A. Problem und Ziel
- Seit der gesetzlichen Öffnung des Elektrizitätsmarktes im Jahr 1998 hat sich der Wettbewerb für die einzelnen Kundengruppen unterschiedlich entwickelt.
- Insbesondere im Bereich der Haushalts- und kleinen Gewerbekunden ist die Intensität des Wettbewerbs unzureichend. Das Energiewirtschaftsgesetz 1998 hatte daher zum Schutz dieser Kundengruppe an der besonderen Preisaufsicht nach der Bundestarifordnung Elektrizität festgehalten. Bei der Energierechtsreform 2005 ist die Bundestarifordnung Elektrizität übergangsweise bis Mitte 2007 aufrechterhalten worden. Hintergrund dieser Übergangsregelung war die Erwartung, dass die Einführung der Netzregulierung nach einer Übergangszeit zu einer Intensivierung des Wettbewerbs auch für Kleinkunden führen werde, so dass dann auf eine besondere Preiskontrolle verzichtet werden könne.
- Legt man den Maßstab der tatsächlich erreichten Wettbewerbsintensität im Haushaltskundenbereich an, muss man feststellen, dass die 2005 erwartete Intensivierung bisher nicht eingetreten ist. Insbesondere ist die Zahl der Konkurrenzanbieter auf dem Strommarkt für Kleinkunden weiterhin gering. Auch die geringe Zahl der Haushaltskunden, die zu einem anderen Anbieter wechseln, ist ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb in diesem Bereich noch unzureichend ist.
- Gleichzeitig führt der Preisanstieg auf der Erzeugungs- und Großhandelsstufe auch im Haushaltskundenbereich zu einem so massiven Preisschub, dass eine Kompensation durch die Ergebnisse der Netzregulierung nicht möglich ist.
B. Lösung
- Vor dem Hintergrund der Marktentwicklung seit 2005 ist das Instrument der Strompreisaufsicht zum Schutz der Haushaltskunden weiterhin erforderlich. Durch eine periodische Überprüfung der wettbewerblichen Entwicklung wird gewährleistet dass die Bundestarifordnung Elektrizität nur solange fortgilt, wie die Marktentwicklung dies erfordert.
C. Alternativen
- Wegen der Kontrollintensität der Strompreisgenehmigungspflicht besteht im Interesse eines wirksamen Kundenschutzes keine Alternative zur vorgeschlagenen Lösung.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
- 2. Haushaltsausgaben mit Vollzugsaufwand
Die Fortgeltung der Bundestarifordnung Elektrizität führt zu keinen Mehrkosten.
Hinzuweisen ist ferner darauf, dass bei einem Außerkrafttreten der Bundestarifordnung Elektrizität zusätzliche Personal- und Sachkosten im Bereich der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht entstehen würden.
E. Sonstige Kosten
- Die Beibehaltung der Strompreisaufsicht wird einen bremsenden Effekt bei den Strompreisen für Kleinkunden haben. Bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen führt die Beibehaltung zu keinen Mehrkosten.
Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, den 17. Oktober 2006
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts
mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag zu beschließen.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung in die Tagesordnung der Plenarsitzung des Bundesrates am 3. November 2006 aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Rüttgers
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel I
Das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts wird wie folgt geändert:
- 1. In Artikel 1 werden in § 39 Abs. 1 Satz 2 hinter den Worten "der Allgemeinen Preise treffen" die Worte "und diese von einer Genehmigung abhängig machen" eingefügt.
- 2. In Artikel 5 wird Absatz 3 wie folgt gefasst:
"Die Bundestarifordnung Elektrizität vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2255), geändert durch Artikel 345 der Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) wird wie folgt geändert:
- a) In § 12 Abs. 1 werden die Worte "die Ausgleichsabgabe auf Grund des Dritten Verstromungsgesetzes und" gestrichen.
- b) § 12 Abs. 2 erhält folgende Fassung:
Die Preisgenehmigung wird nur erteilt, soweit das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nachweist, dass entsprechende Preise in Anbetracht der gesamten Kosten- und Erlöslage der Tarifkundenversorgung bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung erforderlich sind. Ein Verstoß gegen das Gebot elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung liegt insbesondere vor, wenn ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen ungünstigere Preise fordert als andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sofern es nicht nachweist, dass der Unterschied auf abweichenden Umständen beruht, die ihm nicht zurechenbar sind. § 111 Energiewirtschaftsgesetz ist entsprechend anzuwenden
- c) § 17 erhält die Überschrift "Entsprechende Anwendung auf die Grund- und Ersatzversorgung" und wird wie folgt gefasst:
§§ 1 bis 16 sind auf die Grund- und Ersatzversorgung nach den §§ 36 und 38 Energiewirtschaftsgesetz entsprechend anzuwenden.
- d) Nach § 17 wird eingefügt:
§ 17a Bericht zur wettbewerblichen Entwicklung im Haushaltskundenbereich Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften alle zwei Jahre, erstmals zum 1. Juli 2008, über die wettbewerbliche Entwicklung der Elektrizitätsversorgung im Kleinkundenbereich.
Artikel II
Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang
Die auf Artikel I Nr. 2 beruhenden Teile der Bundestarifordnung Elektrizität können auf Grund § 39 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz durch Rechtsverordnung geändert werden.
Artikel III
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
Artikel 5 Abs. 3 des Neuregelungsgesetzes zur Energierechtsreform vom 13. Juli 2005 bestimmt, dass die Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) am 1. Juli 2007 außer Kraft tritt.
Hintergrund dieser Übergangsregelung war die Erwartung, dass die Einführung der Netzregulierung nach einer Übergangszeit zu einer Intensivierung des Wettbewerbs auch für Kleinkunden führen werde, so dass dann auf eine besondere Preiskontrolle verzichtet werden könne.
Legt man den Maßstab der tatsächlich erreichten Wettbewerbsintensität im Haushaltskundenbereich an muss man feststellen, dass die 2005 erwartete Intensivierung bisher nicht eingetreten ist. Insbesondere ist die Zahl der Konkurrenzanbieter auf dem Strommarkt für Kleinkunden weiterhin gering. Auch die geringe Zahl der Haushaltskunden, die zu einem anderen Anbieter wechseln, ist ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb in diesem Bereich noch unzureichend ist. Gleichzeitig führt der Preisanstieg auf der Erzeugungs- und Großhandelsstufe auch im Haushaltskundenbereich zu einem so massiven Preisschub, dass eine Kompensation durch die Ergebnisse der Netzregulierung nicht möglich ist.
Vor diesem Hintergrund dieser Marktentwicklung ist das Instrument der Strompreisaufsicht zum Schutz der Haushaltskunden weiterhin erforderlich. Durch die Genehmigungspflicht für die Tarife bzw. Allgemeinen Preise in der Stromversorgung wird gewährleistet, dass die Beschaffungs- und sonstigen Kosten der weiterverteilenden Unternehmen nur in dem tatsächlich erforderlichen Umfang an die Kunden weitergegeben werden. Durch das Gebot der rationellen Betriebsführung werden ferner die weiterverteilenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen angehalten den benötigten Strom so preisgünstig wie möglich zu beschaffen. Hierdurch wird faktischen Bezugsbindungen vor allem bei Stadtwerken vorgebeugt, an denen überörtliche Energieversorgungsunternehmen beteiligt sind. Mittelbar trägt dies dazu bei, den Preisanstieg auf der Großhandelsstufe zu bremsen.
Beschaffung und Vertrieb sind, anders als der Netzbereich, grundsätzlich wettbewerbsoffen.
Die Notwendigkeit einer besonderen Aufsicht über die Haushaltskundenpreise ergibt sich daraus dass das tatsächlich erreichte Maß wettbewerblicher Öffnung in diesem Marktsegment unzureichend ist. Das kundenschützende Instrument der Strompreisaufsicht ist daher nicht mehr erforderlich, wenn auch im Kleinkundenbereich hinreichend wirksamer Wettbewerb erreicht ist. Da die künftige Marktentwicklung nicht verlässlich prognostiziert werden kann, ist eine periodische Berichterstattung über die wettbewerbliche Entwicklung im Kleinkundenbereich vorgesehen. Auf dieser Grundlage kann der Verordnungsgeber entscheiden, ob und in welcher Form eine Beibehaltung der Strompreisaufsicht erforderlich ist.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
I. Zu Artikel I
1. Zu Nummer 1
Die Vorschrift erweitert die Ermächtigung in § 39 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) für eine Verordnung zur Gestaltung der Allgemeinen Preise in der Grund- und Ersatzversorgung.
Der Verordnungsgeber soll ermächtigt werden, Allgemeine Preise von einer Genehmigung abhängig zu machen. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, in Zukunft auf der Regelungsebene der Verordnung darüber zu entscheiden, ob und in welcher Ausgestaltung eine Genehmigungspflicht für Allgemeine Preise in der Stromversorgung erforderlich ist.
2. Zu Nummer 2
Nummer 2 ersetzt die bisherige Übergangsregelung, nach der die Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) zum 1. Juli 2007 außer Kraft treten soll, durch eine inhaltliche Anpassung der Bundestarifordnung Elektrizität. Diese soll ohne feste zeitliche Begrenzung fortgelten, ihre Erforderlichkeit aber im Lichte der wettbewerblichen Entwicklung periodisch überprüft werden (§ 17a).
a) Zu Buchstabe a)
Die Vorschrift dient der Anpassung an die veränderte Rechtslage nach dem Außerkrafttreten des Dritten Verstromungsgesetzes.
b) Zu Buchstabe b)
Durch die Vorschrift werden die Voraussetzungen für die Erteilung der Strompreisgenehmigung geregelt. Ausgangspunkt der behördlichen Prüfung ist wie bisher eine kostenorientierte Prüfung; diese soll sich auf die gesamte Kosten- und Erlöslage der Tarifkundenversorgung beziehen wobei das Gebot elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung zu beachten ist (Satz 1). Satz 2 konkretisiert das Gebot elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung durch eine vergleichsorientierte Vermutungsregelung. Danach dürfen Allgemeine Preise nicht höher sein als die Preise anderer Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sofern das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht nachweist, dass der Unterschied auf strukturellen, von ihm nicht beeinflussbaren Gründen beruht. Satz 3 stellt durch entsprechende Anwendung des § 111 EnWG klar, dass im Preisgenehmigungsverfahren - wie im Rahmen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht - keine originäre Kontrolle der Netzkosten erfolgt. Dies ist Aufgabe der Regulierung. Grundsätzlich sind der Preisgenehmigung daher die nach den Regulierungsvorschriften zulässigen Netzentgelte zugrunde zu legen.
c) Zu Buchstabe c)
Die Vorschrift stellt klar, dass die Bundestarifordnung Elektrizität auch für die Allgemeinen Preise der Grund- und Ersatzversorgung gilt. Dies entspricht der bisherigen Praxis.
d) Zu Buchstabe d)
Die Vorschrift sieht eine periodische Berichterstattung durch die Bundesregierung über die wettbewerbliche Entwicklung im Kleinkundenbereich vor. Auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob eine Fortgeltung, Anpassung oder Aufhebung der Bundestarifordnung Elektrizität angezeigt ist. Die Bundesregierung kann in ihrem Bericht entsprechende Vorschläge machen.
II. Zu Artikel II
Die Vorschrift soll auch für die durch dieses Gesetz geänderten Regelungen der Bundestarifordnung Elektrizität die Möglichkeit einer späteren Änderung durch den Verordnungsgeber eröffnen sie ergänzt die Ermächtigung in Artikel I Nr. 1.
III. Zu Artikel III
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.