950. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2016
A
Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 4 ( § 289c Absatz 2 HGB)
Die gesetzlichen Vorgaben des § 289c Absatz 2 HGB-E gehen hinsichtlich des Inhalts der nichtfinanziellen Erklärung über das zwingend notwendige Maß der Umsetzung der Richtlinie hinaus. Der Gesetzentwurf übernimmt die in Erwägungsgrund 7 der CSR-Richtlinie aufgezählten Konkretisierungen der Belange Umwelt, Arbeitnehmer, Soziales, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Diese Ausführungen erhalten damit Gesetzescharakter. Zwar werden diese durch das Wort "beispielsweise" relativiert. Dies entspricht aber nicht den Vorgaben der CSR-Richtlinie.
Die beispielhaften Aufzählungen sollten aus dem Gesetzestext gestrichen werden, um Missverständnissen vorzubeugen.
2. Hauptempfehlung zu Ziffer 16 Satz 1 und 2 Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 289c Absatz 2 Nummer 1 HGB)
In Artikel 1 Nummer 4 ist in § 289c Absatz 2 Nummer 1 das Wort "Umweltbelange" durch die Wörter "Umwelt- und Klimaschutzbelange" zu ersetzen.
Begründung:
Die Klimaschutzbelange der Geschäftstätigkeit sollten in jedem Fall Bestandteil der nichtfinanziellen Erklärung sein, da Informationen über die Treibhausgasemissionen eines Unternehmens bzw. seiner Lieferketten angesichts des G-7-Zieles der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts für Investoren aber auch für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie andere Stakeholder von besonderer Bedeutung sind.
3. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 289c Absatz 2 Nummer 1 HGB)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 289c Absatz 2 Nummer 1 die Wörter "oder den Schutz der biologischen Vielfalt" durch die Wörter ", den Schutz der biologischen Vielfalt, den Flächenverbrauch, die Lärmemissionen, die Abfallmenge oder die Vermeidung von Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Organismen" zu ersetzen.
Begründung:
In Anlehnung an § 2 Absatz 3 UIG sollten auch folgende Umweltbelange mit Bezug auf die Entscheidungen der Verbraucher ausdrücklich berücksichtigt werden: Flächenverbrauch, Lärm, Abfallerzeugung und die Vermeidung von Auswirkungen des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 289c Absatz 2 Nummer 4 HGB)
In Artikel 1 Nummer 4 ist in § 289c Absatz 2 Nummer 4 nach dem Wort "können" das Komma durch ein Semikolon und das Wort "und" durch die Wörter "im Fall von Lieferketten legen die Unternehmen offen, welche Maßnahmen für die Lieferkette ergriffen werden, um zu erreichen, dass Menschenrechte weltweit geachtet und Zwangs- und Kinderarbeit sowie jegliche Form der Ausbeutung verhindert werden, und" zu ersetzen.
Begründung:
Im Gesetzentwurf für das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz ist die Aufnahme einer Regelung im Handelsgesetzbuch zu Human Rights Due Diligence vorgesehen.
§ 289c Absatz 3 Nummer 1 und 2 HGB-E regelt die nichtfinanziellen Erklärungen zu den von den Kapitalgesellschaften verfolgten Konzepten und der von den Kapitalgesellschaften angewandten Due-Diligence-Prozessen. In § 289c Absatz 2 Nummer 4 HGB-E werden die Menschenrechte zwar benannt, konkretisierende Ausführungen fehlen allerdings.
Deutlicher ist die Darstellung im Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), der diese Standards unter Nummer 17 der Kriterien aufgenommen hat. Danach legt das Unternehmen offen, welche Maßnahmen für die Lieferkette ergriffen werden, um zu erreichen, dass Menschenrechte weltweit geachtet und Zwangs-und Kinderarbeit sowie jegliche Form der Ausbeutung verhindert werden.
Im Rahmen der Ziele für die Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung - Sustainable Development Goals (SDGs) - sind allgemeine Zielsetzungen entstanden, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Menschenrechte in den Vordergrund stellen, unter anderem hat SDG 8 menschenwürdige Arbeit als Ziel.
Auch die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes führt hierzu aus:
"Ziel des SDG
- (8) ist der Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise. Im Kern geht es darum, wie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, der Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen sowie die soziale Verantwortung mit Blick auf menschenwürdige Arbeit und Arbeitsplatzschaffung sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene verwirklicht werden können."
Dieser Zielsetzung sollte durch eine Konkretisierung der Berichtspflicht Rechnung getragen werden.
5. Hauptempfehlung zu Ziffer 16 Satz 3 und 4 Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 289c Absatz 2 Nummer 6 - neu - HGB)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 289c Absatz 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 4 ist das Wort "und" am Ende zu streichen.
- b) In Nummer 5 ist der Punkt am Ende durch das Wort ", und" zu ersetzen.
- c) Folgende Nummer 6 ist anzufügen:
"6. Belange von Verbraucherinnen und Verbrauchern als Vertragspartner der Kapitalgesellschaft, insbesondere, wenn angebracht, Angaben zum Schutz der personenbezogenen Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern, zur Verbraucherbetreuung und -information oder zum Beschwerdemanagement."
Begründung:
Das BMJV hat in 2015 eine entsprechende Nummer zur Berichterstattung auch über Verbraucherbelange zur Diskussion gestellt. Da Verbraucherinnen und Verbraucher Hauptadressaten des Gesetzes sind, erscheint es naheliegend, dass die Berichterstattung auch die Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar betreffende Sachverhalte umfasst.
6. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 289c Absatz 3 Nummer 4 HGB)
Nach § 289c Absatz 3 Nummer 4 HGB sind in der nichtfinanziellen Erklärung auch Angaben zu den wesentlichen Risiken zu machen, die mit den Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, ihren Produkten und Dienstleistungen verknüpft sind.
Dies kann nach der Gesetzesbegründung auch wesentliche Angaben über die Lieferkette und die Kette von Subunternehmern umfassen, falls dies relevant und verhältnismäßig ist. Insbesondere sollten nach der Begründung "die berichtspflichtigen Unternehmen auch prüfen, ob die Berichterstattung über die Lieferkette im Hinblick auf die Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen verhältnismäßig ist". Trotz dieser einschränkenden Erläuterung bleibt zu befürchten, dass die praktische Umsetzung mit erheblichen Rechtsunsicherheiten belastet sein wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass kleine und mittlere Unternehmen mittelbar in nicht unerheblicher Weise von den CSR-Berichtspflichten betroffen sein werden, da eine Präzisierung nur im Rahmen der Gesetzesbegründung erfolgt.
Es sollte daher eine ausdrückliche Beschränkung der Berichtspflicht auf die erste Zulieferebene im Gesetzestext erfolgen.
7. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 289c Absatz 3 Nummer 4 HGB)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 289c Absatz 3 Nummer 4 die Wörter "sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen" durch die Wörter "wahrscheinlich negative Auswirkungen" zu ersetzen.
Begründung:
Die Berichtspflicht in Nummer 4 bringt einen echten Mehrwert für die Konsumentinnen und Konsumenten mit sich, indem grundsätzlich auch wesentliche Angaben über die Lieferkette und die Kette von Subunternehmern und die damit verbundenen Risiken für die in der nichtfinanziellen Erklärung aufzuführenden Aspekte (z.B. Umwelt- und Sozialbelange) gemacht werden müssen. Der Gesetzentwurf schränkt den Schutzbereich der Richtlinie aber dahingehend ein, dass nur noch solche wesentlichen Risiken einbezieht, die "sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen" haben werden, während die Richtlinie ausdrücklich bereits solche Risiken aufführt, die bloß "wahrscheinlich negative Auswirkungen" haben werden. Dies ist eine unzulässige Einschränkung des Richtlinienwortlauts, die über eine bloße Konkretisierung unter Heranziehung von Erwägungsgrunds 8 der Richtlinie hinausgeht und damit die Grenze der Auslegung überschreitet.
8. Zu Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe b, Nummer 24 Buchstabe b und Nummer 27 Buchstabe b (§ 334 Absatz 3, 3a und 3b, § 340n Absatz 3, 3a und 3b und § 341n Absatz 3, 3a und 3b HGB)
Die in Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe b, Nummer 24 Buchstabe b und Nummer 27 Buchstabe b enthaltenen Bußgeldvorschriften (§ 334 Absatz 3 bis 3b, § 340n Absatz 3 bis 3b und § 341n Absatz 3 bis 3b HGB-E) sind in der Fassung des Gesetzentwurfs nicht zwingend durch die umzusetzende CSR-Richtlinie vorgegeben.
Der vorgesehene Bußgeldrahmen ist deutlich zu hoch. Er ist in Bezug auf die nichtfinanzielle Berichterstattung nicht erforderlich und nicht verhältnismäßig.
Der Bußgeldrahmen der § 334 Absatz 3 bis 3b, § 340n Absatz 3 bis 3b und § 341n Absatz 3 bis 3b HGB-E sollte daher angemessen reduziert werden.
Zum Gesetzentwurf insgesamt
- 9. Der Bundesrat begrüßt, dass große Unternehmen zukünftig nicht nur über betriebswirtschaftliche, sondern auch über nichtfinanzielle Informationen berichten sollen. Solche Informationen spielen für Investoren, Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher eine immer größere Rolle bei der Entscheidung über Investitionen. Damit werden sie Teil eines umfassenden Risikomanagements werden.
- 10. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sollte der Anwendungsbereich des Gesetzes weiter gefasst werden. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass durch den im Gesetzentwurf vorgesehen Anwendungsbereich der erklärte Zweck der Richtlinie, die Transparenz für Investoren und Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen, nicht umfassend erreicht wird. Denn nach dem Gesetzentwurf werden nur kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften erfasst. In Deutschland gibt es aber einen weit höheren Anteil an nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen als in anderen Ländern. Der Bundesrat sieht es daher als zielführend an, den Anwendungsbereich auf große, nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen auszuweiten. Hierzu könnte das Kriterium des Jahresumsatzes herangezogen werden.
- 11. Zur Verbesserung der Rechtssicherheit für Unternehmen und der Transparenz sollten die Berichte anhand von international anerkannten, standardisierten Regelwerken erarbeitet werden, zum Beispiel dem UN Guiding Principles Reporting Framework oder den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Dies würde die Vergleichbarkeit der Berichte verbessern.
- 12. Die Berichtspflichten sollten nicht nur bestehen, wenn sie Auswirkungen auf die Werthaltigkeit des Unternehmens haben. Es sollten sowohl jeweils diejenigen Angaben zu machen sein, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens als auch diejenigen, die für das Verständnis der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die genannten Aspekte erforderlich sind.
- 13. Zur verbesserten Wirksamkeit der Richtlinie sollte eine Berichtspflicht für Unternehmen auch diejenigen wesentlichen Risiken umfassen, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens verknüpft sind und die wahrscheinlich negative Auswirkungen auf die entsprechenden Aspekte haben oder haben werden.
- 14. Berichte über finanzielle und nichtfinanzielle Informationen sollten zum gleichen Zeitpunkt veröffentlicht werden. Dies sichert dem CSR-Bericht eine größere Aufmerksamkeit und damit Wirksamkeit.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, eine Evaluierung der Richtlinie vorzusehen und dabei auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu überprüfen.
16. Hilfsempfehlung zu Ziffern 2 und 5
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Berichtspflicht über Umweltbelange vor. Diese Berichtspflicht sollte auf Belange des Klimaschutzes erweitert werden. Ebenso sollten Belange des Verbraucherschutzes berücksichtigt werden. Diese Belange sind für Investoren und auch für Verbraucherinnen und Verbraucher von großer Bedeutung.
B
- 17. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik und der Ausschuss für Frauen und Jugend empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.