924. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2014
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt das bildungspolitische Kernziel der Europa-2020- Strategie für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Die Förderung der Qualität der Bildungs- und Ausbildungssysteme ist ein notwendiger Prozess, den die Mitgliedstaaten mit kontinuierlichen Anstrengungen verfolgen müssen. Der Bundesrat würdigt in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Mehrwert der europäischen Bildungszusammenarbeit. Diese ist jedoch aufgrund der vertraglichen Kompetenzverteilung im Bildungsbereich ein freiwilliger Prozess, der sich Vorgaben durch die europäische Ebene entzieht.
- 2. Der Bundesrat stellt ausdrücklich fest, dass bildungsbezogene länderspezifische Empfehlungen die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten unberührt lassen müssen. Dies umfasst insbesondere auch die Überwachung von deren Implementierung im Rahmen des Europäischen Semesters.
- 3. Der Bundesrat bemerkt kritisch, dass die länderspezifischen Empfehlungen wiederholt Fragen der Bildung mit dem Begriff der Steigerung des "Humankapitals" verknüpfen. Diese Akzentsetzung muss aber in die Perspektive der eigentlichen Aufgabe von Bildung gesetzt werden. Die allgemeine und berufliche Bildung stellt zwar einen entscheidenden Faktor hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen dar und darf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes nicht aus den Augen verlieren. Der staatliche Bildungsauftrag geht jedoch weit über dieses Ziel hinaus. Zudem können Bildungsangebote junge Menschen nur in nachhaltiger Weise mit sozialen, fachlichinhaltlichen und methodischen Kompetenzen ausstatten sowie ihre Persönlichkeit bilden, wenn sie inhaltlich und pädagogisch breit angelegt sind. Diesen umfassenden Bildungsauftrag nimmt die Arbeitsunterlage der Kommission zu den länderspezifischen Empfehlungen (SWD[2014] 406 endg.) nicht hinreichend in den Blick, wenn sie betont, dass Bildungs- und Ausbildungssysteme an die sich wandelnden Anforderungen der Technologie und Innovation angepasst werden müssen, um einem Fachkräftemangel in der Hochtechnologiebranche vorzubeugen.
- 4. Hinsichtlich der erneuten Empfehlung zum Ausbau von Ganztagsschulen betont der Bundesrat abermals, dass die Länder insbesondere in den vergangenen Jahren enorme Anstrengungen unternommen haben, um den quantitativen Ausbau des Ganztagsangebots voranzutreiben. Der Erfolg dieser Bemühungen zeigt sich in einer nachweislich kontinuierlichen und substantiellen Erhöhung der Verfügbarkeit von Ganztagsangeboten - wobei die Anstrengungen der Länder in Zukunft weiter fortgesetzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund stellt die Aussage in Ziffer 13 der Erwägungsgründe, wonach der Ausbau von Ganztagsschulen begrenzt gewesen sei, die Situation in Deutschland nicht korrekt dar. Der Bundesrat stellt fest, dass die in Ziffer 13 aufgestellte pauschale Behauptung, es bestünden Qualitätsbedenken bei Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen, auch in der Arbeitsunterlage zu den länderspezifischen Empfehlungen nicht mit Fakten unterlegt wird. Die Darstellung der Kommission wird den Anstrengungen von vielen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich, die z.B. durch Qualitätsrahmen oder durch festgelegte Verfahren Qualitätssicherung und -entwicklung gewährleisten, nicht gerecht.
- 5. Im Hinblick auf die Feststellung der Kommission in den Erwägungsgründen, dass Deutschland bei der Erhöhung der Bildungsausgaben nur begrenzte Fortschritte erzielt habe, weist der Bundesrat darauf hin, dass die Länder ausweislich des Bildungsfinanzberichts 2013 mehr als ein Drittel ihrer Ausgaben in die Bildung investieren.
- 6. Im Hinblick auf die Feststellung der Kommission, dass Deutschland bei der Anhebung des Bildungsniveaus benachteiligter Gruppen einige Fortschritte verzeichnet habe, unterstreicht der Bundesrat die großen Anstrengungen, welche die Länder zur Reduzierung der sozial bedingten Bildungsbenachteiligung, unter anderem durch die Schaffung von Förderprogrammen, vorgenommen haben. Die weitere Anhebung des Bildungsniveaus benachteiligter Menschen wie auch insgesamt die weitere Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit in den Schulsystemen der Länder wird eine vordringliche Aufgabe bleiben.
- 7. Wie im vergangenen Jahr bedauert der Bundesrat, dass die Auflistung der Arbeitsmarkt- und Sozialindikatoren in der Arbeitsunterlage der Kommission (vgl. Tabelle VIII) die nationale Definition des Ziels, das sich Deutschland für die Erhöhung der Zahl der 30- bis 34-Jährigen mit einem Hochschul- oder gleichwertigen Abschluss gesetzt hat, nicht berücksichtigt. Das nationale Ziel umfasst nicht nur Personen mit Hochschulabschluss, sondern auch Personen mit ISCED-4-Abschlüssen.
- 8. Der Bundesrat wendet sich gegen den zum wiederholten Male von der Kommission vertretenen Ansatz, in einzelnen mitgliedstaatlichen Regelungen für Berufseintritt und Berufsausübung lediglich Markteintrittshindernisse zu sehen. Sie bezieht diesen Ansatz insbesondere auf freiberufliche Dienstleistungen (Ziffer 15 der Erwägungsgründe) und mahnt die "Prüfung regulatorischer Ansätze" an (Ziffer 4 der Handlungsempfehlungen).
Demgegenüber berücksichtigt der Zugang zur Dienstleistungswirtschaft im Bereich der freien Berufe allseits wohlverstandene Interessen von Auftraggebern und Auftragnehmern. Zugangs- und Berufsausübungsbeschränkungen sind bereits wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Bedingungen (Grundrechte des Grundgesetzes) nicht diskriminierend und nur im Falle zwingender Gründe des Allgemeininteresses zulässig; insoweit sind das deutsche Verfassungs- und das europäische Dienstleistungs- und Niederlassungsrecht durchaus deckungsgleich. Beschränkungen im Zugang zu freien Berufen und deren Ausübung erfolgen allenfalls zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unqualifizierten Dienstleistungserbringern, ohne damit den freien Zugang und die Berufsausübung aus anderen Mitgliedstaaten unionsrechtswidrig auszuschließen oder zu behindern.
Im Übrigen vermisst der Bundesrat nach wie vor einen Hinweis auf belastbare Untersuchungen, die die von der Kommission behaupteten Marktzugangshindernisse stützen könnten. Er verweist insoweit auf seine zu diesem Thema bereits erfolgte Stellungnahme zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2013 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands für die Jahre 2012 bis 2017 (BR-Drucksache 471/13(B) ).
- 9. Der Bundesrat weist die im Erwägungsgrund 16 vertretene Position zurück, wonach durch Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen eine Konsolidierung des Sparkassensektors befördert werden muss. Das Größenwachstum einzelner Banken zu Lasten anderer mag unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten Kostensenkungen ermöglichen, bedroht jedoch im Falle von Krisen und Schieflagen zusätzlich die Stabilität des gesamten Finanzsystems.
- 10. Der Sparkassensektor in Deutschland hat sich aus Sicht des Bundesrates neben den Genossenschaftsbanken in der letzten Finanzmarktkrise als Stabilitätsanker bewährt. Er leistet einen wesentlichen Beitrag zur kontinuierlichen Kreditversorgung insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen sowie zur Bereitstellung von Finanzdienstleistungen für die privaten Haushalte.
- 11. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Tätigkeit der Sparkassen durch die Sparkassengesetze der Länder maßgeblich beeinflusst wird und eine Vereinheitlichung dieses Rechtsrahmens nicht vorgesehen ist.
B
- 12. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.