Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS),
der Ausschuss für Familie und Senioren (FS),
der Finanzausschuss (Fz) und
der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ),
empfehlen dem Bundesrat,
zu dem Bericht
wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Im Rentenversicherungsbericht 2004 stellt die Bundesregierung die weitere finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2018 in verschiedenen Szenarien dar. Der gesetzlich vorgesehene Beitragssatz von maximal 20 Prozent bis zum Jahr 2020 würde danach bei der unteren von drei Varianten bereits im Jahr 2017 mit bis zu 20,5 Prozent deutlich überschritten. Annahmekombinationen zwischen unterer und mittlerer Variante führen zu Beitragssätzen bis 20,2 Prozent in 2017 bzw. 20,3 Prozent in 2018.
Diese Entwicklung bestätigt die vom Bundesrat bereits zum Rentenversicherungsbericht 2003 geäußerten Bedenken hinsichtlich der nötigen Konsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung (Drs. 921/03(Beschluss) .
AS, FJ, FS - 2. Die Bundesregierung dokumentiert mit dem Rentenversicherungsbericht 2004, dass sie weiterhin kurzfristige Notmaßnahmen in Kauf nimmt, anstatt Risiken der Rentenversicherung einzuplanen und Finanzierungslücken durch vorausschauende Konzepte zu vermeiden. Eine entsprechend tragfähige langfristige Weichenstellung ist nicht erkennbar.
AS, FJ, FS, FZ - 3. Die Bundesregierung geht von einem weiteren Absinken der Ende 2004 verbleibenden Nachhaltigkeitsrücklage von 4,4 Milliarden Euro (= 0,28 Monatsausgaben) aus und errechnet für Ende 2005 eine verbleibende Reserve, die mit 0,2 Monatsausgaben der minimierten gesetzlichen Vorgabe gerade noch entsprechen würde.
Fz (bei Annahme entfällt Ziffer 4) - 4. Die Bundesregierung errechnet für Ende 2005 eine Nachhaltigkeitsrücklage, die mit 0,2 Monatsausgaben der minimierten gesetzlichen Vorgabe gerade noch entsprechen würde.
AS, FJ, FS - 5. Dabei legt sie unrealistische ökonomische Annahmen zugrunde - beispielsweise ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent im Jahr 2005. Auch der Sozialbeirat bewertet diese Annahmen als "sehr optimistisch". Nach Überzeugung des Bundesrates können nach erfolgter Herabsetzung der Nachhaltigkeitsrücklage auf 0,2 Monatsausgaben bereits geringere unterjährige Einnahmeschwankungen der Rentenversicherung nicht mehr ausreichend abgefedert werden.
AS, FJ, FS, Fz - 6. Mit dem Verkauf des Wohnungsbestandes der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (GAGFAH) wurden letzte Reserven verbraucht. Damit können absehbare künftige Liquiditätsprobleme nur noch durch das Vorziehen von Bundeszuschüssen oder durch Inanspruchnahme der Bundesgarantie überbrückt werden.
AS, FJ, FS - 7. Der Bundesrat sieht auch für 2005 eine erhebliche Gefahr von Liquiditätsengpässen und befürchtet einen zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit der Rentenversicherung. Hierin befindet sich der Bundesrat in Übereinstimmung mit dem Sozialbeirat.
AS, FJ, FS, FZ - 8. Auch die langfristige Prognose der Bundesregierung birgt gravierende Probleme. So zieht die Bundesregierung die mittlere Berechnungsvariante als wahrscheinlichste Entscheidungsgrundlage heran. Selbst die mittlere Variante, nach der die mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz angestrebte Einhaltung eines maximalen Beitragssatzes von 20 Prozent bis 2020 gerade noch möglich wäre, lässt nach Ansicht des Bundesrates gewichtige Risiken außer Acht. Ein langfristiger durchschnittlicher Lohnzuwachs von 3 Prozent, ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent, eine langfristige deutliche Abnahme der Arbeitslosigkeit und ein Anstieg der Anzahl der versicherungspflichtig Beschäftigten wären zwar wünschenswert; der Eintritt ungünstigerer Faktoren entsprechend der unteren Variante erscheint jedoch nach den Erfahrungen der aktuellen wirtschaftlichen Situation wesentlich wahrscheinlicher. Im Ergebnis steht damit fest, dass mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz das angestrebte Ziel einer finanziellen Konsolidierung der Rentenversicherung nicht erreicht werden kann.
AS, FJ, FS - 9. Der Bundesrat hält es weiterhin für dringend erforderlich, Nachteile für Familien in der Rentenversicherung wesentlich stärker als bisher auszugleichen. Im Rentenversicherungsbericht 2004 ist ausdrücklich festgehalten, dass der durchschnittliche Rentenanspruch von Frauen umso geringer ist, je mehr Kinder erzogen wurden.
AS, FJ, FS - 10. Der Bundesrat sieht im Ergebnis weiterhin erheblichen Reformbedarf. Zerstörtes Vertrauen muss durch Verlässlichkeit und klare Zukunftsperspektiven für die Rentenversicherung zurückgewonnen werden.
AS, FJ, FS, Fz - 11. Der Bundesrat regt - wie auch der Sozialbeirat - im Übrigen an, in künftigen Rentenversicherungsberichten auch den Verlauf der unterjährigen Liquidität aufzunehmen und die Auswirkungen des Nachhaltigkeitsfaktors darzustellen.
AS, FJ, FS - 12. Der Bundesrat regt außerdem an, unter Zugrundelegung realistischerer Annahmen auch künftig drei Lohnentwicklungs-Varianten darzustellen, jedoch von der Ausweisung einer oberen Variante mit einer durchgängigen Lohnentwicklung von 4 Prozent abzusehen. Trotz des modellhaften Charakters werden ansonsten nicht einlösbare Erwartungen ausgelöst. Die Ausweisung einer neuen unteren Variante mit einem durchschnittlichen Lohnzuwachs unter zwei Prozent besäße sicherlich mehr Relevanz.
AS, FJ, FS - 13. Der Bundesrat stellt fest, dass nach der Prognose für die mittelfristige Entwicklung der Angleichung des aktuellen Rentenwerts in den neuen Ländern an den in den alten Ländern der Angleichungsprozess sich gegenüber den im Rentenversicherungsbericht 2003 geäußerten Erwartungen weiter verlangsamen wird; die Angleichung für Bezieher gegenwärtiger Renten in den neuen Ländern wird wohl während ihrer Rentenbezugszeiten nicht mehr stattfinden.
AS, FJ, FS