959. Sitzung des Bundesrates am 7. Juli 2017
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der vorgesehene Verordnungsvorschlag mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang steht.
- 2. Nach Artikel 5 Absatz 3 EUV darf die EU in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.
- 3. Der Bundesrat bezweifelt, dass mitgliedstaatliche Kontroll- und Auskunftsrechte nicht ausreichend sind. Die Kommission verschafft sich durch diesen Verordnungsvorschlag ein sehr weitgefasstes Informationsrecht gegenüber Unternehmen, um vermeintliche Verstöße gegen EU-Vorschriften prüfen und belegen zu können. Die Kommission möchte auf Informationen bei Unternehmen zugreifen können, um sie etwa im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren et cetera gegen Mitgliedstaaten einsetzen zu können. Die Kommission argumentiert, dass Durchsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten oder regulatorische Maßnahmen speziell in grenzüberschreitenden Fällen zu unkoordiniert bzw. heterogen sind, um die Einhaltung der Binnenmarktvorschriften zu gewährleisten, ohne allerdings Beispiele zu nennen. Es bestehen vielmehr im nationalen (Verwaltungs-)Recht zahlreiche Auskunftsansprüche der nationalen Behörden gegenüber den Marktteilnehmern.
- 4. Der Bundesrat erkennt keinen Mehrwert durch einen zentralen, von der Kommission ausgeübten Auskunftsanspruch. Die Kommission zeigt nicht auf, warum grenzüberschreitende Sachverhalte besser durch sie selbst als oberste Kontrollbehörde aufgeklärt werden können. Es wird nicht ersichtlich, welchen Mehrwert eigene Ermittlungen der Kommission gegenüber einem koordinierten Vorgehen der Verwaltungs- und Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten haben.
- 5. Ziel der Kommission ist es, selbst (neben den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten) Informationen sammeln zu können, wenn Durchsetzungsprobleme in einem Mitgliedstaat Auswirkungen für Marktteilnehmende in anderen Mitgliedstaaten haben. Erhebungen der Kommission sollen ihr nicht lediglich im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren helfen, sondern ihr ist es auch ein zentrales Anliegen, ihre Erkenntnisse als Unterstützung an die Aufsichtsbehörden eines Mitgliedstaates weiterzugeben, damit dieser gegen Verstöße vorgehen kann. Nach Vorstellung der Kommission sollen sogar Mechanismen für den Informationsaustausch zwischen ihr und den Mitgliedstaaten eingerichtet werden, was Auskunftsersuchen und etwaige Antworten betrifft, ohne dass der Verordnungsvorschlag hierzu allerdings konkrete Regelungen enthalten würde.
- 6. Der Bundesrat hält eine grenzüberschreitende Behördenkooperation bereits jetzt für tatsächlich möglich, das Binnenmarktinformationssystem IMI oder nationale Kontaktstellen im Verkehrswesen haben sich bei Sachverhalten mit Auslandsbezug als effizient erwiesen. Es besteht kein Bedarf für weitere Behördenstrukturen bzw. für eine zusätzliche Kontrollbehörde auf EU-Ebene.
- 7. Der Bundesrat erinnert daran, dass der Vollzug des europäischen Rechts - abgesehen vom europäischen Wettbewerbsrecht - in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Etwaige Vorteile eines allgemeinen Ermittlungsanspruches der Kommission stehen nicht im Verhältnis zu dem damit verbundenen Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, nämlich der Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften innerhalb ihres Hoheitsgebietes. Der vorliegende Verordnungsvorschlag betrifft nicht lediglich die angefragten Unternehmen, sondern soll nach der Zielsetzung und den Erwägungsgründen faktisch eine zusätzliche Aufsichtsinstanz neben den nationalen Behörden im Verhältnis zu den Marktteilnehmenden sowie eine Kontrollbehörde gegenüber diesen nationalen Aufsichtsstellen schaffen.
- 8. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfordert gemäß Artikel 5 Absatz 4 EUV, dass die Maßnahmen der EU inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen.
- 9. Der Bundesrat bezweifelt, dass der vorgesehene Auskunftsanspruch der Kommission erforderlich und angemessen ist, um das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten. Der Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs beschränkt sich nicht auf vermeintliche Umsetzungsprobleme der Binnenmarktvorschriften, sodass der Auskunftsanspruch durch die Einbeziehung der Bereiche Verkehr, Energie, Umwelt und Landwirtschaft faktisch zu einem allgemeinen Informationsanspruch der Kommission wird (dementsprechend auch die Bezugnahme der Kommission auf Artikel 337 AEUV). Weder die Argumentation der Kommission, sie benötige im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsverfahren zusätzliche Informationsquellen, noch ihr Hinweis auf vermeintliche Kommunikationsdefizite zwischen mitgliedstaatlichen Behörden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten werden ausreichend belegt. Die Kommission kann sogar Informationslücken zum Gegenstand von Vertragsverletzungsverfahren machen. Im Verordnungstext wird das Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Informationsgewinnung thematisiert (vergleiche Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 am Ende des Verordnungsvorschlags), allerdings wird kein Vorrang des mitgliedstaatlichen Handelns festgelegt. Die durch die vorgeschlagene Verordnung geschaffenen Doppelstrukturen und Belastungen der Unternehmen stehen daher außer Verhältnis zum verfolgten Zweck.
- 10. Zudem bezweifelt der Bundesrat, dass der Verordnungsvorschlag den immanenten Voraussetzungen der von der Kommission herangezogenen Ermächtigungsnormen genügt. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Verordnungsvorschlag durch seine weite Formulierung nicht dem Bestimmtheitsgebot genügt, das eine immanente Vorgabe sowohl von Artikel 337 AEUV als auch der sektorspezifischen Ermächtigungsnormen ist und sich aus rechtsstaatlichen Grundsätzen herleitet. Aus dem Verordnungstext selbst ergibt sich nicht, welche Informationen in welchen Situationen angefragt werden können. Artikel 4 des Verordnungsvorschlags als Grundlage für den Informationsanspruch enthält lediglich unbestimmte und dehnbare Begriffe ("wichtiges politisches Ziel", "erhebliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des Unionsrechts").
B
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 11. Der gemeinsame Binnenmarkt ist einer der Grundpfeiler der EU und eine wichtige Voraussetzung für Wohlstand und Wohlergehen. Der Bundesrat begrüßt daher das Ziel der Kommission, die Einhaltung der Binnenmarktvorschriften und des EU-Rechts insgesamt zu verbessern.
- 12. Der Bundesrat begrüßt auch das Ziel, den Binnenmarkt zu stärken. Der Bundesrat erkennt an, dass hierbei einschlägige qualitativ und quantitativ hinreichende Daten über den Binnenmarkt als Entscheidungsbasis erforderlich sind.
- 13. Der Bundesrat begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Verbesserung der Umsetzung und Anwendung des bestehenden Binnenmarktrechts.
- 14. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission mit dem Vorschlag ihre Durchsetzungspolitik von EU-Vorschriften in einem weiteren Schritt durch Auskunftsersuchen an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen weiterentwickeln und stärken will.
- 15. Der Bundesrat stellt fest, dass das in dem Verordnungsvorschlag vorgesehene Binnenmarkt-Informationssystem weitreichende Eingriffsrechte der Kommission gegenüber Privaten beinhaltet, in Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreifen könnte und zusätzlichen Verwaltungsaufwand erzeugt. So erhielte die Kommission mit dem vorgeschlagenen System des buß- und zwangsgeldbewehrten Auskunftsersuchens Zugriff auf sensible Daten von Unternehmen. Die Auskunftsersuchen wären darüber hinaus mit erheblichen Kosten für die Unternehmen verbunden.
- 16. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der vorgesehene Verordnungsvorschlag nicht mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit im Einklang steht.
- 17. Der Bundesrat ist ferner der Auffassung, dass die vorgeschlagene Verordnung über das zur Erreichung des Ziels notwendige Maß hinausgeht. Die Kommission legt aus Sicht des Bundesrates im Rahmen der Begründung des Verordnungsvorschlages insbesondere nicht hinreichend dar, aus welchen Gründen sie die Mitgliedstaaten nicht direkt zur Bereitstellung der benötigten Informationen verpflichtet, ohne die Unternehmen unmittelbar in Anspruch zu nehmen.
- 18. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich im Rahmen der Verhandlungen im Rat um eine Klärung der nachfolgenden Punkte zu bemühen.
- 19. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass der Verordnungsvorschlag nicht im Einklang mit der Rechtsgrundlage aus Artikel 337 AEUV steht und unverhältnismäßig ist.
- 20. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Verordnungsvorschlag durch seine weite Formulierung nicht dem Bestimmtheitsgebot genügt, das eine immanente Vorgabe sowohl von Artikel 337 AEUV als auch der sektorspezifischen Ermächtigungsnormen ist und sich aus rechtsstaatlichen Grundsätzen herleitet. Aus dem Verordnungstext selbst ergibt sich nicht, welche Informationen in welchen Situationen angefragt werden können. Artikel 4 des Verordnungsvorschlags als Grundlage für den Informationsanspruch enthält lediglich unbestimmte und dehnbare Begriffe ("wichtiges politisches Ziel", "erhebliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des Unionsrechts").
- 21. Es werden weder das wichtige politische Ziel noch die erhebliche Schwierigkeit bei der Anwendung des Unionsrechts näher definiert. Auch die in Artikel 5 des Verordnungsvorschlags genannten Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs erfüllen das Bestimmtheitsgebot nicht.
- 22. Nach Artikel 5 Absatz 3 EUV darf die EU in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.
- 23. Der Bundesrat bezweifelt in diesem Zusammenhang, dass mitgliedstaatliche Kontroll- und Auskunftsrechte nicht ausreichend sind. Die Kommission verschafft sich durch diesen Verordnungsvorschlag vielmehr ein sehr weitgefasstes Informationsrecht gegenüber Unternehmen, um vermeintliche Verstöße gegen EU-Vorschriften prüfen und belegen oder auch im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren et cetera gegen Mitgliedstaaten einsetzen zu können. Die Kommission argumentiert, dass Durchsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten oder regulatorische Maßnahmen speziell in grenzüberschreitenden Fällen zu unkoordiniert bzw. heterogen sind, um die Einhaltung der Binnenmarktvorschriften zu gewährleisten - ohne allerdings Beispiele zu nennen. Es bestehen vielmehr im nationalen (Verwaltungs-)Recht zahlreiche Auskunftsansprüche der nationalen Behörden gegenüber den Marktteilnehmern.
- 24. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bestehende mitgliedstaatliche Informationsmöglichkeiten vorrangig genutzt werden sollten.
- 25. Der Bundesrat erkennt keinen Mehrwert durch einen zentralen, von der Kommission ausgeübten Auskunftsanspruch. Die Kommission zeigt nicht auf, warum grenzüberschreitende Sachverhalte besser durch sie selbst als oberste Kontrollbehörde aufgeklärt werden können. Es wird nicht ersichtlich, welchen Mehrwert eigene Ermittlungen der Kommission gegenüber einem koordinierten Vorgehen der Verwaltungs- und Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten haben.
- 26. Durch das neu geschaffene Instrument zur direkten Informationsbeschaffung bei Unternehmen werden einerseits die Mitgliedstaaten ohne nähere Begründung umgangen, andererseits werden Unternehmen zur Auskunft verpflichtet, ohne zu wissen, ob diese Auskünfte in ein Verfahren gegen das Unternehmen münden werden.
- 27. Da die Auskunftsersuchen auch dazu genutzt werden sollen, Vertragsverletzungsverfahren und Verfahren gegen Unternehmen mit relevanten Informationen zu untersetzen (so beispielsweise in Erwägungsgrund 3 oder Artikel 6 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags), kann nach Ansicht des Bundesrates nicht ausgeschlossen werden, dass die Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Informationserteilung in Verbindung mit der Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern einem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichkommt.
- 28. Ziel der Kommission ist es, selbst (neben den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten) Informationen sammeln zu können, wenn Durchsetzungsprobleme in einem Mitgliedstaat Auswirkungen für Marktteilnehmer in anderen Mitgliedstaaten haben. Erhebungen der Kommission sollen ihr nicht lediglich im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren helfen, sondern ihr ist es auch ein zentrales Anliegen, ihre Erkenntnisse als Unterstützung an die Aufsichtsbehörden eines Mitgliedstaates weiterzugeben, damit dieser gegen Verstöße vorgehen kann. Nach Vorstellung der Kommission sollen sogar auch Mechanismen für den Informationsaustausch zwischen ihr und den Mitgliedstaaten eingerichtet werden, was Auskunftsersuchen und etwaige Antworten betrifft, ohne dass der Verordnungsvorschlag hierzu allerdings konkrete Regelungen enthalten würde.
- 29. Der Bundesrat hält eine grenzüberschreitende Behördenkooperation bereits jetzt für tatsächlich möglich; das Binnenmarktinformationssystem IMI oder nationale Kontaktstellen im Verkehrswesen haben sich bei Sachverhalten mit Auslandsbezug als effizient erwiesen. Es besteht kein Bedarf für weitere Behördenstrukturen bzw. für eine zusätzliche Kontrollbehörde auf EU-Ebene.
- 30. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Vollzug des europäischen Rechts - abgesehen vom europäischen Wettbewerbsrecht - in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Etwaige Vorteile eines allgemeinen Ermittlungsanspruches der Kommission stehen nicht im Verhältnis zu dem damit verbundenen Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, nämlich der Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften innerhalb ihres Hoheitsgebietes. Der vorliegende Verordnungsvorschlag betrifft nicht lediglich die angefragten Unternehmen, sondern soll nach der Zielsetzung und den Erwägungsgründen faktisch eine zusätzliche Aufsichtsinstanz neben den nationalen Behörden im Verhältnis zu den Marktteilnehmern sowie eine Kontrollbehörde gegenüber diesen nationalen Aufsichtsstellen schaffen.
- 31. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfordert gemäß Artikel 5 Absatz 4 EUV, dass die Maßnahmen der EU inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen. Der Bundesrat bezweifelt, dass der vorgesehene Auskunftsanspruch der Kommission erforderlich und angemessen ist, um das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten. Der Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs beschränkt sich nicht auf vermeintliche Umsetzungsprobleme der Binnenmarktvorschriften, so dass der Auskunftsanspruch durch die Einbeziehung der Bereiche Verkehr, Energie, Umwelt und Landwirtschaft faktisch zu einem allgemeinen Informationsanspruch der Kommission wird. Weder die Argumentation der Kommission, sie benötige im Zusammenhang mit Vertragsverletzungsverfahren zusätzliche Informationsquellen, noch ihr Hinweis auf vermeintliche Kommunikationsdefizite zwischen mitgliedstaatlichen Behörden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten werden ausreichend belegt. Die Kommission kann sogar Informationslücken zum Gegenstand von Vertragsverletzungsverfahren machen. Im Verordnungstext wird das Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Informationsgewinnung thematisiert (vergleiche Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 am Ende des Verordnungsvorschlags), allerdings wird kein Vorrang des mitgliedstaatlichen Handelns festgelegt. Die durch die vorgeschlagene Verordnung geschaffenen Doppelstrukturen und Belastungen der Unternehmen stehen daher außer Verhältnis zum verfolgten Zweck.
- 32. Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch die vorgesehene Ausnahme von "Kleinstunternehmen" zwar dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dient, jedoch Kleinstunternehmen nicht vom Nachweis ihres Status entbindet.
- 33. Der Bundesrat weist zudem darauf hin, dass der Bereich der Landwirtschaft und Fischerei mit der Gemeinsamen Agrarpolitik den am stärksten vergemeinschafteten Bereich der EU darstellt. Die gemeinsamen Marktordnungen mit dem historisch gewachsenen dichten Netz an Berichtspflichten verschaffen bereits hinreichende Transparenz im Binnenmarkt. Nach Auffassung des Bundesrates besteht daher keine Notwendigkeit für weitere Auskunftsersuchen. Die durch die vorgeschlagene Verordnung vorgesehenen Doppelstrukturen und Belastungen der Unternehmen stehen außer Verhältnis zum verfolgten Zweck. Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene für eine Herausnahme der Bereiche der Landwirtschaft und Fischerei aus dem Geltungsbereich der Verordnung einzutreten.
- 34. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
Begründung zu Ziffern 13, 17, 21, 26 und 27 (nur gegenüber dem Plenum):
In den Vorbemerkungen und den Erwägungsgründen beschreibt die Kommission, dass sie von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend Informationen zu den Vertragsverstößen bekommt. Die fehlenden Informationen als solche können aber keine Rechtfertigung dazu bieten, warum der Kommission ein solches Eingriffsrecht gewährt werden sollte.
Auch das Argument, dass den Mitgliedstaaten die erforderlichen Informationen fehlen, kann nicht greifen. Umgekehrt muss man sich die Frage stellen, warum die Mitgliedstaaten solche Informationen nicht zur Verfügung stellen können. Im Ergebnis dürften diese nicht vorliegen, da eine staatliche Abfrage nach den meisten nationalen Rechtsordnungen unverhältnismäßig wäre.
Die Eingriffsgrundlage (Artikel 4 des Verordnungsvorschlags) ist zu vage gefasst. Es ist fraglich, welches politische Ziel der EU als unwichtig und damit als nicht ausreichend angesehen wird, das Auskunftsrecht der Kommission zu rechtfertigen. Im Falle einer Verabschiedung der Verordnung müssten also im Gesetzgebungsprozess engere Eingriffsvoraussetzungen festgelegt werden. Auch die Eingriffsvoraussetzungen (Artikel 5 des Verordnungsvorschlags) sind zu weit gefasst. So kann bereits eine fehlende Übermittlung der von der Kommission angeforderten Informationen durch die Mitgliedstaaten ausreichen, um ein Auskunftsrecht auszulösen. Es besteht danach mithin die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten zwar die angeforderten Informationen besitzen, diese jedoch verweigern. Daraus folgend ist nicht akzeptabel, warum danach die Unternehmen in die Pflicht genommen werden sollen.
Nach dem letzten Satz des Erwägungsgrundes 3 dient das Auskunftsverlangen auch der Untersetzung in Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommission stellt im Verordnungsvorschlag dar, dass der Europäische Gerichtshof bisher bemängelt hat, dass die Kommission in Verfahren nicht immer hinreichend alle Vorwürfe begründet hat (ebenso Erwägungsgründe 3, 5). Selbst wenn diese Informationen nur für Vertragsverletzungsverfahren genutzt würden, könnte das Ergebnis eines solchen in einem Verfahren eines nationalen Gerichts verwendet werden.