Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 305177 - vom 20. März 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Februar 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die internationalen, europäischen und einzelstaatlichen Instrumente für Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie für das Verbot von willkürlicher Inhaftierung, Verschleppungen und Folter wie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 und das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung vom 10. Dezember 1984 und die zugehörigen Protokolle,
- - unter Hinweis seine Entschließung vom 14. Februar 2007 zur behaupteten Nutzung europäischer Staaten durch die CIA für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen1 sowie auf andere Berichte und Entschließungen zu diesem Thema einschließlich der diesbezüglichen Arbeit des Europarates,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Februar 2009 über die Rückführung und Neuansiedlung der Insassen des Gefangenenlagers Guantánamo2,
- - unter Hinweis auf das Schreiben seines Präsidenten an die nationalen Parlamente zu den Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten im Anschluss an die Entschließung des Parlaments vom 14. Februar 2007 ergriffen haben,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass seine Entschließung vom 14. Februar 2007 46 detaillierte Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, den Rat und die Kommission enthält,
B. in der Erwägung, dass seit der Annahme der Entschließung vom 14. Februar 2007 eine Reihe von Entwicklungen in den Mitgliedstaaten stattgefunden haben, einschließlich
- - der Erklärungen des Außenministers des Vereinigten Königreichs zu zwei von den US-Behörden veranlassten außerordentlichen Überstellungsflügen, mit denen zwei Gefangene befördert wurden und die 2002 auf dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs landeten, und der Zusammenstellung einer Liste verdächtiger Flüge, die mit der Bitte um die ausdrückliche Versicherung, dass es sich dabei nicht um Überstellungsflüge gehandelt hat, den zuständigen US-Behörden übermittelt werden soll, sowie der diesbezüglichen Erklärungen des Premierministers; der Befassung des britischen Generalstaatsanwalts durch den britischen Innenminister mit der Frage möglicher "krimineller Vergehen" seitens des britischen Inlandsgeheimdienstes M15 und der CIA bei der Behandlung von Binyam Mohamed ; des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 5. Februar 2009, aus dem hervorgeht, dass es diesem nicht möglich war, die Offenlegung von Informationen über die behauptete Folter von Binyam Mohamed anzuordnen, weil der britische Außenminister behauptete, dass die Vereinigten Staaten dem Vereinigten Königreich gedroht hätten, den Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse über Terrorismus einzustellen, und der rechtlichen Anfechtung des Urteils aufgrund von Zweifeln am Wahrheitsgehalt dieser Behauptung,
- - der Entscheidung des polnischen Ministerpräsidenten, der Staatsanwaltschaft Unterlagen über CIA-Flüge und -Gefängnisse zu übergeben, und der Ermittlungsergebnisse der polnischen Staatsanwaltschaft, die festgestellt hat, dass über ein Dutzend CIA-Flüge über den Flughafen Szymany abgewickelt worden waren, womit die Ergebnisse des Nichtständigen Ausschusses des Parlaments bestätigt wurden,
- - der Erklärungen des spanischen Außenministers vor dem spanischen Parlament zu den in der Tageszeitung "El País" veröffentlichten Informationen über Militärflüge,
- - der Tatsache, dass einige Regierungen Informationen zu den Untersuchungen von Überstellungen als Staatsgeheimnis einstufen, wie in Italien geschehen, wo das Verfahren, in dem es um die Überstellung von Abu Omar geht, derzeit ausgesetzt ist und auf ein Urteil des Verfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Einstufung als Staatsgeheimnis gewartet wird, C. in der Erwägung, dass das für Recht, Freiheit und Sicherheit zuständige Kommissionsmitglied am 3. Februar 2009 vor dem Parlament erklärt hat, dass es eine Reihe von Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen des Parlaments ergriffen habe, einschließlich Schreiben an die Behörden Polens und Rumäniens, in denen diese aufgefordert werden, den Stand hinsichtlich des behaupteten Bestehens von Geheimgefängnissen in ihrem Hoheitsgebiet vollständig offenzulegen, sowie einer Mitteilung, in der neue Maßnahmen auf dem Gebiet der Zivilluftfahrt vorgeschlagen werden, D. in der Erwägung, dass außerordentliche Überstellungen und Geheimgefängnisse gegen die internationalen Menschenrechtsnormen, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen, und in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten diese Praktiken derzeit überprüfen, E. in der Erwägung, dass die Personen, die im Rahmen des Programms außerordentlicher Überstellungen in einigen Mitgliedstaaten entführt wurden, von den US-Behörden auf Militär- oder CIA-Flügen nach Guantánamo oder in andere Staaten verbracht worden sind und dass dabei häufig EU-Gebiet überflogen wurde und in einigen Fällen auch Zwischenlandungen in bestimmten Mitgliedstaaten erfolgt sind; ferner in der Erwägung, dass diejenigen, die in Drittstaaten verbracht worden sind, in dortigen örtlichen Gefängnissen gefoltert wurden, F. in der Erwägung, dass sich einige Mitgliedstaaten an die US-Behörden gewandt haben, um die Freilassung und Rückführung von Personen zu beantragen, die von außerordentlichen Überstellungen betroffen waren und die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Mitgliedstaates besitzen oder vorher auf seinem Hoheitsgebiet ansässig waren; ferner in der Erwägung, dass Beamten einiger Mitgliedstaaten Zugang zu Gefangenen in Guantánamo oder in anderen Gefangenenlagern gewährt wurde, u. a. auch um Verhöre durchzuführen, in denen die von den US-Behörden gegenüber den Gefangenen vorgebrachten Vorwürfe geprüft werden sollten, wodurch das Bestehen solcher Gefangenenlager legitimiert wurde, G. in der Erwägung, dass aus seiner Entschließung vom 14. Februar 2007 hervorgeht und nachfolgende Ereignisse bestätigt haben, dass mehrere Mitgliedstaaten an der rechtswidrigen Beförderung und/oder dem Festhalten von Gefangenen durch die CIA und das US-Militär in Guantánamo und in den "Geheimgefängnissen", deren Existenz Präsident Bush eingeräumt hat, beteiligt gewesen sind oder aktiv oder passiv mit den US-Behörden zusammengearbeitet haben, was durch jüngst freigegebenes Material über die Gewährung von Überflugrechten durch Regierungen auf Antrag der Vereinigten Staaten sowie durch Regierungsmaterial über Geheimgefängnisse belegt wird, und dass Mitgliedstaaten einen gewissen Anteil an politischer, moralischer und rechtlicher Verantwortung für die Beförderung und das Festhalten der in Guantánamo und in geheimen Gefangenenlagern inhaftierten Personen tragen, H. in der Erwägung, dass der US-Senat das Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten ratifiziert hat, das von allen Mitgliedstaaten außer Italien ratifiziert worden ist, I. in der Erwägung, dass die Verfügungen von Präsident Obama vom 22. Januar 2009 zwar einen wichtigen Schritt vorwärts darstellen, doch der Problematik der geheimen Festhaltung und Entführung oder des Einsatzes von Folter anscheinend nicht vollkommen gerecht werden,
- 1. verurteilt, dass die Mitgliedstaaten und der Rat bislang keine Maßnahmen ergriffen haben, um die Wahrheit über das Programm außerordentlicher Überstellungen ans Licht zu bringen und die Empfehlungen des Parlaments umzusetzen; bedauert, dass der Rat dem Parlament am 3. Februar 2009 keine zufriedenstellenden Antworten gegeben hat;
- 2. fordert die Mitgliedstaaten, den Rat und die Kommission auf, die vom Parlament in seiner Entschließung vom 14. Februar 2007 gemachten Empfehlungen vollständig umzusetzen und an der Wahrheitsfindung mitzuarbeiten, indem sie Untersuchungen einleiten oder mit den zuständigen Stellen zusammenarbeiten, alles einschlägige Material freigeben und zur Verfügung stellen und eine wirksame parlamentarische Kontrolle geheimdienstlicher Tätigkeit gewährleisten; fordert den Rat auf, alle einschlägigen Informationen über die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen, auch im Rahmen seiner Gruppe "Völkerrecht" ("Working Party on Public International Law - COJUR"), offenzulegen; fordert die Mitgliedstaaten und die EU-Organe auf, mit allen zuständigen internationalen Gremien einschließlich denen der Vereinten Nationen und des Europarates zusammenzuarbeiten und dem Parlament alle relevanten Informationen, parlamentarischen Untersuchungsberichte oder Urteile zu übermitteln;
- 3. fordert die Europäische Union und die Vereinigten Staaten auf, den transatlantischen Dialog über einen neuen gemeinsamen Ansatz zur Überwindung des Terrorismus, der auf den gemeinsamen Werten der Achtung von internationalen Menschrechtsnormen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beruht, in einem Rahmen internationaler Zusammenarbeit zu verstärken;
- 4. ist der Auffassung, dass die Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten ein geeignetes Instrument für rechtlich einwandfreie Rechtsdurchsetzung und justizielle Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus sind; begrüßt daher deren Ratifizierung durch den US-Senat und fordert Italien auf, sie so bald wie möglich zu ratifizieren;
- 5. begrüßt die drei von Präsident Obama erlassenen Verfügungen zur Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo, zum Aussetzen der Verfahren vor den Militärgerichten, zum Ende des Einsatzes von Folter und zur Schließung von Geheimgefängnissen im Ausland;
- 6. betont jedoch, dass einige Unklarheiten in Bezug auf die begrenzte Aufrechterhaltung des Programms von Überstellungen und geheimer Gefangenenlager fortbestehen, und ist zuversichtlich, dass hinsichtlich der Schließung und des Verbots aller anderen geheimen Haftanstalten, die direkt oder indirekt von US-Behörden in den Vereinigten Staaten oder im Ausland betrieben werden, Klarstellungen erfolgen werden; weist darauf hin, dass geheime Inhaftierung für sich alleine eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt;
- 7. bekräftigt, dass gemäß Artikel 14 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter jedes Opfer einer Folterhandlung ein einklagbares Recht auf Wiedergutmachung sowie auf gerechte und angemessene Entschädigung hat;
- 8. begrüßt den für den 16. und 17. März 2009 geplanten Besuch des für Recht, Freiheit und Sicherheit zuständigen Kommissionsmitglieds, des tschechischen Ratsvorsitzes und des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung in den Vereinigten Staaten und fordert die EU-Vertreter auf, die Problematik außerordentlicher Überstellungen und geheimer Gefangenenlager zur Sprache zu bringen, da diese schwerwiegende Verletzungen internationaler und europäischer Menschenrechtsnormen darstellen; fordert den Rat (Justiz und Inneres) auf, auf seiner Tagung am 26. Februar 2009 diesbezüglich Entschlossenheit an den Tag zu legen sowie die Frage der Schließung von Guantánamo und der Neuansiedlung der Häftlinge zu erörtern und dabei die Entschließung des Parlaments vom 4. Februar 2009 zu diesem Thema gebührend zu berücksichtigen;
- 9. fordert die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die Vereinigten Staaten auf, die Verletzungen internationaler und einzelstaatlicher Menschenrechtsnormen und von Grundfreiheiten sowie des Verbots von Folter und Misshandlungen, Verschleppungen und des Rechts auf ein faires Verfahren, zu denen es im Zusammenhang mit dem "Krieg gegen den Terror" gekommen ist, zu untersuchen und volle Klarheit darüber zu schaffen, damit die Verantwortlichkeiten für die Geheimgefängnisse - unter anderem auch Guantánamo - sowie für das Programm außerordentlicher Überstellungen ermittelt werden können und gewährleistet werden kann, dass solche Verletzungen in Zukunft nicht mehr vorkommen werden und dass die Bekämpfung des Terrorismus ohne die Verletzung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit erfolgt;
- 10. fordert den Rat, die Kommission und den EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung auf, nach dem Besuch der EU-Delegation in den Vereinigten Staaten dem Parlament über die Anwendung der Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen sowie über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung bei gleichzeitiger voller Wahrung der Menschenrechte Bericht zu erstatten, damit der zuständige Ausschuss diese Themen in einem Bericht behandeln kann, der unter anderem auf der Grundlage von Ziffer 232 der Entschließung vom 14. Februar 2007 erstellt werden wird;
- 11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, dem Koordinator für die Terrorismusbekämpfung der Europäischen Union, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem NATO-Generalsekretär, dem Generalsekretär und dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie dem Präsidenten und dem Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika zu übermitteln.
- 1 ABl. C 287 E vom 29.11.2007, S. 309.
- 2 Angenommene Texte, P6_TA(2009)0045.