924. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2014
A
- 1. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- 2. Die Erwartung, dass in Folge der Fünften Novelle der Verpackungsverordnung mehr Leichtverpackungen bei den dualen Systemen lizenziert werden, hat sich nicht erfüllt. Die Regelungen zu den sog. Branchenlösungen und Eigenrücknahmen, die lediglich als eng begrenzte Ausnahmen für einige wenige etablierte und funktionierende Systeme konzipiert waren, haben in der Praxis bekanntermaßen in verschiedensten Formen zu einer Umgehung der Lizenzierungspflicht geführt. Diese Vorgehensweisen sind für die Behörden nicht zu kontrollieren und damit auch nicht zu sanktionieren.
Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, sehr zeitnah die Missstände bei der Verpackungsverwertung abzustellen und begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, im 3. Quartal 2014 den Entwurf eines Wertstoffgesetzes vorzulegen.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass die Sechste Änderungsverordnung zur Verpackungsverordnung lediglich eine Umsetzung von europarechtlich notwendigen Änderungen der europäischen Verpackungsrichtlinie beinhaltet und mit der Siebten Novelle zur Verpackungsverordnung lediglich akute Schwachstellen der Verpackungsverordnung abgestellt werden sollen.
- 4. In der vergangenen Legislaturperiode war die Bundesregierung gestartet, ein Wertstoffgesetz auf den Weg zu bringen. Nach dem durchgeführten Planspiel hatte sie dieses Ziel jedoch - trotz mehrfacher Ankündigungen - nicht weiter verfolgt. Anstatt eines angekündigten Eckpunktepapiers wurde lediglich ein "Thesenpapier" mit allgemeinen Aussagen vorgelegt.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, binnen der nächsten sechs Monate den Entwurf eines Wertstoffgesetzes zur Ablösung der Verpackungsverordnung vorzulegen. Ziel muss es sein, Verpackungen sowie stoffgleiche Nichtverpackungen aus dem Bereich der Verbunde, Kunststoffe und Metalle verbraucherfreundlich und möglichst einfach gemeinsam und verbindlich zu erfassen und einer hochwertigen Verwertung zuzuführen.
[Dabei soll sich der Entwurf an folgenden Eckpunkten orientieren:]*
Die Produktverantwortung wird über die Verwertung der Verpackungen hinaus auf näher zu bestimmende stoffgleiche Nichtverpackungen aus Metallen, Verbunden und Kunstoffen erweitert.
- 6. [Der Bundesrat stellt weiterhin fest, dass darüber hinaus dringender Handlungsbedarf besteht, im Rahmen eines zukünftigen Wertstoffgesetzes] neben der Verpackungsverwertung auch die Verwertung stoffgleicher Nichtverpackungen, die sowohl beim privaten Endverbraucher als auch im gewerblichen Bereich anfallen, zu regeln und dadurch die stoffliche Verwertung zu steigern.
- 7. Die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger tragen die Organisationsverantwortung für die gemeinsame Erfassung der Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen von privaten Endverbrauchern.
- 8. Die Produktverantwortlichen tragen die Verantwortung für die Verwertung der erfassten Abfälle und die Finanzierung der Erfassung nach einem standardisierten Kostenmodell.
- 9. Es wird eine Zentrale Stelle geschaffen, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wird, um Missbrauchsmöglichkeiten bei der Wertstoffentsorgung zu unterbinden und die Produktverantwortung zu stärken; sie wird zudem verpflichtet, Einzelheiten der Kostenerstattung nach dem standardisierten Kostenmodell mit Vertretern der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger zu vereinbaren und vollständige Transparenz über das Marktgeschehen herzustellen.
- 10. Die Vollzugsfähigkeit ist sicherzustellen.
- 11. Zur Unterbindung des Wiegescheinhandels haben die Hersteller und Vertreiber von Transport- und Umverpackungen sowie von Verkaufsverpackungen, die nicht beim privaten Endverbraucher anfallen, die gleichen Anforderungen an die Verwertung und deren Dokumentation zu erfüllen, die für beim privaten Endverbraucher anfallende Verkaufsverpackungen gelten.
- 12. Der Bundesrat unterstreicht nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen die Bedeutung von angemessenen Übergangsregelungen für die dualen Systeme bei der Neuregelung der Organisations- und Finanzverantwortung.
- 13. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass unabhängig von den Festlegungen der Organisationsverantwortung mit dem neuen Wertstoffgesetz ambitionierte, selbstlernende Recyclingquoten insbesondere bei Kunststoffen mit einer werkstofflichen Quote von mindestens 50 Prozent der erfassten (nicht wie bisher der lizenzierten) Mengen vorgeschrieben werden müssen.
Begründung zu Ziffer 5 (nur gegenüber dem Plenum):
Seit Jahren haben Änderungen der Verpackungsverordnung nur gröbste Fehlentwicklungen reparieren und notwendige Anpassungen an das EU-Recht vornehmen können. Auf dieser Basis ist die von allen Beteiligten geforderte grundlegende Weiterentwicklung der Verpackungsentsorgung und die Einführung einer einheitlichen Wertstofferfassung nicht umsetzbar.
Gerade die Auseinandersetzungen der letzten Monate unter den Dualen Systemen in der Gemeinsamen Stelle drohen die Idee der Produktverantwortung, die auch Eingang ins europäische Recht gefunden hat, in Misskredit zu bringen. Der Streit um die Unterfinanzierung der Verpackungserfassung durch Ausnutzung von Schlupflöchern im "Graubereich" der Verordnung gefährdet die finanzielle Grundlage für eine dauerhaft gesicherte, haushaltsnahe Erfassung. Geschädigte sind dabei auch diejenigen Hersteller und Vertreiber, die sich nicht auf fragwürdige Entsorgungslösungen eingelassen haben. Anstelle rein wirtschaftlicher Überlegungen muss die Wahrnehmung von Produktverantwortung bei den Verpflichteten wieder stärker in den Fokus rücken; nur so kann auf Dauer ein hochwertiges Recycling der Wertstoffe sichergestellt werden.
*[ ... ] gilt bei Annahme mit einer der folgenden Ziffern als mitbeschlossen.