985. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2020
A
1. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes zu verlangen.
Begründung:
Das Gesetz wirft grundlegende verfassungs-, europa- und völkerrechtliche Fragen auf. Dadurch droht das Gesetz sein wichtigstes Ziel klar zu verfehlen: Die Beschleunigung von Planungsverfahren.
Den Bürgerinnen und Bürgern wird die Möglichkeit genommen, Entscheidungen, die sie in ihren Rechten berühren, durch eine Fachgerichtsbarkeit überprüfen lassen zu können. Einzig der Weg zum Bundesverfassungsgericht verbleibt, das aber einen anderen, grundrechtsbezogenen Überprüfungsmaßstab zugrunde legt. Dieser Maßstab ist jedoch nicht geeignet der Komplexität von Planungsentscheidungen gerecht zu werden. Die Rechtswegegarantie nach Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes ist entsprechend verletzt.
Anerkannten Umweltverbänden wird jegliche Klagemöglichkeit genommen. Dies stellt einen klaren Verstoß gegen die Vorgaben der UVP-Richtlinie und der Aarhus-Konvention dar, die auch nicht durch eine frühe Beteiligung geheilt werden kann.
Schließlich mangelt es an nachvollziehbaren Kriterien für die ausgewählten Projekte etwa im Hinblick auf ihre Bedeutung im Engagement gegen den Klimawandel. Das führt dazu, dass die Verwaltungsentscheidung am Ende des Planungsverfahrens, ob das Projekt Baureife per Gesetz erlangen soll, ein Willkürelement beinhaltet und damit weitere rechtsstaatliche Bedenken aufwirft.
B
2. Der federführende Verkehrsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
C
3. Hilfsempfehlung zu Ziffer 1 der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- a) Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das Ziel, Planungsverfahren für große Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen mit geeigneten Maßnahmen zu beschleunigen. Er bedauert, dass bei dem vorliegenden Gesetz die Chance nicht genutzt wurde, den Sachverstand der Länder intensiver in den Beratungsprozess einzubringen. Es verbleiben erhebliche Zweifel, ob das vorliegende Gesetz verfassungs-, europa- und völkerrechtskonform ist.
- b) Mit Blick auf die rechtlichen Zweifel, mit denen das Gesetz behaftet ist, sieht der Bundesrat mit Sorge, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der angestrebte Beschleunigungseffekt für die genannten Projekte nicht erreicht wird. In der Konsequenz könnte für viele der Projekte vielmehr eine Verzögerung entstehen, was dem erklärten Ziel des Gesetzes zuwiderlaufen würde. Das ist auch vor dem Hintergrund bedauerlich, dass es unbestritten bei einigen Infrastrukturprojekten, die von hoher Bedeutung für den Klimaschutz sind, einer beschleunigten Umsetzung bedarf.
- c) Das Gesetz lässt allerdings offen, inwiefern die aufgezählten Projekte für einen klimafreundlichen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur von Bedeutung sind. Der Verweis auf ihre Qualität als Schienen- und Wasserstraßenprojekte, die im vordringlichen Bedarf des Verkehrswegeplanes gelistet sind, ist dafür bestenfalls ein notwendiges aber kein hinreichendes Kriterium.
- d) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung mit Blick auf die großen rechtlichen und zeitlichen Risiken des Gesetzes, dieses in der Umsetzung eng zu begleiten und gegebenenfalls die nötigen Konsequenzen bis hin zu einem Ausstieg aus diesem Planungsweg zu prüfen. Er bietet zudem weiterhin seine konstruktive Mitarbeit bei Überlegungen zu Planungsbeschleunigungen an. Insbesondere bei fachlichen und personellen Ressourcen sieht der Bundesrat einen entscheidenden Hebel, um solche Verfahren zeitlich und rechtlich deutlich voranzubringen, ohne die rechtsfriedensichernde Funktion der bisherigen Planungsverfahren zu gefährden.