Der Bundesrat hat in seiner 896. Sitzung am 11. Mai 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat hat sich bereits in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines völkerrechtlichen Vertrags über eine verstärkte Wirtschaftsunion zur Zielsetzung einer Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer fiskalpolitischen Stabilitätsunion bekannt.
- 2. Er begrüßt, dass die Vertragsparteien durch den Fiskalpakt dazu verpflichtet werden, auf nationaler Ebene eine Schuldenbremse einzuführen, die die Einhaltung verbindlicher Haushaltsziele im innerstaatlichen Rechtssystem - unter Wahrung der Kompetenzen der jeweiligen Parlamente - festschreibt.
- 3. Der Bundesrat begrüßt das Ziel, durch eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung die Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und damit das Wachstum in der Wirtschafts- und Währungsunion zu fördern. Er bekräftigt seine Auffassung, dass es zudem einer flankierenden Wachstumsstrategie für die betroffenen Mitgliedstaaten bedarf, die auch den Einsatz der Mittel der Strukturfonds der EU beinhaltet und die Perspektiven für nachhaltiges Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungschancen in der Zukunft eröffnet.
- 4. Der Bundesrat erinnert daran, dass Deutschland mit den verfassungsrechtlich verankerten Schuldenregeln und der begleitenden Einrichtung des Stabilitätsrats bereits umfassende institutionelle und rechtliche Regelungen verabschiedet hat, die die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern im Einklang mit den Vorgaben des mittelfristigen Haushaltsziels sichern. Er geht daher davon aus, dass durch den Fiskalpakt auch nach der noch ausstehenden Konkretisierung bestimmter Vorgaben keine zusätzlichen Anforderungen an das rechtliche Rahmenwerk zur Begrenzung der Neuverschuldung in den öffentlichen Haushalten in Deutschland begründet werden.
- 5. Er stellt fest, dass zum aktuellen Zeitpunkt wesentliche, gemäß Artikel 3 Absatz 1 und 2 des Fiskalpakts geplante Vorschläge der Kommission zur Umsetzung des Fiskalpakts noch nicht bekannt sind. Er sieht es daher als erforderlich an, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene darauf hinwirkt, dass durch die geplanten Konkretisierungen durch die Kommission das im Grundgesetz verankerte Regelwerk zur Schuldenbegrenzung nicht tangiert und die Haushaltsautonomie der Länder nicht beeinträchtigt wird.
- 6. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Bundesregierung insbesondere darauf hinwirkt, dass die Konkretisierung der Bestimmungen des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe e (automatischer Korrekturmechanismus) des Fiskalpakts die Haushaltsautonomie der Länder wahrt; dies betrifft insbesondere mögliche Vorgaben zu Art, Umfang und zeitlichem Rahmen der Korrekturmaßnahmen. Zudem bekräftigt der Bundesrat seine Auffassung, dass dem Stabilitätsrat die zentrale Rolle bei der gemäß Artikel 3 Absatz 2 vorgesehenen Überwachung der Einhaltung der Regelungen zukommen sollte.
- 7. Der Bundesrat sieht darüber hinaus auch bei der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts noch erheblichen Klärungs- und Diskussionsbedarf. Er begrüßt die Bereitschaft des Bundes, mit den Ländern hierzu rasch in Gespräche einzutreten. Gleichzeitig äußert er die Erwartung, dass die Klärung der offenen Fragen sowie die konkrete innerstaatliche Umsetzung des Fiskalpakts schnellstmöglich im konstruktiven Dialog mit dem Ziel einer gemeinsamen Abstimmung zwischen Bund und Ländern erfolgen und den berechtigten Interessen der Länder Rechnung getragen wird.
- 8. Der Bundesrat macht darauf aufmerksam, dass bereits die Umsetzung der Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse innerhalb der geltenden Übergangsfrist bis zum Jahr 2020 die Haushalte der Länder in den kommenden Jahren vor erhebliche Herausforderungen stellt. Angesichts der im Rahmen des Fiskalpakts enthaltenen haushaltspolitischen Verpflichtungen sind die fiskalpolitischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der eingeschlagene Kurs einer nachhaltigen Konsolidierung der Haushalte aller staatlichen Ebenen in Deutschland auch weiterhin beibehalten werden kann.