953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017
A
- 1. Der federführende Verkehrsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
Zu Artikel 3 Nummer 4 ( § 29a StVZO)
In Artikel 3 Nummer 4 ist § 29a wie folgt zu fassen:
"Die zur Durchführung von Hauptuntersuchungen oder Sicherheitsprüfungen nach § 29 berechtigten Personen sind verpflichtet, nach Abschluss einer Hauptuntersuchung oder einer Sicherheitsprüfung die in § 34 Absatz 1 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung genannten Daten an das Kraftfahrt-Bundesamt zur Speicherung im Zentralen Fahrzeugregister zu übermitteln. Darüber hinaus dürfen die zur Durchführung von Hauptuntersuchungen nach § 29 berechtigten Personen nach Abschluss einer Hauptuntersuchung die in § 34 Absatz 2 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung genannten Daten an das Kraftfahrt-Bundesamt zur Speicherung im Zentralen Fahrzeugregister übermitteln. Die jeweilige Übermittlung hat
- 1. bei verkehrsunsicheren Fahrzeugen nach Anlage VIII Nummer 3.1.4.4 oder 3.2.3.3 am selben Tag,
- 2. sonst unverzüglich, spätestens aber innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss der Hauptuntersuchung oder Sicherheitsprüfung zu erfolgen."
Begründung:
Die Übermittlung der HU- bzw. SP-Daten bei verkehrsunsicheren Fahrzeugen an die Zulassungsbehörden hat bereits nach bisherigem Recht unverzüglich zu erfolgen. Da die Zulassungsbehörden bei Kenntnis der Verkehrsunsicherheit Maßnahmen nach § 5 Absatz 1 und 2 FZV zu veranlassen haben, wäre eine nach der Verordnung vorgesehene einheitliche Meldefrist an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) von maximal zwei Wochen nicht zielführend. Es ist daher eine differenzierte Frist vorzusehen. Dabei sind auch die HU- und SP-Daten - sofern sie keine verkehrsunsicheren Fahrzeuge betreffen- ohne schuldhaftes Zögern zu übermitteln. Die Zwei-Wochenfrist gibt insoweit nur einen maximal zulässigen Rahmen bei besonderen Umständen vor. Im Übrigen entspricht die im neuen Satz 3 aufgeführte Regelung weitestgehend einer entsprechenden Regelung in Nummer 8.3.1 der Anlage 3 des Entwurfs einer Verordnung über die regelmäßige technische Untersuchung von Fahrzeugen und bestimmter Fahrzeugeinrichtungen und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften.
B
- 2. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
C
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
- 3.
- a) Der Bundesrat hält es angesichts der weiterhin in vielen Ballungsräumen zu hohen Stickstoffdioxid-Belastungen, des diesbezüglich eingeleiteten EUVertragsverletzungsverfahrens und der im Zusammenhang mit der Abgasthematik aufgedeckten Überwachungsdefizite für erforderlich, eine umfassende und dauerhafte Überprüfung der Emissionen von Kraftfahrzeugen sicherzustellen. Der Bundesrat bedauert, dass seine Forderung, die in der Vergangenheit durch Felduntersuchungen des Umweltbundesamtes praktizierten Emissionstests im Kfz-Bestand wieder einzuführen, bisher nicht umgesetzt wurde. Er sieht die dringende Notwendigkeit einer herstellerunabhängigen, verbindlichen, regelmäßigen Nachkontrolle des Emissionsverhaltens im Verkehr befindlicher Fahrzeuge. Er begrüßt insofern, dass mit der vorgelegten Verordnung die rechtliche Grundlage für eine verursachergerechte und kostendeckende Finanzierung von regelmäßigen Felduntersuchungen in Betrieb befindlicher Fahrzeuge (Emissionsmessungen und Prüfungen auf übrige Regelkonformität) geschaffen werden soll.
- b) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der vorgesehenen Untersuchungen nicht nur die Vorschriftenkonformität der Fahrzeuge zu überprüfen, sondern auch sicherzustellen, dass die Fahrzeuge dauerhaft niedrige Emissionen haben.
- c) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Ergebnisse der KBAUntersuchungen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
In vielen Ballungsräumen wird der zum Schutz der Gesundheit auf EU-Ebene festgelegte Grenzwert für Stickstoffdioxid noch immer nicht eingehalten. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, nicht zuletzt auch mit Blick auf das diesbezüglich gegen Deutschland laufende EU-Vertragsverletzungsverfahren. Für die erhöhten Belastungen sind vor allem die zu hohen Emissionen von Diesel-Fahrzeugen verantwortlich.
Der Forderung des Bundesrates, bis zur Umsetzung des neuen Typgenehmigungsrahmens und einer wirksamen Marktüberwachung die in der Vergangenheit durch Felduntersuchungen des Umweltbundesamtes praktizierten Emissionstests im Kfz-Bestand wieder einzuführen, wurde bisher nicht nachgekommen (BR-Drucksache 049/16(B) -, Ziffer 28).
Die Bedeutung einer umfassenden herstellerunabhängigen und dauerhaften Überwachung und Kontrolle des Emissionsverhaltens der Fahrzeuge wurde aktuell durch die Erkenntnisse aus dem Abgasskandal eindringlich verdeutlicht. Es gilt hier nicht nur, die Vorschriftenkonformität der Fahrzeuge zu überprüfen, sondern auch sicherzustellen, dass die Fahrzeuge dauerhaft niedrige Emissionen haben. Nur so kann gewährleistet werden, dass durch die Wirkung der Emissionsminderungssysteme der Fahrzeuge die zur Einhaltung der Luftschadstoffgrenzwerte erforderlichen und im Rahmen der Luftreinhalteplanung in Ansatz gebrachten Belastungsminderungen erreicht werden.
Die Ergebnisse der Untersuchungen müssen öffentlich bekannt gemacht werden, denn nur so kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in funktionierende Kontroll- und Überwachungssysteme zur Sicherstellung der Qualität der Fahrzeuge wieder gewonnen werden.
- 4.
- a) Der Bundesrat nimmt mit Sorge die aktuelle Meldungen in den Medien zur Kenntnis, die nahelegen, dass mit einem sehr preiswert erhältlichen und leicht einbaubaren Bauteil die On-Board-Diagnose-Systeme moderner Euro V und VI - Lkw manipuliert und damit die Stickoxidfiltersysteme abgeschaltet werden können, um das für das Funktionieren der Filtersysteme erforderlich AdBlue (Harnstofflösung) einzusparen. Durch diese nicht nur in Einzelfällen vor allem bei ausländischen Lkw vorgenommenen rechtswidrigen Eingriffe fallen die Fahrzeuge emissionsseitig auf den mehr als 20 Jahre alten Euro I - Standard zurück, wodurch nicht nur die Umwelt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Fuhrgewerbes gefährdet und Mauteinnahmen verloren gehen.
- b) Weiterhin stellt der Bundesrat mit Bedauern fest, dass der in Deutschland praktizierte und in der "Verordnung über technische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf der Straße" festgelegte Umfang der Unterwegskontrollen nicht ausreicht, um die vorgenannten Mängel und Manipulationen am Stickoxidfiltersystem eines modernen Lkw feststellen zu können. Der Bundesrat weist daraufhin, dass die EU-Richtlinie über Unterwegskontrollen bei Nutzfahrzeugen, die Mindestanforderungen für die Überprüfung von Lkw festlegt, bereits 2014 neugefasst und bisher noch nicht in deutsches Recht umgesetzt ist. Auch wenn sie bislang noch keine Funktionsprüfung von NOx-Abgasfiltersystemen auf der Basis von Abgasmessungen enthält, sieht sie doch verstärkte Sichtprüfungen auch der Stickoxidfiltersysteme bei Lkw vor.
- c) Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, schnellstmöglich einen Vorschlag für eine Umsetzung der Richtlinie 2014/47/EU in deutsches Recht vorzulegen und in dem Zusammenhang wirksame Methoden für die Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Abgasminderungssysteme von schweren LKW im Rahmen von Unterwegskontrollen zu entwickeln, diese in Kombination mit wirksamen Sanktionen in die nationale Rechtsumsetzung aufzunehmen und die diesbezüglichen Unterwegskontrollen alsbald entsprechend zu intensivieren.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
In den letzten Tagen wurde bekannt, dass insbesondere von osteuropäischen Herstellern kleine Geräte für weniger als 100 Euro angeboten werden, die leicht mit der Bordelektronik moderner Lkw der Euro V/VI - Abgasnorm verbunden und dadurch die Einspritzung von AdBlue (Harnstoff) in den Katalysator zur Minderung von Stickoxiden abgeschaltet werden kann. Normalerweise würde bei fehlendem AdBlue die Leistung des Motors gedrosselt. Diese Drosselung wird durch die regelwidrige Manipulation umgangen, so dass das Fahrzeug auch ohne funktionierende Abgasfilterung weiterhin in vollem Umfang genutzt werden kann.
Die Kostenersparnis beträgt mehrere 1 000 Euro im Jahr, so dass auch angesichts des geringen finanziellen und technischen Aufwandes anzunehmen ist, dass es sich bei den Manipulationen hier nicht um einen Einzelfall handelt. Die Fahrzeuge fallen emissionsseitig auf den mehr als 20 Jahre alten Euro I - Standard zurück, wodurch nicht nur die Umwelt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Fuhrgewerbes gefährdet wird. Zudem wird der Mautrabatt für emissionsarme Lkw ungerechtfertigt in Anspruch genommen. Im Gegensatz zum Nachbarland Polen, wo bei Unterwegskontrollen offenbar gezielt und anscheinend erfolgreich nach den manipulativen Bauteilen gesucht wird, sind Überprüfungen der Stickoxidabgasfilter in Deutschland gemäß der hiesigen "Verordnung über technische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf der Straße" (TechKontrollV) kaum vorgesehen. Die ihr zugrundeliegende EU-Richtlinie 2014/47/EU ist jedoch neu gefasst worden und verlangt zukünftig als Mindestanforderung immerhin eine Sichtprüfung des AdBlue-Tanks und somit einer wichtigen Komponente der Abgasminderungsanlage für Lkw. Auch wenn die neue Richtlinie bislang noch keine Funktionsprüfung von NOx-Abgasfiltersystemen auf der Basis von Abgasmessungen enthält, würde es für die Aufdeckung der Manipulationen hilfreich sein, sie schnell in deutsches Recht umzusetzen. Dabei sollte die Bundesregierung wirksame Methoden für die Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Abgasminderungssysteme von schweren LKW im Rahmen von Unterwegskontrollen entwickeln und diese in Kombination mit wirksamen Sanktionen in die nationale Rechtsumsetzung aufnehmen, damit baldmöglichst wirksame Unterwegskontrollen durchgeführt und die Manipulationen aufgedeckt und geahndet werden können.