Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 31. Mai 2013
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben beschlossen, den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zu der Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) beim Bundesrat einzubringen.
Ich bitte Sie, diesen gemäß § 36. Absatz 2 GO BR in die Tagesordnung der 910. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013 aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Malu Dreyer
Entschließung des Bundesrates zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (TTIP)
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und den USA, Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen zeitnah zu beginnen. Der Bundesrat betrachtet ein transatlantisches Freihandelsabkommen als Chance, der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise und der hohen Arbeitslosigkeit in einigen Mitgliedstaaten der EU mit einer gemeinsamen transatlantischen Agenda im Bereich der nachhaltigen Wettbewerbsförderung zu begegnen.
- 2. Der Bundesrat erkennt erhebliche Chancen für die europäische wie auch für die US-amerikanische Wirtschaft und befürwortet, dass durch ein solches Abkommen qualitative Arbeitsplätze geschaffen und der Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks gemehrt werden sollen. Dies betrifft nach Auffassung des Bundesrats die Chancen in einer Vielzahl von Marktsegmenten für einen einfacheren Marktzugang, den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, den Zollabbau und die Harmonisierung industrieller Normen. Für Unternehmen liegt ein erhebliches Potential in der Generierung neuer Handelsanreize sowie in der Möglichkeit Kosten einzusparen.
- 3. Weiterhin fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass als Ergebnis der Verhandlungen die bisherigen Errungenschaften in der EU im Bereich der Sozial-, Umwelt-, Lebensmittel-, Gesundheits- und Datenschutzstandards sowie der Verbraucherrechte beibehalten werden. Gleichzeitig soll in den Verhandlungen darauf hingewirkt werden, weitere Verbesserungen für die Partner in diesem Bereich zu ermöglichen. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auch auf den acquis communautaire der EU in den Bereichen der Produktsicherheit, des Umweltschutzes, des Gesundheits- und Tierschutzes sowie der ILO-Standards und des Arbeitsschutzes. Das Vorsorgeprinzip darf in den Verhandlungen nicht abgeschwächt werden. Um ein höchstmögliches Schutzniveau für europäische und amerikanische Verbraucher zu erreichen und zu sichern, sollte der jeweils höherwertige Standard des Partnerlandes übernommen bzw. anerkannt werden.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass für den Agrarsektor in den Verhandlungen und im Mandatstext besondere Regelungen vorgesehen werden. Insbesondere darf das Importverbot von in der EU nicht zugelassenen Produkten nicht aufgeweicht werden. Dies betrifft vor allem Produkte, die nicht der EU-Kennzeichnungsrichtlinie entsprechen, GVO-Produkte (Produkte, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder daraus hergestellt werden), Tiere, die mit Wachstumshormonen behandelt wurden und das Inverkehrbringen von Lebensmitteln von geklonten Tieren. Gleiches gilt für Lebensmittel, die mit Substanzen behandelt wurden, die in der EU verboten sind.
- 5. Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, darauf zu dringen, dass als Ergebnis der Verhandlungen nicht die bestehenden Freiheiten im Internet, insbesondere durch eine Verschärfung von Rechten an geistigem Eigentum, eingeschränkt werden. Ebenfalls wird die Bundesregierung aufgefordert, darauf zu dringen, dass in den Verhandlungen über Investitionsregeln auf einen Interessenausgleich geachtet wird und wegen des bereits erreichten hohen Niveaus des Rechtsschutzes in Deutschland der Einführung von so genannten InvestortostateKlagen entgegengewirkt wird, zumal dieses parallele Rechtswege bedeuten würde. Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich hinsichtlich der Patentrechte bei Pflanzen und Tieren auf ein Verhandlungsmandat im Sinne des interfraktionellen Antrages der Regierungs- und Oppositionsfraktionen des Deutschen Bundestages hinzuwirken sowie auch im Verlauf der Verhandlungen einzusetzen.
- 6. Der Bundesrat bekräftigt, dass die EU-Institutionen im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik die Befugnis besitzen, für die EU Handelsabkommen mit anderen Ländern und Regionen auszuhandeln, abzuschließen und umzusetzen. Der Bundesrat betont zugleich, dass Abkommen, die nicht nur Zuständigkeiten der EU, sondern auch Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten betreffen, auch die Zustimmung der Mitgliedstaaten und je nach nationalem Verfassungsrecht die der jeweiligen nationalen Parlamentskammern erfordern.
- 7. Angesichts der Ankündigungen von EU- und US-Entscheidungsträgern, das beabsichtigte Freihandelsabkommen inhaltlich sehr weit zu fassen, weist der Bundesrat vorsorglich auf seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen hin.
- 8. Der Bundesrat fordert angesichts der Tragweite und Bedeutung des zu verhandelnden Abkommens die Bundesregierung auf, sich mit Nachdruck bei der EU-Kommission und beim EU-Ministerrat für die Veröffentlichung der Verhandlungsmandate sowie für eine transparente Verhandlungsführung einzusetzen, die die Möglichkeit zur Stellungnahme für nationale Parlamentskammern und Akteure der Zivilgesellschaft vorsehen, sich auch mit Blick auf den Verhandlungsfortschritt, in den einzelnen Bereichen zu äußern
- 9. Der Bundesrat ruft die Bundesregierung dazu auf, die Länder in regelmäßigen Abständen zum Fortgang der Beratungen im handelspolitischen Ausschuss der EU umfassend und kontinuierlich zu informieren, insbesondere im Hinblick auf die möglicherweise tangierten Länderkompetenzen und der im Falle eines Inkrafttretens möglicherweise umzusetzenden Rechtsvorschriften. Der Bundesrat verweist diesbezüglich auf die Verpflichtungen, die für die Bundesregierung aus dem Lindauer Abkommen erwachsen.