Punkt 13 der 906. Sitzung des Bundesrates am 1. Februar 2013
Für den Fall, dass zu dem Gesetz der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wird, möge der Bundesrat folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass das vom Deutschen Bundestag am 13. Dezember 2012 beschlossene Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln nicht nur wesentliche Anliegen des Bundesrates aus der Drucksache 313/12(B) unberücksichtigt lässt, sondern auch die Chance nicht nutzt, noch in dieser Legislaturperiode eine sozial ausgewogene Reform des Mietrechts auf den Weg zu bringen, die alle reformbedürftigen Bereiche erfasst, ohne zugleich Bewährtes preiszugeben.
Die energetische Modernisierung des Wohnungsbestandes ist eine wichtige Zukunftsaufgabe, die nur zu bewältigen sein wird, wenn soziale Interessen der Mieter mit ausreichenden Investitionsanreizen für Vermieter in Einklang gebracht werden. Ziel staatlichen und gesetzgeberischen Handelns muss es daher sein, hierfür förderliche und zugleich gerechte Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Anpassung an den Klimawandel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Mietrecht kann aber nicht das primäre Steuerungsinstrument sein, um diese Aufgabe zu meistern. Der Bundesrat spricht sich daher gegen den im Gesetzesbeschluss des Bundestages vorgesehenen dreimonatigen Mietminderungsausschluss bei energetischen Modernisierungen aus. Der Bundesrat erkennt aber an, dass hierdurch weitere Anreize für die Durchführung energetischer Sanierungsmaßnahmen erforderlich werden und bittet daher die Bundesregierung, dies bei ihrem weiteren Vorgehen in sozial ausgewogener Weise zu berücksichtigen.
- 2. Der Bundesrat spricht sich für eine Absenkung der Modernisierungsumlage in § 559 Absatz 1 BGB-neu von 11 Prozent auf 9 Prozent aus. Gerade bei umfassenden Modernisierungen kann eine Umlage von 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete zu unangemessenen finanziellen Belastungen führen. Durch die Absenkung der Modernisierungsumlage auf 9 Prozent würde die Umlagefähigkeit der Kosten der Modernisierung auf den Mieter nicht gemindert, sondern die Belastung lediglich zeitlich leicht gestreckt und zugleich der preistreibende Effekt auf die ortsübliche Vergleichsmiete abgemildert. Damit verlängern sich für den Vermieter jedoch die Amortisationszeiten. Um Investitionseinschränkungen bei der energetischen Sanierung auf Grund dadurch bedingter höherer Kapitalkosten zu vermeiden, sollten durch eine Ausweitung von Fördermöglichkeiten entsprechende Einbußen ausgeglichen werden.
- 3. Eine ebenso wichtige Zukunftsaufgabe neben den Herausforderungen des Klimawandels bleibt auch die dauerhafte Sicherung bezahlbaren Wohnraums und die Verhinderung von Verdrängungsprozessen insbesondere in Ballungszentren. Hier lässt das Mietrechtsänderungsgesetz in seiner vom Bundestag beschlossenen Form ernsthaften Reformwillen vermissen. Die Mietpreise in vielen Städten Deutschlands und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mieter haben sich in den letzten Jahren konsequent auseinanderentwickelt. Viele Mieter sind durch rasant steigende Mieten gezwungen, den oftmals langjährig bewohnten Stadtteil zu verlassen und in günstigere Bezirke, häufig Randbezirke, zu ziehen. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzutreten.
- 4. Die im Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages vorgesehene Verordnungsermächtigung zur Absenkung der Kappungsgrenze für Mietanpassungen an die ortsübliche Vergleichsmiete in § 558 Absatz 3 BGB-neu auf 15 Prozent für bestimmte Gemeindegebiete, hilft nur Stadtstaaten. Flächenländer mit sehr unterschiedlichen Wohnungsmarktlagen müssten zunächst ein zeit- und kostenintensives Gutachterverfahren beschreiten, um die Gebiete abzugrenzen, in denen die Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung vorliegen.
Deshalb bedarf es einer abschließenden gesetzlichen Regelung, die die Kappungsgrenze auf 15 Prozent absenkt und zugleich den Zeitraum, in dem diese nicht überschritten werden darf, von drei Jahren auf vier Jahre verlängert. Des Weiteren sollen bei der Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht nur die in den letzten vier Jahren, sondern alle in den letzten zehn Jahren vereinbarten oder geänderten Mieten einfließen. Dies hätte einen dämpfenden Effekt auf den Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete.
- 5. Zur Durchbrechung der Mietpreisspirale bedarf es schließlich auch einer Begrenzung der Möglichkeit, bei Neuvermietungen in angespannten Mietmärkten Mieten weit über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu verlangen, die dann wiederum die künftige ortsübliche Vergleichsmiete nach oben treiben. Der Bundesrat hält daher die Schaffung einer Mietobergrenze bei Wiedervermietungen für geboten, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert und keine Überschreitung derselben um mehr als 10 Prozent zulässt.
- 6. Der Bundesrat ist entgegen der Bundesregierung der Auffassung, dass das bestehende Recht im Hinblick auf Mieter, die ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietverhältnis nicht nachkommen, den Anforderungen an ein modernes und effizientes Mietrecht gerecht wird. Sofern indes unter einem "effizienten" Mietrecht lediglich ein um Mieterrechte beschnittenes Mietrecht verstanden wird, vermag der Bundesrat auch die dahinterstehende Intention nicht zu teilen. Das soziale Mietrecht hat sich in der Praxis bewährt. Mietprozesse werden von den Gerichten in aller Regel zügig abgeschlossen. Die bestehende Balance zwischen Vermieter- und Mieterschutz sollte nicht unter Verweis auf empirisch nicht näher belegte und jedenfalls für die große Masse der Mietverhältnisse nicht zutreffende Missstände voreilig und einseitig zu Lasten der Mieter aufgeweicht werden. So greift insbesondere das geplante Instrument der Sicherungsanordnung in Verbindung mit der Sanktion der Räumung von Wohnraum im Wege der einstweiligen Verfügung unter Vorwegnahme der Hauptsache - was nach derzeitiger Rechtslage überhaupt nur bei verbotener Eigenmacht oder gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben möglich ist - tief in das austarierte System des Mietrechts ein und droht zugleich, Mietprozesse unnötig aufzublähen und zu verteuern. Ohne Not verzichtet das Mietrechtsänderungsgesetz auch auf eine vorherige Abmahnung vor einer außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit der Zahlung der Mietkaution.
- 7. Insgesamt lässt das Mietrechtsänderungsgesetz in der jetzt vom Deutschen Bundestag beschlossenen Form die im sozialen Wohnraummietrecht erforderliche Ausgewogenheit vermissen.