A. Problem und Ziel
- § 397a der Strafprozessordnung gewährt den Opfern bestimmter Delikte mit besonders schweren Folgen die Möglichkeit, ihre Interessen im Strafverfahren unabhängig von den wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe anwaltlich vertreten zu lassen. Damit entfällt das Risiko des nicht prozesskostenhilfeberechtigten Nebenklägers, einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Angeklagten möglicherweise wirtschaftlich nicht realisieren zu können (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 50. Aufl., 2006, § 397a Rnr. 2). Die Einräumung des Rechts auf Bestellung eines anwaltlichen Beistandes in den von § 397a StPO erfassten Fällen folgt aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der staatlichen Organe, die Grundrechte von Verletzten zu schützen und zu fördern und die aktive und justizförmige Durchsetzung ihrer Interessen auch im Strafverfahren zu ermöglichen.
- Von § 397a StPO erfasst sind derzeit die folgenden Fallkonstellationen:
- - Opfer rechtswidriger Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß den §§ 174 bis 174c, 176 bis 181a und 182 StGB (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StPO), soweit es sich um Verbrechen handelt,
- - Opfer versuchter rechtswidriger Taten nach den §§ 211 und 212 StGB (§ 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO),
- - nebenklageberechtigte Hinterbliebene eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO),
- - Opfer rechtswidriger Taten gemäß den §§ 232 bis 233a StGB, die ein Verbrechen sind,
- - Opfer unter 16 Jahren oder solche, die ersichtlich außer Stande sind, ihre Interessen selbst ausreichend wahrzunehmen auch dann, wenn die oben genannten rechtswidrigen Taten Vergehen sind oder es sich um eine Tat nach § 225 StGB handelt.
- Opfer einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 StGB, eines erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a StGB oder einer Geiselnahme gemäß § 239b StGB haben trotz oftmals lebenslanger Traumatisierung oder Verletzungsfolgen bisher nicht die Möglichkeit, ihre Interessen in einem Strafverfahren ohne wirtschaftliches Risiko von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Dieser Zustand ist mit Blick auf die staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Opfern von Straftaten weitgehende Hilfen zuteil kommen zu lassen, unbefriedigend. Auch viele Opferschutzverbände treten deshalb für eine Erweiterung des § 397a StPO um die Fälle der §§ 226, 239a und 239b StGB ein.
B. Lösung
- Zur Lösung des Problems schlägt der Gesetzentwurf die Aufnahme der §§ 226, 239a und 239b StGB in den Katalog der in § 397a StPO genannten Taten vor.
C. Alternativen
- Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Bund
Keine
- 2. Länder
Entstehende Kosten sind nicht quantifizierbar. Angesichts der geringen Fallzahlen dürfte es zu keinen erheblichen Auswirkungen auf die Haushaltskosten der Länder kommen. Bundesweit hat es im Jahr 2005 wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 226 StGB 126 Aburteilungen und wegen erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahme gemäß den §§ 239a, 239b StGB 191 Aburteilungen gegeben.
E. Sonstige Kosten
- Keine
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess
Der Bundesrat hat in seiner 838. Sitzung am 9. November 2007 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess
Vom ...
Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung
In § 397a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach der Angabe "§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a" die Wörter ", c im Fall des § 226 des Strafgesetzbuches, Buchstabe d in den Fällen der §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches" eingefügt.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeines
I. Zielsetzung des Entwurfs
Mit einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 StGB sind in der Regel gravierende und lebenslange Verletzungsfolgen verbunden - seien es der Verlust des Augenlichtes, von Gliedmaßen oder andere schwere körperliche Behinderungen. Auch in den Fällen der §§ 239a, 239b StGB leiden die Opfer oftmals lebenslang unter den Folgen der Traumatisierung. Während der Täter in diesen Fällen in der Regel durch einen Pflichtverteidiger vertreten sein wird, hat das nebenklageberechtigte Opfer bislang nicht die Möglichkeit, von vornherein auf einen (kostenlosen) anwaltlichen Beistand zurückzugreifen. Soweit es nicht prozesskostenhilfeberechtigt ist, trägt das Opfer die Kosten seines Beistandes selbst und kann nur - häufig vergeblich - versuchen, seine insoweit entstandenen Aufwendungen im Wege des Schadenersatzes vom Täter wiederzuerlangen. Angesichts der beschriebenen Folgen einer solchen Tat für das Opfer ist es im Interesse praktizierten Opferschutzes dringend geboten, die Kosten der berechtigten Nebenklagevertretung aufzufangen.
Bundesweit hat es im Jahr 2005 wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 226 StGB 126 Aburteilungen und wegen erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahme gemäß den §§ 239a, 239b StGB 191 Aburteilungen gegeben. Es handelt sich damit um relativ seltene Fälle. Die Schwere der Tatfolgen macht jedoch staatliche Hilfe im Interesse der Verwirklichung eines effektiven Opferschutzes im Strafverfahren erforderlich.
II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.
III. Auswirkungen
Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind nicht zu erwarten. Für die Länderhaushalte werden nicht quantifizierbare Kosten entstehen. Angesichts der geringen (statistischen) Fallzahlen (s.o.) ist jedoch nicht mit erheblichen Mehrbelastungen zu rechnen.
Die vorgesehenen Gesetzesänderungen belasten die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt sind nicht zu erwarten.
Der Entwurf unterscheidet rechtlich nicht zwischen Frauen und Männern. Auch in seiner praktischen Anwendung sind keine unterschiedlichen Auswirkungen zu erwarten.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)
Die Vorschrift regelt die Aufnahme der §§ 226, 239a und 239b StGB als Katalogtaten in den § 397a StPO durch eine entsprechende Ergänzung in Absatz 1 Satz 1.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.