Der Bundesrat hat in seiner 967. Sitzung am 27. April 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die aktuelle Datenverwaltungsarchitektur der EU erhebliche strukturelle Mängel aufweist. Während die aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Migration, Terrorismus und Kriminalität wachsende Anforderungen an ein wirksames Informationsmanagement stellen, sehen sich die zuständigen Stellen weiterhin einer komplexen Landschaft unterschiedlich geregelter Informationssysteme gegenüber, die bisher nicht hinreichend miteinander verknüpft sind. Eine solche Fragmentierung führt zu Informationslücken, begünstigt Identitätsbetrug und birgt Gefahren für das Grenzmanagement und die Sicherheit. Hohe Standards beim Grenzmanagement sind für die Verhütung von grenzüberschreitender Kriminalität und Terrorismus jedoch ebenso unverzichtbar wie für eine wirksame Migrationssteuerung.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die vorliegenden Verordnungsvorschläge daher als Meilensteine auf dem Weg zu einer wirksamen und echten Sicherheitsunion. Er stimmt mit der Kommission darin überein, dass die Interoperabilität der Informationssysteme den maßgeblichen Schlüssel zur Effektivierung des Informationsmanagements bildet: Nicht der ungesteuerte Aufwuchs neuer Daten, sondern das Zusammenführen von zuvor getrennten Informationen in einem auf diesen Zweck streng begrenzten Kerndatensystem stellt nach Auffassung des Bundesrates einen zentralen Beitrag dar, Falsch- und Mehrfachidentitäten systematisch und schnell zu erkennen.
- 3. Als wesentlichen Fortschritt begrüßt er daher die neu geschaffene Möglichkeit, Abfragen im gemeinsamen Speicher für Identitätsfragen zum Zwecke einer Identifizierung einer Person durchzuführen. Es muss jedoch eine hohe Qualität und Aktualität dieser Informationen gesichert sein. Dies setzt eine klare Verantwortlichkeit hierfür voraus. Gesicherte Identitätsinformationen sind nach Überzeugung des Bundesrates die elementare Grundlage für die praktische Arbeit der Grenz-, Polizei-, Justiz- und Einwanderungsbehörden.
- 4. In diesem Zusammenhang unterstreicht er die hohe Bedeutung, die die Kommission der Achtung der Grundrechte, insbesondere dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten, beimisst. Nach Überzeugung des Bundesrates bilden die vorliegenden Verordnungsvorschläge eine gute Grundlage, um datenschutzrechtliche Belange einerseits und die angestrebte Gewährleistung eines raschen, systematischen und kontrollierten Informationszugangs für Grenzschutz- und Strafverfolgungsbeamtinnen und -beamte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einwanderungs- und Justizbehörden andererseits in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Die vorgeschlagenen Instrumente eröffnen die Möglichkeit, existierende Datenbestände intelligent zu vernetzen und Fehlbeurteilungen aufgrund zersplitterter Informationen zu vermeiden.
- 5. Insbesondere die jeweils in Artikel 22 der Verordnungsvorschläge ermöglichte Abfrage des gemeinsamen Speichers für Identitätsfragen zu Strafverfolgungszwecken liefert nach Auffassung des Bundesrates einen wichtigen Beitrag, wiederholte Anfragen an unterschiedliche Systeme und die damit verbundene Übermittlung personenbezogener Daten zu vermeiden. Die Ausgestaltung des Zugangs zu den gespeicherten Informationen in einem zweistufigen Verfahren unter Berücksichtigung bestehender Zugangsregelungen ist dabei zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendig und trägt zudem der besonderen Sensibilität biometrischer Daten Rechnung.
- 6. Der Bundesrat versichert seine Bereitschaft, den Prozess zur Fortentwicklung der Informationssysteme der EU konstruktiv zu begleiten. Angesichts der Komplexität und Bedeutung des Vorhabens bittet er die Bundesregierung, die Länder in den anstehenden Diskussions- und Entscheidungsprozess eng einzubinden und im Übrigen frühzeitig darauf hinzuwirken, dass die Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene zu kompatiblen Lösungen führen.