Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

2. Vollzugsaufwand

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 23. April 2010
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Dr. Angela Merkel

Entwurf
Gesetz zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus

Vom ... 2010

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Artikel 2

Begründung zum Vertragsgesetz

Durch das Vertragsgesetz sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifizierung des Protokolls vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus (im Folgenden: Änderungsprotokoll) geschaffen werden.

Zu Artikel 1

Auf das Änderungsprotokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden da es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.

Zu Artikel 2

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht den Erfordernissen des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem das Änderungsprotokoll nach seinem Artikel 18 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

Für Bund, Länder und Gemeinden entstehen durch dieses Gesetz keine Kosten.

Es hat auf Grund der bloßen Zustimmung zu dem Übereinkommen auch keine Auswirkungen auf die Einzelpreise oder das allgemeine Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau. Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die Deutschland abgeschlossen hat vereinbar.

Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus

(Übersetzung)

Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll unterzeichnen -

sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1

Artikel 2

Artikel 2 Absatz 3 des Übereinkommens erhält folgende Fassung:

Artikel 3

Artikel 4

Artikel 5

Artikel 6

Artikel 7

Artikel 8

"Artikel 12

Artikel 9

"Artikel 13

Artikel 10

Artikel 11

Artikel 12

Artikel 13

Nach dem neuen Artikel 16 des Übereinkommens wird folgender neuer Artikel eingefügt:

"Artikel 17

Artikel 14

Artikel 15

Artikel 16

Artikel 17

Artikel 18

Artikel 19

Denkschrift

I. Allgemeines

Das Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus (im Folgenden: Änderungsprotokoll) ergänzt das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (BGBl. 1978 II S. 321, 322; im Folgenden: Übereinkommen). Es verfolgt das Ziel, die internationale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zu verbessern und die Bestimmungen über die Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen dem heute geltenden internationalen Standard anzupassen. Deutschland hat das Protokoll am Tag der Auflegung zur Zeichnung, am 15. Mai 2003, unterzeichnet.

Zum besseren Verständnis des Änderungsprotokolls wird zunächst der Regelungsgegenstand des Übereinkommens kurz dargestellt. Bereits das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus hat eine Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zum Ziel. Es soll gewährleisten dass Straftaten mit terroristischem Hintergrund ohne jede Ausnahme strafrechtlich verfolgt werden.

Insbesondere verpflichten sich die Vertragsstaaten des Übereinkommens daher, Auslieferungsersuchen wegen einer von dem Übereinkommen erfassten Straftat nicht mit der Begründung abzulehnen, es handele sich um eine politische Straftat. Allerdings können die Vertragsstaaten des Übereinkommens einen Vorbehalt gegen diese Regelung einlegen.

Das Übereinkommen begründet keine selbstständige Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Auslieferung oder Rechtshilfe. Rechtsgrundlage für Auslieferung und Rechtshilfe sind die zwischen den Vertragsstaaten bestehenden zwei- oder mehrseitigen Verträge und Übereinkommen. Insoweit ergänzt das Übereinkommen bestehende Auslieferungsübereinkünfte und regelt, dass eine Auslieferung bei bestimmten, terroristisch motivierten Straftaten nicht mit der Begründung verweigert werden darf es handele sich um eine politische Straftat.

Das Änderungsprotokoll ändert die Struktur des Übereinkommens nicht. Es modifiziert und ergänzt die einzelnen Bestimmungen.

Eine Ergänzung des Übereinkommens war erforderlich, um auch die Straftaten, welche in den seit 1977 erarbeiteten sektoralen Übereinkommen und Protokollen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus geregelt sind, in den Anwendungsbereich des Übereinkommens aufzunehmen. Damit soll der Einwand der politischen Straftat auch hinsichtlich dieser Straftaten ausgeschlossen werden.

In diesem Zusammenhang wurde ein vereinfachtes Ergänzungsverfahren eingeführt. Dadurch kann künftig die Liste der erfassten Übereinkommen und Protokolle (sogenannte Vertragsliste) aktualisiert und es können neue Tatbestände in den Anwendungsbereich des Übereinkommens aufgenommen werden, ohne dass es dazu eines förmlichen Änderungsprotokolls bedarf. Gleiches gilt ganz allgemein auch für sonstige Novellierungen.

Macht ein Vertragsstaat die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrages abhängig und erhält er ein Auslieferungsersuchen von einem anderen Vertragsstaat, mit dem er keinen Auslieferungsvertrag hat, so sieht das Änderungsprotokoll vor dass er das Übereinkommen als Rechtsgrundlage für die Auslieferung ansehen kann.

Das Änderungsprotokoll eröffnet auch den Staaten, die beim Europarat Beobachterstatus haben, die Möglichkeit, dem Übereinkommen beizutreten. Von Fall zu Fall kann das Ministerkomitee auch andere Staaten zum Beitritt auffordern.

Obwohl das Übereinkommen nicht unmittelbar allgemeine Auslieferungsfragen regelt, wurde die klassische Diskriminierungsklausel (als logische Folge des Verbots, bestimmte Taten als politisch motiviert von der Auslieferung auszunehmen) erweitert. Es ist nunmehr vorgesehen, dass die Auslieferung auch dann verweigert werden kann wenn der Täter Gefahr läuft, in dem betreffenden Land zum Tode verurteilt, gefoltert oder ohne die Möglichkeit bedingten Straferlasses zu lebenslanger Haft verurteilt zu werden.

Allerdings bleibt die Möglichkeit der Vertragsstaaten, bei politisch motivierten Taten einen Vorbehalt anzumelden, bestehen sofern die Staaten am 15. Mai 2003 bereits Vertragsparteien des Übereinkommens waren. Die Vorbehalte gelten nur für die Dauer von drei Jahren und können danach jeweils für weitere drei Jahre erneuert werden. Die Verpflichtung, entweder "auszuliefern oder selbst strafrechtlich zu verfolgen", wurde verstärkt. Wenn ein Staat die Auslieferung auf Grund eines Vorbehalts ablehnt muss er den Fall den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zuleiten und den Europarat vom Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen in Kenntnis setzen. Eine Überprüfung ist vorgesehen. Ergeht in dem ersuchten Staat innerhalb angemessener Frist keine gerichtliche Entscheidung, so kann auf Betreiben des ersuchenden Staates ein abgestuftes Verfahren in Gang gesetzt werden, in dessen Ergebnis das Ministerkomitee eine gegebenenfalls kritische Erklärung abgeben kann.

II. Besonderes

Zur Präambel

Die Präambel nimmt auf mehrere Entscheidungen und Empfehlungen des Europarats und der Vereinten Nationen betreffend den Kampf gegen den internationalen Terrorismus Bezug. Sie legt das Ziel des Änderungsprotokolls dar nämlich die Bekämpfung des Terrorismus unter gleichzeitiger Beachtung der Menschenrechte zu verstärken und nennt dafür die Kernpunkte.

Zu den Bestimmungen des Änderungsprotokolls im Einzelnen:

Zu Artikel 1

Der Hauptzweck des Änderungsprotokolls besteht in der Aktualisierung des Übereinkommens. In diesem Sinn ergänzt Artikel 1 des Änderungsprotokolls die Liste der im Übereinkommen aufgeführten strafbaren Handlungen, die für die Zwecke der Auslieferung nicht als politische Straftat, eine mit einer politischen Straftat zusammenhängende oder als eine auf politischen Beweggründen beruhende Straftat (im Folgenden: politische Straftat) angesehen werden. Die Vorschrift legt zudem den Anwendungsbereich des Übereinkommens fest und zählt abschließend die erfassten Übereinkommen und Protokolle der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus auf.

Artikel 1 Absatz 1 und 2 des Änderungsprotokolls ergänzt die in Artikel 1 des Übereinkommens aufgezählten Übereinkommen und Protokolle der Vereinten Nationen um die unter den Buchstaben c bis j genannten Übereinkünfte. Das bedeutet, dass ein um Auslieferung ersuchter Vertragsstaat verpflichtet ist, die Straftaten, welche nach den neu eingefügten Übereinkommen der Vereinten Nationen strafrechtlich zu verfolgen sind, als solche des gemeinen Rechts anzusehen, ohne dass es auf die zugrunde liegende Motivation der Taten ankommt. Das hat wiederum zur Folge, dass der um Auslieferung ersuchte Vertragsstaat grundsätzlich die Auslieferung nicht mit dem Hinweis darauf verweigern darf die begangene Straftat sei von politischen Motiven getragen. Die Bestimmung begründet indessen keine Verpflichtung zur Auslieferung, da das Übereinkommen und sein Änderungsprotokoll kein Auslieferungsübereinkommen darstellen. Die rechtliche Grundlage der Auslieferung ist nach wie vor der entsprechende Auslieferungsvertrag oder das entsprechende Auslieferungsübereinkommen.

Das geänderte Übereinkommen kann von einem Vertragsstaat, der um Auslieferung ersucht wird als Rechtsgrundlage angesehen werden, wenn er die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrages abhängig macht und mit dem ersuchenden Vertragsstaat kein Auslieferungsvertrag besteht (Artikel 3 Absatz 2 des

Änderungsprotokolls).

Das Änderungsprotokoll regelt in Artikel 1 Absatz 3 ferner dass auch Versuchs- und Teilnahmehandlungen zu den aufgezählten Haupttaten (Versuch, Mittäterschaft, Beihilfe, Anstiftung) nicht als politische Straftat angesehen werden dürfen. Neu im Verhältnis zum ursprünglichen Übereinkommen ist die Einbeziehung der Anstiftung.

Zu Artikel 2

Artikel 2 des Änderungsprotokolls ergänzt das Übereinkommen in seinem Artikel 2 Absatz 3.

Artikel 2 des Übereinkommens bietet den Vertragsstaaten die Möglichkeit, auch weitere schwerwiegende Straftaten, die nicht in Artikel 1 des Übereinkommens aufgeführt sind, zum Zweck der Auslieferung nicht als politische Straftaten anzusehen. Dabei handelt es sich um schwere Gewalttaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person und schwere Straftaten gegen Sachen, wenn eine Gemeingefahr für Personen herbeigeführt wird. Deutschland hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in Artikel 2 des Vertragsgesetzes zum Übereinkommen (BGBl. 1978 II S. 321) eine entsprechende Regelung hinsichtlich dieser Haupttaten aufgenommen. Diese Regelung bleibt bestehen und gilt weiter.

Durch Artikel 2 des Änderungsprotokolls wird die Anstiftung zu solchen Delikten ebenfalls einbezogen.

Im Ergebnis stellt Artikel 2 des Übereinkommens es in das Ermessen des um Auslieferung ersuchten Vertragsstaates, ob eine schwerwiegende Straftat als politische angesehen wird oder ob ihr krimineller Charakter als überwiegend angesehen wird. Da keine konkreten Kriterien für die Ausübung dieses Ermessens vorgegeben werden wird hier eine von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Entscheidung des ersuchten Vertragsstaates ermöglicht.

Zu Artikel 3

Artikel 3 des Änderungsprotokolls ist wichtig für Staaten, die für die Zusammenarbeit eine vertragliche Basis brauchen und die ihre Zusammenarbeit auf die Straftaten, die im betroffenen Staatsvertrag aufgelistet sind, begrenzen.

Nach Artikel 4 des Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsstaaten, die in den Artikeln 1 und 2 des Übereinkommens aufgeführten Straftaten als auslieferungsfähige Straftaten anzusehen. Auslieferungsverträge und -übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten, die abschließende Aufzählungen der auslieferungsfähigen Straftaten enthalten, sind dadurch als unmittelbar ergänzt anzusehen. Diese Bestimmung wurde als Absatz 1 Satz 1 unverändert übernommen.

Artikel 3 Absatz 1 des Änderungsprotokolls ergänzt diese Regelung mit einem Satz 2 um die Vorgabe, dass die in den Artikeln 1 und 2 des Übereinkommens aufgeführten Straftaten zukünftig in von den Vertragsstaaten zu schließenden zwei- oder mehrseitigen Auslieferungsverträgen und -übereinkommen als auslieferungsfähige Straftaten aufzunehmen sind.

Der durch Artikel 3 Absatz 2 des Änderungsprotokolls ebenfalls neu in Artikel 4 des Übereinkommens eingeführte Absatz 2 bestimmt, dass die Vertragsstaaten das Übereinkommen künftig als Rechtsgrundlage für eine Auslieferung ansehen können. Dies betrifft den Fall, dass ein Vertragsstaat nach seinem innerstaatlichen Recht eine Auslieferung nicht auf vertragsloser Basis durchführen darf. Sofern im konkreten Einzelfall ein solches Übereinkommen jedoch nicht vorliegt, besteht für den ersuchten Staat nunmehr die Möglichkeit, eine Auslieferung auf der Grundlage des Übereinkommens als entsprechende vertragliche Grundlage durchzuführen.

Für die Bundesrepublik Deutschland hat diese Bestimmung keine Bedeutung, weil sie auch ohne Vertrag, gestützt auf ihr Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen mit anderen Staaten zusammenarbeiten kann.

Zu Artikel 4

Artikel 4 des Änderungsprotokolls soll sicherstellen, dass das Übereinkommen den Anforderungen nachkommt, die in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten festgehalten sind. Artikel 4 Absatz 1 des Änderungsprotokolls übernimmt den Inhalt von Artikel 5 des Übereinkommens und stellt klar, dass das Recht auf die Gewährung von Asyl nicht berührt werden soll. Eine Pflicht zur Auslieferung besteht danach nicht, wenn der ersuchte Staat ernstliche Gründe zu der Annahme hat, dass das Auslieferungsersuchen nicht nur gestellt wurde, um die betroffene Person wegen der ihr zur Last gelegten Straftat zu verfolgen, sondern zumindest auch um sie wegen ihrer Rasse, ihrer Religion, Staatsangehörigkeit oder politischer Anschauung zu verfolgen oder zu bestrafen, oder wenn aus einem dieser Gründe die Lage dieser Person erschwert werden könnte.

Als neue Regelungen sind die Absätze 2 und 3 in Artikel 5 des Übereinkommens aufgenommen. Diese beiden Absätze sollen - insbesondere im Hinblick auf die Öffnung Der neue Artikel 5 Absatz 2 des geänderten Übereinkommens regelt dass eine Auslieferung auch dann vom ersuchten Staat verweigert werden kann, wenn der betroffenen Person Folter droht. Die Bestimmung trifft jedoch keine abschließende Regelung, sondern ist vielmehr entsprechend dem Erläuternden Bericht so zu verstehen, dass eine Auslieferung auch bei vergleichbar drohenden schweren Verstößen gegen die Menschenrechte verweigert werden kann.

Das geänderte Übereinkommen sieht ferner im neuen Artikel 5 Absatz 3 die Möglichkeit vor, die Auslieferung abzulehnen wenn der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Freilassung auf Bewährung droht. Dieser Einwand soll nur dann nicht greifen, wenn der ersuchte Staat selbst nach seinen Rechtsvorschriften eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht d. h. ohne jegliche Möglichkeit der vorzeitigen Freilassung, oder er nach den anwendbaren Auslieferungsverträgen zur Auslieferung verpflichtet ist und der ersuchende Staat eine vom ersuchten Staat als hinreichend erachtete Zusicherung abgibt, die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Freilassung auf Bewährung nicht zu verhängen beziehungsweise die Todesstrafe nicht zu vollstrecken. In der Bundesrepublik Deutschland ist gemäß § 38 Absatz 1 und § 57a des Strafgesetzbuches die Möglichkeit der vorzeitigen Freilassung auf Bewährung gegeben.

Ein Staat, der diese Bestimmung anwendet und folglich die ersuchte Auslieferung ablehnt, muss dem ersuchenden Staat mitteilen, aus welchen Gründen er dem Auslieferungsersuchen nicht entsprochen hat.

Es gilt in diesen Fällen Artikel 7 des Übereinkommens, wonach der ersuchte Staat die Angelegenheit seinen für die Strafverfolgung zuständigen Behörden zu unterbreiten hat.

Zu Artikel 5

Der durch Artikel 5 des Änderungsprotokolls neu geschaffene Artikel 9 des Übereinkommens räumt den Vertragsstaaten die Möglichkeit ein, weitere zwei- oder mehrseitige Vereinbarungen zu treffen, welche die Anwendung des Übereinkommens erleichtern oder das Übereinkommen ergänzen.

Zu Artikel 6

Artikel 6 Absatz 2 des Änderungsprotokolls überträgt dem Europäischen Ausschuss für Strafrechtsfragen des Europarats (CDPC) die allgemeine Zuständigkeit, die Anwendung des geänderten Übereinkommens zu überwachen.

Der Kompetenz- und Aufgabenbereich des CDPC wird durch das Änderungsprotokoll erweitert. So soll er regelmäßig über die Anwendung des Übereinkommens informiert werden und kann gegenüber dem Ministerkomitee des Europarats Empfehlungen zur Änderung oder Ergänzung des Übereinkommens abgeben.

Zudem kann der CDPC von den Vertragsstaaten um seine Meinung zu Fragen der Anwendung des Übereinkommens ersucht werden. Er hat außerdem die Aufgabe, die gütliche Behebung aller Schwierigkeiten, die sich aus der Durchführung des Übereinkommens ergeben könnten, zu erleichtern. Schließlich empfiehlt er dem Ministerkomitee Beitritte von Nichtmitgliedstaaten und berichtet jährlich über die Anwendung des Übereinkommens.

Der Kompetenz- und Aufgabenbereich des CDPC bleibt durch die besondere Aufsichtskompetenz, die der Konferenz der Vertragsstaaten gegen Terrorismus (COSTER) gemäß Artikel 13 des Änderungsprotokolls (bzw. Artikel 17 des geänderten Übereinkommens) übertragen wird unberührt. CDPC und COSTER haben beide die Aufgabe, einen Beitrag zur Wirksamkeit des geänderten Übereinkommens zu leisten.

Zu Artikel 7

Artikel 7 des Änderungsprotokolls passt das im Übereinkommen geregelte Schiedsverfahren im Hinblick auf die Öffnung des Übereinkommens für Staaten, die nicht Mitglieder des Europarats sind, an. Soweit nur dem Europarat angehörende Staaten betroffen sind, wurden die Verfahrensregeln inhaltlich unverändert aus dem Übereinkommen übernommen.

Grundsätzlich gilt, dass jede Streitigkeit zwischen den Vertragsstaaten über die Auslegung oder die Anwendung des Übereinkommens einem Schiedsverfahren unterworfen wird sofern sie nicht durch Vermittlung des CDPC oder durch Verhandlungen behoben werden kann.

Jede Partei bestellt für das Schiedsverfahren einen Schiedsrichter, beide Schiedsrichter bestellen sodann einen weiteren Schiedsrichter, den Präsidenten ("Obmann") des Schiedsgerichtes.

Für den Fall, dass eine Vertragspartei nicht binnen einer Frist von drei Monaten einen Schiedsrichter bestellt, richtet sich das weitere Verfahren danach, ob der Vertragsstaat dem Europarat angehört oder nicht. Auf Antrag der anderen Vertragspartei wird nach Artikel 7 Absatz 4 des Änderungsprotokolls der Schiedsrichter für Staaten, die dem Europarat angehören, vom Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestellt; für nicht dem Europarat angehörende Staaten bestimmt der Präsident des Internationalen Gerichtshofs den Schiedsrichter. Für den Fall, dass der Präsident eines Gerichtshofs Staatsangehöriger einer Streitpartei ist, wird eine Vertretungsregelung getroffen.

Weiterhin wird in Artikel 7 Absatz 4 des Änderungsprotokolls geregelt wie zu verfahren ist, wenn sich die Schiedsrichter nicht auf einen Obmann für das Schiedsgericht einigen können.

Zu Artikel 8

Durch Artikel 8 des Änderungsprotokolls wird ein neuer Artikel 12 des Übereinkommens geschaffen. Er regelt die Verfahrensweisen für den Fall, dass eine Änderung des Übereinkommens vorgenommen werden soll.

Änderungsvorschläge können nach dem neuen Artikel 12 Absatz 1 des geänderten Übereinkommens sowohl durch jeden Vertragsstaat als auch durch das Ministerkomitee unterbreitet werden. Die Vertragsstaaten werden darüber jeweils durch den Generalsekretär des Europarats unterrichtet.

Nach Konsultation der Staaten, die nicht dem Europarat angehören und gegebenenfalls des CDPC kann das Ministerkomitee die Annahme einer Änderung mit der in Artikel 20 Buchstabe d der Satzung des Europarats vorgesehenen Mehrheit beschließen. Anschließend werden die Änderungen vom Generalsekretär des Europarats den Vertragsstaaten unterbreitet (Artikel 12 Absatz 2 des geänderten Übereinkommens).

Wenn nach Artikel 12 Absatz 3 des geänderten Übereinkommens alle Vertragsstaaten ihr Einverständnis erklären, tritt die Änderung am 30. Tag nach dem Tag in Kraft, an dem alle Parteien dem Generalsekretär ihre Annahme mitgeteilt haben.

Durch die Möglichkeit, das Übereinkommen nunmehr durch ein vereinfachtes Ergänzungsverfahren zu ändern - ohne dass es dazu eines förmlichen Änderungsprotokolls bedarf - wird das Ziel verfolgt, die praktische Durchführung des Übereinkommens zu verbessern.

Zu Artikel 9

Durch Artikel 9 des Änderungsprotokolls wird - weitestgehend ähnlich wie im durch Artikel 8 des Änderungsprotokolls eingeführten Verfahren - auch ein neues, vereinfachtes Änderungsverfahren zur Aktualisierung der in Artikel 1 Absatz 1 des Änderungsprotokolls und des Übereinkommens enthaltenen Liste der Übereinkünfte eingeführt. Die durch den neuen Artikel eingeführte Vereinfachung ersetzt die Aushandlung eines Zusatzprotokolls durch ein beschleunigtes Änderungsverfahren.

Gemäß Artikel 13 Absatz 1 des geänderten Übereinkommens müssen für dieses beschleunigte Verfahren die folgenden Grundvoraussetzungen erfüllt sein:

Falls weniger als ein Drittel der Vertragsstaaten widerspricht, tritt die Änderung gemäß Artikel 13 Absatz 4 des geänderten Übereinkommens nur für die Staaten in Kraft, die keinen Einspruch notifiziert haben. Gemäß Artikel 13 Absatz 5 des geänderten Übereinkommens tritt eine Änderung für jene Staaten, die einen Einspruch dagegen notifiziert haben, am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem sie dem Generalsekretär des Europarats ihre nachträgliche Annahme notifiziert haben.

Zu Artikel 10

Artikel 10 des Änderungsprotokolls sieht eine Öffnung des Übereinkommens für Beobachterstaaten des Europarats und für andere Staaten vor. Er bestimmt, welche Staaten zur Zeichnung des Protokolls berechtigt sind und beschreibt das Verfahren. Der neue Artikel 14 Absatz 1 des geänderten Übereinkommens legt fest, dass das Übereinkommen nicht nur für Mitgliedstaaten des Europarats, sondern auch für Staaten mit Beobachterstatus, wie beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika, Japan und Mexiko, zur Zeichnung offensteht.

Darüber hinaus kann das Ministerkomitee gemäß Artikel 14 Absatz 3 des geänderten Übereinkommens nach Anhörung des CDPC mit der in Artikel 20 Buchstabe d der Satzung des Europarats bezeichneten Mehrheit beschließen jeden weiteren Staat zum Beitritt einzuladen.

Dieser Unterschied bei der Behandlung von Nichtmitgliedstaaten mit und ohne Beobachterstatus resultiert aus dem speziellen Status der Beobachterstaaten beim Europarat, der einen Entscheid des Ministerkomitees voraussetzt.

Die Öffnung für die Beobachterstaaten gilt ab dem Inkrafttreten des Änderungsprotokolls.

Artikel 10 Absatz 4 des Änderungsprotokolls bzw.

Artikel 14 Absatz 4 des geänderten Übereinkommens (bisheriger Artikel 11 Absatz 3 des Übereinkommens, der aus formellen Gründen angepasst wird) legt fest, dass das geänderte Übereinkommen für jene Vertragsstaaten, die das Übereinkommen später ratifizieren, annehmen oder genehmigen, drei Monate nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft tritt.

Zu Artikel 11

Durch Artikel 11 des Änderungsprotokolls wird der bisherige Artikel 12 des Übereinkommens weitgehend unverändert als neuer Artikel 15 übernommen. Im Hinblick auf die Erweiterung um Nichtmitgliedstaaten des Europarats erfolgen lediglich sprachliche Anpassungen.

Zu Artikel 12

Artikel 12 des Änderungsprotokolls regelt das System der Vorbehalte im geänderten Übereinkommen neu. Das bisherige System wurde überarbeitet und einer Reihe von Bedingungen sowie einem Kontrollverfahren unterstellt.

Absatz 1 der Vorschrift regelt, dass "alte" Vorbehalte gegen das Übereinkommen, die vor Unterzeichnung des vorliegenden Änderungsprotokolls angebracht wurden, auf das durch das Änderungsprotokoll überarbeitete "neue" Übereinkommen nicht anwendbar sind. Sie müssen also erneut eingelegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat keinen Vorbehalt zum Übereinkommen eingelegt.

Das System der Vorbehalte des geänderten Übereinkommens unterliegt bestimmten Bedingungen:

Artikel 12 Absatz 4 des Änderungsprotokolls bestimmt, dass ein Vertragsstaat im Fall der Anwendung des Vorbehalts angeben muss, für welche Straftaten sein Vorbehalt gelten soll.

So können die Vertragsstaaten einen Vorbehalt einlegen, der ihnen im Einzelfall ermöglicht, eine Straftat, die an sich in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt und für die nach Artikel 1 des Übereinkommens der Einwand der "politischen Tat" gegen ein Auslieferungsersuchen nicht möglich wäre, die Auslieferung dennoch aus politischen Gründen zu verweigern.

Im Gegensatz zur bislang nach Artikel 13 des Übereinkommens vorgesehenen unbegrenzten Gültigkeit von Vorbehalten sieht nunmehr Artikel 12 Absatz 7 des Änderungsprotokolls bzw. Artikel 16 Absatz 5 des geänderten Übereinkommens die folgenden Ergänzungen vor:

Damit soll gewährleistet werden, dass die Vertragsstaaten ihre angebrachten Vorbehalte regelmäßig überprüfen.

Dann ist dieser Vertragsstaat gemäß Artikel 16 Absatz 7 des geänderten Übereinkommens verpflichtet, den Fall unverzüglich den innerstaatlich zuständigen Behörden zur Strafverfolgung zu übergeben ("aut dedere aut iudicare"), wobei diese Behörden ihre Entscheidungen dann in gleicher Weise treffen müssen wie im Fall einer schweren Straftat nach dem Recht ihres Staates. Außerdem hat der Vertragsstaat den ersuchenden Staat und den Generalsekretär des Europarats zeitnah über den Ausgang des Verfahrens zu unterrichten. Der Generalsekretär des Europarats unterrichtet hierüber die gemäß Artikel 13 des Änderungsprotokolls gebildete sogenannte Konferenz der Vertragsstaaten (COSTER).

Für den Fall, dass im ersuchten Staat innerhalb angemessener Zeit keine gerichtliche Entscheidung ergeht, ist gemäß Artikel 12 Absatz 7 des Änderungsprotokolls bzw. Artikel 16 Absatz 8 des geänderten Übereinkommens ein abgestuftes Verfahren vorgesehen, in dessen Ergebnis das Ministerkomitee eine gegebenenfalls kritische Erklärung abgeben kann.

Zu Artikel 13

Artikel 13 des Änderungsprotokolls ergänzt das Übereinkommen um einen Artikel 17. Diese Vorschrift regelt die Schaffung einer Konferenz der Vertragsstaaten, der sogenannten "COSTER" (steht für "Contracting States against Terrorism", im Deutschen: Vertragsstaaten gegen Terrorismus), mit dem wesentlichen Ziel, die Durchführung des Übereinkommens zu überwachen. An der Konferenz können sich alle Vertragsstaaten beteiligen.

Durch die Schaffung dieses speziellen Kontrollgremiums wird die Rolle, die dem Europäischen Ausschuss für Strafrechtsfragen des Europarats übertragen wird, nicht in Frage gestellt. COSTER soll mit diesem Ausschuss bei der Ausübung ihrer Funktionen eng zusammenarbeiten und spielt hinsichtlich der angebrachten Vorbehalte eine entscheidende Rolle. Sie hat das Verfahren zu gewährleisten, das zur Anwendung kommt, wenn geprüft werden muss ob die Ablehnung der Auslieferung mit dem Übereinkommen vereinbar ist.

COSTER soll nach Artikel 17 Absatz 1 des geänderten Übereinkommens insbesondere die wirksame Anwendung und Durchführung des Übereinkommens einschließlich dabei auftretender Probleme, die Prüfung von Vorbehalten und das oben dafür beschriebene Verfahren, den Informationsaustausch auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung und bestimmte konzeptionelle Aufgaben im Auftrag des Ministerkomitees sicherstellen.

Gemäß Artikel 17 Absatz 2 des geänderten Übereinkommens besteht COSTER aus Sachverständigen der Vertragsstaaten und tritt einmal jährlich zu ordentlichen und unter bestimmten Voraussetzungen zu außerordentlichen Tagungen zusammen.

Zu Artikel 14

Artikel 14 des Änderungsprotokolls sieht die Übernahme des bisherigen Artikels 14 des Übereinkommens als neuen Artikel 18 vor.

Zu Artikel 15

Durch Artikel 15 des Änderungsprotokolls wird Artikel 15 des Übereinkommens aufgehoben.

Zu Artikel 16

Artikel 16 des Änderungsprotokolls enthält Einzelheiten zu den Notifizierungspflichten des Generalsekretärs des Europarats. Vor dem Hintergrund der umfassenden Überarbeitung des Übereinkommens durch das Änderungsprotokoll erfolgten redaktionelle Anpassungen.

Zu den Artikeln 17 bis 19

Die Artikel 17, 18 und 19 des Änderungsprotokolls enthalten die in den Übereinkommen des Europarats üblichen Modalitäten der Zeichnung, der Ratifikation, des Inkrafttretens und der gegebenenfalls durchzuführenden Notifikation durch den Generalsekretär des Europarats.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1044:
Gesetz zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o. g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten geprüft die durch Informationspflichten begründet werden.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine neuen Bürokratiekosten für Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter