Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung

Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zur Eingangsformel

In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.

Begründung

Das beabsichtigte Gesetz bedarf entgegen seiner Eingangsformel gemäß Artikel 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates, da es in Artikel 3 eine Ergänzung von § 38 Abs. 3 EStG vorsieht.

2. Zu Artikel 1 Nr. 1a - neu - (§ 850k Abs. 1, 2 Satz 3 ZPO)

In Artikel 1 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:

Begründung

Laufende private Altersrenten werden ebenso wie Arbeitseinkommen und soziale Geldleistungen üblicherweise auf ein Bankkonto des Schuldners überwiesen. Ansprüche des Schuldners aus dem Bankvertrag sind jedoch vor dem Zugriff der Gläubiger nicht geschützt. Zweckmäßig wäre die Einbeziehung von

Einkünften aus privaten Altersrenten nach § 851c ZPO-E in die Regelung des § 850k ZPO durch Erweiterung der in 850k Abs. 1 und 2 Satz 3 ZPO aufgeführten Ansprüche.

3. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 851c Abs. 2 Satz 5 - neu - ZPO)

In Artikel 1 Nr. 2 ist § 851c Abs. 2 folgender Satz anzufügen:

Begründung

Zur Klarstellung und aus Gründen der Rechtssicherheit sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass sich die Unpfändbarkeit nur auf tatsächlich eingezahlte Beträge und nicht auf Bargeld, Sparguthaben etc. erstreckt, das nach dem Vortrag des Schuldners lediglich zur Einzahlung bestimmt war.

4. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 851c Abs. 3, 4 - neu - ZPO)

In Artikel 1 Nr. 2 ist § 851c wie folgt zu ändern:

Begründung

Zu Buchstabe a:

Die Belange der Gläubiger werden durch die in § 851c Abs. 3 ZPO-E vorgesehene Bezugnahme auf § 850e Nr. 2, 2a ZPO gewahrt. Um die vollstreckungsrechtliche Gleichstellung der privaten Altersvorsorge mit Rentenansprüchen abzurunden, sollte die Bezugnahme zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten, namentlich bei Selbständigen, auch § 850e Nr. 3 ZPO umfassen (Berücksichtigung von Naturalleistungen).

Daneben sollte auch das Verhältnis zwischen § 851c Abs. 2 ZPO-E und § 850d ZPO durch Erweiterung der Bezugnahme klargestellt werden. Nach dem vorgeschlagenen Wortlaut würden die Unpfändbarkeitsgrenzen auch gegenüber der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen gelten. Das hätte zur Folge, dass die Unterhaltsberechtigten ganz oder teilweise auf öffentliche Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind. Bei ihnen tritt also das ein, was beim Schuldner vermieden werden soll.

Zu Buchstabe b:

Des Weiteren ist eine Regelung zu treffen, wonach auch auf das bereits angesparte Kapital zurückgegriffen werden kann, wenn der Schuldner eine andere ausreichende und gesicherte Altersversorgung hat. Es wird dem Gläubiger nämlich generell verwehrt, das in § 851c Abs. 2 ZPO-E festgesetzte Vorsorgekapital vollumfänglich zu verwerten. Stattdessen wird der Gläubiger - auch sofern der Schuldner bei Eintritt des Versorgungsfalls der aus dem geschützten Vorsorgekapital zu zahlenden Versicherungsleistungen nicht bedarf - auf eine ratenweise Tilgung seiner Vollstreckungsforderung verwiesen, vgl. die Regelung gemäß § 851c Abs. 1 und 3 ZPO-E, statt die vollumfängliche Auszahlung des nach § 851c Abs. 2 ZPO-E geschützten Vorsorgekapitals an sich verlangen zu können.

Im Interesse der Gläubiger ist es geboten, hinsichtlich solcher Schuldner, die neben Altersrenten aus privaten Rentenversicherungen andere nach § 850c ZPO geschützte und der Höhe nach ausreichende Alterseinkünfte beziehen, eine Regelung zu schaffen, die mit Eintritt des Versicherungsfalls eine Auszahlung des Vorsorgekapitals an den Gläubiger ermöglicht.

5. Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 851c ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, wie eine Benachteiligung der Gläubiger in den Fällen verhindert werden kann, in denen der Schuldner bereits über anderweitige ausreichende Anwartschaften für eine Altersvorsorge verfügt.

Begründung

In dem Entwurf fehlt eine Regelung, die den Aufbau von Rentenanwartschaften in unangemessener Höhe zu Lasten der Gläubiger verhindern könnte. Dieser Fall könnte dann eintreten, wenn der Schuldner bereits über anderweitige Rentenanwartschaften in genügender Höhe verfügt, gleichwohl aber die gesetzlichen Pauschalen zum Aufbau einer weiteren Altersrente nutzt. Zwar könnte der Schuldner nach Erreichen der Altersgrenze nur noch die nach § 850c ZPO pfändungsfreien Rentenbeträge beanspruchen. In der Zeit davor wären die Zugriffsmöglichkeiten des Gläubigers jedoch ohne sachlichen Grund erheblich eingeschränkt. Hier könnte zum Beispiel an eine Regelung gedacht werden, der zufolge das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers Einfluss auf die Höhe der unpfändbar anzulegenden Beiträge nehmen kann.

6. Zu Artikel 2 Nr. 1 (§ 14 Abs. 1 Satz 2 InsO)

Artikel 2 Nr. 1 ist zu streichen.

Begründung

Durch die Änderung wird die Gefahr eines Missbrauchs des Insolvenzantrages ansteigen. Sie eröffnet die Möglichkeit, Insolvenzanträge zur Verfolgung anderer - auch rechtlich nicht geschützter - Interessen zu instrumentalisieren. Die Fortführung und Sanierung nur vorübergehend zahlungsschwacher Betriebe wird erheblich gefährdet. Die angestrebte Gesetzesänderung ist systemwidrig und vermag den vor allem auf Seiten der Sozialversicherungsträger in der geschilderten Konstellation aufgetretenen Missstand nicht praktikabel zu beseitigen.

Das Insolvenzverfahren setzt ebenso wie die Klage im Zivilprozessverfahren ein rechtliches Interesse des Klägers bzw. Antragstellers voraus. Dieses muss sich im Insolvenzverfahren dahin gehend verdichtet haben, dass der Antragsteller eine konkrete und fällige Forderung gegen den Gemeinschuldner hat, die er nach § 14 Abs. 1 InsO glaubhaft zu machen hat. Erst das Vorhandensein dieser Forderung legitimiert den Antragsteller als Gläubiger des Schuldners, eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger im Sinne des § 1 InsO zu verlangen. Ein Initiativrecht, welches sich allein aus einer bloßen Rechtsbeziehung zum Schuldner ohne eine konkret bestehende Forderung ergibt, kennt das Insolvenzrecht nicht. Eine Fortführung des Insolvenzverfahrens trotz Wegfalls der dem Antrag zu Grunde liegenden Forderung stellt mithin einen Fremdkörper in der bestehenden gesetzlichen Regelung dar, der sich mit dem Ziel der Insolvenzordnung in § 1 InsO, der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger, nicht in Einklang bringen lässt, da der Antragsteller bereits befriedigt ist. Die Neuregelung gibt den Gläubigern wiederkehrender Leistungen statt dessen noch mehr als bisher die Möglichkeit, unter Missachtung des Verfahrenszwecks (§ 1 InsO) den Eröffnungsantrag als Druckmittel gegen den Schuldner und damit als Fortsetzung der Einzelzwangsvollstreckung mit anderen Mitteln zu missbrauchen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Weiterführung des Insolvenzeröffnungsverfahrens eine erhebliche Belastung und Gefährdung des Betriebes des Schuldners mit sich bringt. Das Gericht wird - ohne dass ein Insolvenzgrund endgültig feststehen muss - beim Vorhandensein von Vermögenswerten Sicherungsmaßnahmen anordnen müssen. Diese bedeuten immer einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Schuldners und können durch ihre Veröffentlichung allein die möglicherweise gar nicht vorhandene Zahlungsunfähigkeit erst herbeiführen, da die Kreditgeber ihre Kredite kündigen werden.

Es ist zu befürchten, dass für die Schuldner eine Entschuldung insbesondere bei vorübergehender Illiquidität unnötig erschwert wird. Ein nicht unerheblicher Teil der Schuldner, der nach Antragstellung durch einen Sozialversicherungsträger die Rückstände ausgleicht, wird später beim Insolvenzgericht nicht wieder aktenkundig. Gerade bei solchen Schuldnern bestünde die Gefahr, dass sie durch die beabsichtigte Verfahrensweise wirtschaftlich ruiniert würden.

Zudem wird die Änderung zu einer erheblich größeren Arbeitsbelastung der Insolvenzgerichte führen.

Auf der anderen Seite sind die Sozialversicherungsträger und andere Gläubiger von Dauerschuldverhältnissen bei der derzeit geltenden Regelung ausreichend geschützt durch die Möglichkeit, neu entstandene Forderungen noch nachzuschieben.

7. Zu Artikel 2 Nr. 3 (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO)

Artikel 2 Nr. 3 ist wie folgt zu fassen:

Begründung

§ 55 Abs. 2 InsO in der Entwurfsfassung ist abzulehnen. Er würde die mit der Insolvenzordnung angestrebte Trendwende vom Zerschlagungsprinzip hin zur Sanierung von Unternehmen grundsätzlich in Frage stellen. Die durch die Gesetzesänderung zu erwartende starke Vermehrung von Masseverbindlichkeiten würde die Fortführung von Betrieben bis zur Verfahrenseröffnung akut gefährden. Erst die Möglichkeit, den Insolvenzgeldzeitraum zur Fortführung des Unternehmens oder zur Ausproduktion zu nutzen, gibt dem vorläufigen Verwalter derzeit in vielen Fällen die Möglichkeit, genügend Masse für die Eröffnung des Verfahrens zu erwirtschaften und den Betrieb letztlich ganz oder in Teilen zu erhalten. Müsste der Verwalter die Mehrwertsteuer, die Mieten der Betriebsimmobilie und die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer für die Zeit der vorläufigen Verwaltung voll in seine Berechnung einplanen, würde er sich in vielen Fällen gegen eine Fortführung des Betriebes entscheiden. Im Übrigen würde auch der so genannte schwache Verwalter künftig von der Haftung des Verwalters nach § 61 InsO getroffen. Trägt er das Risiko der Ausfallhaftung für Masseverbindlichkeiten, wird er sich schon aus Gründen des Selbstschutzes in vielen Fällen zu einer Betriebsfortführung nicht mehr bereit sehen. Gerade in der Anfangsphase des Insolvenzverfahrens, in der die Entscheidung über die vorläufige Betriebsfortführung fallen muss, ist der "schwache" Verwalter mit den regelmäßig unübersichtlichen Verhältnissen nicht hinreichend vertraut, um die mit einer Haftungsfolge nach § 61 InsO verbundenen Risiken abschätzen zu können.

Die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Verwaltertypen hat sich in der Praxis auch bewährt und ist mittlerweile etabliert. Durch die vorgeschlagene Neufassung des § 55 Abs. 2 InsO würde diese sachgerechte Differenzierungsmöglichkeit zwischen verschiedenen Verwaltertypen unterlaufen und entwertet. Eine Aufstufung von Verbindlichkeiten, an deren Entstehung der "schwache" Verwalter lediglich durch Zustimmung mitgewirkt hat, zu Masseverbindlichkeiten würde den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gefährden und einen erheblichen Schritt in Richtung einer Gleichschaltung des Eröffnungsverfahrens mit dem eröffneten Insolvenzverfahren mit sich bringen. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Verwaltertypen ist im Rechtsverkehr auch bekannt. Die Gläubiger können auf die Einsetzung eines "schwachen" Verwalters insbesondere dadurch reagieren, dass sie erforderlichenfalls eine zusätzliche Garantieerklärung des "schwachen" vorläufigen Verwalters einholen. Den Bedürfnissen einzelner Gläubiger nach hinreichender Absicherung kann der "schwache" Verwalter auch durch Bargeschäfte, Treuhandverhältnisse oder Einzelermächtigungen durch das Insolvenzgericht entgegenkommen. Die gerichtliche Praxis hat bestätigt, dass auf diese Weise alle praktischen Bedürfnisse abgedeckt werden können.

Das dem Entwurf zu Grunde liegende Konzept zur Verbesserung der Rechtsstellung der Gläubiger von Steuer- und Sozialversicherungsforderungen ist bei einer Abwägung der Interessen nicht geeignet, weil die angestrebte Verbesserung die Rettung von Unternehmen oder wenigstens Unternehmensteilen in der Insolvenz massiv gefährden würde. Es sollte deshalb bei der bisherigen Rechtslage verbleiben.

Die vorgeschlagene Neufassung des Artikels 2 Nr. 3 begründet sich wie folgt:

Nach bisheriger Verwaltungsauffassung stellten die Steuern auf den Neuerwerb des Schuldners, der gemäß § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehört, Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, da sie "in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet" wurden.

Mittlerweile hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 7. April 2005 - V R 5/04 - (ZIP 2005, 1376) entschieden, dass die Umsatzsteuer aus der Erwerbstätigkeit von Gemeinschuldnern, die durch ihre Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringen, nicht zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zählt. Andererseits gehört die Umsatzsteuer, die auf Grund der Ertrag bringenden Nutzung von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenständen anfällt, zu den Masseverbindlichkeiten.

Da der Neuerwerb ungeschmälert der Insolvenzmasse zufließt, ist es gerechtfertigt, dass Verbindlichkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Neuerwerb stehen, durch die Insolvenzmasse getilgt werden.

8. Zu Artikel 2 Nr. 5 (§ 133 Abs. 1 Satz 3 InsO)

In Artikel 2 Nr. 5 ist § 133 Abs. 1 Satz 3 zu streichen.

Begründung

Die Beschränkung des Anfechtungsrechts auf unlauteres Verhalten des Schuldners ist zu weit gehend. Zum einen wird der in das Anfechtungsrecht neu eingeführte Begriff des "unlauteren Verhaltens" neue Auslegungsprobleme aufwerfen. Unklar bleibt, in welchem Verhältnis das geforderte "unlautere Verhalten" des Schuldners zu dem stets erforderlichen Benachteiligungsvorsatz stehen soll, insbesondere, ob es sich um einen besonders qualifizierten Benachteiligungsvorsatz handeln soll oder ob das Verhalten des Schuldners in einer anderen Richtung als unlauter einzustufen sein muss.

Die Beschränkung des Anfechtungsrechts führt außerdem zu einer systemwidrigen Bevorzugung der Sozialkassen. Die Insolvenzprivilegien wurden mit der Insolvenzordnung abgeschafft. Die gesetzliche Änderung würde die Tendenz von Sozialversicherungsträgern, nicht rechtzeitig von ihren Antragsrechten Gebrauch zu machen, weiter befördern und damit im Ergebnis die Rettung von Unternehmen in der Krise weiter erschweren.

9. Zu Artikel 3 (§ 38 Abs. 3 Satz 2 EStG), Artikel 5 (§ 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob den Interessen öffentlichrechtlicher Gläubiger im Insolvenzverfahren in Anbetracht der grundsätzlichen Gleichbehandlung aller Gläubiger in schonenderer Weise Rechnung getragen werden kann.

Begründung

Die Vorschläge zur Änderung des EStG und des SGB IV zielen darauf, einer Anfechtung in der Insolvenz des Arbeitgebers von vornherein den Boden zu entziehen, indem die betreffenden Zahlungen an öffentliche Gläubiger dem jeweiligen Arbeitnehmer zugerechnet werden sollen. Dies führt zu einer Privilegierung öffentlichrechtlicher Gläubiger, die durch die Streichung aller Konkursvorrechte in der Insolvenzrechtsreform beseitigt worden ist. Der gewählte Ansatz ist im Übrigen im Hinblick auf die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 28e SGB IV unzutreffend. Während Abgabenschuldner der Lohnsteuer gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer ist, ist alleiniger Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV der Arbeitgeber. Die Rechtslage in EStG und SGB IV ist deshalb nicht vergleichbar, eine einheitliche Regelung nicht sachgerecht.