Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg, Bremen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte für Bund, Länder und Gemeinden

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg, Bremen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d)

Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 24. März 2009
Der Staatssekretär

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Regierungen der Länder Baden-Württemberg und Bremen haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten

und den ebenfalls als Anlage beigefügten


mit dem Ziel zuzuleiten, ihre Einbringung beim Deutschen Bundestag zu beschließen.
Die Regierungen der genannten Länder haben ferner beschlossen, dem Bundesrat die als weitere Anlage beigefügte


zuzuleiten.
Ich bitte, die Gesetzesentwürfe und den Entschließungsantrag gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 3. April 2009 zu setzen. Nach Vorstellung im Plenum sollen die Gesetzentwürfe und der Entschließungsantrag den Ausschüssen zur weiteren Beratung überwiesen werden.


Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d)

Vom ...


Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen;
Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom ...(BGBl. I S. ...), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

Das Gesetz dient der Umsetzung der Beschlüsse der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (kurz: Föderalismuskommission II). Damit wird die im Koalitionsvertrag vereinbarte zweite Stufe der Föderalismusreform umgesetzt.

Bundestag und Bundesrat haben am 15. Dezember 2006 beschlossen, eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einzusetzen.

Die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat haben die Kommission am 8. März 2007 konstituiert. Die vom Vorsitzenden der Fraktion der SPD, Dr. Peter Struck, und dem badenwürttembergischen Ministerpräsidenten, Günther H. Oettinger, geleitete Kommission hatte den Auftrag, Vorschläge zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu erarbeiten, um diese den veränderten Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb Deutschlands für die Wachstums- und Beschäftigungspolitik anzupassen. Im Interesse einer besseren Aufgabenerfüllung sollten auch Vorschläge für eine Effizienzsteigerung und Zusammenarbeit der öffentlichen Verwaltung gemacht werden. Die Kommission hat ihre Arbeiten am 5. März 2009 mit der Vorlage von Reformvorschlägen abgeschlossen.

Reform der nationalen Verschuldungsregeln (Artikel 109, 115 und 143d)

Hintergrund und Ziele der Änderung der Artikel 109 und 115

Höhe und Entwicklung des in den vergangenen Jahrzehnten aufgelaufenen Schuldenstandes in Deutschland zeigen, dass die bislang geltenden Fiskalregeln die Neuverschuldung nicht nachhaltig eindämmen und damit auch den Anstieg der Schuldenstandsquote (Schuldenstand im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) nicht verhindern konnten. Seit Einführung der für den Bund bislang geltenden Regel des Artikels 115 im Zuge der Finanzverfassungsreform 1967/69 ist die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte von damals rund 20 vom Hundert auf heute knapp 70 vom Hundert gestiegen.

Mit ursächlich für diese Entwicklung sind ökonomische und politische Fehlanreize, die durch die bislang geltenden Fiskalregeln des Bundes und der Länder gesetzt wurden. Die für den Bund bislang geltende "goldene Regel" des Artikels 115, die in ähnlicher Form auch Bestandteil vieler Landesverfassungen ist, ermöglicht eine Nettokreditaufnahme bis zur Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen.

Neben dem im Hinblick auf den volkswirtschaftlichen Wertzuwachs ungeeigneten (Brutto-) Investitionsbegriff liegen die Schwächen der bisherigen Regelung insbesondere in einer zu weit gefassten Ausnahmeregelung bei konjunkturellen Störungen, einer fehlenden Verknüpfung zwischen der Regeleinhaltung bei Haushaltsaufstellung und Haushaltsvollzug sowie dem Fehlen einer ausdrücklichen Verpflichtung, die in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs unter Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung einer (drohenden) "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" verursachten zusätzlichen Defizite durch Bildung von Überschüssen in Zeiten eines Aufschwungs wieder auszugleichen.

Zudem haben sich seit der Finanzverfassungsreform 1967/69 die wirtschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen erheblich geändert:

Vor diesem Hintergrund werden in Artikel 109 neue, für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundzüge für die verfassungsrechtliche Begrenzung der Nettokreditaufnahme festgelegt, die insbesondere in Übereinstimmung mit der Philosophie des präventiven Arms des reformierten europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern sicherstellen und nach dieser Maßgabe eine konjunkturgerechte und zukunftsorientierte gestaltende Finanzpolitik ermöglichen sollen. In Artikel 115 werden - in Konkretisierung der in Artikel 109 formulierten Grundsätze - die verfassungsrechtlichen Grundzüge der dafür notwendigen neuen Verschuldungsregel für den Bund festgelegt.

Änderung des Artikels 109

Zur Umsetzung dieser Ziele wird an die bereits bislang in Artikel 109 verankerte Festlegung angeknüpft, wonach Bund und Länder gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des EG-Vertrags erfüllen. Die Haushalte von Bund und Ländern müssen danach ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen. Abweichungen von diesem Grundsatz sind insbesondere möglich, um zur Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung die mit konjunkturellen Schwankungen gewissermaßen automatisch einhergehenden Effekte auf die öffentlichen Haushalte symmetrisch - also im Auf- und Abschwung gleichartig - zuzulassen.

Im Rahmen des Grundsatzes ausgeglichener Haushalte erhält der Bund zusätzlich einen sehr eng begrenzten strukturellen, also unabhängig von der konjunkturellen Lage bestehenden, Verschuldungsspielraum. Hiermit soll mit Blick auf die intergenerative Gerechtigkeit der einnahmen- bzw. ausgabeseitige Spielraum des Bundesgesetzgebers für qualitativ hochwertige Maßnahmen geschaffen werden, d. h. für solche Maßnahmen, die nicht nur der dauerhaften Stärkung von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung dienen, sondern insbesondere künftigen Generationen zugute kommen, ohne dass dadurch eine langfristig nicht tragfähige Entwicklung der öffentlichen Finanzen verursacht wird. Für die Länder sieht der neue Artikel 109 keinen solchen strukturellen Neuverschuldungsspielraum vor.

Die strukturellen Verschuldungsspielräume für Bund und Länder stehen im Einklang mit den Vorgaben des präventiven Arms des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, der die Mitglieder der Eurozone und des Wechselkursmechanismus II zur Einhaltung des Prinzips "annähernd ausgeglichener oder einen Überschuss aufweisender Haushalte" auf die Festlegung und Einhaltung mittelfristiger Haushaltsziele verpflichtet.

Die Bedeutung des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der den sanktionsbewehrten korrektiven Arm des Pakts ergänzt, wurde mit der Reform des Pakts im Jahr 2005 deutlich gestärkt. Die in diesem Rahmen verfolgten Mittelfristziele der Haushaltspolitik dienen nach der - durch die Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 geänderte - Verordnung (EG) Nr. 1466/97 dreierlei Zwecken: Neben der Gewährleistung einer Sicherheitsmarge beim Maastricht-Defizit-Kriterium von 3 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt sollen hierdurch rasche Fortschritte hin zu langfristig tragfähigen öffentlichen Finanzen gewährleistet und in diesem Rahmen haushaltspolitischer Gestaltungsspielraum für qualitativ hochwertige Maßnahmen, z.B. auch volkswirtschaftlich sinnvolle öffentliche (Netto-)Investitionen gewährleistet werden.

Die im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt bezüglich der Mittelfristziele vorgesehenen Spannbreiten geben einen Rahmen, jedoch keine quantitativ eindeutige Vorgabe für die Begrenzung der Nettokreditaufnahme. Die in Artikel 109 für die Länder formulierte Vorgabe, die Haushalte in konjunktureller Normallage ohne jeglichen strukturellen Verschuldungsspielraum auszugleichen, und der dem Bund eingeräumte, eng begrenzte strukturelle Spielraum sind von daher gleichermaßen aus der Philosophie des Stabilitäts- und Wachstumspakts ableitbar.

Die Tatsache, dass der Grundsatz des ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichenen Haushalts für Bund und Länder in leicht unterschiedlicher Weise ausgestaltet wird, wurde in den Beratungen der Föderalismuskommission II von allen Seiten anerkannt und als sachgerecht dargestellt.

Die grundgesetzlichen Vorgaben des Absatzes 3 zur Begrenzung der Kreditaufnahme in den Länderhaushalten verletzen nicht den Wesensgehalt der durch Artikel 79 Absatz 3 geschützten Länderstaatlichkeit und lassen auch den Kerngehalt der durch Absatz 1 geschützten haushaltswirtschaftlichen Autonomie der Länder unberührt.

Das Grundgesetz gewährleistet die Autonomie der Haushaltswirtschaft nicht uneingeschränkt.

Das ergibt sich bereits daraus, dass das Finanzwesen im Bundesstaat ein Gesamtgefüge darstellt und die Haushaltsautonomie den grundgesetzlichen Bestimmungen über die Steuerzuteilung und den Finanzausgleich nachgeordnet ist (vgl. BVerfGE 101, 158 [220]). Unmittelbare Einschränkungen ergeben sich zudem bereits durch die bestehende Bindung der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Der bisherige Absatz 4 ließ insoweit auch weit reichende Einflussmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Form von Vorgaben für Höchstbeträge, Bedingungen und Zeitfolge der Kreditaufnahme beziehungsweise zur Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen zu. Die kreditbezogenen Vorgaben des Absatzes 3 geben den Ländern für diesen Teilausschnitt der Haushaltswirtschaft lediglich einen Rahmen vor, innerhalb dessen sie ihre Haushalte selbständig und unabhängig gestalten können. Absatz 3 beinhaltet kein absolutes Verbot der Kreditaufnahme, sondern lediglich den Grundsatz eines strukturell ausgeglichenen Haushalts. Kreditaufnahmen aus konjunkturellen Gründen oder in außergewöhnlichen Notsituationen bleiben weiterhin zulässig.

Änderung des Artikels 115

Artikel 115 konkretisiert die in Artikel 109 festgelegten Grundsätze für den Bund. Mit der Neuregelung werden die konstruktionsbedingten Schwächen des bisherigen Artikels 115 im Hinblick auf die nachhaltige Eindämmung der Neuverschuldung beseitigt und die verfassungsrechtliche Verschuldungsregel des Bundes an die seit Einführung der bisherigen Regel geänderten Rahmenbedingungen durch folgende Neuerungen angepasst:

Mit der einfachgesetzlich zu regelnden Bereinigung von Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen, der in Auf- und Abschwüngen gleichartigen Berücksichtigung der Konjunktur über ein Konjunkturbereinigungsverfahren und der Sicherstellung der Einhaltung der Regel auch im Haushaltsvollzug folgt die Konkretisierung der Schuldenregel für den Bund in Artikel 115 den Vorgaben des europäischen Stabilitäts-und Wachstumspakts über die allgemeinen Vorgaben des Artikels 109 hinaus.

Übergangsregelung Die Neuregelungen zur Begrenzung der Kreditaufnahme sollen erstmals mit Wirkung für das Haushaltsjahr 2011 Anwendung finden. Da die vollständige Einhaltung der neuen Grenzen, insbesondere auch angesichts der notwendigen Ausweitung der Staatsverschuldung im Rahmen der Bewältigung der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, im Jahr 2011 noch nicht möglich ist, werden Bund und Länder durch Artikel 143d ermächtigt, befristet von den Vorgaben abzuweichen. Die Vorgaben müssen vom Bund ab dem Jahr 2016 und von den Ländern ab dem Jahr 2020 eingehalten werden.

Die Länder können in der Übergangsphase nach Maßgabe des bisher geltenden Rechts von den Vorgaben des Artikels 109 abweichen. Sie müssen ihre Haushalte in diesem Zeitraum so aufstellen, dass die Vorgabe strukturell ausgeglichener Haushalte im Jahr 2020 erfüllt wird. Für den Bund wird in der Übergangsphase eine Überschreitung des strukturellen Verschuldungspielraums nach Art. 115 Absatz 2 Satz 2 (0,35 v. H. in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) zugelassen, mit der Maßgabe, dass im Haushaltsjahr 2011 mit dem schrittweisen Abbau überschießender struktureller Verschuldung begonnen werden soll und die Vorgabe des Artikels 115 im Jahr 2016 erfüllt wird.

Konsolidierungshilfen (Artikel 143d)

Artikel 143d räumt die Möglichkeit ein, den Ländern Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein für den Zeitraum 2011 bis 2019 angesichts ihrer besonders schwierigen Haushaltssituation Konsolidierungshilfen der bundesstaatlichen Gemeinschaft zu gewähren. Voraussetzung hierfür ist die Einhaltung eines Konsolidierungspfades, der die betreffenden Länder in die Lage versetzt, ihre Haushalte bis spätestens 2020 auszugleichen und somit der neuen Schuldenregelung eigenständig Rechnung zu tragen.

Verfahren zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Artikel 109a)

Artikel 109a regelt die Einrichtung eines Systems regelmäßiger Haushaltsüberwachung durch einen neu zu gründenden Stabilitätsrat. Dadurch soll das Risiko einer Haushaltsnotlage so frühzeitig erkannt werden, dass diese noch zu verhindern ist. Im Falle einer drohenden Haushaltsnotlage sollen im Stabilitätsrat Sanierungsprogramme vereinbart werden. Durch Veröffentlichung der Beratungsergebnisse und der zugrunde liegenden Unterlagen soll öffentlicher Druck aufgebaut werden.

Gewährung von Finanzhilfen (Artikel 104b)

Artikel 104b in der geltenden Fassung beschränkt die Möglichkeit zur Gewährung von Finanzhilfen des Bundes auf Bereiche, in denen dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zustehen. Durch die Erweiterung kann der Bund im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, auch ohne Gesetzgebungsbefugnisse Finanzhilfen gewähren. Damit soll sichergestellt werden, dass zur Bewältigung solcher Notsituationen erforderliche Programme zur Belebung der Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand mit Unterstützung des Bundes in allen Investitionsbereichen durchgeführt werden können.

IT-Zusammenarbeit (Artikel 91c)

Zentrales Anliegen der Neuregelung ist die Verbesserung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern sowie unter den Ländern im Bereich der Nutzung der informationstechnischen Systeme sowie beim Datenaustausch zwischen Bund und Ländern.

Die Verwaltungen von Bund und Ländern nutzen zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben zunehmend leistungsfähige Systeme der Informationstechnik. Es ist davon auszugehen, dass sich die Bedeutung der Informationstechnik für die öffentliche Verwaltung zukünftig noch erhöht.

Die Informationstechnik hat darüber hinaus in den letzten Jahren wesentlich zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung beigetragen. Die Reduzierung von Bürokratiekosten und die Verbesserung der Serviceleistung der Behörden sind wesentlich durch Errichtung oder Erweiterung von informationstechnischen Systemen erreicht worden.

Die in eigener Verantwortung der jeweiligen Träger der Verwaltung zu beschaffenden und auszugestaltenden informationstechnischen Systeme des Bundes und der Länder können ihren vollen Nutzen für die öffentliche Verwaltung langfristig nur entfalten, wenn und soweit sie als Infrastrukturen begriffen und ausgestaltet werden, die auf der Basis von vereinbarten Interoperabilitäts- und Sicherheitsstandards den Datenaustausch zwischen den Systemen des Bundes und der Länder gewährleisten. Das macht es notwendig, ein Zusammenwirken von Bund und Ländern hinsichtlich ihrer informationstechnischen Systeme zu ermöglichen.

Die Behandlung der informationstechnischen Systeme des Bundes und der Länder als jeweils eigenständige aber notwendigerweise verbundene Infrastrukturen unabhängig von den konkreten Fachaufgaben der jeweiligen Verwaltungen trägt der Tatsache Rechnung, dass die Art des Einsatzes der Informationstechnik sich in Wirtschaft und Verwaltung erheblich geändert hat. Waren lange Zeit informationstechnische Systeme ausschließlich durch die jeweilige Fachaufgabe geprägt und allein für eine einzelne Fachaufgabe errichtet, ist mittlerweile eine Vielzahl von Basissystemen entstanden, die für unterschiedliche Fachaufgaben genutzt werden. Dazu gehören beispielsweise Netze und Sicherheitssysteme. Bei der Unterstützung von Fachaufgaben wird auf diese informationstechnischen Systeme und häufig auch auf Dienstleistungen von fachübergreifenden Informationstechnik-Dienstleistern der öffentlichen Verwaltung zurückgegriffen. Diese der öffentlichen Verwaltung insgesamt zur Verfügung stehende IT-Infrastruktur soll durch Bund und Länder in dem erforderlichen Umfang auch unabhängig von einzelnen Fachaufgaben gemeinsam weiterentwickelt werden.

Mit Artikel 91c wird die Grundlage für eine Bund-Länder-Zusammenarbeit im Bereich der Informationstechnik geschaffen. Damit erhalten Bund und Länder die Möglichkeit, die Mechanismen der IT-Steuerung - soweit nötig - zu institutionalisieren. Sie können ihre bislang nur in Teilbereichen stattfindende freiwillige Zusammenarbeit zu einem dauerhaften planvollen Zusammenwirken bei der Ausgestaltung der öffentlichen IT weiter entwickeln. Die damit einhergehenden Verbesserungen der öffentlichen Informationstechnik werden dazu beitragen, dass die öffentliche Verwaltung in Zukunft noch schneller, effizienter und kostengünstiger arbeiten kann.

Der vorgesehene Regelfall der Art und Weise der Zusammenarbeit durch Vereinbarungen und gemeinsame Abstimmung der IT-Steuerung in einem Gremium von Bund und Ländern trägt der Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern Rechnung. Die Zuweisung der Gesetzgebungskompetenz für die Errichtung und den Betrieb eines Verbindungsnetzes zur Koppelung der informationstechnischen Netze von Bund und Ländern sowie der Verwaltungskompetenz für die Errichtung des Verbindungsnetzes nimmt den Grundgedanken auf, dass der Bund auch für andere länderübergreifende Infrastrukturen wie Fernstraßen und Wasserwege eine Zuständigkeit hat, während ansonsten die grundsätzliche Verwaltungskompetenz bei den Ländern liegt.

Leistungsvergleiche (Artikel 91d)

Leistungsvergleiche - als sogenanntes Benchmarking fester Bestandteil angelsächsischer Verwaltungskultur - haben sich international als wirksames Instrument zur Verbesserung der Effektivität und Effizienz staatlichen Handelns erwiesen. Denn sie machen Leistungen, Qualität und Kosten der Verwaltung transparent, setzen damit einen Wettbewerb um innovative Lösungen in Gang und sorgen für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in der Verwaltung. Leistungsvergleiche bringen die Vorzüge des föderativen Wettbewerbs zur Geltung und stärken faktisch die parlamentarische Kontrollfunktion. Der deutschen Verwaltungstradition fremd, haben Leistungsvergleiche in weiten Bereichen der deutschen Verwaltung gegenwärtig noch keinen festen Platz. Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom Dezember 2004 zur verstärkten Anwendung von Leistungsvergleichen in den Landesverwaltungen hat zwar positive Wirkungen gezeigt. Auch kann zwischenzeitlich auf zahlreiche erfolgreiche Beispiele im Bereich der Stadtstaaten, der Kommunen, des Gesundheitswesens und der Finanzämter verwiesen werden. Gleichwohl bestehen bei Bund und Ländern erhebliche Ausbaumöglichkeiten. Die gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanz-Beziehungen hält Leistungsvergleiche für ein hilfreiches Instrument der Verwaltungsmodernisierung und hat sich daher für einen verstärkten Einsatz ausgesprochen. Leistungsvergleiche kommen zwischen Landesverwaltungen, innerhalb der Bundesverwaltung sowie zwischen Bundes- und Landesbehörden in Betracht. Mit dem Artikel 91d soll eine verfassungsrechtliche Grundlage für das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei Leistungsvergleichen in der Verwaltung geschaffen und die Bereitschaft zu Leistungsvergleichen in Deutschland nachhaltig gefördert werden.

Das Prinzip der Freiwilligkeit beachtet dabei die Gleichrangigkeit der Teilnehmer an Leistungsvergleichen, insbesondere die Eigenstaatlichkeit und politischen Gestaltungsräume von Bund und Ländern.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

Die Vorschrift ergänzt die Überschrift des Abschnitts VIII a. des Grundgesetzes im Hinblick auf die neu eingefügten Artikel 91c und 91d um den Begriff "Verwaltungszusammenarbeit".

Zu Nummer 2 (Artikel 91c und 91d)

Zu Artikel 91c

Informationstechnische Systeme umfassen die technischen Mittel zur Verarbeitung und Übertragung von Informationen.

Absatz 1 schafft eine Grundlage für Bund und Länder, bei der Informationstechnik zusammenzuwirken. Die Vorschrift ist angesichts des ständigen Fortschritts der Informationstechnik und ihrer wachsenden Bedeutung für die öffentliche Verwaltung weit gefasst. Bund und Länder sollen in die Lage versetzt werden, auf die mannigfaltigen Herausforderungen und Chancen der Informationstechnik, auch soweit sie heute noch unbekannt sind, angemessen und zeitnah zu reagieren. Die weite Fassung der Norm ermöglicht zudem die einheitliche Umsetzung der im IT-Bereich zunehmenden EU-Vorgaben.

Das Zusammenwirken von Bund und Ländern nach Absatz 1 umfasst das tatsächliche und das rechtliche Zusammenwirken. Die Gestaltung informationstechnischer Systeme ist regelmäßig langfristig angelegt und in Anschaffung und Betrieb kostenintensiv.

Es besteht daher ein Bedürfnis nach rechtlicher Planungssicherheit und ein Interesse an dauerhaften sowie flexiblen Lösungen. Die Bund-Länder-Zusammenarbeit kann durch Vereinbarungen, in denen die Art und Weise der Zusammenarbeit näher ausgestaltet wird, geregelt werden. Für ihre Zusammenarbeit können Bund und Länder insbesondere die notwendige Gremienstruktur (IT-Planungsrat) schaffen und die hierfür erforderlichen Vereinbarungen treffen, um die bisherigen Gremien (insbesondere Arbeitskreis der Staatssekretäre für E-Government in Bund und Ländern, Vorhaben aus dem Projekt "Deutschland-Online", Kooperationsausschuss von Bund und Ländern für automatisierte Datenverarbeitung) mit allen Untergremien abzulösen. Die Möglichkeit, Vereinbarungen zu treffen, stellt ein geeignetes Instrument dar, um die Interessen aller Beteiligten zu wahren.

Wenngleich eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern regelmäßig die sinnvollste Alternative darstellen dürfte und daher grundsätzlich wünschenswert erscheint, bietet Absatz 1 auch eine Grundlage für Kooperationen zwischen dem Bund und einzelnen bzw. mehreren Ländern und für die Kooperation zwischen allen bzw. mehreren Ländern. Soweit die Verwaltungsautonomie der Länder reicht, sind diese frei, in jeweils eigener Verantwortung darüber zu bestimmen, ob und inwieweit sie mit dem Bund und anderen Ländern in IT-Fragen zusammenarbeiten möchten. Entscheidet sich ein Land jedoch gegen eine Zusammenarbeit, darf dies andere kooperationswillige Länder und den Bund nicht blockieren. Auch können Konstellationen auftreten, in denen ein Zusammenwirken von Bund und lediglich einem Teil der Länder von vornherein die sinnvollste Alternative zur besten Wahrnehmung von Aufgaben bildet.

Absatz 2 Satz 1 konkretisiert das Zusammenwirken nach Absatz 1. Zweck dieser Zusammenarbeit ist die Sicherstellung eines effizienten, sicheren und schnellen Datenaustauschs.

Durch die Einigung des Bundes und der Länder auf einheitlich anzuwendende Standards soll die Interoperabilität des Datenaustausches des Bundes und der Länder auf einfache, nachvollziehbare und wirtschaftliche Art und Weise sichergestellt werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass Daten in Systeme anderer Verwaltungen ohne Medienbrüche übernommen werden können. Dazu können Bund und Länder gemeinsam Vereinbarungen treffen, welche das Ziel haben, die für die Binnen- und Außenkommunikation der informationstechnischen Systeme des Bundes und der Länder erforderlichen Standards in einem zu beschreibenden, beschleunigten Verfahren rechtsverbindlich und unabhängig davon, ob Bundes- oder Landesgesetze ausgeführt werden, festzulegen. Gleichzeitig bleibt es in der Entscheidung jedes Verwaltungsträgers, welche technischen Mittel er für die von ihm gewählte Form der Aufgabenwahrnehmung einsetzt. Die Interoperabilitätsstandards betreffen in erster Linie Datenformate. Zu diesen Interoperabilitätsstandards gehören auch Standards für Verfahren zur Datenübertragung.

Absatz 2 Satz 2 beinhaltet die verfassungsrechtliche Möglichkeit, in Verträgen zwischen Bund und Ländern über die Grundlagen der Zusammenarbeit eine Abweichung vom Einstimmigkeitsprinzip vorzusehen. Bislang waren Einigungen, soweit es sie im Bereich informationstechnischer Systeme überhaupt gab, dadurch geprägt, dass eine Vielzahl von Gremien einstimmig entscheiden musste. Damit war die Standardsetzung häufig zu langsam und zu schwerfällig. Zudem beschränkten sich die Einigungen in der Regel auf unverbindliche, nicht durchsetzbare Empfehlungen.

Mit der Ermöglichung von Mehrheitsentscheidungen soll die Dauer der Entscheidungsfindung deutlich verkürzt werden, um sicher zu stellen, dass praxisgerechte und problemadäquate Lösungen in einer der Entwicklungsgeschwindigkeit der Informationstechnik adäquaten Zeitspanne gefunden werden können. Zudem soll eine höhere Verbindlichkeit für die Etablierung der beschlossenen Standards erreicht werden, und zwar auch dann, wenn einzelne Beteiligte ihre Zustimmung verweigern.

Die in Absatz 2 Satz 3 angeordnete Unabdingbarkeit des Kündigungsrechts trägt der Tatsache Rechnung, dass unter Berücksichtigung der Hoheitsrechte der Beteiligten im Anwendungsbereich der Norm künftig bindende Mehrheitsentscheidungen getroffen werden können.

Absatz 2 Satz 4 stellt klar, dass kostenrelevante Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 2 stets auch einer Regelung der Kostentragungspflicht bedürfen.

Absatz 3 stellt klar, dass die Länder insbesondere im IT-Bereich zur Aufgabenerfüllung über die in Absatz 2 bestimmten Fälle hinaus und unabhängig vom Bund (Absatz 1) zusammenwirken können. Durch Vereinbarung ist es allen oder mehreren Ländern unbeschadet ihrer sonstigen Zuständigkeiten möglich, informationstechnische Systeme gemeinsam zu betreiben und hierfür auch gemeinsame Institutionen zu errichten. Diese Institutionen können auch als Organisationsformen des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit gegründet werden. Soweit es insbesondere landesverfassungsrechtliche Aufgabenzuweisungen zulassen, können die Länder auch Aufgaben oder Aufgabenteile diesen Institutionen zuweisen.

Die Möglichkeit der Länder, im Rahmen ihrer Aufgaben auch in anderen Bereichen zusammenzuwirken, bleibt unberührt.

Absatz 4 weist die Kompetenz für die Errichtung und den Betrieb eines Verbindungsnetzes zwischen den informationstechnischen Netzen des Bundes und der Länder dem Bund zu. Damit erhält der Bund die Aufgabe, mit dem Verbindungsnetz eine sichere Plattform für den bundländerübergreifenden Datenaustausch zu errichten, die auch von den Ländern für den länderübergreifenden Datenaustausch genutzt werden kann. Ziel ist es, dauerhaft und sicher die gegenseitige Erreichbarkeit aller Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung unmittelbar oder mittelbar über das Verbindungsnetz und die daran angeschlossenen Netze von Bund und Ländern zu ermöglichen.

Gleichzeitig verbleiben die Kompetenzen für die an das Verbindungsnetz angeschlossenen Bundes- und Landesnetze beim Bund bzw. dem jeweiligen Land.

Das Verbindungsnetz soll zudem die Verbindung der deutschen Verwaltungsnetze mit den Netzen der EU sicherstellen.

Dem Bund wird die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die näheren Regelungen hinsichtlich Errichtung und Betrieb eines solchen Netzes zugewiesen. Die darauf aufbauenden Regelungen zur Errichtung und zum Betrieb bedürfen der Zustimmung des Bundesrats, um die Berücksichtigung der Länderinteressen und deren Verwaltungskompetenzen hinsichtlich ihrer Landesnetze sicherzustellen. Die Kosten für Errichtung und Betrieb des Netzes trägt der Bund gemäß der finanzverfassungsrechtlichen Kostentragungspflicht des Artikels 104a Absatz 1. Die Anschlusskosten werden jeweils von dem für das angeschlossene Netz Zuständigen getragen.

Zu Artikel 91d

Die Regelung schafft eine Grundlage für das freiwillige Zusammenwirken von Bund und Ländern bei Vergleichsstudien zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit ihrer Verwaltungen und bei der Veröffentlichung der Ergebnisse.

Über die Einzelheiten der Durchführung von Leistungsvergleichen können Bund und Länder Vereinbarungen schließen.

Gegenstand solcher Vereinbarungen können insbesondere die generelle oder einzelfallbezogene Beauftragung einer durch Kompetenz und Unabhängigkeit ausgewiesenen Einrichtung mit der Durchführung von Leistungsvergleichen, die Bestimmung des Gegenstands und der Methoden der Vergleichsstudien, die teilnehmenden Verwaltungen, die Art und Weise der Veröffentlichung der Ergebnisse und die Kostentragung sein.

Zu Nummer 3 (Artikel 104b Absatz 1)

Artikel 104b in der geltenden Fassung beschränkt die Möglichkeit zur Gewährung von Finanzhilfen des Bundes auf Bereiche, in denen dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zustehen. Durch den neuen Satz 2 wird diese Beschränkung für den Sonderfall einer Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation im Sinne der Artikel 109 Absatz 3 Satz 2 und 115 Absatz 2 Satz 6 aufgehoben. Damit soll sichergestellt werden, dass zur Bewältigung solcher Notsituationen erforderliche Programme zur Belebung der Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand mit Unterstützung des Bundes in allen Investitionsbereichen durchgeführt werden können. Eine Beschränkung auf bestimmte Investitionsbereiche ist hier mit Blick auf das Ziel der Krisenbewältigung nicht sinnvoll.

Insbesondere stellt auch die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne des neuen Satzes 2 dar; deshalb sollen nach den Erörterungen in der Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen die Maßnahmen auf der Grundlage des Gesetzes zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder grundsätzlich auch insoweit zulässig sein, als dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnis zusteht. Das bereits verabschiedete Zukunftsinvestitionsgesetz (Artikel 7 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009) wird deshalb im Lichte der verfassungsrechtlichen Neuregelung auszulegen sein.

Zu Nummer 4 (Artikel 109)

Zu Buchstabe a (Absatz 2)

Die Änderung in Absatz 2 stellt die bisher in Artikel 109 Absatz 5 Satz 1 enthaltene Bestimmung, nach der Bund und Länder die europarechtlichen Verpflichtungen zur Haushaltsdisziplin gemeinsam erfüllen, in den unmittelbaren Kontext der in Absatz 2 geregelten Bindung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des reformierten europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, bestehend aus der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit bilden mit dem Mittelfristziel des strukturell nahezu ausgeglichenen Haushalts oder eines Haushaltsüberschusses den Rahmen für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern.

Ziel des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes ist laut den Erwägungen zu den vorgenannten Verordnungen eine gesunde öffentliche Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Preisstabilität und ein starkes, nachhaltiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist. Die Formulierung von mittelfristigen Haushaltszielen dient nach der - im Zuge der Reform des europäischen Stabilitäts-und Wachstumspakts geänderten - Verordnung(EG) Nr. 1466/97 drei Zwecken:

Neben der Gewährleistung einer Sicherheitsmarge beim Maastricht-Defizit-Kriterium von 3 vom Hundert des Bruttoinlandsproduktes sollen hierdurch rasche Fortschritte in Richtung auf langfristig tragfähige öffentliche Finanzen und in diesem Rahmen haushaltspolitischer Spielraum insbesondere für die erforderlichen öffentlichen Investitionen gewährleistet werden. Die europarechtlichen Verpflichtungen gelten für den öffentlichen Gesamthaushalt. Der Bund trägt in diesem Zusammenhang die Verantwortung für etwaige Defizite der Sozialversicherungen, während die Länder insoweit für etwaige Haushaltsdefizite der Gemeinden und Gemeindeverbände einstehen.

Zu Buchstabe b (Absatz 3)

Absatz 3 bestimmt in Anknüpfung an die Regelung in Absatz 2 die für die Haushalte von Bund und Ländern geltenden Grundsätze für die Haushaltswirtschaft und die Zulässigkeit einer Nettokreditaufnahme. Die Grundsätze orientieren sich an den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

Satz 1 beinhaltet den Grundsatz eines ohne Kreditaufnahme ausgeglichenen Haushalts in Bund und Ländern. Dieser bezieht sich auf den Haushalt des Bundes und die jeweiligen Haushalte der Länder; eine Einbeziehung etwaiger Defizite von Sozialversicherungen und Gemeinden bei der Haushaltsaufstellung in die Regelung würde sowohl inhaltlich als auch in der zeitlichen Abfolge unerfüllbare Informationsanforderungen an die Aufstellung der Haushalte von Bund und Ländern stellen. Die Verantwortung des Bundes für Defizite der Sozialversicherungen bzw. der Länder für Defizite der Haushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände mit Blick auf die gesamtstaatlichen Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes bleibt davon unberührt.

Satz 2 legt abschließend fest, inwieweit Bund und Länder in ihren bundes- bzw. landesrechtlichen Regelungen zur Kreditaufnahme Abweichungen vom Grundsatz des Satzes 1 vorsehen können.

Der erste Halbsatz enthält die Befugnis, Regelungen zu treffen, die bei der Bestimmung der zulässigen Kreditaufnahme die Berücksichtigung der Auswirkungen der konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt (Einnahmen und Ausgaben) gewährleisten.

Dabei wird verbindlich vorgegeben, dass entsprechende Regelungen eine im Auf- und Abschwung symmetrische Berücksichtigung sicherstellen müssen. Das heißt, einer Zulassung zusätzlicher konjunkturbedingter Defizite im Abschwung muss eine entsprechende Verpflichtung zur Einbeziehung konjunkturbedingter Überschüsse im Aufschwung gegenüber stehen, so dass mittel- bis langfristig gewährleistet sein sollte, dass Kreditaufnahmen im Abschwung durch Überschüsse im Aufschwung ausgeglichen werden. Die Ausgestaltung einer solchen symmetrischen Konjunkturkomponente der Schuldenbegrenzungsregelung erfolgt durch Bund und Länder jeweils in eigener Verantwortung.

Im zweiten Halbsatz wird darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen vorzusehen. Dadurch soll die Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung gewährleistet werden. Da eine abschließende enumerative verfassungsrechtliche Benennung möglicher Notsituationen wegen der Vielzahl und Unterschiedlichkeit denkbarer Anwendungsfälle nicht möglich ist, erfolgt eine Eingrenzung durch drei Kriterien, die gleichzeitig erfüllt sein müssen:

Naturkatastrophen sind in Orientierung an die Rechtslage bei der Amtshilfe nach Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 unmittelbar drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse ausgelöst werden (z.B. Erdbeben, Hochwasser, Unwetter, Dürre, Massenerkrankungen). Andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen, mithin auf äußeren Einflüssen beruhen, die nicht oder im Wesentlichen nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen, können beispielsweise sein:

Auch ein Ereignis von positiver historischer Tragweite, wie die Deutsche Wiedervereinigung, das einen erheblichen Finanzbedarf auslöst, kann einen Anwendungsfall der Klausel bilden.

Zyklische Konjunkturverläufe im Sinne von Auf- und Abschwung sind demgegenüber keine außergewöhnlichen Ereignisse. Diesen ist im Rahmen der Schuldenregel allein durch die im ersten Halbsatz ermöglichte Konjunkturkomponente Rechnung zu tragen.

Das Erfordernis der erheblichen Beeinträchtigung der Finanzlage bezieht sich auf den Finanzbedarf zur Beseitigung der aus einer Naturkatastrophe resultierenden Schäden und etwaigen vorbeugenden Maßnahmen. Gleiches gilt zur Bewältigung und Überwindung einer außergewöhnlichen Notsituation.

Satz 3 verpflichtet Bund und Länder, in den auf der Grundlage von Satz 2, 2. Halbsatz gestützten bundes- bzw. landesrechtlichen Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen dem Gesetzgeber aufzugeben, die Beschlussfassung über eine erhöhte Nettokreditaufnahme mit einem Tilgungsplan zu versehen, der die Rückführung der oberhalb der Regelgrenzen liegenden Kreditaufnahme verbindlich regelt.

Satz 4 und Satz 5 beinhalten unterschiedliche Vorgaben für den Bund einerseits (Satz 4) und die einzelnen Länder andererseits (Satz 5) bezüglich der konkretisierenden Ausgestaltung des Grundsatzes nach Satz 1 für den Bundeshaushalt bzw. die Länderhaushalte. Die strukturellen Verschuldungsspielräume für Bund und Länder stehen im Einklang mit den Vorgaben des präventiven Arms des reformierten europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, der die Mitglieder der Eurozone und des Wechselkursmechanismus II zur Einhaltung des Prinzips "annähernd ausgeglichener oder einen Überschuss aufweisender Haushalte" auf die Festlegung und Einhaltung mittelfristiger Haushaltsziele verpflichtet.

Nach Satz 4 gilt für den Bund der Grundsatz des ausgeglichenen Haushalts nach Satz 1 als noch erfüllt, wenn die Einnahmen aus Krediten in der konjunkturellen Normallage 0,35 vom Hundert des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten. Diese Obergrenze begrenzt die strukturelle Verschuldung des Bundes auf ein langfristig tragfähiges Maß und gibt dem Bundesgesetzgeber im Unterschied zur bisherigen an den Umfang der veranschlagten Investitionen gebundenen Kreditobergrenze zugleich mehr inhaltliche Flexibilität bei der Ausgestaltung einer an der dauerhaften Stärkung von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung orientierten Politik. Letzteres ist bedingt durch die Entkoppelung der Kreditaufnahme von der Festlegung auf den in dieser Hinsicht unzulänglichen haushaltsrechtlichen Investitionsbegriff.

Satz 5 gibt den Ländern für die Ausgestaltung der landesrechtlichen Kreditbegrenzungsregeln in ihrer eigenen Verantwortung demgegenüber vor, dass dem Grundsatz nach Satz 1 nur Rechnung getragen ist, wenn der Haushalt ohne Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung ohne Nettokreditaufnahme ausgeglichen ist. Im Lichte der in Artikel 115 für den Bund gewählten Umsetzung umfasst die nähere Ausgestaltung im Übrigen auch für die Länder Regelungsspielräume zum Beispiel für die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen sowie für die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen von der zulässigen Kreditaufnahme.

Zu Buchstabe c (Absatz 4)

Folgeänderung.

Zu Buchstabe d (Absatz 4 -alt-)

Der bisherige Absatz 4, der den Bundesgesetzgeber zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ermächtigt, Vorschriften über eine Kreditbeschränkung für alle Gebietskörperschaften und Zweckverbände und die Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen bei Bund und Ländern zu erlassen, kann aufgehoben werden, da mit Einführung der Kreditbegrenzungsregelung in Absatz 3 das Bedürfnis für entsprechende Maßnahmen entfällt. Konjunkturellen Entwicklungen kann nunmehr im Rahmen der Kreditbegrenzungsregeln Rechnung getragen werden, indem der Kreditfinanzierungsspielraum in guten Jahren systematisch verkürzt wird und in schlechten Jahren über den strukturellen Verschuldungsspielraum hinausgehende Kreditfinanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Zu Buchstaben e (Absatz 5 Satz 1 und Satz 2 -alt-)

Folgeänderungen zu Absatz 2.

Zu Nummer 5 (Artikel 109a)

Die Regelung schafft die verfassungsrechtliche Grundlage zur Einrichtung eines Stabilitätsrates, zur regelmäßigen Haushaltsüberwachung von Bund und Ländern und für ein Verfahren zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen in den Gebietskörperschaften.

Das Nähere regelt ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates.

Die Implementierung eines Verfahrens zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen ist im Hinblick auf das starke Anwachsen der Verschuldung in einzelnen Ländern sowie Verfassungsklagen zur Geltendmachung von Hilfeleistungsansprüchen gegenüber der bundesstaatlichen Gemeinschaft wegen extremer Haushaltsnotlagen erforderlich.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinen Entscheidungen über Hilfeleistungsansprüche einzelner Länder angemahnt (vgl. BVerfGE 86, 148 ff. (266) und BVerfGE 116, 327 ff. (393)).

Das Verfahren zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen soll im Wesentlichen folgende Elemente umfassen:

Zur Gewährleistung der öffentlichen Transparenz sind die Beschlüsse des Stabilitätsrates und die zugrunde liegenden Beratungsunterlagen zu veröffentlichen.

Zu Nummer 6 (Artikel 115)

Zu Buchstabe a (Absatz 1)

Folgeänderung zur Änderung von Absatz 2. Absatz 1 entspricht dem bisherigen Absatz 1 Satz 1.

Zu Buchstabe b (Absatz 2)

Satz 1 normiert den Grundsatz des ausgeglichenen Haushalts ohne Nettokreditaufnahme.

In den nachfolgenden Sätzen wird konkretisiert, wann diesem Grundsatz Rechnung getragen ist und inwieweit zulässige Ausnahmen bestehen.

In Satz 2 wird die Höchstgrenze der zulässigen strukturellen Verschuldung des Bundes entsprechend der Maßgabe in Artikel 109 Absatz 3 Satz 4 geregelt. Diese Norm löst die bisherige Regelung ab, wonach die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen.

Sie begrenzt die strukturelle Verschuldung des Bundes auf ein langfristig tragfähiges Maß und gibt dem Haushaltsgesetzgeber mehr Flexibilität bei der Gestaltung einer nachhaltigen wachstumsfördernden Finanzpolitik.

Satz 3 macht von der Befugnis des Artikels 109 Absatz 3 Satz 2 Gebrauch und verpflichtet den Haushaltsgesetzgeber zur Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung bei der Ermittlung der zulässigen Kreditaufnahme. Der nach Satz 2 eingeräumte (strukturelle) Kreditspielraum wird in Abhängigkeit von den erwarteten Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt entweder erweitert oder verringert. In besonders guten Zeiten kann sich die Verpflichtung zur Erwirtschaftung echter Überschüsse (d. h. Tilgungen) ergeben.

Durch die symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Auswirkungen auf den Haushalt wird bezweckt, ein prozyklisches Verhalten zu vermeiden und die durch das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren bedingte Kreditaufnahme in Abschwungphasen durch entsprechende Überschüsse in Aufschwungphasen auszugleichen.

Damit soll insbesondere auch den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung getragen werden.

In Satz 4 wird gewährleistet, dass die neue Schuldenregel nicht nur die Aufstellung des Bundeshaushaltes erfasst, sondern darüber hinaus dessen Vollzug. Abweichungen der Kreditaufnahme im Haushaltsvollzug von der Soll-Kreditaufnahme sind in der Praxis kaum zu vermeiden. Diese Abweichungen sollen aber über das einzelne Haushaltsjahr hinaus verbucht werden. Hierdurch wird im Zusammenhang mit der vorgesehenen Ausgleichspflicht vermieden, dass die in Satz 2 normierte Obergrenze für die strukturelle Verschuldung maßgeblich und dauerhaft überschritten wird.

Eine Über- bzw. Unterschreitung der Grenze des Satzes 2 kann beispielsweise darauf beruhen, dass die tatsächlichen Auswirkungen der konjunkturellen Entwicklung sich anders gestaltet haben, als bei Aufstellung des Haushalts angenommen. Um dies festzustellen, wird der konjunkturelle Verschuldungsspielraum anhand der tatsächlichen Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes des abgelaufenen Haushaltsjahres neu berechnet und aus der Gesamtkreditaufnahme heraus gerechnet, um die tatsächliche strukturelle Kreditaufnahme zu ermitteln. Danach erfolgt ein Abgleich mit der nach Satz 2 zulässigen strukturellen Verschuldung unter Einbeziehung der finanziellen Transaktionen (vgl. hierzu Satz 5 sowie § 7 des Ausführungsgesetzes zu Artikel 115 (Artikel 2 des Zweiten Föderalismusreformbegleitgesetzes)). Positive wie negative Abweichungen werden auf dem Kontrollkonto verbucht. Durch die ab Erreichen des Schwellenwertes normierte Rückführungspflicht wird sichergestellt, dass die Regelgrenze für die strukturelle Verschuldung weder erheblich noch dauerhaft überschritten wird. Im Übrigen werden generell, insbesondere auch unterhalb des Schwellenwertes, Belastungen des Kontrollkontos bereits durch die Buchung von positiven Abweichungen ganz oder teilweise zurückgeführt.

Die Einzelheiten sind in § 7 des Ausführungsgesetzes zu Artikel 115 (Artikel 2 des Zweiten Föderalismusreformbegleitgesetzes) geregelt.

Satz 5 enthält Vorgaben für den Inhalt des Ausführungsgesetzes. Die vorzusehende Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen (z.B. Privatisierungseinnahmen oder Ausgaben für Vermögensbeschaffungen) stellt insoweit einen Gleichklang der nationalen Schuldenbegrenzungsregel mit der Systematik des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes her. Die weiteren Vorgaben betreffen die Berücksichtigung der konjunkturellen Auswirkungen auf den Haushalt auf der Grundlage eines festzulegenden Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Konkretisierung der Handhabung des Kontrollkontos in seinen Einzelheiten.

Die Ausnahmeklausel in Satz 6 entspricht in den Tatbestandsvoraussetzungen der Vorgabe des Artikels 109 Absatz 3, so dass insoweit auf die Begründung zu dieser Vorschrift Bezug genommen wird. Ergänzend sieht Satz 6 vor, dass der zur Inanspruchnahme der Ausnahme im Einzelfall erforderliche Parlamentsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit (Mehrheit der Mitglieder des Bundestages) gefasst werden muss. Der notwendige Beschluss kann ein Gesetzesbeschluss sein. Denkbar ist aber auch ein Parlamentsbeschluss, der in der Regel im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über das Haushaltsgesetz erfolgt, mit dem Kreditaufnahmen über die Regelgrenzen hinaus ermöglicht werden.

Satz 7 und Satz 8 zwingen den Gesetzgeber, die Beschlussfassung über eine erhöhte Nettokreditaufnahme mit einem Tilgungsplan zu versehen, der die Rückführung der oberhalb der Regelgrenzen liegenden Kreditaufnahme regelt. Die Rückführungspflicht soll ein weiteres Anwachsen der Staatsschulden verhindern. Welcher Zeitraum als angemessen für die Rückführung anzusehen ist, hat das Parlament in Ansehung der Größenordnung der erhöhten Kreditaufnahme sowie der konkreten konjunkturellen Situation zu entscheiden.

Die Möglichkeit, nach dem bisherigen Absatz 2 für Sondervermögen Ausnahmen von den kreditbezogenen Vorgaben des bisherigen Absatzes 1 vorzusehen, entfällt zukünftig. Bereits eingerichtete Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung können nach Artikel 143d Absatz 1 auf der Basis der sie legitimierenden Gesetzesbeschlüsse fortgeführt werden. Solche Sondervermögen sind dem System der neuen Schuldenregel fremd und eignen sich nicht zur Integration in das neue Regime.

Zugleich wird damit finanzpolitisch ein klarer Schnitt vorgenommen, der eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit der neuen Schuldenregel durch in der Vergangenheit in spezifischen Sondersituationen begründete Belastungen vermeidet.

Zu Nummer 7 (Artikel 143d)

Die Übergangsvorschrift legt fest, dass die Neufassung der Artikel 109 und 115 erstmals mit Wirkung für das Haushaltsjahr 2011 Anwendung findet. Zudem werden Zeitraum und Modalitäten einer zulässigen Abweichung von den Vorgaben für die Kreditaufnahme bestimmt.

Absatz 1 Satz 1 erklärt für das Haushaltsjahr 2010 die Artikel 109 und 115 in ihrer bisherigen Fassung für weiter anwendbar. Die neue Fassung dieser beiden Artikel ist erstmals für das Haushaltsjahr 2011 anzuwenden, allerdings während einer Übergangsphase in modifizierter Form (Satz 4).

Die bisherige Möglichkeit, Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung außerhalb des Bundeshaushalts einzurichten, entfällt ab dem 1. Januar 2011. Dies soll aber nur für die Zukunft gelten. Bereits eingerichtete Sondervermögen werden hiervon nicht tangiert, da solche Sondervermögen dem System der neuen Schuldenregel fremd sind und sich nicht zur Integration in das neue Regime eignen.

Zugleich wird damit finanzpolitisch ein klarer Schnitt vorgenommen, der eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit der neuen Schuldenregel durch in der Vergangenheit in spezifischen Sondersituationen begründete Belastungen vermeidet.

Für die Länder wird in Satz 2 eine Übergangsphase festgelegt, die am 1. Januar 2011 beginnt und am 31. Dezember 2019 endet. Solange gelten grundsätzlich ausschließlich die bisher geltenden landesrechtlichen Regelungen zur Kreditaufnahme und deren Begrenzung.

Satz 3 überantwortet dem Landesgesetzgeber die Aufgabe, die Zielvorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 im Jahr 2020 durch entsprechende Gestaltung der Haushalte in der Übergangsphase sicherzustellen. Ein konkreter Pfad zum Abbau vorhandener Finanzierungsdefizite wird den Ländern nicht vorgegeben.

Satz 4 regelt den Übergangszeitraum für den Bund und erlaubt Überschreitungen der in Artikel 115 Absatz 2 Satz 2 festgelegten Obergrenze von 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt.

Satz 5 trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, dass der Bund in der Übergangsphase sein strukturelles Defizit abbauen muss. Hiermit soll im Jahre 2011 begonnen werden.

Die Soll-Regelung trägt der im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesetzgebungsverfahrens noch nicht ausgeräumten Prognoseunsicherheit Rechnung, ob im Jahre 2011 keine weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzmarktkrise oder zur Überwindung ihrer negativen Auswirkungen erforderlich werden. An dem Endzeitpunkt der Übergangsphase ändert dies nichts.

Absatz 2 Satz 1 schafft die verfassungsrechtliche Grundlage für die Gewährung von Konsolidierungshilfen der bundesstaatlichen Gemeinschaft an die genannten Länder. Die Hilfen sollen es den Ländern vor dem Hintergrund ihrer im Vergleich zu den übrigen Ländern schwierigen Haushaltssituation ermöglichen, die Vorgabe eines strukturell ausgeglichenen Haushalts, die sich aus Artikel 109 Absatz 3 ergibt, zum 1. Januar 2020 als dem nach Absatz 1 insoweit maßgeblichen Termin einzuhalten. Dabei wurden insbesondere die Zinslasten, Schuldenstände und Haushaltsstrukturen berücksichtigt.

Die Hilfen sollen daher für den Zeitraum von 2011 bis 2019 gewährt werden.

Satz 2 regelt die Verteilung des Gesamtjahresbetrages von 800 Millionen Euro auf die einzelnen hilfeberechtigten Länder. Dabei wurden insbesondere die Zinslasten, Schuldenstände und Haushaltsstrukturen berücksichtigt.

Satz 3 gibt vor, dass die Hilfen auf der Grundlage einer noch zu schließenden Verwaltungsvereinbarung gewährt werden. Die wesentlichen Inhalte der Verwaltungsvereinbarung werden durch ein Bundesgesetz vorgegeben.

Satz 4 verlangt als Voraussetzung für die Gewährung der Hilfeleistung an die einzelnen Länder, dass diese sich in der Verwaltungsvereinbarung zu einem vollständigen Abbau ihrer strukturellen Finanzierungsdefizite bis zum Ablauf des Jahres 2020 verpflichten.

Nur mit dieser Maßgabe rechtfertigen sich die Hilfeleistungen von Bund und übrigen Ländern, die auch selbst erhebliche Anstrengungen zur Einhaltung der Kreditbegrenzungsregelung vornehmen müssen.

Satz 5 enthält weitere Vorgaben hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Konsolidierungshilfen durch Bundesgesetz und der darauf gestützten Verwaltungsvereinbarung.

Dies betrifft die Festlegung der konkreten Abbauschritte für das Finanzierungsdefizit, zu denen sich das jeweilige Empfängerland in der Verwaltungsvereinbarung verpflichten muss, die Überwachung der Einhaltung dieser Schritte durch den Stabilitätsrat nach Artikel 109a und Regelungen über die Folgen einer Nichteinhaltung des Abbaupfades.

Satz 6 bestimmt, dass die Empfänger der Konsolidierungshilfe nicht gleichzeitig Hilfeleistungen der bundesstaatlichen Gemeinschaft wegen einer extremen Haushaltsnotlage beanspruchen können. Das bedeutet, dass insbesondere die Länder Bremen und Saarland im Falle der Inanspruchnahme der Hilfen ihre auf Zahlung von Sanierungshilfen gerichteten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht für erledigt erklären müssen.

Absatz 3 Absatz 3 bestimmt, dass die Konsolidierungshilfen je zur Hälfte vom Bund und der Ländergesamtheit getragen werden. Dabei wird der Anteil der Länder zugunsten des Bundes aus dem Umsatzsteueranteil der Länder aufgebracht. Die Auszahlung der Hilfen erfolgt durch den Bund. Das Nähere wird im Finanzausgleichsgesetz geregelt.

Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.