Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 3. März 2011
Der Staatssekretär
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung Baden-Württembergs hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates für mehr Pflegepersonal mit Migrationshintergrund und zum Ausbau pflegeberufsbezogener Sprachförderung zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 23 Absatz 3 in Verbindung mit § 15 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 18. März 2011 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker
Entschließung des Bundesrates für mehr Pflegepersonal mit Migrationshintergrund und zum Ausbau pflegeberufsbezogener Sprachförderung
Der Bundesrat stellt fest, dass in den Pflegeberufen bereits heute eine große Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften besteht. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird der Bedarf an Pflegekräften infolge der wachsenden Zahl alter und hilfebedürftiger Menschen weiter ansteigen. Um diesen Bedarf zu decken, müssen weitere Personengruppen für den Pflegeberuf gewonnen werden. Dabei bleibt ein hoher Qualitätsstandard der Pflege im Interesse der Pflegebedürftigen absolut unverzichtbar.
Der Bundesrat macht darauf aufmerksam, dass in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund in den Pflegeberufen bislang unterrepräsentiert sind. Es sind daher größere Anstrengungen erforderlich, um ihnen einen besseren Zugang zu diesen Berufen zu ermöglichen. Zudem sind Menschen mit Migrationshintergrund auch angesichts der steigenden Zahl von Pflegebedürftigen aus anderen Kulturkreisen eine wertvolle Bereicherung der Pflegeteams. Einrichtungen, die Pflegepersonal sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund beschäftigen, sind in besonderem Maße geeignet, sich den Anforderungen an eine kultursensible Pflege erfolgreich zu stellen.
Der Bundesrat erinnert daran, dass eine gute Kommunikationsfähigkeit und die Beherrschung der deutschen Sprache von zentraler Bedeutung für den Pflegeberuf und für eine hohe Pflegequalität sind. Sollen Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt für den Pflegeberuf gewonnen werden, liegt es im gesamtgesellschaftlichen Interesse, ihnen bei der Überwindung etwaiger Sprachdefizite gezielt Hilfestellung anzubieten.
Der Bundesrat begrüßt vor diesem Hintergrund, dass der Bund die pflegeberufsbezogene Sprachförderung in Wahrnehmung seiner Verantwortung für die Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik bereits in Einzelfällen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziell unterstützt.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, diese Förderung fortzusetzen und schnellstmöglich in unbürokratischen Förderverfahren deutlich auszubauen.
Begründung:
In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird der Bedarf an Pflegekräften infolge der Zunahme der Zahl alter und hilfebedürftiger Menschen rapide ansteigen. Zusätzlich müssen altershalber ausscheidende Pflegepersonen ersetzt werden. Angesichts dessen ist es erforderlich, sowohl bei Schulabgängern, aber auch bei Menschen mit Lebens- und Berufserfahrung - etwa nach einer beruflichen Umorientierung oder nach dem Ende der Familienphase - Interesse an einem Einstieg in die Pflege zu wecken und hier bisher ungenutzte Potenziale zu aktivieren.
Menschen mit Migrationshintergrund sind in den Pflegeberufen bislang unterproportional vertreten. So haben etwa 25 Prozent der Bevölkerung in Baden-Württemberg und ein Drittel der unter 18-Jährigen einen Migrationshintergrund. An den Schulen für Alten- oder Krankenpflegehilfe lag der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund 2009 bei etwa 20 Prozent, an den Schulen für Altenpflege um 15 Prozent und an den Schulen für Krankenpflege bei nur ca. 10 Prozent.
Daneben ist zu berücksichtigen, dass immer mehr alte Menschen mit Migrationshintergrund nicht mehr in ihrer Familie gepflegt werden können. Für sie wären Pflegekräfte, die mit ihnen in ihrer Muttersprache reden, aber mit dem therapeutischen Team auf Deutsch kommunizieren könnten, Mittler zwischen zwei sprachlichen und oft auch zwei verschiedenen kulturellen Welten.
Daher sollten die Voraussetzungen und Angebote geschaffen werden, um Menschen mit Migrationshintergrund in weitaus größerem Maß für die Pflegeberufe zu werben.
In den Pflegeberufen sind gute Deutschkenntnisse von zentraler Bedeutung, da Kommunikation - in erster Linie mit den pflegebedürftigen Menschen, aber auch im Pflege- und Therapeutenteam - eine Kernkompetenz dieses Berufsbildes darstellt. Auf der anderen Seite sind deutsche Sprachkenntnisse für Menschen mit Migrationshintergrund das wesentliche Element zu ihrer gesellschaftlichen Integration. Berufsbezogene Sprachförderung ist zudem oftmals der Schlüssel zu einer erfolgreichen Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf zukunftssichere Berufsbilder wie die Pflegeberufe. Als Zielgruppe pflegeberufsbezogener Sprachförderung kommen sowohl Neuzuwanderer als auch bereits länger in Deutschland lebende Personen in Betracht, die aufgrund ihrer individuellen Biografie gleichwohl nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Eine besonders Erfolg versprechende Verzahnung von Sprachförderung und dem Erwerb fachlicher Kenntnisse kann erreicht werden, indem die Sprachförderung in die konkrete Ausbildung integriert wird.
Entsprechende Ziele verfolgt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit der Förderung von Integrationskursen und dem ESF-BAMF-Programm. Damit wurden schon bislang in Einzelfällen auch pflegeberufsbezogene Sprachfördermaßnahmen erfolgreich finanziell unterstützt.
Eine deutliche Aufstockung des finanziellen Fördervolumens und eine Vereinfachung des Förderverfahrens durch die Bundesregierung würden einen wichtigen Beitrag leisten, mehr Menschen mit Migrationshintergrund für einen Einstieg in eine an Qualitätsstandards ausgerichtete Pflege zu gewinnen und nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.