952. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016
A
- 1. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat, dem vom Deutschen Bundestag am 1. Dezember 2016 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 91e Absatz 3 und Artikel 104a Absatz 4 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
- 2. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
Der Bundesrat stellt fest, dass die Stellungnahme des Bundesrates vom 4. November 2016 im weiteren Gesetzgebungsverfahren ganz überwiegend nicht berücksichtigt wurde (BR-Drucksache 541/16(B) ). Der Bundesrat bekräftigt seine Forderungen und bittet die Bundesregierung um zeitnahe Berücksichtigung insbesondere folgender Punkte:
- a) Der Bundesrat hat Bedenken, ob das vom Bundestag beschlossene Gesetz den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) formulierten Anforderungen an die Ermittlung der Regelbedarfe in allen Punkten genügt. Dies betrifft sowohl die angewandte Methode als auch die unzureichende Berücksichtigung konkreter Bedarfe, insbesondere in den Bereichen Mobilität, Energie und weiße Haushaltsgeräte.
- b) Bei den Leistungen für Bildung und Teilhabe muss nach aktueller Rechtslage bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in allen Rechtskreisen - Zweites und Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch, Asylbewerberleistungsgesetz und Bundeskindergeldgesetz - ein Eigenanteil für ersparte Verbrauchsausgaben für Ernährung in Höhe von einem Euro je Mittagessen berücksichtigt werden. Da insbesondere im Schulbereich die tatsächliche Teilnahme am Mittagessen an einer unterschiedlichen Anzahl von Schultagen erfolgt, entsteht bei der getrennten Rechnungslegung durch den Essensanbieter sowie bei der Erstattung der nach § 34 Absatz 6 Satz 1 SGB XII und § 28 Absatz 6 Satz 1 SGB II entstandenen Mehraufwendungen durch die Schulämter monatlich ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Die Geltendmachung und Einziehung dieses geringen Betrages steht in keinem Verhältnis zu dem dafür entstehenden Verwaltungsaufwand.
- c) Personen, die in stationären Einrichtungen leben, erhalten auch in Zukunft die Regelbedarfsstufe
- 3. In der Eingliederungshilfe wird es ab dem Jahr 2020 rechtlich die Unterscheidung von stationären und ambulanten Wohnformen nicht mehr geben. In anderen Bereichen des Sozialgesetzbuches bleibt sie aber bestehen. Für Leistungsberechtigte in der Eingliederungshilfe soll ab dem Jahr 2020 die Regelbedarfsstufe 2 an die Stelle der Regelbedarfsstufe 3 treten. Hiermit ist im Ergebnis nicht - wie zu vermuten ist - eine Besserstellung, sondern eine Schlechterstellung zu befürchten, da diese Leistungsberechtigten derzeit zur Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhaltes in Einrichtungen Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 zuzüglich eines Barbetrages und einer monatlichen Bekleidungspauschale erhalten. Die Regelbedarfsstufe 2 beträgt ab dem Jahr 2017 laut Gesetz aber nur 368,00 Euro. Aus Sicht der Länder darf es für diesen Personenkreis nicht zu Verschlechterungen im Vergleich zu den aktuell gewährten Leistungen kommen.
- d) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Gesetz für Sehhilfen, die als therapeutische Mittel und Geräte im Sinne der Abteilung 6 der Einkommens- und Verbraucherstichproben (EVS) 2013 - Gesundheitspflege - klassifiziert sind, Leistungen in einer Höhe festlegt, die eine Deckung der (Anschaffungs-) Kosten für eine Sehhilfe aus dem jeweiligen Regelsatz nahezu ausschließt und bei Weitem nicht auskömmlich sind. Um eine Bedarfsunterdeckung zu vermeiden, sind die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, die die Berücksichtigung von Ausgaben für Sehhilfen als einmalige Bedarfe ermöglichen. Hierzu bedarf es einer Ausweitung der Anwendungsbereiche von § 24 Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des § 31 Nummer 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.
- e) Die EVS 2013 weist für Herd, Kühlschrank und Waschmaschine nur geringfügige Beträge auf, mit denen diese erst nach jahrelanger Ansparung finanziert werden können. Um eine Bedarfsunterdeckung zu vermeiden und den Vorgaben des BVerfG gerecht zu werden, sind die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, die eine Berücksichtigung als zusätzliche Leistungen ermöglichen.
- f) Eine Erhöhung des Schulbedarfspakets ist erforderlich, da ohne eine hinreichende Deckung der Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten hilfebedürftigen Kindern nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts der Ausschluss von Lebenschancen droht. Seit 2009 wird die Leistung für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf in pauschalierter Form mit einem Bedarf von 100 Euro im Jahr berücksichtigt. Die damalige Ermittlung des Pauschalbetrags beruhte lediglich auf Erfahrungswerten aus der Praxis und wurde weder im Rahmen des RBEG im Jahr 2011 noch bei dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren auf eine mögliche Unterdeckung des Bedarfs hin überprüft. Eine Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen e.V. (SOFI) kommt zu dem Ergebnis, dass die Summe von 100 Euro pro Schuljahr in der Regel nicht ausreichend sei, um die Kosten für den Schulbedarf zu decken. Von daher wird empfohlen, die Leistungshöhe für den Schulbedarf nach oben an die tatsächlichen Bedarfe anzupassen.