Gesetzesantrag des Landes Rheinland-Pfalz
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm

A. Zielsetzung

Das Luftverkehrsgesetz verpflichtet die Luftfahrtbehörden und die für die Flugsicherungsorganisation zuständige Stelle auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken. Diese Vorgabe ist für einen sachgerechten Lärmschutz der Bevölkerung bei wachsenden Flugbewegungszahlen, insbesondere in den Nachtstunden zu verstärken. Notwendig ist, dem Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm bei der Gestaltung und Genehmigung der Flugverfahren sowie in der betrieblichen Praxis der Flugsicherungsorganisation ein stärkeres Gewicht beizumessen und der Öffentlichkeit eine der Bedeutung der Angelegenheit angemessene Beteiligungsmöglichkeit einzuräumen. Dies gilt insbesondere für den nächtlichen Lärmschutz, dem auch vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Risiken, denen die Bevölkerung im Umfeld der Flughäfen ausgesetzt ist, nach den Sicherheitsaspekten Vorrang vor wirtschaftlichen Belangen einzuräumen ist. Auch der Lärmschutz bei Kunstflug ist zu verbessern.

B. Lösung

Aufnahme von § 10a Luftverkehrsgesetz mit dem Ziel, für die Festlegung der Flugrouten eine ähnlich anspruchsvolle Abwägung öffentlicher und privater Belange vorzusehen, wie etwa bei der Fachplanung von Straßen und Fahrradwegen.

Änderung des § 29b Luftverkehrsgesetz mit dem Ziel, dem Lärmschutz bei der Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren insbesondere in den Nachtstunden ein stärkeres Gewicht einzuräumen.

Änderung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 8 Luftverkehrsgesetzes mit dem Ziel, dabei ein transparentes Verfahren mit Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung einzuführen.

Änderung des § 32 Abs. 4c Satz 2 des Luftverkehrsgesetzes mit dem Ziel, dabei die Rolle des Umweltbundesamtes institutionell zu stärken, um Belange des Lärmschutzes gegenüber wirtschaftlichen und verkehrlichen Belangen höher zu gewichten.

Änderung von § 8 Abs. 2 Satz 1 der Luftverkehrs-Ordnung mit dem Ziel, die Lärmbelastung des motorisierten Kunstfluges durch Anhebung der Mindesthöhen und Einführung einer Mindestabstandsregel zur nächstgelegenen Bebauung einzugrenzen.

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen

Für Bund und Länder entstehen keine finanziellen Aufwendungen.

E. Sonstige Kosten

Durch die Änderung des Luftverkehrsgesetzes ergeben sich unmittelbar keine zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft. Soweit die verstärkte Berücksichtigung von Lärmschutzbelangen bei der Gestaltung von Flugverfahren und der Abwicklung des Flugbetriebes beispielsweise zu veränderten An- und Abflugrouten führt, kann dies im Einzelfall zu Mehrkosten für die Luftverkehrswirtschaft führen, die im Interesse des Lärmschutzes hinzunehmen sind.

F. Bürokratiekosten

Informationspflichten für Bürger und die Verwaltung werden nicht eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Gesetzesantrag des Landes Rheinland-Pfalz
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm

Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz
Mainz, den 6. Februar 2013

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm einzubringen.

Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der 907. Sitzung des Bundesrates am 1. März 2013 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen
Malu Dreyer

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Luftverkehrsgesetzes

Das Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), der zuletzt durch Artikel 2 Nummer 10 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2424) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

1. Nach § 10 LuftVG wird folgender § 10a eingefügt:

"Bei der Festlegung und wesentlichen Änderung von Flugverfahren nach § 32 Absatz 4 Nummer 8 sind unter Wahrung der sicheren Abwicklung des Luftverkehrs die von den Flugverfahren berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dabei ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung legt die Kriterien für wesentliche Änderungen von Flugverfahren durch Rechtsverordnung fest."

2. § 29b Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

"Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisationen haben den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm angemessen unter Wahrung der sicheren Abwicklung des Luftverkehrs zu berücksichtigen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Dies gilt insbesondere für die Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren und bei der Erteilung von Flugverkehrskontrollfreigaben."

3. In § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 8 LuftVG wird der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:

"soweit es sich um die erstmalige Festlegung oder um eine wesentliche Änderung handelt, ist für das Verfahren § 73 des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit den Maßgaben des § 10 Absatz 2 Nr. 1 bis 4 entsprechend anzuwenden."

4. In § 32 Absatz 4c Satz 2 werden die Wörter "im Benehmen" durch die Wörter "unter Wahrung der sicheren Abwicklung des Luftverkehrs im Einvernehmen" ersetzt.

Artikel 2
Änderung der Luftverkehrs-Ordnung

§ 8 Absatz 2 Satz 1 der Luftverkehrs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999 (BGBl. I. S. 580), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 08. Mai 2012 (BGBl. I S. 1032) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

"Kunstflüge in Höhen von weniger als 450 m (1500 Fuß), bei motorisiertem Kunstflug in Höhen von weniger als 600 m (2000 Fuß) sowie über Flughäfen, Menschenansammlungen, Städten sowie anderen dicht besiedelten Gebieten und in einem Abstand von weniger als 2000 m zur nächstgelegenen zusammenhängenden Bebauung sind verboten".

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

Die Regelungen des Fluglärmschutzgesetzes reichen nicht aus, um dem Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm angemessen Rechnung zu tragen. Weil den Anwohnern von Flughäfen im öffentlichen Interesse durch Fluglärm Belastungen zugemutet werden, sind Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes notwendig, insbesondere um gesundheitlichen Gefährdungen vorzubeugen. Dazu sind verschiedene Änderungen des Luftverkehrsgesetzes und der Luftverkehrs-Ordnung vorzunehmen.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel 1 Nummer 1

Der tatsächlichen Bedeutung der Flugroutenfestlegung entsprechend dient § 10a neu LuftVG dazu, die Regelungen im Bereich der Flugrouten dem Niveau der sonstigen Fachplanung anzugleichen, wie etwa bei der Fachplanung von Straßen und Fahrradwegen. Damit wird die Möglichkeit des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAF) zur Konfliktbewältigung bei der Festlegung von Flugverfahren gestärkt.

Die Einfügung eines neuen § 10a LuftVG ist ein relevanter Beitrag, dem Lärmschutz in der Nacht Vorrang vor verkehrlichen und insbesondere wirtschaftlichen Belangen einzuräumen. Vorrangig bleibt stets der Belang der Sicherheit des Luftverkehrs.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrfach betont, dass "anders als für den Fall unzumutbaren Fluglärms der Gesetzgeber für geringere als unzumutbare Lärmbelästigungen kein Lösungsmodell zur Verfügung stellt. Eine dem § 8 Absatz 1 Satz 2 LuftVG entsprechende Vorschrift, wonach die vom Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander abzuwägen sind, fehlt. Dieses gesetzgeberische Schweigen verbietet es (bisher), auf die in der Rechtsprechung zum fachplanerischen Abwägungsgebot entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass für die Abwägungsentscheidung, die das Luftfahrt-Bundesamt, heute das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF), unter Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen auf der einen und der Lärmschutzinteressen auf der anderen Seite zu treffen hat, andere Maßstäbe gelten. Wenn es an einer Abwägungsformel fehlt, wie sie in § 8 Absatz 1 LuftVG für das Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben ist, bleibt es für das BAF wie bisher bei lediglich allgemeinen Ermittlungspflichten und der Erlaubnis zu Pauschalierungen, eine Ermittlung konkreter Lärmbetroffenheit im Einzelnen braucht nicht vorgenommen zu werden.

Durch Rechtsverordnung wird bestimmt, wie eine wesentliche Änderung von Flugverfahren von einer unwesentlichen Änderung zu unterscheiden ist.

Zu Artikel 1 Nummer 2

Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation werden nunmehr wie Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer (§ 29b Absatz 1 LuftVG) verpflichtet, bei der Erarbeitung und Festlegung von Flugverfahren und bei der Erteilung von Flugverkehrskontrollfreigaben nicht lediglich auf die Vermeidung von unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken, sondern generell vor Fluglärm zu schützen. Neben der Festlegung von Flugrouten und der Erteilung von Flugverkehrskontrollfreigaben gilt diese Verpflichtung für weitere lärmrelevante Entscheidungen, z.B. über die Betriebsrichtung, über Bahnnutzungskonzepte, über die Zulassung von Flügen in der Nacht oder über die Zulassung von Triebwerksprobeläufen auf dem Rollfeld. Dabei ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, wobei das Ziel der Sicherheit des Luftverkehrs stets vorrangig bleibt.

Zu Artikel 1 Nummer 3

Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) legt die Flugverfahren durch Rechtsverordnung fest (§ 27a Abs. 2 S. 1 LuftVO). Für die erstmalige Festlegung und eine wesentliche Änderung der Flugverfahrensverordnungen sieht die Neuregelung ein transparentes Verfahren mit Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Planfeststellung vor. Die Wesentlichkeit einer Flugverfahrensänderung ist mit Blick auf die berührten Rechte der Flugplatzanrainer zu beurteilen. Dabei können insbesondere die Zahl der durch eine Flugverfahrensänderung zusätzlich belasteter Personen, das Ausmaß der Zusatzbelastung oder die besondere Empfindlichkeit von Einrichtungen oder von Personengruppen von Bedeutung sein. Die Kriterien für wesentliche Änderungen von Flugverfahren werden durch Rechtsverordnung festgelegt.

Zu Artikel 1 Nummer 4

Die Änderung bewirkt, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) die Flugrouten zukünftig im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt festlegt, während bisher das Benehmen ausreicht. Damit erhalten Belange des Lärmschutzes gegenüber wirtschaftlichen und verkehrlichen Belangen ein höheres Gewicht. Im Übrigen bleibt die Sicherheit des Luftverkehrs vorrangig.

Zu Artikel 2

Mit der Neufassung von § 8 Absatz 2 Satz 1 wird zusätzlich eine Abstandsregelung von "2000 m zur nächstgelegenen Bebauung" aufgenommen. Diese Regelung soll der Verbesserung der Sicherheit und des Lärmschutzes dienen.

Zusätzlich wird bei der erforderlichen Mindesthöhe zwischen motorisiertem und nichtmotorisiertem Kunstflug unterschieden. Eine Differenzierung der Kunstflüge nach der Art ihrer Durchführung mit motorgetriebenen Luftfahrzeugen und sonstigen ist erforderlich, um einen umfassenderen Schutz vor Fluglärm zu erreichen und den Sicherheitsbelangen gerecht zu werden. Motorgetriebene Luftfahrzeuge verursachen bei Kunstflügen insbesondere im Vergleich zu Segelkunstflügen einen deutlich höheren Lärmpegel.

Zu Artikel 3

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.