868. Sitzung des Bundesrates am 26. März 2010
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Qualität und Zuverlässigkeit der statistischen Daten zur Lage der öffentlichen Haushalte eine unerlässliche Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit und Funktionsfähigkeit des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts sind. Die aktuelle Sachlage in Bezug auf unzureichende und falsche griechische Budget-Statistiken deutet darauf hin, dass eine erfolgreiche haushaltspolitische Überwachung innerhalb der EU derzeit nicht ausreichend gewährleistet ist.
- 2. Er unterstützt das Anliegen der Kommission, Eurostat mehr Prüfungsrechte einzuräumen, um für die Zukunft statistische Mängel, wie sie im aktuellen Fall Griechenland vorliegen, zu verhindern. Dabei gilt es, zielgenaue, aber auch verhältnismäßige Mittel zu wählen.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten stets an die bestehenden Statistik-Regeln gehalten hat. Deshalb bittet er darauf zu achten, dass sich der Verwaltungsaufwand bei diesen Ländern durch die neuen Statistik-Regeln nicht nennenswert erhöht. Daher ist es ausreichend, wenn Eurostat in den Bereichen bessere Prüfrechte erhält, in denen eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der haushaltspolitischen Überwachung vorliegt oder erhebliche Zweifel an der gelieferten Datenqualität bestehen.
- 4. Diesbezüglich sind die Überprüfungsvoraussetzungen "eindeutige Hinweise auf erhebliche Risiken oder Probleme bei der Datenqualität" (Artikel 11 Absatz 3 Satz 2 (neu)) auf der Grundlage bisheriger Erfahrungen zu präzisieren und unter Benennung konkreter, abschließender Bedingungen auszugestalten.
- 5. Er fordert, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die vertrauliche Behandlung aller von den Mitgliedstaaten Eurostat zur Verfügung gestellten Informationen gewährleistet ist.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren für die vorgenannten Positionen einzutreten.
- 7. Über die notwendigen Verbesserungen im statistischen Verfahren hinaus hält der Bundesrat fest:
- 8. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist einzuhalten. Der Bundesrat erinnert hierzu an seine Entschließung vom 18. Dezember 1992 zum Vertrag von Maastricht, in der er deutlich gemacht hat, dass die Stabilität der Gemeinschaftswährung unter allen Umständen gewährleistet sein muss.
- 9. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die Anwendung der Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion unzureichend ist. Da im gemeinschaftlichen Währungsraum Probleme einzelner Mitgliedstaaten letztlich zulasten der anderen Euro-Teilnehmer gehen, ist zu prüfen, wie kritische Entwicklungen bereits im Vorfeld verhindert werden könnten. Der Bundesrat fordert die Europäische Kommission auf, den durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Artikel 121 Absatz 4 AEUV strikt auf Mitgliedstaaten anzuwenden, welche die Netto-Neuverschuldungsgrenze und die Gesamtverschuldungsgrenze massiv und nachhaltig überschreiten und zugleich notwendige Reformanstrengungen zur Wiederherstellung gesunder Staatsfinanzen und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft unterlassen und dadurch das ordnungsgemäße Funktionieren der Währungsunion gefährden. Die Europäische Kommission soll solche Mitgliedstaaten verwarnen, ihnen konkrete, detaillierte Reformziele vorgeben und die Erreichung dieser Ziele mithilfe von EU-Sonderbeauftragten mit eigenem Arbeitsstab in kurzen Zeitabständen überwachen und bewerten. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, dass die Kommission frühzeitiger und konsequenter von der Möglichkeit eines Frühwarnberichts (Artikel 126 Absatz 3 Unterabsatz 2 AEUV) bei Gefahr eines übermäßigen Defizits Gebrauch macht.
- 10. Der Bundesrat unterstützt den Beschluss der Staats- und Regierungschefs, die auf ihrer informellen Tagung am 11. Februar 2010 Griechenland aufgefordert haben, seinen angekündigten Konsolidierungskurs einschließlich zusätzlicher Maßnahmen strikt und entschlossen umzusetzen und das Haushaltsdefizit in 2010 um 4-Prozent-Punkte des BIP zu verringern.