Der Bundesrat hat in seiner 948. Sitzung am 23. September 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass der von der Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Empfehlung zur Überarbeitung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) weitreichende Ziele und eine Weiterentwicklung oder Umgestaltung des EQR in zahlreichen Punkten verfolgt. Er erkennt an, dass der EQR ein Instrument darstellt, das auf europäischer Ebene durch die Schaffung von Transparenz von Qualifikationen einen Mehrwert generieren kann. Gleichzeitig gibt der Bundesrat zu bedenken, dass die Etablierung von Instrumenten Zeit benötigt. Insbesondere bei der Arbeit am Europäischen sowie Nationalen Qualifikationsrahmen sind nach wie vor grundlegende Fragen unbeantwortet. Deshalb sollte der EQR nicht mit neuen Zielen und Vorgaben überfordert werden.
- 2. Die Kommission kündigt in ihrem Vorschlag an, eine Expertengruppe einrichten zu wollen, die die notwendige Plattform für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und relevanten Interessenträgern bei der Umsetzung der Empfehlung bieten soll.
Zu den Aufgaben der Gruppe sollen auch die seit 2008 von der beratenden Gruppe zum EQR ausgeführten Tätigkeiten zählen. Der Bundesrat sieht die hiermit verbundene Abschaffung der beratenden Gruppe für den EQR zugunsten eines neuen Gremiums mit einem deutlich erweiterten Aufgabenbereich kritisch:
- - Die beratende Gruppe für den EQR stellt ein Gremium von Bildungsexperten dar, dessen Arbeit sich in der Vergangenheit bewährt hat und weitergeführt werden sollte. Eine "Plattform", welche sich mit dem gesamten Bereich der "Fertigkeiten" und somit einer Vielzahl von Themen befassen soll, würde der Komplexität der mit dem EQR verbundenen Fragen nicht gerecht. - Die Rolle der neuen "Plattform" bleibt im Empfehlungsvorschlag weitgehend unklar. Während in der EQR-Empfehlung aus dem Jahr 2008 die Einrichtung der beratenden Gruppe, die Besetzung sowie der Zuständigkeitsbereich umrissen sind, bleibt der neue Text diesbezüglich vage.
- - Zudem bemängelt der Bundesrat das intransparente Vorgehen der Kommission bezüglich der von ihr angestrebten Änderung der Governance-Strukturen.
- 3. Gemäß dem Empfehlungsvorschlag sollen die Mitgliedstaaten für die Koordinierung der Aufgaben sorgen, die von den nationalen Koordinierungsstellen für den EQR ausgeführt werden. Hiermit strebt die Kommission eine Zusammenlegung der nationalen Kontaktstellen mit anderen Einrichtungen wie den nationalen Europass- und Euroguidance-Strukturen an. Der Bundesrat unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass die nationale Durchführung und Verwaltung in der alleinigen Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt und in Deutschland auch an den föderalen Strukturen ausgerichtet sein muss. Er lehnt jegliche Einflussnahme auf diese Strukturen seitens der EU ab (vergleiche auch Ziffer 27 der BR-Drucksache 767/11(B) ). Mit Befremden sieht der Bundesrat dabei den Versuch der Kommission, mittels budgetärer Vorgaben im Arbeitsprogramm 2017 für "Erasmus+" bezüglich der Entscheidung über die nationalen Strukturen Tatsachen zu schaffen, noch bevor der Rat politisch über den Empfehlungsvorschlag entschieden hat. Er lehnt eine Vorwegnahme der Entscheidungen des Rates als nicht akzeptabel ab.
- 4. Der Vorschlag enthält eine Empfehlung an die Kommission, "Peer Reviews" und einen Austausch bewährter Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten zu organisieren. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat erneut darauf hin (siehe unter anderem BR-Drucksache 386/15(B) , Ziffer 14), dass sich Aktivitäten des Voneinanderlernens auf europäischer Ebene aufgrund der Kompetenzverteilung im Bildungsbereich allein auf einen freiwilligen Austausch beziehen können. Er lehnt deshalb die Durchführung von "Peer Reviews" im Bildungsbereich ab. Stattdessen sollte weiterhin an dem in der Praxis bewährten Instrument des "Peer Learning" festgehalten werden.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass in Ziffer 13 der Erwägungsgründe Credit-Systeme als Unterstützung für Menschen bei Lernfortschritten durch die Erleichterung der Konzeption, Realisierung und Bewertung von Lernergebnissen dargestellt werden.
Zu einer Thematisierung von Credit-Systemen im Rahmen des Vorschlags für eine Überarbeitung der EQR-Empfehlung nimmt er wie folgt Stellung:
- - Der EQR befasst sich ausschließlich mit Qualifikationen und nicht mit "Qualifikationskomponenten" bzw. sogenannten Teilqualifikationen oder Modulen, die mit Credit-Punkten verbunden sind. Der Bundesrat lehnt eine Vermengung des EQR mit Credit-Systemen ab, da diese zwei grundsätzlich unterschiedliche Instrumente darstellen. Er weist darauf hin, dass der EQR keinen Anspruch auf Anerkennung generiert, und warnt vor diesem Hintergrund nachdrücklich vor einer Vermischung von Anerkennungs- und Transparenzinstrumenten (siehe auch BR-Drucksache 725/12(B) , Ziffer 11). Insbesondere die mit der Etablierung von Credit-Systemen verbundene Modularisierung ist mit dem in Deutschland etablierten System in der allgemeinen und beruflichen Bildung nicht vereinbar. Der Bundesrat spricht sich vor diesem Hintergrund gegen eine Verknüpfung des EQR mit Credit-Systemen aus.
- - Die Verwendung von Credit-Systemen liegt allein in mitgliedstaatlicher Entscheidungskompetenz und erfolgt ausschließlich freiwillig. Zwar soll nach dem Wortlaut des Entwurfs die Übereinstimmung der Credit-Systeme mit den gemeinsamen Grundsätzen in Anhang V nur unbeschadet nationaler Entscheidungen über die Verwendung von Credit-Systemen sichergestellt werden. Dennoch setzt der Entwurf bei der Verwendung von Credit-Systemen deren verbindliche Geltung letztlich voraus.
- - Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in Anhang V aufgestellten Grundsätze - anders als die Anhänge II und IV - keine ausdrücklichen Verweise auf die Kompatibilität von im Hochschulbereich bereits etablierten Instrumentarien mit den dortigen Anforderungen enthalten. Insbesondere mit Blick auf die Zielsetzungen in den Nummern 3 (Überwindung von institutionellen Grenzen) und 6 (Validierung des nichtformalen sowie informellen Lernens) sowie 7 (Entwicklung und Verbesserung der Credit-Systeme im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Interessenträgern auf nationaler und europäischer Ebene) liegt der Schluss nahe, dass eine neue Form von Credit-Systemen jenseits der bestehenden Systeme entwickelt werden soll. Dies erscheint unter anderem für den Hochschulbereich weder praktikabel noch umsetzbar, zumal das Europäische System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS) im Hochschulbereich inzwischen weit über den Bereich der EU-Mitgliedstaaten hinaus Anwendung findet und ein zentrales Instrument im Bologna-Prozess darstellt. Im Gegensatz dazu hat das europäische Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (ECVET) gerade gezeigt, dass die Verwendung von Leistungspunkten im Bereich der beruflichen Bildung schwer zu realisieren ist und in der Praxis kaum Beachtung findet.
- 6. In dem Empfehlungsvorschlag soll nach dem Wunsch der Kommission das Fundament für den Aufbau von Verbindungen zwischen nationalen und regionalen Qualifikationsrahmen von Drittstaaten und dem EQR gelegt werden.
- - Die zur Drittstaatenkooperation in Ziffer 7 der BR-Drucksache 386/15(B) formulierte Kritik bekräftigt der Bundesrat erneut: Vor der Aufnahme der Drittstaatenkooperation müssten zunächst grundlegende Fragen zur Zusammenarbeit mit Drittstaaten geklärt werden, unter anderem inwieweit der EQR als Metarahmen mit bestehenden nationalen Qualifikationsrahmen von Drittstaaten systematisch vereinbart werden kann und sollte. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass sich die EU und die Mitgliedstaaten zunächst weiter auf den Prozess der innereuropäischen Etablierung des EQR und der Referenzierung der verschiedenen nationalen Qualifikationsrahmen konzentrieren sollten.
- - Die Kommission setzt in ihrem Vorschlag die Drittstaatenkooperation auch in Bezug zur Anerkennung der Qualifikationen von Migrantinnen und Migranten einschließlich Flüchtlingen. Drittstaatenkooperation in diesem Zusammenhang würde aber voraussetzen, dass die Staaten, aus denen die Flüchtlinge überwiegend stammen, über Qualifikationsrahmen verfügen und in der Lage sind, mit der EU an einer Vergleichbarkeit der Rahmen zu arbeiten. Da in den typischen Herkunftsländern der Flüchtlinge die hierfür erforderlichen staatlichen Strukturen fehlen oder außer Kraft gesetzt sind, weist der Bundesrat diese Argumentation zurück. 7. Der Bundesrat sieht zahlreiche fachliche und formale Punkte bezüglich der Genese des Empfehlungsvorschlags kritisch:
- - So nimmt er mit Erstaunen zur Kenntnis, dass die Kommission im Vorfeld der EQR-Empfehlung Studien in Auftrag gegeben hat (unter anderem zu internationalen sektoralen Qualifikationssystemen und -rahmen), dann aber ihren eigenen Vorschlag vor der Veröffentlichung der Studienergebnisse vorgelegt hat. Methodisch ist dieses Vorgehen fragwürdig.
- - Der Bundesrat begrüßt mit Nachdruck, dass die slowakische Ratspräsidentschaft die Federführung für die Verhandlungen des Empfehlungsvorschlags dem Bildungsministerrat zugewiesen hat. Dass die Überarbeitung der Empfehlung zum EQR, der eindeutig ein Instrument aus dem Bereich der Bildungspolitik darstellt, federführend in der Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Integration entworfen wurde, sieht er kritisch und lehnt eine solche Verschiebung auf EU-Ebene auch für künftige Initiativen im Bildungsbereich ab.
- - Der Bundesrat bedauert sehr, dass die bei den Konsultationen von Akteuren auf EU-Ebene, unter anderem im Bildungsausschuss des Rates und in der beratenden Gruppe für den EQR, vorgebrachte Kritik, zum Beispiel an der Drittstaatenkooperation, nicht berücksichtigt wurde. Er ist der Ansicht, dass die Meinung von Experten im Rahmen von Konsultationsprozessen ernst genommen werden muss.
- - Zudem wurden weder Folgenabschätzung noch öffentliche Konsultation vor der Erstellung des Vorschlags durchgeführt. Im Fahrplan zur Überarbeitung des EQR war dies damit begründet worden, dass es sich bei den vorgestellten Optionen um rein technische Verbesserungen der EQR-Empfehlung ohne erhebliche Auswirkung handele. In der Begründung zum Empfehlungsvorschlag selbst ist davon die Rede, dass die Mitgliedstaaten die Umsetzung einer Empfehlung auf nationaler Ebene flexibel handhaben könnten und aus diesem Grund keine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei. Dies tritt in Widerspruch zur Tatsache, dass die Kommission zum Teil sogar für Nichtlegislativakte wie Mitteilungen Folgenabschätzungen durchführt. Darüber hinaus ist der Bundesrat der Ansicht, dass der Entwurf substantielle Änderungen beinhaltet, die weit über technische Änderungen hinausgehen und erhebliche Wirkungen zeitigen können. Folglich wäre eine Folgenabschätzung erforderlich gewesen.
- - Angesichts der oben genannten Defizite ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Kommission den in der Mitteilung der Kommission zur besseren Rechtsetzung gesteckten Zielen, Offenheit und Transparenz zu schaffen sowie mehr konsultieren und besser zuhören zu wollen (COM (2015) 215 final,
BR-Drucksache 242/15 (PDF) , Ziffer 2.1, zweiter Absatz), um damit die Evidenzbasis zu verbessern, nicht gerecht geworden ist.
- 8. In Ziffer 19 der Erwägungsgründe geht der Empfehlungsvorschlag darauf ein, dass Informationen über Qualifikationen mit EQR-Zuordnung in der mehrsprachigen Europäischen Klassifikation für Fähigkeiten/Kompetenzen, Qualifikationen und Berufe (ESCO) aufgegriffen werden sollen. ESCO befindet sich jedoch aktuell noch im Entwicklungsstadium. Derzeit ist weder abzusehen, ob ESCO überhaupt funktionsfähig noch ob hiermit ein erkennbarer Mehrwert verbunden sein wird. Der EQR stellt ein von ESCO vollends unabhängiges Instrument zur Schaffung von Transparenz im Bildungsbereich dar, der einem bildungsbereichsübergreifenden Ansatz folgt. Diese Rolle darf durch die Fokussierung von ESCO auf rein arbeitsmarktrelevante Qualifikationen nicht verengt werden. Vor diesem Hintergrund steht der Bundesrat einer - auch durch die Verwendung eines einheitlichen Formats für die elektronische Veröffentlichung von Informationen auf nationaler Ebene und EU-Ebene gemäß Anhang VI - angestrebten stärkeren Verknüpfung von ESCO und EQR ablehnend gegenüber.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission in Anhang I des vorgelegten Vorschlags beabsichtigt, den Begriff der "Kompetenz" durch "Verantwortlichkeit/Selbstständigkeit" zu ersetzen. Sie begründet dies damit, dass die neue Bezeichnung besser zu den Lernergebnisdeskriptoren passe. Auch wenn der Begriff "Kompetenz" in EU-Dokumenten und im nationalen Kontext zum Teil unterschiedlich definiert wird, hat sich der Kompetenzbegriff im Rahmen der EQR-Empfehlung etabliert. Die Veränderung der Begrifflichkeiten könnte zu weiteren Unklarheiten im EU- und nationalen Kontext führen.
- 10. Der Bundesrat stellt außerdem fest, dass der Kommissionsvorschlag - anders als die EQR-Empfehlung aus dem Jahr 2008, in welcher nur der Begriff "internationale sektorale Qualifikation" definiert wurde - nunmehr auch Begriffsbestimmungen für "internationale Qualifikationen" und "internationale sektorale Qualifikationen" enthält. In der Definition der "internationalen Qualifikation" ist die Aussage enthalten, dass auch Lernergebnisse auf der Basis von Standards eingeschlossen sind, die von internationalen Stellen, Organisationen oder Unternehmen entwickelt wurden. Weder private Unternehmen noch internationale Stellen können allein für Qualifikationen allgemeinverbindliche Standards festlegen, die Bindungswirkung entfalten.
- 11. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission die kohärente Umsetzung des EQR in den Mitgliedstaaten durch die Entwicklung von Methoden zur Einstufung nationaler Qualifikationen zu unterstützen beabsichtigt. Auch Methoden zur Nutzung und Anwendung von Lernergebnissen in Qualifikationen sollen entwickelt werden. Diesen Vorhaben tritt er entschieden entgegen. Aufgrund der Kompetenzverteilung im Bildungsbereich könnte lediglich ein Rahmen hierfür angedacht werden, die Entwicklung von Methoden jedoch wäre als unzulässiger Eingriff in nationale Systeme abzulehnen.
- 12. Zu den in Anhang III festgelegten Kriterien und Verfahren für die Zuordnung nationaler Qualifikationsrahmen und -systeme zum EQR nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung:
- - In diesem Anhang ist von einer Zuordnung nationaler Qualifikationssysteme die Rede. Den jeweiligen Qualifikationsrahmen werden jedoch nicht Qualifikationssysteme, sondern Qualifikationen zugeordnet.
- - In Ziffer 3 dieses Anhangs ist festgelegt, dass die nationalen Qualifikationsrahmen bzw. -systeme und deren Qualifikationen mit Vorkehrungen für die Validierung des nichtformalen und informellen Lernens und - sofern vorhanden - mit Credit-Systemen verbunden sind. Dies geht über die Kriterien für die Referenzierung hinaus, welche die beratende Gruppe als Grundlage für die weiteren Referenzierungen erarbeitet hat.
- 13. Eine Verpflichtung zu einer regelmäßigen Aktualisierung der Zuordnung der Niveaus nationaler Qualifikationen durch die Mitgliedstaaten, wie sie in Ziffer 3 des Empfehlungsvorschlags vorgesehen ist, lehnt der Bundesrat ab. Um übermäßige Berichterstattungspflichten und Verwaltungslasten zu vermeiden, sollte eine erneute Referenzierung vielmehr anlassbezogen erfolgen, das heißt, wenn sich wesentliche Änderungen hinsichtlich nationaler Qualifikationen ergeben.
- 14. Als Neuerung gegenüber der EQR-Empfehlung aus dem Jahr 2008 sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle zugeordneten Qualifikationen den gemeinsamen Qualitätssicherungsgrundsätzen in Anhang IV entsprechen (Ziffer 4 der vorgeschlagenen Empfehlung an die Mitgliedstaaten). Nach der Empfehlung aus dem Jahr 2008 sollten Qualitätssicherungsgrundsätze in der allgemeinen und beruflichen Bildung lediglich gefördert und angewendet werden, wobei die im Anhang formulierten Grundsätze nicht nur weit gefasst waren, sondern auch allein auf die Hochschul- und Berufsbildung abzielten. Der vorliegende Vorschlag verfolgt hingegen einen Ansatz, der alle Bildungsbereiche sowie nichtformales und informelles Lernen und auch internationale Qualifikationen umspannen soll. Der Bundesrat lehnt die umfassende Vorgabe von Qualitätssicherungsgrundsätzen für alle diese Bereiche als zu weitgehend ab:
- - Er gibt zu bedenken, dass Vorgaben zu Qualitätssicherungsmechanismen weit in nationale Qualifikationssysteme, in die unterschiedlichen Bildungsbereiche und somit in die nationale Zuständigkeit für Bildung hineinreichen. Die am EQR-Prozess beteiligten Staaten regeln Qualitätssicherung aufgrund der Verschiedenheit ihrer Bildungssysteme unterschiedlich. In Anhang IV ist erwähnt, dass derzeit über europäische Qualitätssicherungsgrundsätze für die allgemeine Bildung diskutiert wird. Der Bundesrat verweist insofern auf die in den Artikeln 165 und 166 AEUV eng gesetzten Grenzen der Unionskompetenzen im Bildungsbereich, insbesondere auf das Harmonisierungsverbot. Da die Vorgabe europäischer Qualitätssicherungsgrundsätze für die allgemeine Bildung diese Grenzen überschreiten würde, lehnt der Bundesrat ein derartiges Vorhaben ab.
- - Anhang IV legt "Qualitätssicherungsgrundsätze für Qualifikationen mit Zuordnung zum Europäischen Qualifikationsrahmen" fest. Eine direkte Referenzierung von Qualifikationen zum EQR, wie dies unter anderem in der Überschrift zu den Qualitätssicherungsgrundsätzen angesprochen ist, ist im derzeit etablierten System jedoch gerade nicht vorgesehen, Zuordnungen erfolgen ausschließlich zu nationalen Qualifikationsrahmen. Die Qualitätssicherungsgrundsätze dürfen nicht dazu dienen, dass die von der Kommission in der Vergangenheit wiederholt thematisierte Zuordnung der sogenannten internationalen (sektoralen) Qualifikationen weiterverfolgt wird. Der Bundesrat sieht in einer direkten Referenzierung einen Paradigmenwechsel, der mit der ausschließlichen Verantwortung der Mitgliedstaaten für ihre Bildungssysteme in Konflikt treten würde, und lehnt dies als nicht akzeptabel ab.
- - Der Bundesrat stellt fest, dass viele Aussagen in Anhang IV unklar formuliert sind. Er lehnt ab, dass kontroverse Themen wie die Zuordnung der sogenannten internationalen (sektoralen) Qualifikationen über Öffnungsklauseln mittelbar in die Empfehlung Eingang finden.
- - Er nimmt positiv zur Kenntnis, dass in Fußnote 2 zu Anhang IV auf die europäischen Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum (ESG) ausdrücklich Bezug genommen wird. Bezüglich der Vorgabe eindeutig messbarer Ziele als Basis für die Zuordnung hegt er jedoch erhebliche Zweifel an der Umsetzbarkeit. So sprechen die ESG nur von hinreichend definierten Zielen und deren Überprüfung. Zudem finden die ESG nicht in allen Studiengängen Anwendung. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat mit Blick auf den Hochschulbereich, die Anforderungen in Anhang IV offener zu gestalten.
- - Zudem bleibt unklar, was die Kommission unter den in Ziffer 9 von Anhang IV genannten "externen Prüforganen" versteht, die eine systematische, zyklische Evaluierung durchführen sollen.
- 15. Mit den Vorgaben von Qualitätssicherungsgrundsätzen eng verknüpft ist die Prüfung der möglichen Entwicklung eines europäischen Registers für Stellen, die Qualitätssicherungssysteme für Qualifikationen kontrollieren. Dieses Register soll sich mit Qualitätssicherungsstellen jenseits des Hochschulbereichs befassen. Dabei gibt der Bundesrat jedoch zu bedenken, dass die Strukturen im Bereich der allgemeinen, der beruflichen sowie der hochschulischen Bildung unterschiedlich gestaltet sind und in der Zuständigkeit verschiedener Institutionen liegen, die alle nach bewährten Systemen verfahren. Er zieht in Zweifel, ob der bürokratische Aufwand in einem adäquaten Verhältnis zu einem etwaigen Mehrwert eines derartigen Registers steht.
- 16. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass ein vereinheitlichtes Verfahren für die Kommunikation über den EQR durch die Kommission entwickelt werden soll, insbesondere für die visuelle Darstellung des EQR-Niveaus in neu ausgestellten Zeugnissen, Befähigungsnachweisen und Qualifikationserläuterungen. Er weist darauf hin, dass die Gestaltung amtlicher Dokumente in den Kernbereich hoheitlichen Handelns der Mitgliedstaaten im Bildungsbereich fällt, für den die EU-Ebene keine verbindlichen Vorgaben machen kann.
- 17. Mit Blick auf die an die Kommission gerichtete Empfehlung in Ziffer 19, gegebenenfalls über die nach Annahme der EQR-Empfehlung erzielten Fortschritte Bericht zu erstatten, fordert der Bundesrat, dass dies nicht zu neuen Berichterstattungspflichten für die Mitgliedstaaten führen darf.
- 18. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.