964. Sitzung des Bundesrates am 2. Februar 2018
A
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zur Kenntnis. [Er stellt fest, dass die Mitteilung eine geeignete Grundlage für den weiteren intensiven Beratungsprozess darstellt].
- 2. Der Bundesrat betont, dass die GAP seit Beginn der europäischen Einigung vor 60 Jahren zu den wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik gehört. Er würdigt besonders die in der Kommissionsmitteilung dargestellten Leistungen der europäischen Landwirtschaft für die 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU, die zuverlässig mit sicheren und hochwertigen Nahrungsmitteln zu bezahlbaren Preisen versorgt werden. Die Landwirtschaft trägt darüber hinaus maßgebliche Verantwortung für den Schutz von Klima, Umwelt und einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie die Erhaltung der Kulturlandschaften. Grundlage hierfür ist die GAP, durch die der am stärksten integrierte Binnenmarkt geschaffen werden konnte. Sie ist einer der Ausgangspunkte und bis heute einer der am stärksten vergemeinschafteten Politikbereiche der EU. Vor allem die ländlichen Regionen profitieren in einem hohen Maße von den Wertschöpfungsketten der Land-und Forstwirtschaft sowie der Fischerei. Mit den circa 11 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben sind insgesamt rund 44 Millionen Arbeitsplätze in der EU verbunden. In Deutschland ist jeder zehnte Arbeitsplatz von dieser Wertschöpfungskette direkt oder indirekt abhängig. Die GAP ist damit ein Bestandteil des europäischen Integrations- und Einigungsprozesses und leistet einen wichtigen Beitrag zum Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der gesamten EU. Eine Weiterentwicklung der GAP, die sowohl auf die Sicherung der einkommensstabilisierenden Funktionen für die Landwirte als auch darauf ausgerichtet ist, Leistungen für die Gesellschaft stärker zu motivieren und zu honorieren, ist dafür unabdingbar.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass die GAP zu den am stärksten vergemeinschafteten und finanziell wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik gehört.
- 4. Der Bundesrat erkennt die Leistung der europäischen Landwirtschaft für die Bürgerinnen und Bürger an, die zuverlässig mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Zugleich weist er auf ihre Verantwortung für den Schutz von Klima, Umwelt, Biodiversität, Tierwohl und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie die Erhaltung der Kulturlandschaften hin.
- 5. Sie soll mithin auch zur Erreichung der Klima- und Energieziele der EU sowie des Klimaübereinkommens von Paris beitragen.
- 6. Der Bundesrat begrüßt, dass die Mitteilung der Kommission die Herausforderungen in den Bereichen Umwelt und Klima sowie den Zusammenhang zwischen Landwirtschafts- und Entwicklungspolitik der EU benennt, stellt aber zugleich fest, dass diese Analyse nur der erste Schritt hin zu einer ökologischeren, fairen und nachhaltigen europäischen Landwirtschaft sein kann. Die neue GAP muss das nationale Ausbauziel des ökologischen Landbaus auf 20 Prozent der Fläche sicher finanzieren können.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass die GAP in der gesamten EU wichtige Beiträge zur Strategie "Europa 2020" leistet. Dazu gehören die Ziele einer intelligenten, nachhaltigen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft sowie Wachstum, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt. Aus Sicht des Bundesrates sind folgende Grundsätze zu beachten:*
- 8. Die GAP soll besser darauf ausgerichtet werden, ihre positiven ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirkungen vollumfänglich zu entfalten. Die Landwirtschaft trägt darüber hinaus maßgebliche Verantwortung für die Erreichung der europäischen Ziele, darunter auch der Schutz von Klima, Umwelt, biologischer Vielfalt und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie die Erhaltung der Kulturlandschaften. Zudem muss sie einen Beitrag für mehr Tierwohl leisten. Die GAP muss deshalb auch zukünftig auf europäischer Ebene entsprechend ihren Zielen und Aufgaben finanziell zumindest im bisherigen Volumen ausgestattet werden.
- 9. Der Bundesrat hält es im Hinblick auf die Akzeptanz der GAP bei Bürgerinnen und Bürgern für erforderlich, dass eine neue GAP nachweisbar im Einklang mit den anderen EU-Politiken im Bereich Umwelt, Klima-, Natur-, Verbraucher-, und Tierschutz steht. Hierzu bedarf es eines erheblich verbesserten integrativen Ansatzes der GAP und eines höheren Ambitionsniveaus. Alle Zahlungen der GAP müssen zukünftig daran geknüpft werden, dass damit die Ziele der genannten EU-Politiken auch tatsächlich erreicht werden können. Die neue GAP muss nach dem Grundsatz "öffentliches Geld für öffentliche Leistungen" erfolgen. Nur so kann der europäische Mehrwert durch die GAP erbracht werden. Die GAP muss auch zukünftig auf europäischer Ebene ihren Zielen und Aufgaben entsprechend finanziell gut ausgestattet werden.
- 10. Landwirtschaft und ländlicher Raum haben eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung sowie der Schlussfolgerungen der 21. Jahreskonferenz der Vertragsparteien (COP 21) zur Begrenzung des Klimawandels und zum Erhalt der biologischen Vielfalt.
- 11. Die GAP muss den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen und daher künftig stärker in der Lage sein, landwirtschaftliche Erzeugung mit öffentlichen Gütern, wie zum Beispiel dem Erhalt von Kulturlandschaften, mit dem Schutz von Natur, Klima, Umwelt und Biodiversität sowie mit den Anforderungen an das Tierwohl, zu verbinden.
- 12. Er sieht die Notwendigkeit, dass über die GAP eine flächengebundene Tierhaltung gefördert wird, die am Tierwohl ausgerichtet ist. Die GAP muss dazu beitragen, die Landwirtschaft beim gesellschaftlich gewünschten Umbau der Tierhaltung hin zu umwelt- und tiergerechten Haltungsverfahren zu unterstützen.
- 13. Er ist außerdem der Auffassung, dass die künftige GAP die Landwirtschaft noch besser darin unterstützen muss, Nährstoffüberschüsse und Einträge von Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer zu reduzieren, den Artenverlust im Offenland zu stoppen, Treibhausgase zu reduzieren und zur Umsetzung der Natura-2000-Ziele beizutragen.
- 14. Die EU-weit geltenden umfangreichen und sehr engen Steuerungs- und Kontrollinstrumente sind kaum mehr beherrschbar und führen zu einem sehr hohen Verwaltungsaufwand. Für die künftige Förderperiode ist eine grundlegende Überarbeitung der Verwaltungs- und Kontrollverfahren im Sinne einer "Kultur des Vertrauens" zwingend erforderlich. Auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Ziele sollen die Mitgliedstaaten und Regionen mehr Handlungsspielräume bei der Gestaltung und Umsetzung der GAP erhalten. Gleichzeitig muss eine deutliche Reduzierung europäischer Vorgaben, auch in Form von Durchführungsverordnungen, Leitlinien und Auslegungsvermerken, stattfinden.
- 15. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die GAP einfacher und effektiver werden muss. Zugleich stellt er fest, dass eine Fülle von Sonder- und Ausnahmeregelungen vor allem in der Schlussphase der letzten Agrarreform die GAP verkompliziert hat.
- 16. Gemäß der Mitteilung sollen künftig die Mitgliedstaaten und Regionen mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung des Regelungs- und Umsetzungsrahmens zur GAP erhalten und dazu strategische Pläne der Kommission zur Genehmigung vorlegen.
- 17. Der Bundesrat fordert ein überzeugendes Konzept, wie die strategischen Pläne der Mitgliedstaaten mit entsprechender Programmierung, zeitnaher Genehmigung durch die Kommission sowie nachfolgendem Monitoring und Evaluierung zu einer tatsächlichen und spürbaren Vereinfachung der GAP auf allen Verwaltungsebenen führen können.
- 18. Die Kommission ist gefordert, ein überzeugendes Konzept vorzulegen, wie die strategischen Pläne der Mitgliedstaaten bzw. Regionen (Programmierung, Controlling und zeitnahe Genehmigung durch die Kommission, nachfolgendes Monitoring und Evaluierung) auch in föderal aufgebauten Mitgliedstaaten zu einer tatsächlichen und spürbaren Vereinfachung der GAP führen können.
- 19. Es darf nicht dazu führen, dass die Verantwortung für bürokratische Vorgaben nur von der EU-Ebene auf die Mitgliedstaaten oder Regionen verschoben wird.
- 20. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, klare einheitliche Vorgaben der EU für die Genehmigung der strategischen Pläne der Mitgliedstaaten zu machen. Diese müssen so gestaltet werden, dass nur noch eine Landwirtschaft gefördert wird, die ohne negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt, wie zum Beispiel Nährstoffüberschüsse und Einträge von Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer, auskommt.
- 21. Der Bundesrat begrüßt die Forderung, dass eine neue GAP ehrgeizigere Ziele bei Ressourceneffizienz, Umweltpflege und Klimaschutz verfolgen soll. Dazu gehört auch der Erhalt der biologischen Vielfalt. Zur ebenfalls geforderten stärker ergebnisorientierten Ausrichtung der GAP ist es notwendig, dass in den strategischen Plänen der Mitgliedstaaten messbare Parameter und Monitoringpläne für die genannten Ziele festgelegt werden.
- 22. Der Bundesrat spricht sich weiter dafür aus, dass die GAP zum Erhalt naturschutzfachlich und für die Biodiversität besonders wertvoller Flächen beiträgt. Gerade traditionelle Bewirtschaftungsweisen wie etwa extensive Weidesysteme sollten über Agrarzahlungen verstärkt unterstützt werden können.
- 23. Der Bundesrat betont, dass die GAP in Zukunft explizit als Instrument zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen im außerlandwirtschaftlichen Bereich genutzt werden sollte. Ziel der GAP sollte nicht nur eine nachhaltig wirtschaftende, naturverträgliche und wettbewerbsfähige Landwirtschaft sein, sondern sie muss darüber hinaus die Förderung von Naturschutz- und Landschaftspflegemaßnahmen anderer Akteure beinhalten und unterstützen.
- 24. Der Bundesrat begrüßt, dass die grüne Architektur der GAP mit den wesentlichen Elementen "Cross-Compliance", "Greening" sowie freiwilligen Agrar- und Klimaschutzmaßnahmen durch ein gezielteres, ehrgeizigeres und gleichzeitig flexibles Konzept weiterentwickelt und vereinfacht werden soll. Er begrüßt, dass es den Mitgliedstaaten in einem neuen Modell möglich sein soll, obligatorische und freiwillige Maßnahmen zu kombinieren und zu quantifizieren und messbare Vorgaben festlegen zu können, mit denen sichergestellt werden kann, dass die vereinbarten Umwelt- und Klimaziele der EU erreicht werden. Die Herausforderung besteht darin, den Mitgliedstaaten und Regionen mehr Handlungsoptionen zu geben, die mess- und überprüfbare Ziel- und Ergebnisorientierung der Maßnahmen umzusetzen und eine erfolgreiche Durchführung in den landwirtschaftlichen Betrieben zu ermöglichen.
- 25. Gemäß der Mitteilung soll die grüne Architektur der GAP mit den Elementen "Cross-Compliance", "Greening" sowie freiwilligen Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen durch ein gezielteres, ehrgeizigeres und gleichzeitig flexibles Konzept ersetzt und vereinfacht werden. Eine neue grüne Architektur der GAP muss den Mitgliedstaaten, den Regionen und den Landwirten selbst mehr Handlungsoptionen geben, die Zielorientierung sowie die Honorierung und Anreizwirkung der Maßnahmen verbessern und eine erfolgreiche Umsetzung in den landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen.
- 26. Dies wird ohne einen Rückzug der Kommission aus dem derzeitigen Regelungs- und Kontrollrahmen zur GAP sowie eine Umstellung auf reine Systemkontrollen in den Mitgliedstaaten nicht gelingen. Einer Vergrößerung von Anlastungsrisiken, die mit dem neuen Umsetzungsmodell und Subsidiaritätsansatz systemisch einhergehen können, ist zu begegnen.
- 27. Der Bundesrat spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass auf europäischer Ebene ein verbindlich festgelegter Anteil der in der GAP zur Verfügung stehenden Mittel für Maßnahmen zur Erreichung der Naturschutz-, Umwelt- und Klimaziele festgelegt wird, um europaweit einen ambitionierten Beitrag der GAP zu diesen Zielen zu gewährleisten.
- 28. Nach Auffassung des Bundesrates sollten vor allem jene landwirtschaftlichen Betriebe gefördert werden, die naturverträglich, klima- und ressourcenschonend sowie besonders tiergerecht wirtschaften und dadurch einen Beitrag zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion leisten. Der Bundesrat hält zugleich eine Basisabsicherung für bäuerliche Betriebe gerade in Krisenzeiten für unverzichtbar. Dabei ist die Teilhabe von kleinen und mittleren Betrieben - auch von Nebenerwerbsbetrieben - zu verbessern.
- 29. Das bisherige Fördermodell mit seinen beiden Säulen hat eine einkommensstabilisierende Wirkung auf die landwirtschaftlichen Betriebe. Auch künftig sind Unterschiede, zum Beispiel bei Kosten, Kaufkraft und außerlandwirtschaftlichem Einkommensniveau zwischen den Mitgliedstaaten, zu berücksichtigen. Die EU-Zahlungen müssen künftig als wesentlicher Beitrag den Erhalt des europäischen Agrarmodells einer multifunktionalen, flächendeckenden und nachhaltigen Landwirtschaft, auch in benachteiligten Gebieten in allen Mitgliedstaaten sichern. Der Bundesrat hält eine Basisabsicherung für die bäuerlichen Betriebe, zu denen auch Nebenerwerbs- und Mehrfamilienbetriebe gehören, für unverzichtbar. Dabei muss die Höhe der Zahlungen dem Ziel der Einkommenssicherung und Risikoabsicherung gerecht werden. Die bäuerlich wirtschaftenden Betriebe und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft müssen gestärkt werden. Als tragendes Element der GAP sollen die EU-Zahlungen künftig noch gezielter für die anstehenden Herausforderungen der landwirtschaftlichen Betriebe, einschließlich der Risikoabsicherung, eingesetzt werden.
- 30. Die von der Kommission angeregten Vorschläge zu Kappung und Degression sollten weiterverfolgt und die Berücksichtigung der erforderlichen Arbeitsleistungen geprüft werden. Nicht verausgabte Mittel aus Degression und Kappung sollten auf der Ebene des Landes verbleiben.
- 31. Der Bundesrat begrüßt das Bekenntnis der Kommission zur Bedeutung von Beratung, Forschung und Innovationen für die Entwicklung des Agrarsektors und der ländlichen Räume. Technologische Entwicklung und Digitalisierung können die negativen umwelt-, ressourcen- und klimabezogenen Auswirkungen der Landwirtschaft reduzieren, zu weniger Wasserverbrauch führen, für eine bessere Produktqualität sorgen, die Tiergesundheit fördern und zugleich Kosten sowie Arbeitsbelastung senken. Dafür ist es besonders wichtig, den Zugang zu innovativen Technologien für alle ländlichen Räume und für alle landwirtschaftlichen Betriebe, auch kleine und mittlere, deutlich zu verbessern.
- 32. Die Kommission misst Beratung, Forschung und Innovationen für die Entwicklung des Agrarsektors und der ländlichen Räume hohe Bedeutung zu. Technologische Entwicklung und Digitalisierung können Produkte, Produktionsprozesse und Umweltauswirkungen von Landbewirtschaftung in jeglicher Hinsicht positiv beeinflussen und zugleich Kosten und Arbeitsbelastung senken. Es ist besonders wichtig, den Zugang zu innovativen Technologien für alle ländlichen Räume und für alle landwirtschaftlichen Betriebe, auch kleine und mittlere, deutlich zu verbessern.
- 33. Mittlerweile treten sehr hohe Preisvolatilitäten auf den Agrarmärkten und infolge des Klimawandels gestiegene Wetterrisiken für Erzeuger zu Tage. Landwirte haben in ihrer Eigenschaft als Unternehmer zuvorderst die Verantwortung für das einzelbetriebliche Risikomanagement zu tragen. Ebenso soll die Marktorientierung beibehalten werden. Entsprechend müssen Regelungen und Ressourcen auf EU-Ebene angepasst werden, um auf Krisenfälle schneller und flexibler reagieren zu können. Darüber hinaus ist ein Mindestmaß an Marktordnungsregelungen (Sicherheitsnetz) beizubehalten. Freiwillige Instrumente zum Risikomanagement für landwirtschaftliche Betriebe sind zu stärken.
- 34. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Landwirte in ihrer Eigenschaft als Unternehmer zuvorderst die Verantwortung für das einzelbetriebliche Risikomanagement tragen. Er nimmt die mittlerweile sehr hohen Preisvolatilitäten auf den weltweiten Agrarmärkten und die infolge des Klimawandels gestiegenen Wetterrisiken für Erzeuger mit Sorge zur Kenntnis. Vor diesem Hintergrund fordert er eine Stärkung insbesondere der freiwilligen Instrumente zum Risikomanagement für landwirtschaftliche Betriebe. Darüber hinaus sind die notwendigen Marktordnungsregelungen beizubehalten.
- 35. Nach Auffassung der Kommission bieten neue Wertschöpfungsketten, die die Bereiche der erneuerbaren Energie, der Bioökonomie und des Ökotourismus betreffen, gerade in ländlichen Gebieten große Chancen für Wachstum und Beschäftigung und können damit zu einem krisenfesteren Agrarsektor beitragen. Um bestehende und neue Marktpotenziale besser ausschöpfen zu können, sind weitere Verbesserungen bei den Marktbedingungen notwendig, indem die Marktposition landwirtschaftlicher Erzeuger in der Wertschöpfungskette gestärkt wird und mehr regionale Spielräume für die Produktauslobung und -kennzeichnung ermöglicht werden.
- 36. Der Bundesrat betont die Verantwortung der Landwirtschaft für die Lebensmittelqualität und damit den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger. Die verstärkte Nachfrage nach Bioprodukten zeigt, dass hier vor allem auch Chancen für die Landwirtinnen und Landwirte liegen. Die GAP muss einen wesentlichen Beitrag zur Förderung und Sicherung dieser Qualitätsstandards leisten.
- 37. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, den Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft weiter zu reduzieren. Er begrüßt vor diesem Hintergrund, dass die Kommission zunehmende antimikrobielle Resistenzen als Problem erkannt hat und bessere Lösungen fordert. Er weist darauf hin, dass eine artgerechte Tierhaltung die Tiergesundheit und das Tierwohl fördern, den Einsatz von Antibiotika reduzieren und somit auch zu einem besseren Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger beitragen kann.
- 38. Nach Auffassung des Bundesrates sollte die GAP über die Sicherstellung eines ausreichenden Nahrungsangebots hinaus auch das Ziel haben, die Wertschätzung für gesunde und umweltverträglich produzierte Lebensmittel in der Bevölkerung zu erhöhen, gesündere Essgewohnheiten zu fördern und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Er begrüßt daher, dass die Kommission etwa den Verzehr von Obst und Gemüse im Rahmen der GAP fördern und hierdurch Fehlernährung entgegentreten möchte. Der Bundesrat unterstreicht, dass die GAP die Landwirtschaft auf dem Weg zu qualitativ hochwertigen Produkten unterstützen muss und zugleich den Bürgerinnen und Bürgern informierte Entscheidungen ermöglichen soll.
- 39. Bei der Reform der GAP müssen die Potenziale und Perspektiven der Menschen im ländlichen Raum noch stärker beachtet und unterstützt werden, wobei die Förderung von Arbeitsplätzen und Wachstum in diesen Räumen eine wichtige Rolle spielt. Einer Stärkung der erforderlichen Finanzierungsinstrumente insbesondere für investive Maßnahmen steht der Bundesrat offen gegenüber. Die Regionen müssen entscheiden können, ob und welche sie davon einsetzen. LEADER als Bottom-up-Ansatz hat sich bewährt. Dieses Instrument zur Stärkung der regionalen Akteure für die Umsetzung einer eigenverantwortlichen nachhaltigen ländlichen Entwicklung muss fortgeführt werden. Die GAP muss weiterhin ihren Beitrag dazu leisten können, die ländlichen Räume als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume zu erhalten, dem demografischen Wandel zielgerichteter Rechnung zu tragen und Lebensperspektiven für junge Menschen und Familien auf dem Lande weiterzuentwickeln. Auch die Unterstützung von Junglandwirtinnen und -wirten ist hierfür von großer Bedeutung. Die Regionen müssen selbst darüber entscheiden können, welche der möglichen Finanzierungsinstrumente sie dafür einsetzen.
- 40. Der Bundesrat begrüßt die Auffassung der Kommission, dass die künftige GAP ihren weltweiten Auswirkungen und Verflechtungen besondere Aufmerksamkeit schenken muss. Der enorme Anstieg des Weltagrarhandels hat neben einem Anstieg des Wohlstandes in Teilen der Welt auch zu großen Problemen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Verteilungsgerechtigkeit geführt. Die Agrar- und Handelspolitik der EU steht daher in besonderer Verantwortung für einen ausgewogenen internationalen Handel und muss deshalb im Einklang mit der Entwicklungs- und globalen Klimaschutzpolitik der EU stehen.
- 41. Die GAP ist auch Teil der Ziele der Kommission in Hinblick auf einen ausgewogenen und fairen internationalen Handel.
- 42. Gerade die am wenigsten entwickelten Länder brauchen faire Handelsbedingungen, die Möglichkeit zum Schutz ihrer Märkte und den Zugang zum EU-Binnenmarkt für alle Produkte außer Waffen.
- 43. [Agrar]handels-, Migrations- und Flüchtlingspolitik stehen ebenfalls in einem {engen} Zusammenhang.
- 44. Eine künftige GAP soll auch auf die Ursachen der Migration eingehen.
- 45. Die GAP muss deshalb das Recht auf Nahrung und die Ernährungssouveränität [durch faire Wettbewerbsbedingungen und nicht handelsverzerrende Maßnahmen] gerade für Menschen in weniger entwickelten Ländern berücksichtigen {und darf die Produzenten nicht zu Rohstofflieferanten für den Weltmarkt mit allen damit verbundenen negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen degradieren}.
- 47. Sie muss es zudem der EU-Landwirtschaft ermöglichen, die Chancen global integrierter Agrarmärkte und der weltweit steigenden Nachfrage zu nutzen. Migration kann unter anderem durch Beiträge zur Begrenzung des Klimawandels, verstärkte Austauschprogramme mit Afrika und Technologietransfer in den Ursprungsländern begegnet werden.
- 48. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission es versäumt hat, den Klimawandel sowie protektionistische und unausgewogene Tendenzen im Weltagrarhandel als Fluchtursachen zu benennen. Schließlich kann ein ausgewogenerer internationaler, auf die Einhaltung von Umwelt- und Klimaschutzstandards gerichteter Weltagrarhandel zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Wohlstandes, zu einer Begrenzung des Klimawandels und damit auch zu einer verringerten Migration sowie Minderung von Fluchtursachen führen.
- 49. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 50. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.
* gilt als mitbeschlossen