848. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2008
Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Ausschuss für Familie und Senioren (FS), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
A.
1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 18a Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 3 AufenthG)
In Artikel 1 Nr. 2 ist in § 18a Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 3 jeweils das Wort "entsprechenden" durch das Wort "angemessenen" zu ersetzen.
Begründung
Der Vorschlag orientiert sich an der Formulierung in § 16 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und § 27 Nr. 3 BeschV, die ausschließlich Hochschulabsolventen betreffen, ist aber auch auf die weiteren unter § 18a AufenthG zu fassenden Gruppen qualifizierter Personen anwendbar. Mit der Änderung wird erreicht, dass bei der Prüfung der Stelle dasselbe Kriterium bei Hochschulabsolventen mit Duldung wie bei Hochschulabsolventen mit einem anderen Aufenthaltstitel angewendet wird. Das allgemeinere Prüfkriterium "Qualifikationsangemessenheit" umfasst nicht nur Stellen, die eng auf die studierte Fachrichtung zugeschnitten sind sondern auch Tätigkeiten mit einem anderen fachlichen Schwerpunkt, sofern sie vom Niveau her dem erworbenen Abschluss angemessen sind. Diese Unterscheidung ist z.B. für Hochschulabsolventen der Geistes- und Sozialwissenschaften wichtig deren Studiengänge i. d. R. nicht auf spezifische Berufsbilder vorbereiten sondern Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die bei einem relativ breiten Spektrum von Aufgaben Anwendung finden.
Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG)
- 2. Der Bundesrat ist skeptisch, dass die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen ausreichen werden um Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen und einen wirksamen Beitrag zur Behebung des bestehenden Fachkräftemangels zu leisten. Zwar stellt die im Gesetzentwurf der Bundesregierung beabsichtigte Herabsetzung der Mindesteinkommensgrenze von bisher 86 400 Euro auf nunmehr 63 600 Euro ein Fortschritt dar, jedoch wird dies als nicht ausreichend angesehen, um gerade auch jungen und innovativen Fachkräften, vor allem kürzlich graduierten Hochschulabsolventen die Möglichkeit zu eröffnen, in Deutschland zu arbeiten und auf diese Weise einen Beitrag zur Verminderung des Fachkräftemangels besonders auch in den Natur- und Ingenieurwissenschaften zu leisten. Deshalb ist die Mindesteinkommensgrenze auf 43 200 Euro (Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung) zu senken.
- bei Annahme entfällt Ziffer 3
- 3. In Artikel 1 Nr. 3 § 19 Abs. 2 Nr. 3 sind die Wörter "der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung" durch die Wörter "dem Doppelten des nationalen jährlichen Durchschnittseinkommens" zu ersetzen.
- entfällt bei Annahme von Ziffer 2
Begründung
Der deutschen Wirtschaft fehlen Fachkräfte. In manchen Bereichen und Regionen Deutschlands kann der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften nicht allein durch inländische Arbeitskräfte gedeckt werden. Überdies wird es im Zuge der demographischen Entwicklung und des strukturellen Wandels in Zukunft einen steigenden Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften geben.
Im Jahr 2007 sind lediglich 466 Personen nach § 19 AufenthaltsG nach Deutschland eingereist. Diese geringe Zahl belegt, dass Deutschland für hochqualifizierte Zuwanderer zu den jetzigen Bedingungen nicht attraktiv ist. Es sind deshalb erleichterte Arbeitsmarktzutrittsbedingungen für hochqualifizierte Zuwanderer nötig. Die von der Bundesregierung geplante Absenkung der Mindesteinkommensgrenze für Hochqualifizierte auf die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (63 600 Euro) ist zu gering.
Da insbesondere mittelständische Unternehmen nicht in der Lage sind, ihren Fachkräften derart hohe Gehälter zu zahlen, ist eine deutliche Absenkung der bisherigen Grenze auf das Doppelte des deutschen jährlichen nationalen Durchschnittseinkommens notwendig. Dies entspricht aktuell einem Wert von 53 400 Euro.
4. Zu Artikel 1 Nr. 4a - neu - (§ 21 Abs. 1 Satz 2 AufenthG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 4 folgende Nummer einzufügen:
- "4a. In § 21 Abs. 1 Satz 2 wird die Zahl "500.000" durch die Zahl "250.000" ersetzt."
Begründung
Die Tätigkeit selbständiger Unternehmer ist eine der tragenden Säulen für wirtschaftlichen Erfolg sowie für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland. Dies gilt auch im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit von Ausländern.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine Mindestinvestitionssumme von 500 000 Euro nach wie vor ein sehr ernst zu nehmendes Investitionshindernis für ausländische Existenzgründer darstellt. So liegt auch bei inländischen Existenzgründern die Investitionssumme in den allermeisten Fällen unter 250 000 Euro. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschlands und der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen ist deshalb die Mindestinvestitionssumme von 500 000 Euro auf 250 000 Euro zu reduzieren. So können unnötig hohe Hürden bei der Zuwanderung von Menschen, die sich hier eine berufliche Existenz aufbauen wollen, abgebaut werden. Wenn Zuwanderer in Deutschland Existenzen aufbauen, hat dies positive Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland. Das gilt insbesondere auch für die schwierige Beschäftigungslage von Menschen mit Migrationshintergrund, denn es ist zu erwarten, dass ausländische Existenzgründer überproportional Migrantinnen und Migranten einstellen.
Zum Gesetzentwurf allgemein
- 5. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf Maßnahmen plant, die die Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte stärken sollen. So ist zu begrüßen, dass die aufenthaltsrechtlichen Regelungen für Forscher verbessert und flexibler gestaltet werden sollen so dass eine Änderung des Forschungsvorhabens künftig nicht mehr zu einem Wegfall der Aufenthaltsberechtigung führen wird. Auch ist positiv hervorzuheben dass künftig Geduldeten, die über entsprechende Qualifikationen verfügen (Berufsausbildung oder Hochschulstudium) künftig die Möglichkeit eröffnet werden soll, dauerhaft in Deutschland zu arbeiten.
6. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat spricht sich für eine gezielte und passgenaue Steuerung der Zuwanderung von ausländischen Fachkräften entsprechend den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarkts aus. Dafür sollten die bestehenden Regelungen spätestens bis zum Jahr 2010 durch ein Punktesystem im Rahmen eines Vier-Säulenmodells nach dem Vorbild z.B. der Länder Kanada, Australien oder der USA ersetzt werden. Die Details eines entsprechenden Punktesystems zur Steuerung der Zuwanderung von ausländischen Fachkräften sollten durch eine Expertenkommission festgelegt und jährlich aktualisiert werden.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, umgehend mit der Vorbereitung eines entsprechenden Punktesystems unter Beteiligung der Länder zu beginnen.
- bei Annahme entfällt Ziffer 7
Begründung
Die absehbare demografische Entwicklung in Deutschland führt dazu, dass der Anteil des einheimischen Erwerbspersonenpotentials mittel- und langfristig stetig zurückgehen wird. Deutschland ist deshalb auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer angewiesen. Dabei sollte die Zuwanderung gemäß der konkreten Bedarfe des Arbeitsmarktes zielgerichtet gesteuert werden. Dies kann am besten durch ein Punktesystem geschehen. Auch die im Jahr 2001 von der Bundesregierung eingesetzte unabhängige Kommission "Zuwanderung" hatte sich für ein entsprechendes Modell einschließlich Punktesystem ausgesprochen.
Ziel eines Punktesystems muss es sein, die qualifizierte Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt quantitativ zu begrenzen und dabei zugleich die legitimen Interessen Deutschlands angemessen zu berücksichtigen und eine Auswahl von Zuwanderern zu ermöglichen.
Objektive - an einem Punktesystem orientierte Kriterien - ermöglichen eine gezielte Steuerung der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist ein Punktesystem nicht als zusätzliches Einwanderungsangebot, sondern in erster Linie als Lenkungsinstrument zu verstehen. Es ist insbesondere ein transparentes System, das für Zuwanderer und Unternehmen gleichermaßen eine zuverlässige Basis und berechenbare Rahmenbedingungen bietet.
Vorbild für die Einführung eines Punktesystems könnten die aktuellen Regelungen in den USA, Kanada, Australien oder Großbritannien sein.
- 7. Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit zusätzliche innovative Konzepte, wie beispielsweise ein Punktesystem für die Steuerung von Zuwanderung, ein Erfolg versprechendes Instrument sein könnte.
- entfällt bei Annahme von Ziffer 6
B.
- 8. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.