Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels

834. Sitzung des Bundesrates am 8. Juni 2007

A.

Der federführende Wirtschaftsausschuss und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 20 Abs. 4 Satz 2 GWB)

Artikel 1 Nr. 2 ist zu streichen.

Folgeänderung:

In der Überschrift des Gesetzes sind die Wörter "und des Lebensmittelhandels" zu streichen.

Begründung

[Die vorgeschlagene Erweiterung des Verbotes von Untereinstandspreisverkäufen bei Lebensmitteln ist weder geeignet noch erforderlich, um die in der Begründung des Gesetzentwurfs genannten Ziele zu erreichen. [nur Wi]

Der gelegentliche Verkauf unter dem Einstandspreis ist ein legitimer Wettbewerbsparameter und natürlicher Bestandteil marktwirtschaftlichen Verhaltens. Wenn die Nutzung dieses Parameters in einem wichtigen Segment des Handels grundsätzlich untersagt werden soll, bedarf es dafür gravierender und empirisch belegter Gründe. Außerdem muss ein Gesetz geeignet und erforderlich sein, um die in der Begründung genannten Ziele zu erreichen. Keine dieser Voraussetzungen vermag das vorgeschlagene generelle Verbot von Untereinstandspreisverkäufen bei Lebensmitteln zu erfüllen.

In der Begründung des Gesetzentwurfs ist wiederholt die Rede davon, kleine und mittlere Betriebe seien den "Niedrigpreis-Strategien" der großen Handelsunternehmen nicht gewachsen. Niedrigpreis-Strategien sind aber bereits durch die geltende Fassung des § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB abgedeckt. Inwiefern gerade nur "gelegentliche", also vereinzelte, nicht regelmäßig oder systematisch wiederholte Untereinstandspreisverkäufe zu einer Verdrängung von Wettbewerbern führen können, ist nicht nachvollziehbar. Andererseits ist die angestrebte Untersagung einzelner Untereinstandspreisverkäufe per se nicht geeignet, im jeweiligen Einzelfall der potenziellen Gefahr der Verdrängung kleiner oder mittlerer Handelsbetriebe spürbar entgegenzuwirken. Nach den Erfahrungen des Bundeskartellamtes ist Grund für den angeblich "ruinösen Preiskampf im Lebensmittelhandel" nicht eine zu weitgehende Möglichkeit des Verkaufs unter Einstandspreis oder eine zu wenig effektive Durchsetzung des bestehenden Verbots, sondern vielmehr eine erhebliche Nachfragemacht auf Seiten großer Lebensmittelhändler, insbesondere der Discountanbieter. Schon ein Angebot zum Einstandspreis der großen Lebensmittelhändler unterbietet die Preise kleiner und mittlerer Betriebe in der Regel in erheblichem Umfang. Insoweit ist zu befürchten, dass ein erweitertes Verbot - bei gegebener Adressatenstellung - vor allem zu Lasten des Mittelstandes gehen könnte. Dieser ist möglicherweise auf Grund geringerer Nachfragevolumina und dementsprechend schlechterer Einkaufskonditionen dann besonders häufig von dem Verbot betroffen.

Ein wesentlicher Ansatzpunkt für die vorliegende Problematik liegt also nicht im Horizontalverhältnis zu kleinen und mittleren Lebensmittelhändlern, sondern im Vertikalverhältnis zwischen den großen Händlern und den Lebensmittelproduzenten. Das häufig beklagte "Verramschen von Lebensmitteln" hat seine wesentliche Ursache in den oft extrem niedrigen Einkaufspreisen der großen Handelsbetriebe. Nach der hierfür maßgeblichen Vorschrift des § 20 Abs. 3 GWB dürfen marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktstellung nicht dazu ausnutzen, andere Unternehmen dazu aufzufordern oder zu veranlassen, ihnen ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren. Diese Vorschrift wurde erst 2005 im Rahmen der letzten Kartellnovelle verschärft; ihre Anwendungsmöglichkeiten gilt es zunächst auszuloten. Die vorgeschlagene Ausweitung des § 20 Abs. 4 GWB ist aus diesem Grund auch nicht erforderlich, um die angestrebten Ziele zu erreichen.]

Allein die Feststellung des Einstandspreises in jedem Einzelfall würde zu einem erheblichen Ermittlungsaufwand und entsprechend höherem Personalbedarf bei den Kartellbehörden führen, worauf in der Gesetzesbegründung zu Recht hingewiesen wird. Die Berücksichtigung nicht nur direkt zurechenbarer Abzüge wie Skonto und Rabatt, sondern die anteilige Umlage von Jahresboni, Werbekostenzuschüssen, Verkaufsförderungsentgelten, Umsatzvergütungen und ähnlichen Sonderkonditionen nach der einschlägigen, mehrseitigen Bekanntmachung des Bundeskartellamtes bei jedem einzelnen vermuteten Untereinstandspreisverkauf führt zu einem unverhältnismäßigen Aufwand.

Dies gilt im Übrigen auch für die Prüfung etwaiger Rechtfertigungsgründe. Denn die geforderte Eignung einer verkaufsfördernden Maßnahme wie einer Preissenkung zur Verhinderung des Verderbs oder drohender Unverkäuflichkeit etwa von Saisonware kann auch schon deutlich vor dem Erreichen des jeweiligen Datums gegeben sein. Dem sorgfältigen Kaufmann wird man nicht verwehren können, bei zu großen Vorräten wegen stagnierenden Absatzes, Fehldispositionen bei Einkauf bzw. Lieferung oder ungewöhnlicher Wärme frühzeitig auf das Verlustrisiko zu reagieren. Es ist praktisch ausgeschlossen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch unvertretbar, dass eine Kartellbehörde wegen eines einzelnen Sonderangebotes solche betriebswirtschaftlichen Erwägungen justiziabel widerlegt. [Die Qualität von Lebensmitteln lässt sich über das Verbot gelegentlicher Verkäufe unter Einstandspreis schon aus den vorstehend genannten Gründen nicht sichern. Das gilt erst Recht für den in der Regel kriminell motivierten Verkauf von so genanntem Gammelfleisch. Gesundheitsgefahren können nicht die Kartellbehörden, sondern allenfalls die Lebensmittelkontrolleure begegnen. Im Übrigen ist den Verbrauchern sehr wohl bewusst, dass ein besonders niedriger Preis häufig durch industrieähnliche Massenproduktion zu erklären ist.]

2. Zu Artikel 2 Nr. 2a - neu - (§ 66 Abs. 3, Nr. 4a - neu - § 79 Abs. 2 EnWG)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Der § 79 EnWG ist im Regierungsentwurf des EnWG (am 28. Juli 2004 verabschiedete das Bundeskabinett den Entwurf "Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechtes" (vgl. BR-Drs. 613/04 (PDF) vom 13. August 2004)) bereits in der Begründung kommentiert mit: "Die Vorschrift übernimmt § 67 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen."

Auch die Verabschiedung laut BT-Drs. 015/3917 vom 14. Oktober 2004 beinhaltet diese Begründung noch.

§ 67 Abs. 2 GWB:

"Richtet sich eine Beschwerde gegen eine Verfügung einer obersten Landesbehörde, ist auch das Bundeskartellamt an dem Verfahren beteiligt."

Die §§ 66 Abs. 3 und 79 Abs. 2 EnWG sind dem Zeitfaktor bei der Überarbeitung des EnWG im Rahmen des Vermittlungsausschusses zum Opfer gefallen. In den nunmehr noch im Gesetz enthaltenen Fassungen gehen die Formulierungen noch vom Regierungsentwurf aus, wo ausschließlich die Bundesnetzagentur ohne Beteiligung der Länder die Netzentgelte regulieren sollte. Dies sollte im Übrigen auch expost und nicht exante erfolgen. Vor diesem Hintergrund war das Nachempfinden aus dem GWB berechtigt, nicht aber mit dem verabschiedeten EnWG, wo klar die Zuständigkeiten der Länder im § 54 EnWG geregelt sind und wo eindeutig die Genehmigung der Entgelte nach § 23a EnWG exante zu erfolgen hat.

§§ 66 Abs. 3 und 79 Abs. 2 EnWG findet dann Anwendung, wenn es um Entscheidungen im nicht regulierten Bereich geht, also primär bei Entscheidungen der Energieaufsichtsbehörden und Kartellbehörden der Länder.

Zur Zeit der Gesetzesbegründung (2004) konnte der Gesetzgeber noch gar keine parallele Zuständigkeit der Länder- und Bundesregulierungsbehörden berücksichtigen, da sie nicht beabsichtigt war und erst im Ergebnis der Beratungen des Vermittlungsausschusses entstanden ist.

Des Weiteren kommt man, wenn der Auffassung der Bundesnetzagentur zur ihrer Beteiligung an Verfahren gefolgt werden würde, die in die Zuständigkeit der Länder gemäß § 54 EnWG fallen, in den Bereich der nicht zulässigen Mischverwaltung zwischen Land und Bund.

Gerade im Bereich der Netzentgeltgenehmigungen neigen die OLG in einzelnen Punkten zu teilweise unterschiedlichen Auffassungen. Die Landesregulierungsbehörden müssen ihre Auffassungen vor dem zuständigen OLG vertreten. Insofern wird es schon aus dieser Systematik heraus ad absurdum geführt, dass die Bundesnetzagentur an Verfahren, die sich in der Zuständigkeit der Länder befinden, beteiligt werden will, um ggf. ihre eigene Rechtsauffassung auf diesem Wege durchzusetzen. Das zuständige OLG für die Bundesnetzagentur ist ausschließlich das OLG Düsseldorf. Selbstverständlich können die Landesregulierungsbehörden auf freiwilliger Basis die Bundesnetzagentur an ihren Verfahren beteiligen, ein gesetzlicher Anspruch ergibt sich aus § 79 Abs. 2 EnWG nicht.

Dies hat offenkundig auch die Bundesnetzagentur erkannt, denn ansonsten wäre auch der Weg über Artikel 2 Nr. 13 Buchstabe b und Nr. 16 des KWKG-Entwurfs überflüssig.

Mit den zuständigen Landesbehörden sind sowohl die Energieaufsicht als auch die Landeskartellbehörde gemeint.

3. Zu Artikel 2 Nr. 4 Buchstabe b - neu - (§ 69 Abs. 5 Satz 2 - neu - EnWG)

Artikel 2 Nr. 4 ist wie folgt zu fassen:

Begründung

Die Regelung entspricht § 107 Satz 2 StPO. Der Betroffene hat ein Interesse daran, dass dokumentiert wird, welche konkreten Gegenstände die Behörde beschlagnahmt bzw. verwahrt. Die nach § 96 Abs. 4 EnWG vorgesehene Niederschrift muss dagegen nur das "wesentliche Ergebnis" der Durchsuchung enthalten, nicht jedoch eine detaillierte Auflistung. Eine Ergänzung ist daher angemessen.

4. Zu Artikel 2 Nr. 4a - neu - (§ 73 Abs. 1 Satz 2 EnWG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 4 folgende Nummer einzufügen:

Begründung

Das Verwaltungszustellungsgesetz wurde durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2005 (VwZRNovG) geändert. Der frühere § 5 Abs. 2 VwZG ist nun § 5 Abs. 4 VwZG.

5. Zu Artikel 2 Nr. 5a - neu - ( § 86 Abs. 1 EnWG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 5 folgende Nummer einzufügen:

Begründung

Die Rechtsbeschwerdemöglichkeiten in den §§ 86, 87 EnWG sollten - parallel zum entsprechenden Rechtsweg in den §§ 74, 75 GWB - auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Eilverfahren erstreckt werden.

§ 74 Abs. 1 GWB wurde in der 7. GWB-Novelle 2005 auf Antrag des Bundesrates hin im Vermittlungsverfahren in diesem Sinne geändert. Eine parallele Änderung des EnWG bei der zeitgleichen Novellierung dieses Gesetzes unterblieb bei Erlass des EnWG trotz eines entsprechenden Bundesratsantrags.

Mit der vorgeschlagenen Regelung könnten auch in Verfahren nach dem EnWG Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof zugeführt werden, selbst wenn es in der Hauptsache - wie es häufig der Fall ist - nicht mehr zu einer rechtsbeschwerdefähigen Entscheidung kommt. Das EnWG beschränkt bereits jetzt die Rechtsbeschwerde in der Hauptsache auf Leitfälle von grundsätzlicher Bedeutung, um den Bundesgerichtshof zu entlasten (§ 86 Abs. 2 EnWG). Derselbe Maßstab sollte auch für Rechtsbeschwerden im Eilverfahren gelten und sicherstellen, dass der Bundesgerichtshof nicht mit einer übergroßen Zahl an vorläufigen Verfahren befasst wird.

Gerade im Zusammenhang mit der Netzregulierung tritt eine Vielzahl neuer, ungeklärter Rechtsfragen auf. Wenn die Eilentscheidung von einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt, eine richterliche Rechtsfortbildung im Raume steht oder das entscheidungserhebliche Rechtsproblem nicht einheitlich entschieden oder sehr kontrovers diskutiert wird, kann das befasste Oberlandesgericht geneigt sein, eine richtungweisende Entscheidung dem Hauptsacheverfahren mit dem Ziel einer höchstrichterlichen Klärung vorzubehalten. In solchen Fällen, in denen bisher ungeklärte Rechtsfragen entscheidungserheblich sind, kann nur die Eröffnung der Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum Bundesgerichtshof einen effektiven zeitnahen Rechtsschutz gewährleisten. Spätere Entscheidungen in der Hauptsache über Sachverhalte, die möglicherweise Jahre zurückliegen, befriedigen die Beteiligten oft nicht mehr. Für die Verfahrensbeteiligten hat der Eilrechtsschutz faktisch daher vielfach eine größere Bedeutung als das Hauptsacheverfahren. Dem wird mit der Eröffnung einer Rechtsbeschwerdeinstanz im Eilverfahren Rechnung getragen.

Hebt das Oberlandesgericht eine Auskunftsverfügung der Regulierungsbehörde gemäß § 69 EnWG auf - etwa weil es den Anfangsverdacht missbräuchlichen Handelns verneint oder das der Auskunftsverfügung zu Grunde liegende Verfolgungskonzept der Kartellbehörde nicht billigt -, so muss die Behörde das Missbrauchsverfahren in der Regel einstellen. Zu einer Klärung der einschlägigen Rechtsfragen beim Bundesgerichtshof - selbst wenn diese grundsätzlicher Natur sind - kann es nicht kommen, da keine Entscheidung der Regulierungsbehörde in der Sache ergehen und kein Hauptsacheverfahren vor den Gerichten durchgeführt werden wird. Es ist unangemessen, dass damit faktisch das OLG endgültig über die Berechtigung eines Missbrauchsvorwurfs urteilt.

6. Zu Artikel 2 Nr. 6a - neu -* (§ 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a - neu - EnWG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 6 folgende Nummer einzufügen:

Begründung

Entscheidungen über individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV haben einen nicht unerheblichen Bearbeitungsumfang, ähnlich dem der gebührenpflichtigen Entscheidungen nach § 23a EnWG. Die Erhebung von Verwaltungsgebühren ist daher wirtschaftlich angemessen. Bisher fehlt jedoch eine Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Gebühren. Der Gebührenkatalog des § 91 Abs.1 EnWG muss daher entsprechend ergänzt werden.

7. Zu Artikel 2 Nr. 6a - neu -* ( § 110 Abs. 3 EnWG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 6 folgende Nummer einzufügen:

Begründung

Richtigstellung eines redaktionellen Versehens.

B.

8. Der Agrarausschuss, der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.


* Ist bei Annahme von Ziffer 6 und 7 redaktionell anzupassen.