KOM (2005) 47 endg.; Ratsdok. 6622/05
Der Bundesrat hat in seiner 810. Sitzung am 29. April 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Einleitende Bemerkungen
1. Grundsätzlich begrüßt der Bundesrat das Ziel der Richtlinie, einen in der EU einheitlichen Rahmen für die Rechte von Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität vorzugeben. Allerdings geht die vorgesehene Verordnung in Teilbereichen über das Erforderliche hinaus und ist daneben an entscheidenden Stellen nicht genügend konkret.
Zu den Artikeln 2, 3 und 4 (Beförderungspflicht)
2. Die vorgesehene Beförderungspflicht von Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität dient der Gewährleistung der Gleichbehandlung. Die Regelungen tragen zudem dem Umstand Rechnung, dass in berechtigten Ausnahmefällen der Anspruch auf Beförderung zurücktreten muss. Durch die vorgesehenen flankierenden Mitteilungs- und Informationspflichten sowie durch die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Sanktionen dürfte ein Missbrauch der Ausnahmetatbestände zu Lasten der Personen mit eingeschränkter Mobilität ausgeschlossen sein. Allerdings ist der Begriff der "Person mit eingeschränkter Mobilität" in Artikel 2 Buchstabe a zu unbestimmt. Wenn einerseits Sanktionen verhängt werden sollen, muss andererseits für die Verpflichtungen eine überprüfbare, klare Vorgabe existieren, gegenüber welchen Personen eine Verpflichtung besteht, da ansonsten die Gefahr von Missbrauch besteht.
Darüber hinaus muss die Begriffsbestimmung einheitlich in dem gesamten Verordnungsvorschlag angewandt werden; so ist etwa in Artikel 1 Nr. 1 von "Flugreisenden eingeschränkter Mobilität" die Rede, wohingegen Artikel 2 "Personen eingeschränkter Mobilität" definiert.
Zu den Artikeln 5, 6, 7, 9 in Verbindung mit Anhang I (Hilfeleistungen auf Flughäfen)
3. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die vorgesehenen Hilfeleistungen auf Flughäfen für Fluggäste mit eingeschränkter Mobilität. Die vorgeschlagenen Regelungen erscheinen jedoch in den folgenden Punkten zu weit gehend:
- - Die in dem Vorschlag vorgesehene Regelung, die Leitungsorgane der Flughäfen zu verpflichten, die unentgeltliche Hilfeleistung zu erbringen (Artikel 6 Abs. 1), ist, da diese am ehesten in der Lage sein dürften, die erforderliche Organisation zu gewährleisten, zu begrüßen. Allerdings sind Konstellationen denkbar, in denen die Leitungsorgane nicht rechtzeitig über etwaigen Hilfebedarf informiert werden und daher dem Berechtigten möglicherweise nicht uneingeschränkt Hilfe leisten können.
- Während der Anspruch des Berechtigten auf verbindliche Hilfeleistung beim Abflug unter anderem von der vorherigen rechtzeitigen (24 Stunden vor dem geplanten Abflug) Anmeldung beim Luftfahrt- oder Reiseunternehmen abhängig ist und im Übrigen, d.h. außerhalb dieser rechtzeitigen Anmeldung das Leitungsorgan nur "nach besten Kräften" zur Hilfeleistung verpflichtet ist, fehlt eine solche Beschränkung im Bereich der Ankunft.
- Zwar soll das ausführende Luftfahrtunternehmen unmittelbar nach dem Abflug das Leitungsorgan des Zielflughafens über die Zahl der betroffenen Fluggäste und die Art der erforderlichen Hilfen informieren (Artikel 9 Abs. 3), allerdings sind im Kurzstreckenflugbereich Konstellationen denkbar, in denen auch der Zeitraum zwischen der Meldung des Hilfebedarfs und der Ankunft für die technische und personelle Sicherstellung der Hilfen nicht ausreichend sein könnte. Die Leitungsorgane der Zielflughäfen könnten durch die unbedingte Verpflichtung zur Hilfeleistung in erheblicher Weise belastet werden. Hier könnte eine Einschränkung der Verpflichtung "nach besten Kräften" angemessen sein.
- - Das Leitungsorgan soll nach Durchführung des vorgesehenen Konsultationsverfahrens an verschiedenen Stellen Ankunfts- und Abfahrtsorte bestimmen, an denen der Betreuungsbedarf ohne Schwierigkeiten angemeldet werden kann (Artikel 6 Abs. 4). Da die Einrichtung dieser Stellen mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein dürfte, sollte geprüft werden, ob die Anzahl der Meldestellen minimiert werden kann. Hier sollte den Flughäfen selbst überlassen werden, ein geeignetes Meldesystem verbunden mit geeigneter Vorabinformation darüber zu entwickeln.
- - Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die im Anhang I festgelegten Mindesthilfen an Flughäfen. Allerdings könnten in einigen Fällen präzisere Formulierungen hilfreich sein, in anderen Fällen erscheinen die vorgesehenen Hilfen zu weit gehend:
- Beim elften Spiegelstrich des Satzes 1 sollte der Begriff des "ausgewiesenen Ortes" - möglichst unter Bezugnahme auf die entsprechende Definition in der Verordnung - präzisiert werden. Es könnte sich anbieten, den Begriff des "ausgewiesenen Ortes" durch den Zusatz "gemäß Artikel 6 Abs. 4" zu ergänzen und dadurch die Formulierung dem ersten Spiegelstrich anzupassen.
- Soweit die Leitungsorgane vorübergehend zum Ersatz beschädigter oder verloren gegangener Mobilitätshilfen verpflichtet werden sollen, erscheint eine Einschränkung auf übliche Gehhilfen "im Rahmen einer angemessenen Kapazität" sinnvoll (Anhang I Satz 3).
- Die Leitungsorgane werden verpflichtet, gegebenenfalls die Abfertigung von anerkannten Begleithunden sicherzustellen (Anhang I Satz 4). Diese Verpflichtung sollte auf die Fälle des Anhangs II beschränkt werden.
- - Ob es der Festlegung der Qualitätsstandards (Artikel 7) bedarf, erscheint vor dem Hintergrund der Deregulierungsbemühungen fraglich.
Zu Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 5 und Anhang II (Hilfeleistung von Luftfahrtunternehmern)
4. Der Bundesrat begrüßt die in dem Verordnungsvorschlag vorgesehene Verpflichtung des Luftfahrtunternehmers, Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität die in Anhang II vorgesehenen Hilfen unentgeltlich zu leisten.
Im Bereich des Transits ist unklar, ob die unter Artikel 5 Abs. 3 genannten Bedingungen Anspruchsvoraussetzungen für die Hilfeleistung an Bord des Anschlussflugs sein sollen.
Haftungsfragen
5. Darüber hinaus lässt der Verordnungsvorschlag Haftungsregelungen vermissen. Das gilt sowohl für den Fall, dass Meldungen seitens der Luftverkehrsunternehmen oder Reiseunternehmen nicht rechtzeitig an den Flughafenbetreiber weitergegeben werden, als auch für die Fälle, in denen der Passagier seinen Flug nicht rechtzeitig erreicht.
Sanktionen
6. Die Bestimmung zur Sanktionierung in Artikel 12 widerspricht dem Verordnungscharakter. Um tatsächlich eine einheitliche europaweite Anwendung sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten auch die Verstöße in jedem Mitgliedstaat in gleicher Weise geahndet werden.
Übergangsfristen
7. Dringend erforderlich ist die Einführung einer Übergangsfrist von mindestens zwei Jahren, um derzeit bestehende Systeme an den Flughäfen, bei denen meistens die Luftverkehrsgesellschaften für die Hilfeleistungen an betreuungsbedürftige Personen zuständig sind, auf das neue System umzustellen und die Finanzierungsfragen zu regeln.
Allgemeines
8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene für eine Überarbeitung des Vorschlags entsprechend den oben genannten Gesichtspunkten einzusetzen.