initiativen gegen den Terrorismus in ein umfassendes und kohärentes europäisches politisches Projekt umzuwandeln, das darauf ausgerichtet ist, den Terrorismus an seinen Wurzeln sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union zu bekämpfen;
- b) die derzeitigen Bemühungen voll und ganz zu unterstützen und, falls erforderlich und angemessen, neue Instrumente und Plattformen zu schaffen, um die Analyse und den Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Polizei- bzw. Geheimdiensten mit Bezug auf terroristische Organisationen und ihre Vorgehensweisen unter Achtung der Grundsätze des Datenschutzes zu ermöglichen und zu fördern;
- c) über die Rolle der Finanzinstitute bei Geldüberweisungen zu wachen, damit vermieden wird, dass verdächtige Kapitalflüsse der Finanzierung terroristischer Aktivitäten dienen;
- d) alle erforderlichen Instrumente für den Austausch von Informationen über verdächtige Terroristen und ihre Organisationen mit Drittstaaten und internationalen Organisationen zu entwickeln und dabei die Achtung der Privatsphäre der Menschen und der Grundsätze des Datenschutzes sicherzustellen;
- e) ein Forum für den Informationsaustausch zwischen allen europäischen Institutionen zu schaffen, in dem halbjährliche Sitzungen stattfinden, in denen der Austausch von Informationen gefördert wird, der in diesem Fall nicht operative Informationen betrifft, sondern bei dem der Schwerpunkt auf der Kenntnis der Strategie und der Vorgehensweise der terroristischen Organisationen und den Anstrengungen der Europäischen Union, diese Organisationen zu bekämpfen, liegt;
- f) eine weit reichende vorbeugende Initiative durchzuführen, die auf dem Dialog zwischen den Kulturen und Religionen basiert, um das Wissen voneinander und das gegenseitige Verständnis zu fördern;
- g) sich ausdrücklich hinter das vom Parlament vorgestellte Pilotprojekt zu stellen, mit dem der Zweck verfolgt wird, den Informationsaustausch zwischen den Polizeidiensten unter Berücksichtigung der Datenschutzvorschriften der Gemeinschaft zu fördern;
- h) die zunehmende Spezialisierung von Europol und Eurojust beim Kampf gegen Terrorismus zu fördern, ihre Rolle bei der Gewinnung und Analyse von Erkenntnissen und bei der Handhabung der europäischen Mechanismen zum Informationsaustausch zwischen den Polizeidiensten der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten zu stärken und das gegenseitige Vertrauen in die europäischen Mechanismen zum Informationsaustausch zwischen den Polizeidiensten der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten zu fördern;
- i) die Ausbildung und die Spezialisierung in der Europäischen Polizeiakademie (CEPOL) auf alle Formen des Terrorismus auszurichten, der in so schwerwiegender Weise die Zukunft der Europäischen Union berührt;
- j) Vertreter des Parlaments einzubeziehen, damit sie an nichtoperativen Informationen teilhaben, und zwar in den halbjährlichen Sitzungen der Direktoren von SCIFA, CATS sowie der Leiter von Europol, Eurojust, EBA, CTPF und SitCen;
- k) europäische Rechtsvorschriften zu fördern, mit denen die Abzweigung und die Lagerung chemischer Vorläufersubstanzen, die für die Herstellung von Sprengstoffen benutzt werden können, mit den größtmöglichen Garantien kontrolliert werden;
- B) im Hinblick auf die Reaktion:
- a) sich für die Protokolle und die Maßnahmen, die automatisch nach der Verübung eines Anschlags angewendet werden, einzusetzen,
- b) das Büro des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung mit den erforderlichen Mitteln auszustatten, um eine Reaktion auf einen Terroranschlag auszuarbeiten und zu koordinieren, die so einheitlich und wirksam wie möglich ist; ferner muss diese Reaktion den Opfern und deren Familien eine absolute Vorrangstellung einräumen,
- c) folgende Maßnahmen mit Bezug auf die Opfer des Terrorismus zu unterstützen:
- - die Einrichtung eines Europäischen Referats für die Unterstützung der Opfer des Terrorismus in der Kommission als Anlaufstelle und zur Kontaktaufnahme mit den europäischen Institutionen,
- - die Unterstützung der Initiative der Kommission, mit der angestrebt wird, dass der Solidaritätsfonds im Fall von Terroranschlägen eingesetzt und als Instrument für die Entschädigung genutzt wird,
- - die Verankerung des Pilotprojekts für die Unterstützung der Opfer des Terrorismus durch die Schaffung einer ständigen Haushaltslinie,
- d) gemeinschaftliche Programme zu unterstützen, die Opfern, die Zeugen terroristischer Akte sind, Schutz bieten,
2. beauftragt seinen Präsidenten,
diese Empfehlung dem Europäischen Rat, dem Rat und, zur Information, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat sowie den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen zu übermitteln.
1 AB1. L 63 vom 6.3.2002, S. l.
2 AB1. L 190 vom 18.7.2002, S. l.
3 AB1. L 164 vom 22.6.2002, S. 3.
4 AB1. L 162 vom 20.6.2002, S. l.
5 AB1. L 196 vom 2.8.2003, S. 45.
6 AB1. C 53 vom 3.3.2005, S. l.