963. Sitzung des Bundesrates am 15. Dezember 2017
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Gesundheitsausschuss (G), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission eine Mitteilung zu einer Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle vorgelegt hat. Dies gilt ebenso für den strategischen Ansatz der Kommission, durch ein Paket von Regulierungs- und Fördermaßnahmen eine saubere, wettbewerbsfähige und vernetzte Mobilität für alle zu realisieren und bei der Gestaltung der Zukunft der Mobilität für Europa eine weltweite Führungsrolle zu erreichen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt den strategischen Ansatz der Kommission, durch ein Paket von Regulierungs- und Fördermaßnahmen eine saubere, wettbewerbsfähige und vernetzte Mobilität für alle zu realisieren und bei der Gestaltung der Zukunft der Mobilität für Europa eine weltweite Führungsrolle zu erreichen.
- 3. Auch wenn die Kommission sich in diesem wichtigen programmatischen Legislativpaket auf den Straßenverkehr konzentrieren möchte, vermisst der Bundesrat darin konkrete Bezüge zur Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und des umweltverträglichen Verkehrsträgers Schiene sowie zur Begrenzung des klimaschutzpolitisch bedenklichen Wachstums des Luftverkehrs.
- 4. Der Bundesrat vermisst in der Mitteilung der Kommission konkrete Bezüge zur Förderung des nicht motorisierten Verkehrs, insbesondere des Radverkehrs, und des umweltverträglichen Verkehrsträgers Schiene. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass der nicht motorisierte Verkehr und der öffentliche Personenverkehr stärkere Berücksichtigung in der Agenda finden. Dies gilt sowohl für die grundsätzliche planerische Berücksichtigung als auch für die technologischen Entwicklungen.
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich im weiteren Verfahren für eine Überarbeitung der Agenda einzusetzen und dabei insbesondere folgende Punkte aufzunehmen:
- - Auch wenn die Kommission sich in diesem wichtigen programmatischen Legislativpaket auf den Straßenverkehr konzentrieren möchte, vermisst der Bundesrat darin konkrete Bezüge zur Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und des umweltverträglichen Verkehrsträgers Schiene.
- - Der Klimaschutz im Bereich des Luftverkehrs kann nur durch international gültige Instrumente wie dem globalen marktbasierten Klimaschutzinstrument in Form des Offsetting-Systems CORSIA, dem Instrument der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, wirksam umgesetzt werden. Ein europäischer Alleingang greift zu kurz.
- 6. Der Bundesrat sieht das in den Trends angenommene Verkehrswachstum zwischen 2010 und 2050 um 42 Prozent im Personenverkehr und 60 Prozent im Güterverkehr in Bezug zum Reduktionsziel der Treibhausgasemissionen (THG) des Verkehrs von mindestens 60 Prozent bis 2050 sehr kritisch. Mit Blick auf den wachsenden Handlungsdruck nach dem Pariser Klimaschutzabkommen müssen nach Auffassung des Bundesrates die zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors notwendigen THG-Reduktionen zeitnah durch eine umfassende Strategie und wirksame regulatorische Instrumente ergänzt werden, die eine gezielte Steuerung der Verkehrsnachfrage, auch über die Verkehrsmittel, beinhalten und die zudem Änderungen des Verbraucherverhaltens und der Nachfragemuster berücksichtigen. So sind steigende Mobilitätsbedürfnisse auch ohne Verkehrswachstum möglich, da nicht die Weglänge, sondern die Zielerreichung mobilitätsbestimmend ist. Der Bundesrat bezweifelt insofern die Erwartung der Kommission, dass bei einem derartig hohen Verkehrswachstum, und dies insbesondere im Güterverkehr, mit den genannten Infrastrukturmaßnahmen, Regulierungs- und Fördermaßnahmen das ambitionierte THG-Reduktionsziel von 60 Prozent erreichbar ist. Ferner vermisst er eine Verbindung zu Infrastrukturmaßnahmen für den Ausbau und die vollständige Elektrifizierung des klimafreundlichen Verkehrsträgers Schiene.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass der nicht motorisierte Verkehr und der öffentliche Personenverkehr stärkere Berücksichtigung finden. Dieses gilt sowohl für die grundsätzliche planerische Berücksichtigung als auch für die technologischen Entwicklungen. Der Fußgänger- und Radverkehr macht in den meisten europäischen Städten gut 20 Prozent bis 40 Prozent aller Wege aus. Die Auswertung der durch Mobiltelefone und Navigationssysteme übertragenen Verkehrsinformationen zeigt im Stauindex, dass Städte mit hohem Radverkehrsanteil grundsätzlich einen niedrigeren Stauanteil aufweisen als Städte, die primär auf technologische Lösungen setzen. Zukünftige Technologielösungen sollten daher auch stärker Einsatzfelder für den Rad- und Fußverkehr berücksichtigen, wie zum Beispiel in intelligenten Ampelprogrammen mit Sensoren für Radfahrer und Fußgänger oder auch grüne Wellen mit Anzeigen auf der Strecke für den Radverkehr. Diese Betonung der nachhaltigen Verkehrsmittel sollte auch in den EU-Forschungsprojekten entsprechend berücksichtigt werden.
- 8. Der Bundesrat unterstützt die Zielstellung der Kommission, den Übergang Europas zu emissionsarmer Mobilität zu beschleunigen und dazu auch die CO₂-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zu überarbeiten. Nach Ansicht des Bundesrates sollte die Fortschreibung der Flottengrenzwerte möglichst ambitioniert und auf der Basis realitätsnaher Testzyklen erfolgen, wobei der Umstieg auf den WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) dazu ein erster wichtiger Schritt ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Rat dafür einzusetzen, dass über die Weiterentwicklung von Test- und Marktüberwachungsverfahren künftig sichergestellt wird, dass die regulierten Emissionen die realen Emissionen auf der Straße repräsentativ abbilden.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der von der Kommission angestrebte umfassende Regelungsrahmen für saubere Technologien und zur Einführung CO₂-armer Kraftstoffe in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Automobilindustrie erarbeitet werden sollte, um sicherzustellen, dass die Vorgaben zügig und entsprechend den technischen Möglichkeiten umgesetzt werden können.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission für einen europäischen Rahmen zum schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe im Kraftfahrzeugverkehr einzusetzen. Vor dem Hintergrund der Ausstiegsentscheidungen in einzelnen Mitgliedstaaten ist es unabdingbar, für die europäische Automobilindustrie Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen.
- 11. Der Bundesrat bewertet kritisch:
- - dass die Vorstellungen der Kommission zur Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren die Suburbanisierung und soziale Segregation fördern, indem sie für sozial schwächer Gestellte den Zugang zu den Innenstädten mit Fahrzeugen signifikant verteuern und mit einer Mautpflicht für Lieferfahrzeuge unter 7,5 Tonnen für kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe die Erwerbstätigkeit erschweren. Innenstädte müssen auch in der Zukunft für Menschen aller Schichten erreichbar bleiben.
- 12. - dass die Kommission mit Regelungen zur lokalen Mobilitätsplanung in die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden eingreifen will und - dass die geplanten Änderungen zum Berufs- und Marktzugang eine massive Erhöhung des Verwaltungsaufwandes mit sich bringen (vergleiche die Stellungnahme des Bundesrates vom 7. Juli 2017, BR-Drucksache 441/17(B) ).
- 13. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit haben zu entscheiden, ob sie zeitbezogene oder streckenbezogene Mautsysteme betreiben.
- 14. Die Bundesregierung wird zudem gebeten, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit haben, Lkw unter 7,5 Tonnen, Lieferwagen und Kraftomnibusse von der Mautpflicht auszunehmen.
- 15. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Ansätze der Kommission zur Anpassung des Rechtsrahmens für die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren. Um die divergierenden nationalen Regelungen zu harmonisieren, sieht der Bundesrat es als sachgerecht an, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf Fernbusse, leichte Nutzfahrzeuge und Pkw auszuweiten. Auch die schrittweise Abschaffung von zeitabhängigen Vignetten zugunsten von entfernungsabhängigen Mautsystemen wird im Sinne der verursachergerechten Anlastung der Wegekosten begrüßt, da diese effizienter sind und eine bessere Lenkungswirkung zur umweltverträglichen Verkehrsabwicklung entfalten können. Ebenso sachgerecht ist die erweiterte Einbeziehung externer Kosten in die Mautgebühren, um sukzessive diese bisher von der Gesellschaft getragenen Kosten verursachergerecht anzulasten. Der Bundesrat kritisiert allerdings, dass es den Mitgliedstaaten weiterhin freigestellt sein soll, Straßenbenutzungsgebühren einzuführen. Dadurch bleibt der vorhandene Flickenteppich isolierter, einzelstaatlicher Regelungen bestehen und behindert das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass perspektivisch die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren auf EU-rechtlicher Grundlage in allen Mitgliedstaaten obligatorisch wird.
- 16. Der Bundesrat bewertet kritisch, dass die Kommission durch Verschärfung des Wettbewerbs erreichte Lohn- und Sozialstandards unterlaufen will.
- 17. Er begrüßt zwar grundsätzlich den Ansatz der Kommission zur Verbesserung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr, insbesondere für die Lenk- und Ruhezeiten des im internationalen Verkehr tätigen Fahrpersonals, um die arbeitszeitbedingten Sicherheitsrisiken zu reduzieren. Allerdings ist es mit Blick auf den im intermodalen Wettbewerb stehenden Schienenverkehr auch notwendig, die Sozialvorschriften im Straßen- und Schienenverkehr zu harmonisieren. So sehen die Einsatzbedingungen des Fahrpersonals im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr schärfere Schutzvorschriften als im Straßenverkehr vor und die Kontrollintensität ist im Schienenverkehr wesentlich größer. Der Bundesrat sieht diese Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Straßenverkehrs nicht nur als ordnungspolitisch bedenklich an, sondern auch als hinderlich in Bezug auf die Förderung des Schienenverkehrs und Verlagerung von Verkehren von der Straße auf die Schiene aus Gründen der Umweltverträglichkeit. Insofern bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich im Rahmen der Umsetzung der Maßnahmen des Mobilitätspakets für die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen einzusetzen, so dass insbesondere die Wettbewerbsnachteile des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Straßengüterverkehr abgebaut werden.
- 18. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission eine Mitteilung zu einer Agenda für einen sozial verträglichen Übergang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle vorgelegt hat.
Vor dem Hintergrund, dass von dieser Agenda alle Europäerinnen und Europäer profitieren sollen, werden auch Aussagen zur Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen (vergleiche beispielsweise Nummer 3.1 der Mitteilung) vermisst. Der Weg hin zu einer nachhaltigen Mobilität darf diese Belange mit Blick auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der EU nicht außer Acht lassen. So wird in Artikel 20 der UN-Behindertenrechtskonvention die Aussage getroffen, dass die Vertragspartner - also auch die EU - wirksame Maßnahmen zu treffen haben, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen.
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- 19. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.