925. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2014
A
Der federführende Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 01 (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1)*
In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 0 1 einzufügen:
- '01. In § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 werden nach dem Wort "Kraftfahrzeugverkehr" die Wörter ", der Standstreifen zwischen Anschlussstellen einer Straße zum Zweck der Nutzung als Fahrstreifen," eingefügt.'
Begründung:
Im Interesse eines besseren Schutzes der Bevölkerung vom Straßenverkehrslärm unterliegen Standstreifen, die nach baulichen Maßnahmen als Fahrstreifen genutzt werden, der Verkehrslärmschutzverordnung und deren Neubaugrenzwerten. Bereits im Nationalen Verkehrslärmschutzpaket I vom 2. Februar 2007 strebte die Bundesregierung einen verbesserten Lärmschutz bei der Umnutzung von Standstreifen an.
*Bei Annahme der Ziffern 1 bis 4 ist der Beschluss redaktionell anzupassen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 01 - neu - (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, Satz 2)
In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 01 einzufügen:
'01.
§ 1 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 Nummer 2 wird die Angabe "70 Dezibel (A)" durch die Angabe "65 Dezibel (A)" und die Angabe "60 Dezibel (A)" durch die Angabe "55 Dezibel (A)" ersetzt.
- b) In Satz 2 wird die Angabe "70 Dezibel (A)" durch die Angabe "65 Dezibel (A)" und die Angabe "60 Dezibel (A)" durch die Angabe "55 Dezibel (A)" ersetzt.'
Begründung:
Die Regelung stellt sicher, dass durch wesentliche Änderung von Verkehrswegen keine weiteren Sanierungsfälle geschaffen werden können. Nach neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung treten bereits bei Lärmbelastungen mit Pegeln oberhalb von 65 Dezibel (A) am Tag und 55 Dezibel (A) in der Nacht zunehmend Gesundheitsbeeinträchtigungen auf. So wurde in einem ersten Schritt der Immissionsgrenzwert für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen auf 67 Dezibel (A) am Tag und 57 Dezibel (A) in der Nacht herabgesetzt.
3. Zu Artikel 1 Nummer 01 - neu - (§ 2 Absatz 4 - neu -)
In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 0 1 einzufügen:
- '01. Dem § 2 wird folgender Absatz 4 angefügt:
(4) Werden die in Absatz 1 genannten Immissionsgrenzwerte auf Grund einer Vorbelastung durch andere Straßen oder andere Schienenwege überschritten, muss der vom zu beurteilenden Verkehrsweg verursachte Immissionsbeitrag als nicht relevant anzusehen sein. Das ist in der Regel der Fall, wenn die vom Verkehrsweg ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsgrenzwerte nach Absatz 1 um mindestens 3 Dezibel (A) unterschreitet." '
Begründung:
Menschen sind häufig nicht nur dem Lärm eines Verkehrsweges ausgesetzt. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes besteht daher die Notwendigkeit einer verkehrsträgerübergreifenden Betrachtung aller relevanten Verkehrslärmquellen.
Vor diesem Hintergrund haben die Länder den Bund gebeten, im BImSchG verkehrsträgerübergreifende Regelungen für den Schutz gegen Lärm an Straßen und Schienenwegen zu schaffen und bei der Ermittlung der Geräuschbelastung in dem zu betrachteten Straßenabschnitt oder Schienenweg die Vorbelastung durch die Geräusche anderer Straßen- und Schienenwege zu berücksichtigen.
Mit der aktuellen Änderung der 16. BImSchV soll ein erster Schritt in Richtung Gesamtlärmbetrachtung erfolgen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 01 - neu - (§ 2 Absatz 5 - neu -)
In Artikel 1 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 0 1 einzufügen:
- '01. Dem § 2 wird folgender Absatz 5 angefügt:
(5) Die Bundesregierung erstattet spätestens im Jahre ... (einsetzen: Jahreszahl des zehnten auf die Verkündung folgenden Kalenderjahres) und dann fortlaufend alle zehn Jahre dem Deutschen Bundestag Bericht über die Durchführung der Verordnung. In dem Bericht wird insbesondere dargestellt, ob die in § 2 Absatz 1 genannten Immissionsgrenzwerte dem Stand der Lärmwirkungsforschung entsprechen und ob weitere Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche erforderlich sind."'
Begründung:
Zurzeit gibt es zahlreiche Fragestellungen, die bis zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung noch nicht abschließend geklärt werden konnten, z.B. die Gewährleistung eines ausreichenden Nachtschlafs beim Schienenverkehr, der Umrüstungsgrad der Güterwagen mit Verbundstoff-Klotzbremsen sowie die Emissionsansätze beim Schienenverkehr. Auch besteht langfristig die Notwendigkeit, harmonisierte Berechnungsmethoden bzw. eine umfassende Gesamtlärmbetrachtung einzuführen. Die Erfahrungen aus der Praxis sowie die Ergebnisse der aktuellen Forschung sollten zukünftig in der 16. BImSchV laufend Berücksichtigung finden.
5. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 4 Absatz 4 - neu -)
In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 4 folgender Absatz 4 anzufügen:
(4) Wenn zu erwarten ist, dass bei Schienenwegen der Eisenbahnen durch einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen ein maximaler Schalldruckpegel von 72 Dezibel (A) in der Nacht in der Regel häufiger als sechsmal überschritten wird, ist gutachterlich zu prüfen, ob dadurch weitere Schutzmaßnahmen erforderlich sind."
Begründung:
Schienenverkehrslärm insbesondere von Güterzügen zeichnet sich durch einzelne laute Lärmereignisse aus. Insofern sind die Wirkungen mit dem von Fluglärm vergleichbar. Die Lärmwirkungsforschung hat für derartige Quellen bereits aufgezeigt, dass hinsichtlich lärmbedingter Schlafstörungen einzelnen Geräuschspitzen eine besondere Bedeutung zukommt. Dabei sind sowohl die Höhe des Schallpegels wie auch die Häufigkeit des Auftretens von Bedeutung. Aufwachreaktionen stellen die stärksten lärmbedingten Schlafstörungen dar. Diese Erkenntnisse flossen in das Fluglärmschutzgesetz ein, bisher allerdings nicht in die Berechnungsvorschrift für Schienenverkehrslärm.
Als ein erster Schritt wird ein Kriterium aus dem Fluglärmschutzgesetz herangezogen, dessen Erfüllung eine Prüfung auslöst. Auf der Grundlage von weiteren Forschungsergebnissen sollte eine Konkretisierung hinsichtlich der Schutzmaßnahmen in einem zweiten Schritt baldmöglich erfolgen.
Für die Einrichtung von Lärmschutzzonen um bestehende Flugplätze ist neben dem Mittelungspegel auch die Anzahl und Höhe von Einzelschallereignissen mit einem Maximalpegel über 72 Dezibel (A) nach dem Fluglärmschutzgesetz maßgeblich. Eine Analyse von experimentellen Studien (Labor- und Feldstudien) zeigt, dass Schienenverkehrslärm bei gleichen Pegelwerten sogar zu höheren Aufwachwahrscheinlichkeiten führen kann als Fluglärm.
Da wie beim Luftverkehr auch beim Bahnverkehr sehr laute Einzelschallereignisse in der Nacht besonders geeignet sind, den Schlaf zu stören, ist bei regelmäßigen Maximalpegeln über 72 Dezibel (A) zu prüfen, ob der Mittelungspegel allein ein ausreichendes Schutzniveau gewährleistet oder weitere Maßnahmen zum Schutz des Schlafes erforderlich sind.
6. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 5 Absatz 2 Satz 2 - neu -)
In Artikel 1 Nummer 3 ist in § 5 Absatz 2 nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:
"Sofern akustische Kennwerte vom Eisenbahn-Bundesamt festgelegt sind, sind diese auch für sonstige Bahnen heranzuziehen."
Begründung:
In § 5 Absatz 2 Satz 1 ist geregelt, dass für die Eisenbahnen des Bundes das Eisenbahn-Bundesamt und für sonstige Bahnen die jeweils nach Landesrecht zuständige Behörde über die Festlegung akustischer Kennwerte auf Antrag entscheidet. Zur Vermeidung von Doppelprüfungen und zur Verwaltungsvereinfachung sollen die vom Eisenbahn-Bundesamt festgelegten akustischen Kennwerte auch für sonstige Bahnen herangezogen werden. Eine Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnbetriebs kann hieraus nicht abgeleitet werden. Mögliche Differenzen in der Auslegung identischer Gutachten zwischen den Aufsichtsbehörden der Länder und des Bundes und damit möglicherweise divergierender Festlegungen akustischer Kennwerte können vermieden werden, da die Festlegungen des Eisenbahn-Bundesamtes auch für sonstige Bahnen heranzuziehen sind. Hierdurch gestaltet sich auch das Genehmigungsverfahren für den Antragsteller verlässlicher.
7. Zu Artikel 1 Nummer 5 (Anlage 2 Nummer 3.4 Text nach der Überschrift)
In Artikel 1 Nummer 5 ist in Anlage 2 Nummer 3.4 der Text nach der Überschrift wie folgt zu fassen:
"Der Berechnung von Beurteilungspegeln des Schienenverkehrslärms liegen grundsätzlich Punktschallquellen zugrunde. Ausgedehnte Flächen- und Linienquellen werden in so kleine Teilstücke zerlegt, dass diese zur Berechnung der Schallausbreitung durch je eine mittige Punktschallquelle gleicher Emission ersetzt werden können. Die Unterteilung ist so zu wählen, dass die Ausbreitungsbedingungen von jedem Punkt eines Teilstücks zum Immissionsort unter Berücksichtigung der erforderlichen Genauigkeit als gleichartig angenommen werden können.
Unterbrechen keine abschirmenden Hindernisse den direkten Schallweg zwischen beliebigen Punkten eines Teilstücks und dem Immissionsort, so sind die Ausbreitungsbedingungen als gleichartig zu betrachten, wenn keine Ausdehnung des Teilstücks größer ist als der mit dem Rasterfaktor k multiplizierte Abstand seiner Mitte vom Immissionsort. Dieser Rasterfaktor k wird bei der Anwendung im Rahmen dieser Richtlinie einheitlich mit 0,5 festgelegt (Abstandskriterium).
Befinden sich Gebäude, Lärmschutzwände oder sonstige den direkten Schallweg unterbrechende abschirmende Hindernisse zwischen der ausgedehnten Quelle und dem Immissionsort, so erfolgt die Unterteilung in Teilstücke so, dass alle Punkte jedes Teilstücks entweder abgeschirmt oder nicht abgeschirmt sind. Diese Unterteilung erfolgt in der zweidimensionalen Draufsicht durch Projektionslinien, die vom betrachteten Immissionsort ausgehen und die in Richtung zur ausgedehnten Quelle äußersten Randpunkte jedes abschirmenden Objekts enthalten (Projektionsverfahren).
Für Linienquellen, die in geometrischer Hinsicht durch aufeinanderfolgende Polygonstützpunkte definiert sind, erfolgt die Teilstückzerlegung in drei Schritten:
- 1. Jeder Polygonstützpunkt bildet den Randpunkt eines oder zweier Teilstücke.
- 2. Befinden sich abschirmende Objekte im Ausbreitungsweg, so erfolgt durch Anwendung des Projektionsverfahrens eine weitere Unterteilung.
- 3. Schließlich werden die so gebildeten Teilstücke entsprechend dem Abstandskriterium gegebenenfalls weiter unterteilt.
Die Unterteilung entsprechend dem Abstandskriterium erfolgt nach "Rechenbeispiele zu den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen", 1992*. Befindet sich der Fußpunkt des Lots vom Immissionsort auf eine Linienquelle zwischen deren Endpunkten, so bildet dieser Punkt die Mitte des ersten Teilstücks. "
* Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. - FGSV -, Köln (Bearbeiter);
Bundesministerium für Verkehr - BMV -, Abteilung Straßenbau, Bonn (Herausgeber);
Rechenbeispiele zu den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen. RBLärm-92. Ausg. 1992
Bonn (Deutschland, Bundesrepublik) Selbstverlag 1992,86S.
Serie: FGSV; 334/1
Begründung:
Die Festlegungen der neuen Schall 03 zur Teilstückzerlegung (Aufteilung einer ausgedehnten Schallquelle in kleinere Teilstücke) sind nach gutachterlicher Feststellung ungeeignet und entsprechen nicht dem seit vielen Jahren bewährten Stand der Softwaretechnik (siehe Gutachten zum Entwurf einer Verordnung zur Änderung der 16. BImSchV - Überprüfung der Rechenvorschriften der Schall 03 [2012], Wölfel Beratende Ingenieure GmbH + Co. KG, Höchberg, im Auftrag des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg vom 2 1. August 2014).
Alle qualitätsgesicherten und im gesetzlich geregelten Bereich in der Bundesrepublik angewendeten Softwareprogramme wenden bei der Berechnung des Schalls von linienförmigen Schallquellen wie Straßen oder Schienenwegen ein mit "Projektion" und "Dynamischer Aufteilung" bezeichnetes Verfahren zur Aufteilung der ausgedehnten Schallquelle in Teilstücke an. Die unter Anwendung dieser Technik erreichte Genauigkeit und Präzision würde mit Umsetzung des in der neuen Schall 03 genannten und auch in den Testaufgaben angewendeten Verfahren in vielen Fällen erheblich verringert. Insbesondere lässt das in der Verordnung der Bundesregierung enthaltene Verfahren zu, dass verschiedene Softwareprogramme zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Um den genannten Stand der Technik auch bei der softwaretechnischen Umsetzung der neuen Schall 03 und damit Immissionsprognosen, die nicht von der verwendeten Software abhängen, sicherzustellen, muss die dynamische Teilstückzerlegung daher unter Anwendung des allgemein anerkannten Projektionsverfahrens erfolgen.
Ansonsten ist davon auszugehen, dass die Beurteilung von Lärmbelastungssituationen im Rahmen von Planfeststellungsverfahren je nach verwendetem Softwareprogramm unterschiedlich ausfällt. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass gegen Planfeststellungsbeschlüsse von Infrastrukturprojekten erfolgreich geklagt werden kann.
8. Zu Artikel 1 Nummer 5 (Anlage 2 Nummer 4.1 Tabelle 4 Anmerkungen Satz 6)
In Artikel 1 Nummer 5 ist in Anlage 2 Tabelle 4 Anmerkungen Satz 6 wie folgt zu fassen:
"Für Güterzüge sind die für den jeweiligen Prognosehorizont aktuell zu erwartenden Anteile von Güterwagen mit Verbundstoff-Klotzbremsen beim Eisenbahnbundesamt abzufragen."
Begründung:
Der Entwurf der Schall 03 benennt in den Anmerkungen zu Tabelle 4 im Kapitel 4.1 Umrüstquoten für Güterwagen, die im Regelfall bei Prognosen herangezogen werden können.
Die hier genannten Umrüstquoten beruhen auf politischen Zielvorstellungen und nicht auf belastbaren Prognosen. Es gibt keine rechtlichen Regelungen, die die Erfüllung dieser Quoten sicherstellen. Die in den jeweiligen Verfahren anzusetzenden Umrüstquoten für die dort zu betrachtenden Prognosezeitpunkte sind daher im Einzelfall zu ermitteln. Das Eisenbahnbundesamt soll die aktuell für zukünftige Prognosehorizonte anzusetzenden Umrüstquoten ermitteln, so dass die Daten dort abgefragt werden können.
9. Zu Artikel 1 Nummer 5 (Anlage 2 Nummer 6.5 nach Gleichung 2 1)
In Artikel 1 Nummer 5 sind in Anlage 2 Nummer 6.5 nach den Wörtern " Dabei bezeichnet:" die Wörter "C2 = 40 Abschirmfaktor für Bahnstrecken mit Schallquellenarten nach den Tabellen 5 und 13, C2 = 20 Abschirmfaktor für flächenhafte Bahnanlagen mit Schallquellenarten nach Tabelle 10," durch die Wörter "C2 = 20 Abschirmfaktor für Bahnstrecken mit Schallquellenarten nach den Tabellen 5 und 13 sowie für flächenhafte Bahnanlagen mit Schallquellenarten nach Tabelle 10," zu ersetzen.
Begründung:
Die Festlegung der neuen Schall 03 zum Abschirmfaktor C2 weicht von den allgemein anerkannten Regeln ab, ohne dass dafür eine fachliche Begründung vorliegt. Abweichend von der internationalen Norm ISO 9613-2 mit C2=20 wird der Abschirmfaktor der neuen Schall 03 zu C2=40 festgesetzt. Diese Festlegung führt rechnerisch zu einer höheren Ausbreitungsdämpfung und damit zu niedrigeren Lärmpegeln des Schienenverkehrs. Untersuchungen, die nachweisen, dass C2=40 angemessen ist, liegen derzeit nicht vor. In der Verordnungsbegründung B. Besonderer Teil - Einzelvorschriften,
Zu Artikel 1 Nummer 5, unter Ziffer 9, S. 10 1, findet sich zwar der Hinweis "Das angewendete Verfahren orientiert sich an den eingeführten Methoden der ISO 9613- 2:1999; Dämpfung des Schalls bei der Ausbreitung im Freien, wie sie bei der Schallausbreitung von Gewerbe- und Industrieanlagen verwendet werden," doch auch an dieser Stelle fehlt eine Begründung für die Abweichung.
Der Abschirmfaktor soll entsprechend internationaler Normung festgelegt werden.
10. Zu Artikel 1 Nummer 5 (Anlage 2 Nummer 6.6 letzter Satz)
In Artikel 1 Nummer 5 ist in Anlage 2 Nummer 6.6 der letzte Satz
"Es sind Reflexionen bis einschließlich der 3. Ordnung zu berechnen." durch folgende Sätze zu ersetzen:
"Es sind Reflexionen 1. Ordnung (mittels Spiegelquellenverfahren) zu berechnen und bei Gebäudeschluchten mit einem Reflexionszuschlag nach nachfolgender Definition zu ergänzen.
Zuschlag für Mehrfachreflexionen:
Verläuft ein Fahrstreifen zwischen parallelen, reflektierenden Stützmauern,
Lärmschutzwänden oder geschlossenen Hausfassaden (Lückenanteil < 30 %)
(siehe Bild), erhöht sich der Mittelungspegel zusätzlich zur ersten Reflexion um Drefl = 4 · hBeb/w ^ 3,2 mit hBeb ... mittlere Höhe der Stützmauern, Lärmschutzwände oder Hausfassaden. Sind diese nicht auf beiden Straßenseiten gleich hoch, ist die mittlere Höhe der niedrigeren Fläche einzusetzen.
w ... Abstand der reflektierenden Flächen voneinander.
Sind die Lärmschutzwände oder Stützmauern absorbierend bekleidet, ist Drefl = 2 · hBeb/w ^ 1,6.
Bei hochabsorbierenden Lärmschutzwänden wird die Mehrfachreflexion vernachlässigt.
Anmerkung: Reflektierende Stützmauern, Lärmschutzwände oder geschlossene Hausfassaden gelten als "parallel", wenn sie in einem Winkel von höchstens 5* zueinander stehen.
Bild"
Begründung:
Die neue Schall 03 fordert die Berechnung von Reflexionen bis zur 3. Ordnung, ohne die zu wählende Vorgehensweise hinreichend zu definieren. Der beabsichtigte Genauigkeitszugewinn geht durch die nur mit großem Rechenaufwand mögliche Überprüfbarkeit und die geringe Präzision der jeweiligen Berechnung von Reflexionen höherer Ordnung vollständig verloren. Um auch mit höheren Reflexionsordnungen in unterschiedlichen Gutachten tatsächlich übereinstimmende Ergebnisse zu erzielen, müssten zusätzliche umfangreiche Festlegungen getroffen werden (u.a. zur Projektion und Abschirmung/seitliche Beugung von reflektierten Strahlen, Suchstrahlverfahren, etc.).
Zudem erhöhen sich die Rechenzeiten durch die Einbeziehung der Reflexionen 2. und 3. Ordnung bei komplexeren Situationen erheblich (siehe Gutachten zum Entwurf einer Verordnung zur Änderung der 16. BImSchV - Überprüfung der Rechenvorschriften der Schall 03 [2012], Wölfel Beratende Ingenieure GmbH + Co. KG, Höchberg, im Auftrag des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg vom 21. August 2014). Insbesondere in Situationen mit vielen Gebäuden oder auch bei großen topografisch gegliederten Untersuchungsgebieten ergeben sich Rechenzeiten, die in der Praxis - ohne Vereinfachungen beim Rechenverfahren - nicht mehr darstellbar sind. Die Berücksichtigung von Reflexionen soll daher wie bei der bisherigen RLS-90 Berechnung mittels der Reflexionen 1. Ordnung, exakt definiert über das Spiegelquellenverfahren, mit Mehrfachreflexionszuschlag bei beidseitig geschlossener Bebauung erfolgen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der Qualitätssicherung von Berechnungen gem. DIN 45687 bzw. ISO 17534, die bei der Berücksichtigung höherer Reflexionen nicht gegeben ist.
11. Zu Artikel 1 Nummer 5 (Anlage 2 Nummer 9.1.8)
In Artikel 1 Nummer 5 ist Anlage 2 Nummer 9.1.8 wie folgt zu fassen:
"9.1.8 Anerkannte Messstelle
Der Antragsteller hat die Nachweismessungen nach den Nummern 9. 1.1 bis 9.1.7 durch eine anerkannte Messstelle durchführen zu lassen. Anerkannte Messstellen sind Messstellen, die über eine Bekanntgabe für den Tätigkeitsbereich der Gruppe V Nr. 1 der Anlage 1 der Bekanntgabeverordnung vom 2. Mai 2013 (BGBl. I S. 973, 1001, 3756) verfügen und zusätzlich Kompetenz auf dem Gebiet der Messungen nach DIN EN ISO 3095: 2014-07, zu beziehen bei der Beuth Verlag GmbH, Berlin, besitzen und nachweisen können."
Begründung:
Dient der Präzisierung und Klarstellung.
B
Der federführende Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat ferner die Annahme folgender Entschließung:
- 12.
- a) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob der gesunde Nachtschlaf an Schienenwegen durch die Regelungen der 16. BImSchV in Verbindung mit den Schallschutzmaßnahmen der 24. BImSchV hinreichend sichergestellt ist oder ob neue Kenngrößen zur Beurteilung der Aufwachreaktionen erforderlich sind.
- b) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auch angesichts der bereits erfolgten diversen Befassungen in anderen Gremien die eventuell dazu notwendigen Forschungsvorhaben zügig auf den Weg zu bringen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Bundesrat hatte mit Beschluss vom 15. April 2011 zur BR-Drucksache 151/11(B) - die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob neben dem Dauerschallpegel ein Spitzenschallpegelkriterium für die Nacht eingeführt werden kann, um die Realität besser abzubilden und um die Gefahr gesundheitlicher Schäden an besonders hoch belasteten Strecken zu vermindern (vgl. Ziffer 4 des Beschlusses).
Bei Schienenverkehrsgeräuschen handelt sich um eine stark transient emittierende Geräuschquellenart. Insofern sind die Wirkungen mit denen von Luftverkehrsgeräuschen vergleichbar. Die Lärmwirkungsforschung hat für derartige Quellen aufgezeigt, dass hinsichtlich lärmbedingter Schlafstörungen einzelnen Geräuschspitzen eine besondere Bedeutung zukommt. Dabei sind sowohl die Höhe des Schallpegels wie auch die Häufigkeit des Auftretens von Bedeutung. Aufwachreaktionen stellen die stärksten lärmbedingten Schlafstörungen dar. Diese Erkenntnisse flossen in das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, aber nicht in die neue Schall 03 ein.
Daher wurde auf der 81. Umweltministerkonferenz am 15. November 2013 in Erfurt unter TOP 15 - Verringerung des Schienenverkehrslärms der Beschluss gefasst, die Bundesregierung zu bitten, durch eine Ergänzung der 16. BImSchV und der Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sicherzustellen, dass ein Spitzenwertkriterium (Aufwachreaktionen) bei der Betrachtung des Nachtzeitraums berücksichtigt wird.
- 13. Am 24. Juni 2014 verabschiedete der Bundestag eine Entschließung, wonach die Bundesregierung prüfen solle, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz der "sehr komplexen Algorithmen" der Schall 03 bereitgestellt werden (BT-Drucksache 18/1871). Der Bundesrat bittet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, neben der vorgeschlagenen Bereitstellung von Erläuterungen und Testaufgaben für repräsentative Immissionssituationen auch eine messtechnische Validierung der Berechnungsvorschrift Schall 03 [2014] zu veranlassen. Die Ergebnisse sind in einem Bericht zu veröffentlichen. Damit ließe sich ein deutlich höheres Maß an Akzeptanz der Betroffenen für die Schall 03 [2014] erreichen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Neben der Entwicklung von Testaufgaben zur Prüfung auf korrekte Umsetzung der Berechnungsalgorithmen in Spezialsoftware ist ebenso eine Validierung der Berechnungsverfahren erforderlich. Dazu dienen Immissionsmessungen, mit deren Hilfe die Emissionsannahmen und Ausbreitungsberechnungen der Schall 03 verifiziert werden können. Eine erfolgreiche Validierung der Berechnungsverfahren ist Voraussetzung dafür, eine Akzeptanz der Bevölkerung für die ausschließliche Berechnung von Verkehrslärm herzustellen.
Aus den Messergebnissen lassen sich ebenso Schlüsse über den Erfolg der Umrüstung von Güterwagen auf lärmarme Bremssysteme ableiten. Darüber hinaus können sie der Überprüfung des im Koalitionsvertrag verankerten Ziels der Bundesregierung dienen, den Schienenlärm bis 2020 zu halbieren (d.h. die Belastungen um 10 dB zu senken).
- 14. Der Bundesrat stellt fest, dass die bisher zur neuen Schall 03 verfügbaren Testaufgaben zur Überprüfung der korrekten, ermessensspielraumminimierten und damit qualitätsgesicherten Implementierung der neuen Schall 03 in Softwareprogramme diesen Zweck nicht erfüllen.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Testaufgaben zur Qualitätssicherung der Software für die Berechnung der Beurteilungspegel für Schienenverkehrswege vorzulegen. Die Testaufgaben sind so zu gestalten, dass sie eine Prüfung der Software nach DIN 45687 erlauben, damit für den Vollzug qualitätsgesicherte Software zur Verfügung steht.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Ein Satz von Testaufgaben, der die Prüfung der wesentlichen Berechnungsschritte eines in Software implementierten Verfahrens ermöglicht, ist nach DIN 45687 eine Voraussetzung für die qualitätsgesicherte Anwendung im gesetzlich geregelten Bereich. Die bisher zur neuen Schall 03 veröffentlichten Testaufgaben leisten dies in keiner Weise. Für zahlreiche, teilweise sehr vage formulierte Berechnungsschritte wurde keine Testaufgabe vorgelegt. Dies betrifft zum Beispiel die Berechnung der Schallimmission bei beliebiger Gebäudeform und Ausrichtung zum Schienenweg, die Schallausbreitung bei Tal- oder Hanglage von Wohngebäuden sowie ganz allgemein die Schallausbreitung in dicht bebauten Gebieten. Näheres hierzu ergibt sich aus dem Gutachten zum Entwurf einer Verordnung zur Änderung der 16. BImSchV - Überprüfung der Rechenvorschriften der Schall 03 [2012], Wölfel Beratende Ingenieure GmbH + Co. KG, Höchberg, im Auftrag des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg vom 21. August 2014.
Bei dem bisher zur neuen Schall 03 verfügbaren Satz von Testaufgaben ist mit hoher Sicherheit davon auszugehen, dass die Beurteilung von Lärmbelastungssituationen je nach verwendetem Softwareprogramm unterschiedlich ausfällt. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass gegen Planfeststellungsbeschlüsse von Infrastrukturprojekten erfolgreich geklagt werden kann.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, einen ausreichenden Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm sicherzustellen, indem ein Anspruch auf Lärmminderung an bestehenden Straßen und Schienenstrecken geschaffen wird und die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zumindest mittelfristig abgesenkt werden.
- 16. Der Bundesrat stellt fest, dass die derzeitigen Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV den Qualitätszielen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in keiner Weise Rechnung tragen. Die WHO empfiehlt zum Schutz der Bevölkerung vor Umgebungslärm Qualitätsziele für die Geräuschbelastung in Höhe von 40 Dezibel (A) nachts und 55 Dezibel (A) tags. Oberhalb dieser Werte muss mit erheblichen Belästigungen und zumindest mittelfristig mit gesundheitlichen Folgen (z.B. Herz-/Kreislauferkrankungen) gerechnet werden.
- 17. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung dringend auf, entsprechende Regelungen auch für den Bestand zu schaffen. Die Ergebnisse der Lärmkartierung in Deutschland zeigen, dass an bestehenden Straßen mehr als 9,5 Mio. Menschen tagsüber mit Lärmpegeln oberhalb der Qualitätsziele der WHO belastet sind. Fehlende Regelungen für Bestandsstrecken sind den vom Lärm betroffenen Menschen nicht zu vermitteln.
- 18. Darüber hinaus ist an Schienenwegen die Einhaltung der Grenzwerte der 16. BImSchV nicht immer ausreichend, um den gesunden Nachtschlaf zu gewährleisten. Gesunde Wohnverhältnisse setzen die Möglichkeit einer Belüftung von Schlafräumen auch zur Nachtzeit voraus. Die Differenz zwischen dem nächtlichen Mittelungspegel und den Maximalpegeln einzelner Vorbeifahrten ist abhängig vom Abstand zwischen Verkehrsweg und Immissionsort sowie der Verkehrsdichte. In Situationen mit Lärmpegeln oberhalb von 54 Dezibel (A) beträgt die Differenz typischerweise mehr als 15 Dezibel (A). Wird der erforderliche Schallschutz auf aktivem Wege (Schallschutzbauwerke) sichergestellt, verbleiben vor den Fenstern Mittelungspegel knapp unterhalb von 54 Dezibel (A). Bei einer Spaltlüftung (ca. 15 Dezibel (A) verbleibende Schalldämmung) sind dann am Ohr des Schläfers Maximalpegel einzelner Vorbeifahrten von mehr als 53 Dezibel (A) zu erwarten. Dieser Wert liegt oberhalb der Empfehlungen der WHO und auch oberhalb der Werte, die in der Lärmmedizin einer nicht mehr tolerablen Aufwachwahrscheinlichkeit von 10 Prozent bei hoher Anzahl von Einzelereignissen zugeordnet werden. Durch den Einbau von Lüftungseinrichtungen kann auch in diesen Fällen ein gesunder Nachtschlaf sichergestellt werden.
- 19. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, eine Regelung zu schaffen, die bewirkt, dass für Schlafräume in Kern-, Dorf-, Misch- und Gewerbegebieten, sofern vor der Errichtung der Schallschutzmaßnahmen nachts die Grenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden, zusätzlich zum aktiven Schallschutz die Aufwendungen für den Einbau von Lüftungseinrichtungen erstattet werden.
- 20. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die Vorlage gemäß Artikel 8 der Richtlinie 98/34/EG als technische Vorschrift bei der EU vor Inkrafttreten zu notifizieren ist.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die vorliegende Vorlage ist eine neue technische Rechtsvorschrift, die nicht der unmittelbaren und ausschließlichen Umsetzung europäischen Rechts dient. Derartige Rechtsvorschriften sind im TRIS-Verfahren gemäß Richtlinie 98/34/EG als technische Vorschrift bei der Kommission zu notifizieren.
Eine fehlende Notifizierung führt nach der gültigen Rechtsprechung des EuGH zur Unanwendbarkeit der nicht notifizierten technischen Rechtsvorschrift (z.B. EuGH, 8.9.2005 - C-303/04). Die entsprechende Handlungsaufforderung an den Verordnungssetzer ist im Handbuch der Rechtsförmlichkeit des Bundesjustizministeriums (3. Auflage) Teil B Ziffer 5.4.3 Randnummer 316 schriftlich festgelegt.
C
- 21. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.