922. Sitzung des Bundesrates am 23. Mai 2014
A
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu dem Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn als unterste Grenze des Arbeitsentgelts einführt, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Niedriglöhnen zu schützen. Damit wird ein Beitrag geleistet, dass Wettbewerb in erster Linie über bessere Produkte und Dienstleistungen und nicht über niedrigere Löhne stattfindet. Mehr als fünf Millionen Menschen erhalten derzeit einen Lohn von unter 8,50 Euro brutto je Zeitstunde. Dies bewirkt nicht nur eine Spaltung des Arbeitsmarktes, sondern auch unserer Gesellschaft. Gesellschaftliche Teilhabe wird von einer stabilen Erwerbsintegration determiniert.
Der erwirtschaftete Lohn bildet hierbei die materielle Grundlage auch für die soziale Partizipation. Er entscheidet, ob und in welchem Umfang eine Teilhabe an sozialen und kulturellen Veranstaltungen möglich ist. Die Integrationsfunktion, die aus einem existenz- und soziokulturell sichernden Einkommen erwächst, darf für unsere Gesellschaft nicht unterschätzt werden. Vor diesem Hintergrund sind Gegenmaßnahmen unabdingbar. Zur Sicherung von Stabilität und Qualität der Arbeit, der Wiederherstellung der Ordnung am Arbeitsmarkt und des Vertrauens in die soziale Marktwirtschaft ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns eine wesentliche ordnungspolitische Maßnahme.
Mit der Neuregelung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen wird die Tarifpartnerschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaften aus Sicht des Bundesrates gestärkt. Gleichzeitig wird durch eine Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) für alle Branchen die Möglichkeit geschaffen, branchenbezogene Mindestlöhne für allgemeinverbindlich erklären zu lassen und dies auch für aus dem Ausland nach Deutschland entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hiermit werden aus Sicht des Bundesrates die richtigen Maßnahmen mit Blick auf den zunehmenden Druck auf herkömmliche Tarifstrukturen und -regelungen und die in Deutschland seit Jahren rückläufige Tarifbindung ergriffen.
2. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Rahmen von Artikel 1 § 1 Absatz 1 klarzustellen, ob und, wenn ja, welche Lohnbestandteile auf das Stundenentgelt anzurechnen sind.
Begründung:
Artikel 1 § 1 Absatz 2 legt fest, dass der Mindestlohn brutto 8,50 Euro je Zeitstunde beträgt. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird zudem klargestellt, dass der Mindestlohn auch bei der Vereinbarung von Stück- und Akkordlohn gilt. Diese Regelung wird seitens des Bundesrates ausdrücklich begrüßt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass bei Stücklöhnen und Umsatzbeteiligungen und deren Umrechnung auf einen Stundenlohn die Gefahr unrealistischer Annahmen zu Lasten der Beschäftigten besteht. Ungeachtet dessen erfolgen in der Begründung zum Gesetzentwurf keine weiteren klarstellenden Ausführungen, welche Lohnbestandteile in die Berechnung des Mindestlohns eingehen. Aufgrund praktischer Erfahrungen aus der Umsetzung landesrechtlicher Regelungen zum vergabespezifischen Mindestentgelt und der branchenspezifischen Regelungen auf Grundlage des Bundesrechts geht der Bundesrat davon aus, dass durch die fehlende Konkretisierung die Gefahr besteht, dass durch Um- bzw. Anrechnung von Entgeltbestandteilen der Mindestlohn unterlaufen werden könnte. Daher bedarf es einer Klarstellung, dass unter anderem Zahlungen, die eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält, wenn sie oder er auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet, nicht auf den Mindestlohn pro Zeitstunde umgerechnet werden und zu dessen Minderung führen dürfen. Zudem sollte klargestellt werden, dass einmal jährlich und nicht monatlich verstetigte zusätzlich gezahlte Vergütungen, wie zum Beispiel Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld sowie Aufwendungsersatzleistungen und vermögenswirksame Leistungen, nicht anzurechnen sind.
[Falls eine Regelung unterbleibt, wären die Gerichte zu einer Konkretisierung gezwungen, was vor Etablierung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung eine unter Umständen jahrelange uneinheitliche Handhabung zur Folge hätte. Dies ist mit dem erklärten Gesetzeszweck einer Vereinheitlichung der Mindestarbeitsbedingungen nur schwer zu vereinbaren.]
3. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 2 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, dass der in Artikel 1 § 1 Absatz 2 vorgesehene Mindestlohn von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde eine absolute untere Grenze darstellt und eine Anpassung des Mindestlohns nach unten ausscheidet.
Begründung:
Die Festlegung des Mindestlohns auf brutto 8,50 Euro hat das Ziel, einen angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewährleisten. Um diesem Zweck zu entsprechen, muss der gesetzlich festgesetzte Betrag von brutto 8,50 Euro als absolute untere Grenze verstanden werden. Weder aus dem Text des Gesetzentwurfes noch aus der Begründung lässt sich indes zweifelsfrei entnehmen, dass eine Anpassung des Mindestlohns durch Rechtsverordnung unterhalb der in Artikel 1 § 1 Absatz 2 vorgesehenen Höhe von brutto 8,50 Euro ausgeschlossen ist. Insofern sollte im Sinne der Rechtsklarheit eine entsprechende Klarstellung aufgenommen werden.
4. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 2 Satz 3 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, welche Rechtsfolge bei einer Überschreitung der 50 Prozent-Grenze bei der Anrechnung von vertraglich vereinbarter Arbeitszeit auf einem Arbeitszeitkonto gemäß Artikel 1 § 2 Absatz 2 Satz 3 eintreten soll.
Begründung:
In Artikel 1 ist in § 2 Absatz 2 Satz 3 MiLoG-E geregelt, dass auf einem Arbeitszeitkonto monatlich jeweils nicht mehr als 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit eingestellt werden dürfen. Eine Rechtfolge der Überschreitung dieser Grenze ist nicht bestimmt. Eine Klarstellung erscheint erforderlich.
5. Zu Artikel 1 (§ 3 Satz 2 MiLoG)
In Artikel 1 sind in § 3 Satz 2 die Wörter "den Anspruch" durch die Wörter "bereits entstandene Ansprüche" zu ersetzen.
Begründung:
In Artikel 1 ist in § 3 Satz 2 MiLoG-E vorgesehen, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindestlohn ausnahmsweise durch gerichtlichen Vergleich möglich sein soll. Um eine Aushöhlung des Gesetzeszwecks zu vermeiden, sollte zur Klarstellung aufgenommen werden, dass dieser Verzicht nur für bereits entstandene Ansprüche gelten kann. Nach dem derzeitigen Wortlaut wäre durch gerichtlichen Vergleich sogar regelbar, das Arbeitsverhältnis auch zukünftig unter Verletzung der Mindestlohnuntergrenze fortzuführen. Das kann nicht gewollt sein.
6. Zu Artikel 1 (§ 6 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bei den Bestimmungen zum Vorsitz der Mindestlohnkommission in Artikel 1 § 6 auch eine Regelung für den Vertretungsfall vorzusehen.
Begründung:
Nach der jetzigen Fassung des Gesetzentwurfs wäre die Kommission im Fall der Verhinderung des oder der Vorsitzenden bis zu einer Regelung in der Geschäftsordnung, Artikel 1 § 10 Absatz 4 Satz 2 MiLoG-E, vorsitzlos.
7. Zu Artikel 1 (§ 6 Absatz 2 Satz 2 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in Artikel 1 § 6 Absatz 2 Satz 2 vorgesehene Regelung eines alternierenden Vorsitzes der Mindestlohnkommission im Falle des Unterbleibens eines gemeinsamen Vorschlages der Spitzenorganisationen über die Person des Vorsitzenden sinnvoll ist.
Begründung:
Gemäß Artikel 1 § 6 Absatz 2 Satz 2 beruft die Bundesregierung, sofern seitens der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein gemeinsamer Vorschlag für eine oder einen Vorsitzenden unterbreitet wird, jeweils eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden auf Vorschlag der Spitzenorganisationen. Der Vorsitz wechselt zwischen den Vorsitzenden nach jeder Beschlussfassung der Mindestlohnkommission. Hierdurch wird die Kontinuität der Mindestlohnkommission, die gemäß Artikel 1 § 4 Absatz 2 alle fünf Jahre neu berufen wird, aufgehoben, da die oder der Vorsitzende gemäß Artikel 1 § 6 Absatz 2 bei Vorsitzwechsel nach einem Beschluss der Mindestlohnkommission aus dieser für das kommende Jahr ausscheiden soll. Zudem fördert der vorgesehene alternierende Vorsitz die Gefahr einer interessensgeleiteten Entscheidung.
8. Zu Artikel 1 (§ 9 Absatz 2 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Artikel 1 § 9 Absatz 2 klarzustellen, dass die Tarifentwicklung nur einen Faktor für die im Rahmen einer Gesamtabwägung vorzunehmende Entscheidung der Mindestlohnkommission für die Anpassung des Mindestlohns darstellt und sich deren Entscheidung nicht ausschließlich an der Tarifentwicklung orientieren soll.
Begründung:
Die Tarifentwicklung sollte nur ein, wenn auch wichtiger Faktor unter mehreren sein, die in einer umfassenden Analyse der Entwicklungen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt als Voraussetzung für eine sachgerechte Festsetzung des Mindestlohns seitens der Mindestlohnkommission bewertet werden müssen. In der Begründung zu Artikel 1 § 9 Absatz 2 wird die Tarifentwicklung dementsprechend als wichtiger Richtwert für die Anpassung des Mindestlohns benannt. Daher sollte bei der Hervorhebung des Entscheidungskriteriums der Tarifentwicklung in Artikel 1 § 9 Absatz 2 klargestellt werden, dass weitere Faktoren seitens der Mindestlohnkommission für ihre Entscheidungsfindung festgelegt werden sollen.
9. Zu Artikel 1 (§ 10 Absatz 3 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob Artikel 1 § 10 Absatz 3 dahingehend konkretisiert werden sollte, dass vor Anpassung des Mindestlohns eine umfassende Analyse der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft sowie der Sozialstruktur vorgesehen werden sollte.
Begründung:
Eine umfassende Analyse wie sie beispielsweise die britische Low Pay Commission vorlegt, böte eine gute Grundlage nicht nur für die Entscheidung der Mindestlohnkommission, sondern auch der Bundesregierung für den Erlass einer den Beschluss der Mindestlohnkommission umsetzenden Rechtsverordnung. Zudem könnte hierdurch eine höhere Akzeptanz der Entscheidung der Kommission und größere Transparenz erreicht werden.
10. Zu Artikel 1 (§ 13 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob es nicht geboten wäre, die Haftungsregelung in Artikel 1 § 13 inhaltlich genauso auszugestalten, wie die vergleichbare Haftungsregelung in § 14 AEntG, so wie dies noch im Referentenentwurf vom 19. März 2014 der Fall war. Dort war - wie in § 14 AEntG - eine verschuldensunabhängige Haftung des beauftragenden Hauptunternehmers ohne Exkulpationsmöglichkeit vorgesehen und Verleiher in die Haftungsregelung mit einbezogen.
Begründung:
Es ist nicht nachvollziehbar, warum für den (allgemeinen) Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz eine andere Haftungsregelung Anwendung finden sollte als für die (branchenspezifischen) Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Auch die Begründung des Regierungsentwurfs enthält hierzu keine Ausführungen. Gegen eine verschuldensunabhängige Haftung bestehen nach dem Beschluss des BVerfG vom 20. März 2007 (BvR 1047/05) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr diene eine solche Regelung "der Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialer Standards und der Entlastung der [ ... ] bei niedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genommenen Systeme der sozialen Sicherheit". Des Weiteren führt das BVerfG aus, dass angenommen werden dürfe, "dass ein Ausschluss der Haftung des Hauptunternehmers beim Nachweis fehlenden Verschuldens die Wirksamkeit der Regelung nicht in gleichem Maße gewährleisten würde, wie eine verschuldensunabhängige, umfassende Bürgenhaftung". "Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer [wären] wegen der Exkulpationsmöglichkeit des Hauptunternehmers nicht oder nur schwer durchsetzbar [ ... ]". Aus Sicht des Bundesrates erscheint ein Gleichlauf mit der Haftungsregelung des § 14 AEntG auch deshalb geboten, weil dieses nun für alle Branchen geöffnet wird. Sollten aber unterschiedliche Haftungsmaßstäbe für (Haupt-)Unternehmer gelten, bestünde die Gefahr, dass sich die Tarifvertragsparteien der Arbeitgeberseite mit dem - in der Regel niedrigeren und zudem haftungsprivilegierten - allgemeinen Mindestlohn begnügen würden, anstatt ergänzend die Möglichkeit branchenspezifischer Mindestlöhne zu nutzen. Dies würde der gesetzgeberischen Intention von Artikel 6 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes aber geradezu zuwiderlaufen.
11. Zu Artikel 1 (§ 15 Satz 2 MiLoG)
In Artikel 1 sind in § 15 Satz 2 die Wörter " § 6 Absatz 3 sowie die" zu streichen.
Begründung:
In Artikel 1 erscheint die Anordnung der entsprechenden Anwendung des § 6 Absatz 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes in § 15 Satz 2 MiLoG-E überflüssig, da in § 15 Satz 1 MiLoG-E bereits auf § 6 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (insgesamt) Bezug genommen wird.
12. Zu Artikel 1 (§ 16 Absatz 1 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob hinsichtlich der Meldepflicht nach Artikel 1 § 16 Absatz 1 diese über die Datenstelle der Deutschen Rentenversicherung (DSRV) erfolgen kann.
Begründung:
Die DSRV würde somit auch für diesen Bereich als zentrale Annahmestelle auftreten und die Meldung an die Behörden der Zollverwaltung weiterleiten. Das bereits bestehende maschinelle Datenaustauschverfahren zwischen DSRV und Zoll könnte um diese Meldepflicht ergänzt werden. Die Prüfdienste der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung könnten über dieses Verfahren bereits im Vorfeld Erkenntnisse über bestehende Werk- oder Dienstverträge sowie Arbeitnehmerüberlassung (§ 16 Absatz 3 MiLoG-E) erhalten und so an der Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen mitwirken. Die Anmeldungen sollten dann zu den aufzubewahrenden Entgeltunterlagen gemäß § 8 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) genommen werden.
§ 8 BVV müsste diesbezüglich ergänzt werden.
13. Zu Artikel 1 (§ 17 Absatz 1 Satz 2 MiLoG)
In Artikel 1 sind in § 17 Absatz 1 Satz 2 nach den Wörtern "mehrere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" die Wörter "im Sinne des Satzes 1" einzufügen.
Begründung:
In Artikel 1 werden in § 17 Absatz 1 Satz 1 MiLoG-E den Arbeitgebern nur bezüglich bestimmter Arbeitnehmergruppen Aufzeichnungspflichten auferlegt. Nach § 17 Absatz 1 Satz 2 MiLoG-E soll Satz 1 "entsprechend" für Entleiher gelten. Hierbei bleibt unklar, ob sich die Pflicht des Entleihers nur auf die in Satz 1 genannten besonderen Arbeitnehmergruppen bezieht (ein solches Verständnis wird in der Einzelbegründung zu § 17 Absatz 1 MiLoG-E angedeutet) oder als bloßer Rechtsfolgenverweis auf sämtliche entliehenen Arbeitnehmer. Da ohne eine Klarstellung die Aufzeichnungspflicht als eine umfassende, die gesamte Branche der Zeitarbeit betreffende Pflicht gegebenenfalls missverstanden werden könnte, sollte in Satz 2 auf die in Satz 1 bezeichneten Arbeitnehmergruppen Bezug genommen werden.
14. Zu Artikel 1 (§ 21 Absatz 2 Nummer 2 MiLoG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in Artikel 1 § 21 Absatz 2 Nummer 2 eine Klarstellung aufzunehmen wäre, dass der Ordnungswidrigkeitstatbestand auch bei Einsatz eines Verleihers greift, der den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt.
Begründung:
Entsprechend der Haftungsregelung in Artikel 1 § 13, welche zwischen Nachunternehmern und Verleihern differenziert, wäre eine klarstellende Regelung in Artikel 1 § 21 Absatz 2 Nummer 2, dass eine Ordnungswidrigkeit nicht nur beim Einsatz eines Nachunternehmers, sondern auch eines Verleihers greift, wünschenswert.
15. Zu Artikel 1 (§ 22 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 MiLoG)
In Artikel 1 ist § 22 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 wie folgt zu fassen:
"1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund schulrechtlicher Bestimmungen, einer Ausbildungsordnung, einer Studien- oder Prüfungsordnung einer Hochschule, im Rahmen eines Kooperationsvertrages zwischen einer Hochschule und einem Unternehmen oder auf der Grundlage des jeweiligen Hochschulgesetzes leisten,".
Begründung:
Die Ergänzungen des Gesetzentwurfs stellen klar, dass Praktika, die auf schul- oder hochschulrechtlichen Bestimmungen beruhen, nicht unter die Mindestlohnregelungen fallen. Dies gilt insbesondere auch für Praktika zur Erlangung eines schulischen Abschlusses.
Weiterhin wird sichergestellt, dass Praktika im Hochschulbereich, die beispielsweise im Rahmen von dualen Studiengängen absolviert werden, auch dann nicht unter die Mindestlohnregelungen fallen, wenn sie nicht in einer Studien- oder Prüfungsordnung einer Hochschule geregelt sind, sondern im Rahmen von Kooperationsverträgen zwischen Hochschulen und Unternehmen oder auf der Grundlage des jeweiligen Hochschulgesetzes eines Landes erfolgen.
Da in einigen Ländern keine Studienordnungen mehr existieren, wird der Begriff "Prüfungsordnungen" zusätzlich aufgenommen. Der engere Begriff "Schulordnung" wird durch die umfassendere Formulierung "schulrechtliche Bestimmungen" ersetzt.
16. Zu Artikel 1 (§ 22 Absatz 2 und Absatz 4 MiLoG)
- a) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob Artikel 1 § 22 Absatz 2 auch den Fall erfasst, in dem die unter § 2 Absatz 1 und 2 Jugendarbeitsschutzgesetz fallenden Personen Arbeitsleistungen neben ihrer Ausbildung erbringen.
Begründung:
Gemäß Artikel 1 § 22 Absatz 2 gelten Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer im Sinne des MiLoG und sind dementsprechend vom Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes ausgenommen. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf verfolgt diese Ausnahmeregelung den Zweck, Jugendliche nicht durch die Zahlung eines gegenüber einer Ausbildungsvergütung meist höheren Mindestlohns von einer Berufsausbildung abzuhalten. Da nach dem Wortlaut von Artikel 1 § 22 Absatz 2 von dem Ausschluss auch Tätigkeiten erfasst sind, die ein Jugendlicher ohne abgeschlossene Berufsausbildung neben seiner Ausbildung erbringt, ist vor dem Hintergrund des Gesetzeszweckes zu prüfen, ob dies der Intention der Ausnahmeregelung entspricht.
- b) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in Artikel 1 § 22 Absatz 4 der Zeitraum für die Ausnahme von Langzeitarbeitslosen vom Geltungsbereich des MiLoG geändert werden sollte, um eine mit dem Kündigungsschutz synchron einsetzende zeitliche Schranke zu vermeiden; hilfsweise zu gewährleisten, dass die mit dem Kündigungsschutz synchron einsetzende Beendigung der Ausnahmeregelung bei der in Artikel 1 § 22 Absatz 4 Satz 2 geregelten Berichtspflicht Berücksichtigung findet.
Begründung:
Nach der jetzigen Regelung würde sich nach sechs Monaten aufgrund des Auslaufens der Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose für das einstellende Unternehmen die Arbeitskraft verteuern, gleichzeitig wären die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ( § 1 Absatz 1 KSchG) gegeben. Durch dieses Zusammentreffen des Auslaufens der Mindestlohnausnahme mit der Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes könnte ein nicht beabsichtigter Anreiz gesetzt werden, den Zeitraum von sechs Monaten, zu dem Langzeitarbeitslose zu einem geringeren als nach dem MiLoG vorgesehene Entgelt beschäftigt werden können, voll auszunutzen und mit Ablauf dieses Zeitraums das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Dies würde der Intention der Ausnahmeregelung, Langzeitarbeitslosen einen dauerhaften Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu ermöglichen, zuwiderlaufen.
17. Zu Artikel 3 ( § 6 SchwarzArbG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch eine Erweiterung des § 6 SchwarzArbG sicherzustellen, dass die Behörden der Zollverwaltung und die sie gemäß § 2 Absatz 2 SchwarzArbG unterstützenden Stellen verpflichtet sind, den nach Landesrecht für die Durchsetzung oder die Unterstützung der öffentlichen Auftraggeber bei der Durchsetzung sozialer Vertragsbedingungen zuständigen Behörden oder Stellen die hierzu erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten und die Ergebnisse der Prüfungen zu übermitteln, soweit deren Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben der Behörden oder Stellen erforderlich ist.
Begründung:
Eine Reihe von Ländern haben das Ziel, bessere Arbeitsbedingungen in ihrem Landesgebiet zu schaffen, unter anderem dadurch verfolgt, dass sie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Zahlung eines Mindestentgelts zur Bedingung für die Auftragnehmer gemacht haben. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelung haben die Vergabe- und/oder Prüfstellen keinen Zugang zu den dem Zoll aufgrund eigener Prüfungen vorliegenden Informationen hinsichtlich unterbliebener Zahlungen der Mindestentgelte bei der Ausführung öffentlicher Aufträge im Geltungsbereich der jeweiligen Landesgesetze. Eine entsprechende Erweiterung des § 6 SchwarzArbG würde hier Abhilfe schaffen und die Effektivität der Landesvorschriften deutlich erhöhen. Die Neuregelung würde zudem auch die Durchsetzung der Vorschriften nach dem AEntG, dem SchwarzArbG und des MiLoG verbessern, da Unternehmen neben den gesetzlichen Sanktionen nun auch mit zivilrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätten.
18. Zu Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a (§ 5 Absatz 1 TVG)
- a) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a gegenüber der bisherigen Gesetzeslage vorgesehene Verschärfung der Antragsvoraussetzungen durch die Anforderung eines gemeinsamen Antrages der Tarifvertragsparteien statt des bisher vorgesehenen Antrages einer Tarifvertragspartei vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels der Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zielführend und verfassungsrechtlich notwendig ist.
Begründung:
Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die Änderung des Tarifvertragsgesetzes in Artikel 5 des Gesetzentwurfs, insbesondere den Wegfall des starren 50 Prozent-Quorums. Das neu eingefügte Erfordernis eines gemeinsamen Antrags der tarifschließenden Parteien anstelle des bisher ausreichenden Antrags auch nur einer Tarifvertragspartei bedeutet allerdings eine Erschwernis der bisherigen Voraussetzungen. Zwar stellt das Erfordernis eines gemeinsamen Antrags hier einen Gleichlauf mit den Voraussetzungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes her, jedoch ist im Arbeitnehmer-Entsendegesetz, anders als im Tarifvertragsgesetz, der Tarifausschuss nur in bestimmten Fällen einzubeziehen. Durch die im Tarifvertragsgesetz stets vorgeschriebene Befassung des Tarifausschusses einschließlich der in § 5 Absatz 2 TVG vorgeschriebenen Anhörung der von der Allgemeinverbindlichkeit betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und aller anderen am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie durch die im Rahmen des öffentlichen Interesses vorzunehmenden Beurteilungen kann erreicht werden, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung nicht ohne hinreichende Berücksichtigung der nicht antragstellenden Tarifvertragspartei erfolgt.
- b) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie unter Berücksichtigung der praktischen Durchführbarkeit für die Bestimmung der überwiegenden Bedeutung des Tarifvertrages nach Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a auch vertragliche Inbezugnahmen sowie eine anderweitige Orientierung des Arbeitsverhältnisses an den tariflichen Regelungen berücksichtigt werden können.
Begründung:
Nach der Begründung zum Gesetzentwurf zu Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a sind für die überwiegende Bedeutung des Tarifvertrages nunmehr sämtliche Arbeitsverhältnisse, die tarifgemäß ausgestaltet sind, heranzuziehen. Berücksichtigt werden können hierbei unter anderen auch vertragliche Inbezugnahmen sowie die anderweitige Orientierung des Arbeitsverhältnisses an den tariflichen Regelungen. Da weder die vertraglichen Inbezugnahmen noch die tatsächliche Anwendung tarifvertraglicher Regelungen in Betrieben auf übergeordneter Ebene statistisch erhoben werden, ist zu prüfen, auf welchem Wege die hierzu notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein entsprechendes Instrumentarium ist zu schaffen.
- c) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a klarzustellen, dass nicht allein die Darlegung der Tarifvertragsparteien als Voraussetzung für die Bejahung des öffentlichen Interesses ausreicht, sondern dieses nach Prüfung der objektiven Voraussetzungen durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bejaht werden muss.
Begründung:
Nach dem Wortlaut des durch Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a neu formulierten § 5 Absatz 1 Satz 2 TVG, erscheint die Allgemeinverbindlichkeit in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, "wenn die Tarifvertragsparteien darlegen, dass der Tarifvertrag [ ... ] überwiegende Bedeutung erlangt hat [ ... ]". Diese Formulierung könnte den nicht gewünschten Eindruck erwecken, dass bereits die Darlegung der Tarifvertragsparteien als Voraussetzung für die Bejahung des öffentlichen Interesses ausreicht und nicht noch die Prüfung und Bejahung des öffentlichen Interesses durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erfolgen muss. Dass Letzteres gewollt ist, ergibt sich zwar aus der Begründung zum Gesetzentwurf und ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Durch eine redaktionelle Klarstellung im Gesetzestext sollte hier die nötige Rechtssicherheit geschaffen werden.
19. Zu Artikel 6 Nummer 6 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc (§ 7 Absatz 5 Satz 4 AEntG)
Artikel 6 Nummer 6 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc ist wie folgt zu fassen:
"cc) Satz 4 wird aufgehoben."
Begründung:
Nach derzeitiger Fassung des Änderungsbefehls in Artikel 6 sollen die Sätze 1 bis 3 des § 7 Absatz 5 AEntG-E nicht für Tarifverträge nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 bis 8 AEntG-E gelten. Da § 7 AEntG-E (nur) für die in § 4 Absatz 1 Nummer 1 bis 8 AEntG-E genannten Branchen gilt, hätte Absatz 5 derzeit keinen Anwendungsbereich.
Ein Bedürfnis für die Ausnahmeregelung in § 7 Absatz 5 Satz 4 AEntG-E besteht auch bei zukünftiger Erweiterung der Branchen in § 4 Absatz 1 AEntG-E nicht: Da sich die Sätze 1 bis 3 des Absatzes 5 auf erstmalige Anträge in einer Branche beziehen, versteht es sich von selbst, dass die Bestimmungen dann nicht (mehr) zur Anwendung kommen, wenn in der entsprechenden Branche bereits Verordnungen nach § 7 AEntG-E erlassen wurden. Bei einem Verzicht auf Satz 4 des Absatzes 5 müsste die Bestimmung bei der Aufnahme weiterer Branchen in § 4 Absatz 1 AEntG-E zukünftig auch nicht mehr fortlaufend aktualisiert werden.
20. Zu Artikel 10 Nummer 3 (§ 75 Absatz 1 Satz 3 SGB X)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die in Artikel 10 Nummer 3 vorgesehene Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung ohne Einwilligung des Betroffenen (Angaben zu Familien- und Vornamen, Anschrift, Telefonnummer sowie weitere Strukturmerkmale) mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ist.
Begründung:
Die rechtliche Zulässigkeit der Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung ohne Einwilligung des Betroffenen erscheint fraglich. Die Begründung im Gesetzesentwurf, eine vorherige Einwilligung des Betroffenen wäre mit dem Risiko einer frühzeitigen Selektivität verbunden, ist zwar nachvollziehbar. Die Einschätzung der Bundesregierung, das verfassungsrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse der Bürgerinnen und Bürger an ihren Sozialdaten müsse hinter den Interessen der Öffentlichkeit bzw. der Forschungseinrichtungen an einer verzerrungsfreien Forschung zurückstehen, wird jedoch vom Bundesrat nicht geteilt.
B
- 21. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz der Ausschuss für Frauen und Jugend der Finanzausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.