910. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013
A
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat lehnt die Formalisierung und verbindliche Einführung von Strategien zum integrierten Küstenzonenmanagement ab. Hierdurch würde eine zusätzliche Planungsebene geschaffen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kompetenzen für die räumliche Planung den Mitgliedstaaten obliegen. Er sieht das integrierte Küstenzonenmanagement als ein unverbindliches Instrument an, das die Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung, Erarbeitung oder Umsetzung von Raumordnungsplänen auf dem Meer und im Küstengebiet sowie zur Erfassung der Wechselwirkungen dieser Räume anwenden können.
- 2. Der Bundesrat sieht den im Richtlinienvorschlag genannten ökosystemorientierten Ansatz als lediglich einen Baustein einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie an und weist darauf hin, dass der eigentliche Planungsprozess und auch die Abwägung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen entsprechend der Zuständigkeit den Mitgliedstaaten vorbehalten sind.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in den weiteren Verhandlungen der Richtlinie dafür einzusetzen, dass das vorgegebene Ziel der "Einrichtung effizienter und kostensparender Schifffahrtsrouten in ganz Europa" ersatzlos gestrichen wird (Artikel 5 Buchstabe b). Dieses Ziel greift in unzulässiger Weise in die maritime Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten ein und droht, gewachsene und im Wettbewerb erfolgreiche Strukturen der deutschen Seehäfen durch Regulierung zu zerstören. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Umsetzung dieser Zielbestimmung durch die Kommission kontrolliert werden wird, und befürchtet im Ergebnis, dass ein europaweites Schiffsverkehrs- und Hafenkonzept zu entstehen droht, in dem Verkehre nach zentral definierten Kriterien geroutet werden. Der Bundesrat ist vielmehr der Auffassung, dass die Wahl der effizientesten und kostengünstigsten Schifffahrtsrouten in diesem Bereich ausschließlich dem äußerst sensiblen Wettbewerb überlassen bleiben sollte. Gerade weil dieser Wettbewerb intensiv ist, wird das Potential für Kostenersparnis und Effizienz genutzt. Das von der Kommission genannte Ziel steht im Übrigen auch nicht im Einklang mit den internationalen Regeln des Seerechtsübereinkommens (SRÜ), das den internationalen Verkehr erleichtern soll und die ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung der Meere sowie den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt fördert.
- 4. Die Überlegungen der Kommission zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumordnung und das integrierte Küstenzonenmanagement wird auch aus Sicht der Rohstoffgewinnung grundsätzlich begrüßt, da in den Meeresgewässern und im Küstengebiet die Konkurrenz unterschiedlicher Nutzungsinteressen immer größer wird. Entsprechend soll mit dem Richtlinienvorschlag eine optimale Verteilung des Meeresraumes/der Meeresgewässer auf die verschiedenen Interessenträger und eine koordinierte Bewirtschaftung des Küstengebietes gewährleistet werden.
Zu den "Meeresgewässern" zählen dabei auch der Meeresgrund und der Meeresuntergrund (Definition siehe Artikel 3 der Richtlinie 2008/56/EG - Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie). Eine Form der Nutzung der Meeresgewässer und des Küstengebietes stellt die Rohstoffgewinnung (u.a. Öl- und Gasgewinnung, Abbau von mineralischen Rohstoffen wie z.B. Kies und Sand) dar, sie ist ein wichtiger öffentlicher Belang. In Artikel 5 ist aber kein entsprechendes Ziel "Rohstoffgewinnung" formuliert.
- 5. Der Bundesrat hält das Überprüfungsintervall in Artikel 6 Absatz 3 für deutlich zu kurz. Er hält eine Überprüfung der maritimen Raumordnungspläne alle zehn Jahre für ausreichend und sachgerecht.
- 6. Der Bundesrat hält es für geboten, die Regelungen zu den spezifischen Mindestanforderungen (Artikel 7 und 8) zu streichen, da sie in die mitgliedstaatlichen Kompetenzen zur Raumordnung eingreifen.
Als Ersatz für Artikel 7 hält er die Ergänzung des Artikels 6 im Absatz 2 um einen zusätzlichen Buchstaben "d) Festlegungen zu ökologischen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Sachverhalten treffen;" für einen gangbaren Weg.
Für den Fall, dass Artikel 7 nicht gestrichen wird, [sondern als unverbindliche Empfehlung erhalten bleibt] und somit auch an dem Element Fischfanggebiet (Artikel 7) festgehalten wird, sollte die kartografische Darstellung allerdings auf das potentielle Fischfanggebiet beschränkt werden.
Zudem sollten Gebiete zur Rohstoffgewinnung ergänzt werden.
- 8. In Artikel 7 Absatz 2 Buchstaben e und g des Richtlinienvorschlags sind auch "Anlagen und Infrastruktur zur Erdöl- und Erdgasgewinnung" sowie "Unterseekabel und Pipelinetrassen" ausdrücklich benannt. Diese sind in den Kartendarstellungen der maritimen Raumordnungspläne in ihrer tatsächlichen und potenziellen räumlichen und zeitlichen Verteilung zu verzeichnen. Allerdings sind weder in der Aufzählung des Artikels 7 Absatz 2 "Gebiete für die Rohstoffgewinnung" noch ist in Artikel 8 Absatz 2 die "Rohstoffgewinnung" genannt.
Der Bereich der Rohstoffsicherung sollte im Rahmen der maritimen Raumordnung und des integrierten Küstenzonenmanagement jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, da im entsprechenden Aufstellungsverfahren der Abbau von Rohstoffen mit anderen möglichen Nutzungsinteressen (u.a. Windkraftanlagen, Fischfanggebiete, Fischzuchtanlagen, Naturschutzgebiete) frühzeitig abgewogen werden sollte. Die "Rohstoffgewinnung" muss daher bei den "Spezifischen Mindestanforderungen für maritime Raumordnungspläne" und bei den "Spezifischen Mindestanforderungen für Strategien zum integrierten Küstenzonenmanagement" ausdrücklich Berücksichtigung finden.
- 9. Der Bundesrat hält ferner eine Streichung der Verpflichtung zur Datenerhebung und -erfassung (Artikel 10) für erforderlich, da die Raumordnung als Datennutzer nur geringe Einflussmöglichkeiten hat und in der Regel darauf angewiesen ist, dass solche Daten von anderen Stellen verfügbar und nutzbar gemacht werden bzw. vorliegen.
- 10. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten und mit Drittländern (Artikel 12 und 13) bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass sich die Zusammenarbeit allein auf länderübergreifende, grenzüberschreitende oder grenzgebietsrelevante Belange beschränkt.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, die Ermächtigung der Kommission zum Erlass von Durchführungsrechtsakten (Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b) zu streichen.
- 12. Bei einer Richtlinie handelt es sich um ein Harmonisierungsinstrument (Artikel 288 Satz 3 AEUV). Der Umstand, dass der Kommission die Möglichkeit gegeben werden soll, im Wege von Durchführungsrechtsakten "operative Maßnahmen" zu erlassen, erscheint im Hinblick auf das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip (Artikel 5 Absatz 3 und 4 EUV) und das gewählte Rechtsinstrument der Richtlinie bedenklich. Dies gilt umso mehr für den Bereich der Überwachung und Überprüfung. Eine Ermächtigung der Kommission zum Erlass operativer Maßnahmen, mit der sie in den Verwaltungsbereich eines Mitgliedstaates übergreifen kann, ist nicht erforderlich.
- 13. Sollte die Kommission Berichtsintervalle etc. festlegen wollen, so müsste dies in der Richtlinie selbst geschehen.
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- 14. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.