Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich
(KEG)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich (KEG)

Der Bundesrat hat in seiner 805. Sitzung am 5. November 2004 beschlossen, den

beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage

Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich (KEG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Inhaltsübersicht

Artikel 1 Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch

Artikel 2 Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch

Artikel 3 Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch

Artikel 4 Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch

Artikel 5 Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch

Artikel 6 Inkrafttreten

Artikel 1 Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch

Das Achte Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546), zuletzt geändert durch..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2 Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch

Das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch..., wird wie folgt geändert:

a) Änderung des Artikels 1

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - Artikel 1 wird wie folgt geändert:

b) Änderung des Artikels 4

Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -

In Artikel 4 Nr. 7 Buchstabe a werden in § 264 Abs. 2 Satz 1 die Wörter "und Fünften" gestrichen.

Artikel 3 Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -

§ 33 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Nach Satz 2 werden die Sätze 3 bis 5 angefügt:

Artikel 4 Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -

Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 5 Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung -

§ 85 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1015) zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

In Absatz 6 Satz 3 werden nach dem Wort "weiter" die Wörter "für längstens sechs Monate" eingefügt.

Artikel 6 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf den Tag der Verkündigung folgenden vierten Monats in Kraft. Abweichend davon treten Artikel 1 Nr. 26 Buchstabe a und Artikel 1 Nr. 29 des Gesetzes am 1. Januar 2007 in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Eine möglichst breite und konstruktive Zusammenarbeit mit den kommunalen Gebietskörperschaften ist die Grundlage für eine ebenso qualitativ hochwertige wie kostenbewusste Erbringung sozialer Leistungen durch die Gebietskörperschaften.

Angesichts der dramatischen Finanzsituation der Kommunen besteht aktuell besonderer Handlungsbedarf. Allein die Ausgaben für die Jugendhilfe sind seit Inkrafttreten des SGB VIII (1. Januar 1991) enorm gestiegen. Im gesamten Bundesgebiet ist ein Anstieg der Jugendhilfeausgaben von rund 14,3 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf rund 20,2 Milliarden Euro im Jahr 2002 zu verzeichnen (letzter aktueller verfügbarer Stand der Statistik).

Auch die Ausgaben im Sozialhilfebereich sind in den letzten Jahren stetig weiter gewachsen: So stiegen die Nettoausgaben von 20,28 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf 21,914 Milliarden Euro im Jahr 2002. Ab dem Jahr 2003 wird die Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe zum Teil durch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ersetzt, durch die den Kommunen zusätzliche finanzielle und bürokratische Lasten aufgebürdet wurden; der Bund leistet hierfür lediglich einen Teilausgleich.

Die Diskussion hat gegenwärtig vor allem durch die Spar- und Konsolidierungszwänge der öffentlichen Hand an Schärfe gewonnen. Bereits seit längerem führen die Kommunalen Spitzenverbände die Klage, dass vor allem für die im eigenen Wirkungskreis der Kommunen angesiedelte Kinder- und Jugendhilfe Rechtsansprüche durch Bundesgesetz geregelt worden sind, ohne eine adäquate Finanzausstattung sicherzustellen. Die Kommunen fordern deshalb, das Achte Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - und das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - auf den Prüfstand zu bringen. Ziel ist es, insbesondere bei einigen kostenträchtigen Leistungen eine weitere Kostenbelastung der Kommunen zu vermeiden oder wenigstens deutlich einzudämmen.

Mit dem Gesetzentwurf wird die nachhaltige Wahrnehmung der Aufgaben durch die Kommunen gesichert. Insbesondere wird bei einigen Leistungen eine ziel- und zweckgerichtetere Leistungsgewährung ermöglicht und dadurch eine weitere Belastung der Kommunen vermieden oder zumindest deutlich eingedämmt. Außerdem werden bürokratische Hemmnisse weiter abgebaut, Länderkompetenzen gestärkt bzw. zurückgeholt sowie durch Deregulierungsmaßnahmen der Vollzug optimiert.

Die Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs beinhalten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe:

Die Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs beinhalten im Bereich des Sozialhilferechts:

Die Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs beinhalten im Bereich des Ersten Buches Sozialgesetzbuch die Einfügung einer generellen Finanzkraftklausel, gültig für alle Bücher des Sozialgesetzbuches.

Die Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs beinhalten im Bereich des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch eine Schärfung der Generalklauseln für die Missbrauchskontrolle.

Die Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs beinhalten im Bereich des Elften Buches Sozialgesetzbuch:

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch)

Zu Nummer 1

Redaktionelle Änderung der Inhaltsübersicht.

Zu Nummer 2 (§ 2)

Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 3 (§ 5)

Die bisherige Regelung des Wunsch- und Wahlrechtes hat die Jugendhilfeetats der Kommunen erheblich belastet. Mit dem Wegfall des Wortes "unverhältnismäßig" muss der Wahl und den Wünschen dann nicht mehr entsprochen werden, wenn diese Mehrkosten zur Folge haben. Auch entfallen künftig verwaltungsaufwändige Vergleichsberechnungen.

Zu Nummer 4 (§ 10)

Die Neufassung der Vorschrift dient der gesetzlichen Betonung des bestehenden Nachranges gegenüber der Verpflichtung zur Selbsthilfe, gegenüber Unterhaltsverpflichteten und gegenüber anderen Sozialleistungen.

Zu Nummern 5 bis 7 (Überschrift Vierter Abschnitt des Zweiten Kapitels, § 27, Überschrift zweiter Unterabschnitt)

Folgeänderungen aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 8 (§ 35)

Die intensivsozialpädagogische Einzelbetreuung für schwer dissoziale und delinquente Kinder und Jugendliche wird häufig im Ausland angeboten. Bei den so genannten Stand- und Reiseprojekten sind deutliche Fehlentwicklungen feststellbar. Die Maßnahmen werden zum Teil als ultimatives

Krisenmanagement angeboten und gewinnträchtig vermarktet. Deshalb werden Auslandsprojekte als schnelle Lösung für extreme Problemfälle genutzt, in der Erwartung, dass die betreffenden jungen Menschen geläutert zurückkommen. Fälschlicherweise werden sie dabei nicht selten als einzig sinnvolle Alternative, etwa zur geschlossenen Heimerziehung, interpretiert. Für eine auf die individuellen Bedürfnisse von Jugendlichen abgestimmte intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung sind Auslandsmaßnahmen nicht zwingend erforderlich. Den Bürgerinnen und Bürgern ist es angesichts zwingender und notwendiger Sparmaßnahmen nicht darstellbar, dass hierfür von der öffentlichen Hand Finanzmittel bereitgestellt werden.

Im Übrigen ist die Qualitätskontrolle im Ausland wesentlich erschwert; die Ausübung des staatlichen Wächteramtes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen kann dort nicht gewährleistet werden.

Zu Nummer 9 (§ 35a)

Aus Gründen der Gleichbehandlung sowie zur Vermeidung von Abgrenzungs- und Zuständigkeitsproblemen ist es im Interesse der jungen Menschen mit seelischen Behinderungen geboten, die Sonderzuständigkeit der Jugendhilfeträger für diese Zielgruppe aufzuheben und ihnen - ebenso wie den körperlich und geistig behinderten Kindern und Jugendlichen - künftig wieder Eingliederungshilfe durch die Sozialhilfeträger zu gewähren (§§ 53 ff. Zwölftes Buch). Die Reintegration in die Sozialhilfe bietet für die Betroffenen wesentliche Vorteile. Die Eingliederungshilfe wird als Komplexleistung gewährt, das heißt, dass die Leistungsempfänger alle nötigen Hilfen aus "einer Hand" erhalten und insbesondere bei Mehrfachbehinderungen nicht auf die Antragstellung bei verschiedenen Leistungsträgern angewiesen sind. Zudem werden die Entscheidungsprozesse konzentriert und sind für den Hilfeempfänger transparenter. Die Befassung nur eines Leistungsträgers dient auch der Verwaltungsvereinfachung.

Die so genannte "große Lösung", der Versuch, mit Einführung des § 35a in das SGB VIII als erster Schritt, die einheitliche Teilhabe aller jungen Menschen mit Behinderungen unter dem Dach der Jugendhilfe zu organisieren, muss in Kenntnis der Jugendhilfepraxis seit 1995 als gescheitert angesehen werden. Es gibt nach wie vor erhebliche Vollzugsprobleme in der Praxis. Sowohl die Bedarfsermittlung als auch die Entscheidung über notwendige und geeignete Hilfsangebote, einschließlich der Beurteilung der Eignung von leistungserbringenden Fachkräften, Diensten und Einrichtungen, aber auch im Hinblick auf die Hilfeplanung und Finanzierungsfragen, konnten bis heute nicht zufrieden stellend gelöst werden.

§ 35a SGB VIII sprengt zudem die Logik, Systematik und die Strukturmaximen des SGB VIII. Vom Selbstverständnis her war und ist das Achte Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - ein Erziehungsgesetz, das bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 35a SGB VIII in sich stimmig war. Ansatz des SGB VIII ist, die Entstehung und Lösung von Problemen des Aufwachsens, der Erziehung und der Entwicklung junger Menschen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit als multifaktorielle Erziehungs- und Entwicklungsbedingungen zu sehen. Mit der Schaffung des § 35a SGB VIII wurde dieser im SGB VIII erkämpfte und erreichte systematische Ansatz durchbrochen und zurückgenommen. Darüber hinaus wurde mit dem § 35a SGB VIII allein für die Gruppe der seelisch behinderten jungen Menschen ein individueller Rechtsanspruch eröffnet, während im übrigen SGB VIII - dem Gesamtkonzept des Gesetzes entsprechend - immer die Eltern bzw. die Personensorgeberechtigten leistungsberechtigt sind.

Um den Systembruch zu beenden und die Gleichbehandlung aller jungen Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, wird § 35a SGB VIII ersatzlos gestrichen.

Zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen bei gleichzeitiger Gewährung von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII werden entsprechende Regelungen getroffen.

Zu Nummer 10 (Überschrift Dritter Unterabschnitt des Vierten Abschnitts des Zweiten Kapitels)

Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 11 (§ 36 Abs. 1)

Folgeänderung aufgrund Nummer 3.

Zu Nummer 12 (§ 36 Abs. 3)

Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 13 (§ 36a)

Die Leistungen nach dem SGB VIII werden zum überwiegenden Teil nicht von dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe, sondern von dem Träger der freien Jugendhilfe erbracht. Gleichwohl richtet sich die gesetzliche Leistungsverpflichtung ausschließlich an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Das auf der Grundlage des SGB VIII bereit gehaltene Instrumentarium beinhaltet insbesondere im Bereich der Hilfe zur Erziehung ein an den unterschiedlichen Lebenslagen von Familien orientiertes System von beratenden und unterstützenden Leistungen. Es entspricht nicht der Aufgabe des öffentlichen Jugendhilfeträgers, nur Kostenträger und nicht zugleich Leistungsträger zu sein.

Die Übernahme der Kosten einer selbst beschafften Hilfemaßnahme ist entsprechend der jugendhilferechtlichen Zielsetzung partnerschaftlicher Hilfe unter Achtung familiärer Autonomie nur möglich, wenn vom öffentlichen Jugendhilfeträger das Vorliegen der Voraussetzungen (Notwendigkeit und Geeignetheit) für die Hilfegewährung (nachträglich) festgestellt wird. Der Wahl und den Wünschen der Leistungsberechtigten ist zu entsprechen, sofern sie nicht mit Mehrkosten verbunden sind (vergleiche § 5).

Zu den Nummern 14 bis 16 (§§ 37, 39 und 40)

Folgeänderungen aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 17 (§ 41)

Bisher können junge Volljährige auch noch nach Vollendung des 18. Lebensjahres - in Extremfällen sogar bis Ende des 27. Lebensjahres - erstmals Jugendhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Die Hilfegewährung für junge Volljährige berücksichtigt vor allem die Tatsache, dass die individuelle

Persönlichkeitsentwicklung von der abstrakt juristisch bestimmten Volljährigkeit abweicht. Jugendhilfeleistungen für über 21-Jährige sollten aber auch nach dem Willen des Gesetzgebers nach § 41 a. F. die Ausnahme sein. In der Praxis hat sich dies jedoch zum Regelfall umgekehrt. Folge hiervon sind massive Abgrenzungsprobleme und Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Jugend- und Sozialhilfe sowie erhebliche Reibungsverluste durch einen entsprechend hohen Verwaltungsaufwand und zum Teil Mitnahmeeffekte. Jugendämter vertreten zudem die Auffassung, dass nach Eintritt der Volljährigkeit die erzieherischen Methoden der Jugendhilfe weniger erfolgversprechend sind, insbesondere, wenn die Hilfe erst nach Volljährigkeit beginnt.

Durch die Neufassung wird erreicht, dass bei jungen Volljährigen nur begonnene Jugendhilfeleistungen fortgesetzt werden (keine Ersthilfe für junge Volljährige mehr) und die Leistungen der Jugendhilfe spätestens mit Vollendung des 21. Lebensjahres beendet sind. Notwendige Hilfe zur Selbsthilfe kann jungen Volljährigen effektiv auch durch moderne und qualifizierte Ansätze der Sozialhilfe (ggf. in Verbindung mit arbeitsfördernden Maßnahmen, z.B. "Arbeit statt Sozialhilfe"), Wohnungsvermittlung oder Schuldnerberatung ohne personalkostenintensiven pädagogischen Einsatz von Jugendhilfefachkräften angeboten werden.

Die gesellschaftliche Integration junger Menschen sowie die Entfaltung ihrer Persönlichkeit erfolgt zu wesentlichen Teilen im Rahmen schulischer oder beruflicher Ausbildung. Durch die Bindung der Hilfegewährung an eine schulische oder berufliche Ausbildung wird sichergestellt, dass der junge Volljährige die Zeit der Hilfegewährung sinnvoll nutzt, um in der Zukunft ein eigenständiges Leben führen zu können. Die erzieherische Leitlinie des Gesetzes wird betont. Im Sinne des aktivierenden Sozialstaates entspricht die Neuregelung dem Grundsatz des "Förderns und Forderns".

Zu Nummer 18 (§ 44)

Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 19 (§ 50a)

§ 50 Abs. 3 SGB VIII räumt dem Jugendamt einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Frage ein, ob es zur Abwendung einer Gefährdung des Wohls des Kindes ein Tätigwerden des Gerichts für erforderlich hält. In der Praxis ist eine Zurückhaltung der Jugendämter bei der Anrufung der Familiengerichte zu erkennen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass mit Blick auf das Elternrecht ( Artikel 6 des Grundgesetzes) die Schwelle für Eingriffe in die elterliche Sorge in § 1666 BGB vom Gesetzgeber hoch angesetzt wurde.

Mit Blick sowohl auf die Fälle der Kindesmisshandlung bzw. Kindesvernachlässigung, bei denen Kinder schwerst geschädigt oder getötet wurden, als auch auf die Ereignisse, in denen Kinder und Jugendliche durch besonders aggressives und gewalttätiges Verhalten sich selbst und auch andere gefährdet haben, soll das staatliche Wächteramt bzw. der Schutzauftrag der Jugendämter gesetzlich stärker betont werden. Diese sind nicht ausschließlich Dienstleistungsbehörden.

Neu eingeführt werden die Verpflichtung der Personensorgeberechtigten zur Erteilung der notwendigen Auskünfte gegenüber dem Jugendamt und die gesetzliche Festschreibung der Intervention des Jugendamtes bis hin zur Anrufung des Familiengerichts als "Muss-Vorschrift". Ferner wird auf die in der Praxis unumgängliche Notwendigkeit der Weitergabe von Informationen der Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, hingewiesen, damit Jugendämtern auch die notwendigen Erkenntnisse zufließen und sie ihrem Schutzauftrag gerecht werden können.

Die neue Vorschrift des § 50a SGB VIII soll damit zum einen ein praxisgerechtes Instrument zur Früherkennung von Erziehungsdefiziten und Hilfebedarf darstellen, zum anderen auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität durch eine möglichst frühzeitige Einwirkung auf gefährdete Jugendliche leisten.

Eine Klärung, ob das Wohl des Kindes oder Jugendlichen gefährdet ist und ob ein entsprechender Hilfebedarf besteht, ist dem Jugendamt oft nur bei einem Gespräch mit den Eltern möglich. Die Regelung sieht deshalb vor, dass das Jugendamt die Eltern befragen darf und diese zur Auskunftserteilung verpflichtet sind. Zeichnet sich im Rahmen des Gesprächs ein Jugendhilfebedarf ab, muss das Jugendamt entsprechende Beratung und sonstige Leistungen anbieten. Sind die Eltern bzw. Personensorgeberechtigten nicht bereit, hiervon Gebrauch zu machen und ihrer Erziehungsverantwortung nachzukommen, hat das Jugendamt das Familiengericht anzurufen.

Was unter dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu verstehen ist, wurde bislang nicht eindeutig definiert. Die Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs mit einer nicht abschließenden Aufzählung von Beispielfällen soll dazu beitragen, dass Jugendämter früh und vor allem rechtzeitig auf den Plan treten.

Zu Nummer 20 (§ 65)

Das Wohl der Kinder und Jugendlichen erfordert eine zeitnahe Datenweitergabe innerhalb des Jugendamtes aufgrund seines in Artikel 6 des Grundgesetzes festgeschriebenen staatlichen Wächteramtes und der damit im Zusammenhang stehenden Garantenstellung. Datenschutz darf hier nicht zu Reibungsverlusten bzw. zur Erschwernis der Zusammenarbeit innerhalb eines Jugendamtes führen. Der neu einzufügende Absatz 1a stellt klar, dass Daten, die mitgeteilt worden sind, um eine Sach- und Geldleistung zu erhalten, "nicht anvertraut" sind und damit nicht dem besonderen Schutz nach § 65 SGB VIII unterliegen. Da in der Praxis große Unsicherheit hinsichtlich Auslegung und Anwendung der Vorschrift herrscht, führt die entsprechende Änderung außerdem zu mehr Rechtssicherheit und einer stärkeren Verwaltungsvereinfachung.

Zu Nummer 21 Buchstabe a (§ 69 Abs. 1)

Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Jugendhilfe ist zwingend vorgeschrieben. Es besteht zur Zeit keine Möglichkeit des Landesgesetzgebers, abweichende Zuständigkeitsregelungen zu treffen, die die Zuständigkeit des örtlichen Trägers vorsehen, obwohl dies unter dem Gesichtspunkt ortsnaher, effizienter Aufgabenwahrnehmung (z.B. bei Kindertagesstätten) sachgerecht sein könnte. Mit der Öffnungsklausel soll den Ländern der erforderliche Spielraum für mögliche Verlagerungsentscheidungen eröffnet werden.

Zu Nummer 21 Buchstabe b (§ 69 Abs. 6)

Die Regelung eröffnet den Ländern die Möglichkeit, den gewachsenen Strukturen Rechnung zu tragen und den Gemeinden im örtlichen Bereich eine selbständige Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen. Davon unberührt bleibt die Planungshoheit des örtlichen Trägers der Jugendhilfe (vgl. auch Kammerbeschluss des BVerfG vom 15. November 1993, Az 2 BvR 1199/91).

Zu Nummer 22 (§ 78a)

Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 23 (§ 80 Abs. 2a - neu -)

Jugendhilfeplanung ist gerade im Hinblick auf ihre kostendämpfende Wirkung eines der zentralen Steuerungsinstrumente für die Jugendämter. Ziel ist, durch ein kompatibles Netz an Jugendhilfeleistungen Synergieeffekte zu nutzen, Fehlinvestitionen zu vermeiden und letztendlich den jungen Menschen und ihren Familien im Einzelfall rasch und zielgerichtet zu helfen.

In der Praxis wird örtliche Jugendhilfeplanung allerdings noch sehr unterschiedlich umgesetzt. Zum Teil fehlt es an systematischen und kontinuierlichen Planungsprozessen, auch den Aspekten wie Qualität, Wirtschaftlichkeit und Effektivität wird nicht immer Rechnung getragen, veraltete Statistiken und "Datenfriedhöfe" sind mancherorts keine Seltenheit.

Durch die gesetzliche Klarstellung der Notwendigkeit einer regelmäßigen Fortschreibung der Jugendhilfeplanung in Absatz 2a soll die Kontinuität der Jugendhilfeplanung in der Praxis verbessert werden, die Prozesshaftigkeit und Aktualität betont und dem Prinzip der Nachhaltigkeit stärker als bislang Rechnung getragen werden.

Zu Nummer 24 (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 und 5)

Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 25 (§ 85 Abs. 4 Satz 2)

Für die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung wird durch die derzeitige Rechtslage eine zielführende und effektive Bündelung der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der staatlichen Aufsicht vereitelt. Die bundesrechtlichen Schranken führen z.B. in Bayern zu dem absurden Ergebnis, dass altersgemischte Einrichtungen (Kindergarten, Hort, Netz für Kinder und Krippe unter einem Dach) teilweise von den Jugendämtern und von den Regierungen gleichzeitig beaufsichtigt werden. Durch Landesrechtsvorbehalt soll für die Länder die Möglichkeit geschaffen werden, die bislang zum Teil noch überregional bzw. zentral angesiedelte staatliche Aufsicht und die Aufgabenwahrnehmung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung auf die orts- und sachnähere Ebene der Kreisverwaltungsbehörden zu delegieren bzw. die Aufsicht dezentral anzusiedeln.

Zu Nummer 26 (§ 86 Abs. 6 und 7 - neu -)

Das Regelungswerk der örtlichen Zuständigkeiten im SGB VIII ist äußerst kompliziert, verwaltungsaufwändig und fehleranfällig. Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass Jugendhilfeleistungen oft wegen Zuständigkeitswechsel abgebrochen werden. Die Verbindung zwischen Personensorgeberechtigten und dem ursprünglich Hilfe gewährenden Jugendamt wird gekappt und muss mit dem nunmehr zuständig gewordenen Jugendamt vollständig neu aufgebaut werden. "Jugendhilfekarrieren" gilt es jedoch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu vermeiden.

Den Ländern soll in Absatz 7 die Möglichkeit der Einführung einer statischen Zuständigkeitsregelung innerhalb des jeweiligen landesrechtlichen Geltungsbereichs ermöglicht werden, d.h. die einmal begründete Zuständigkeit eines Jugendamtes bleibt bis zur Beendigung einer konkreten Leistung bzw. Maßnahme erhalten. Auch der Wegfall der Sonderzuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII a. F. führt dazu, die derzeitigen Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit erheblich zu vereinfachen und die fachliche Kontinuität zu wahren. Den Kommunen muss hier jedoch die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Deshalb sieht der Gesetzentwurf in Artikel 6 die Aufhebung des § 86 Abs. 6 SGB VIII erst zum 1. Januar 2007 vor.

Zu den Nummern 27 bis 28 (§§ 86a und 86b)

Folgeänderungen aufgrund Nummer 9.

Zu Nummer 29 (§ 89a)

Folgeänderung aufgrund Nummer 26.

Zu Nummer 30 (§ 89e Abs. 1 Satz 2 - neu -)

§ 89e dient dem Schutz der Einrichtungsorte. Dieser Schutz wird gewährt, wenn die Person, nach der sich die örtliche Zuständigkeit richtet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen Wohnform begründet. Die Regelung legt einen Erstattungsanspruch gegenüber dem örtlichen Jugendhilfeträger fest, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Durch die Vorschrift soll eine übermäßige finanzielle Belastung der kommunalen Gebietskörperschaften, in deren Bereich sich Einrichtungen befinden, vermieden werden.

Die Änderung dient der gesetzlichen Klarstellung, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 89e der Schutz der Einrichtungsorte auch bei der Fortführung der Hilfegewährung an junge Volljährige gilt.

Zu Nummer 31 (Überschrift Achtes Kapitel)

Folgeänderung aufgrund Nummer 32.

Zu Nummer 32 (§ 90 Absatz 1)

Die Erhebung von Teilnahmebeiträgen auch für die Tagespflege ermöglicht eine Pauschalierung (Verwaltungsvereinfachung) und führt zu einer Gleichbehandlung mit den Kostenbeteiligungsregelungen bei den Kinderkrippen, Kindergärten und Horten. Die Regelung über die bisherige Kostenbeteiligung mittels Kostenbeitrag war deshalb aufzuheben.

Die Kostenbelastung der örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe ist durch die verstärkte Inanspruchnahme von Angeboten im Beratungsbereich und bei Hilfen mit therapeutischen Inhalten stark angestiegen. Diese Leistungsangebote weiterhin kostenfrei auszugestalten widerspricht dem Prinzip der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und ist angesichts der Finanzsituation der Kommunen nicht mehr zu rechtfertigen.

Die Einfügung einer Vorschrift über die Möglichkeit zur Erhebung von pauschalierten Teilnahmebeiträgen stellt es in das Ermessen der öffentlichen Träger der Jugendhilfe, über Grund und Höhe des Teilnahmebeitrages für ihre Einrichtungen und Leistungsangebote frei zu entscheiden. Der öffentliche Träger kann diesen Beitrag prozentual an den Kosten einer Fachleistungsstunde orientieren, hat aber auch die Möglichkeit, je nach Art des Beratungsangebotes (z.B. individueller Rechtsanspruch nach § 28 oder sonstige Beratungsangebote) zu differenzieren. Im Gegensatz zu den Heranziehungsregelungen der §§ 91 ff. erfordert die Erhebung von Teilnahmebeiträgen aber keine differenzierte und verwaltungsaufwändige Kostenermittlung und beeinträchtigt den niedrigschwelligen Zugang zu vielen Beratungsangeboten nicht zwingend.

Im Interesse der Gleichbehandlung der Beratungsangebote ist es geboten, für sämtliche Beratungsformen die Möglichkeit zur Erhebung von Kosten zu eröffnen. Die Hilfen zur Erziehung sind in §§ 27 bis 35 nicht abschließend geregelt. Im Rahmen des Auffangtatbestandes des § 27 können deshalb auch andere therapeutische Leistungen begehrt werden. Für diese Leistungen, die oft im Vorfeld vergleichbarer Leistungen nach SGB V stehen, ist es gerechtfertigt, eine Kostenbeteiligung vorzusehen.

Zur Vermeidung von Unklarheiten bei der Einordnung von Beratungsangeboten nach § 28 ist diese Hilfeart besonders im Katalog der beitragsfähigen Leistungen benannt.

Die Möglichkeit, bei fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit im Einzelfall von einem Teilnahmebeitrag abzusehen, ist bereits im geltenden Recht (§ 90 Abs. 2 und 3) unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen und bleibt unverändert.

Zu Nummer 33 (§ 91 Abs. 1 Nr. 5) Folgeänderung aufgrund Nummer 9.

Zu den Nummern 34 bis 41 (§§ 91, 92, 93, 93a, 94, 96, 97a, 97b)

Die Ausgaben für die Jugendhilfe sind seit Inkrafttreten des SGB VIII (1. Januar 1991) enorm gestiegen. Im gesamten Bundesgebiet ist ein Anstieg der Jugendhilfeausgaben von rund 14, 3 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf rund 20,2 Milliarden Euro im Jahr 2002 zu verzeichnen (letzter aktuell verfügbarer Stand der Statistik). Diese Last tragen in erster Linie die verantwortlichen Kommunen, die mittlerweile deutlich an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit stoßen. Auch und gerade im Interesse der jungen Menschen und ihrer Familien müssen die Kommunen, als tragende Säule der Jugendhilfe, handlungsfähig bleiben. Deshalb sind auch die Vorschriften der Kinder- und Jugendhilfe zur Heranziehung zu den Kosten zu novellieren. Durch die Änderungen werden die Möglichkeiten der Kostenheranziehung erweitert und auf das verwaltungsaufwändige Verfahren der Überleitung von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen verzichtet. Soweit möglich erfolgt die Kostenheranziehung durch Pauschalen (Verwaltungsvereinfachung). Eltern mit sehr hohem Einkommen oder Vermögen werden am Jugendhilfeaufwand angemessen beteiligt.

§ 94 Abs. 4 n. F. ermöglicht die Anrechnung des Kindergeldes, wenn das Jugendamt den Lebensunterhalt des Kindes sicherstellt, wie das z.B. regelmäßig bei den stationären Hilfen der Fall ist. Mit einer entsprechenden Neuregelung wird dem Unverständnis darüber begegnet, dass Eltern, deren Kinder im Rahmen der Jugendhilfe außerhalb des Elternhauses untergebracht sind und dort den Lebensunterhalt erhalten, noch durch das Kindergeld "belohnt" werden. Die dadurch nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung der Eltern, die ihr Kind selbst erziehen, wird beseitigt. Durch die Änderung wird erreicht, dass Eltern bzw. ein Elternteil bei der Heranziehung zu den Kosten in den genannten Fällen einen Kostenbeitrag mindestens in Höhe des auf das Kind bzw. den Jugendlichen entfallenden Kindergeldes (oder einer diesem vergleichbaren Leistung) zu leisten haben bzw. hat. Die bürgerlichrechtliche Aufteilung des Kindergeldes unterbleibt, da das Kindergeld in voller Höhe dem Elternteil zufließt, in dessen Haushalt das kindergeldauslösende Kind lebte.

Außerdem wird klargestellt, dass sich die Träger der Jugendhilfe das Kindergeld von den Familienkassen erstatten lassen können und insoweit den entsprechenden Betrag nicht von den Eltern bzw. dem Elternteil fordern müssen.

§ 97a n. F. trägt den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (Az 5 C 31/95 und Az 5 C 37/95) vom 12. September 1996 Rechnung, in denen festgestellt wird, dass Großeltern, die ihr Enkelkind in Erfüllung ihrer sekundären Unterhaltspflicht (d.h. die Eltern des Kindes sind nicht oder nicht in vollem Umfang leistungsfähig) in Tages- oder Vollzeitpflege betreuen, kein Pflegegeld erhalten. Voraussetzung hierfür ist jedoch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Großeltern. Dies festzustellen, stellt die Jugendämter vor erhebliche Vollzugsprobleme, da das SGB VIII derzeit keine Auskunfts- oder sonstige Mitwirkungspflicht der Großeltern enthält. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts können deshalb in der Praxis nicht umgesetzt werden. Mit der Einführung einer Auskunftspflicht der Großeltern über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Absatz 1 wird erreicht, dass die Jugendämter deren Leistungsfähigkeit überprüfen können. Dadurch werden die durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 1996 entstandenen Unsicherheiten in der Praxis beseitigt und Rechtssicherheit geschaffen.

Zu Nummer 42 (§ 97c)

Hoheitliches Handeln der Jugendämter bzw. der Landesjugendämter oder der Bezirksregierungen erfolgt bislang kostenfrei. Die Einführung von (nicht allzu hohen) Gebühren bzw. Auslagen bei bestimmten Leistungen ist aber insbesondere dort sinnvoll, wo kein nennenswerter Unterschied zwischen diesen und ähnlich gelagerten Amtshandlungen, beispielsweise im Bereich des Personenstandsrechts, des Gewerbe- oder Baurechts, besteht. Durch Einführung eines Landesrechtsvorbehalts soll den Ländern in begründeten Fällen die Erhebung von Gebühren und Auslagen bei bestimmten Leistungen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ermöglicht werden.

Zu den Nummern 43 bis 45 (§§ 98, 99, 101)

Folgeänderungen aufgrund Nummer 9.

Zu Artikel 2 Buchstabe a (Änderung des Artikels 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe -)

Zu Nummer 1 Anpassung des Inhaltsverzeichnisses an die Änderungen der Nummern 5 und 9. Zu Nummer 2 (§ 26)

Die Möglichkeiten des Trägers der Sozialhilfe, gegenüber dem Hilfesuchenden bestehende Rückforderungsansprüche mit der laufenden Sozialhilfe aufzurechnen, werden erweitert. Die Aufrechnung wird auf Fälle des § 105 SGB XII (Herausgabe bei Doppelbezug von Sozialleistungen) erweitert; die zeitlichen Beschränkungen des bisherigen Satzes 2 zur Erklärung der Aufrechnung entfallen.

Zu Nummer 3 (§ 28)

Die Änderung dient der Rückholung und Stärkung von Länderkompetenzen. Die bisherige Festlegung der Bemessungskriterien für die Bestimmung der Regelsätze in den Absätzen 3 und 4 wird aufgegeben, die Bestimmung von Bemessungskriterien bleibt künftig dem Landesrecht vorbehalten. Lediglich der bisher in Absatz 3 Satz 1 enthaltene Bedarfsdeckungsgrundsatz bleibt erhalten; er wird nun in Absatz 1 übertragen.

Nach derzeitiger Rechtslage werden die Regelsätze innerhalb enger bundesgesetzlicher Vorgaben durch die Länder bestimmt; das Bundesrecht gibt insbesondere auch die Bemessungskriterien vor: Entwicklung der Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten. Daneben wird ein bestimmter Lohnabstand (Abstand zu durchschnittlichen Nettolöhnen unterer Gehaltsgruppen) festgelegt. Die Länder können die Träger der Sozialhilfe ermächtigen, abweichende höhere regionale Regelsätze zu bestimmen (§ 22 BSHG; ab 1. Januar 2005 § 28 SGB XII).

Künftig ist die Bestimmung der Regelsätze einschließlich der berücksichtigten Bemessungskriterien allein Ländersache. Die Länder können die Träger der Sozialhilfe ermächtigen, abweichende höhere oder niedrigere regionale Regelsätze zu bestimmen.

In Folge der Änderung können die Länder nicht nur länderbezogene Lohn- und Preisniveaus berücksichtigen, sondern andere oder weitere Bemessungskriterien heranziehen, einzelne Kriterien stärker oder schwächer gewichten und damit selbstständige Sozialpolitik betreiben. So könnte z.B. eine stärkere Berücksichtigung des Lohnabstandes zur Stärkung der Akzeptanz der Sozialhilfe in der Gesellschaft beitragen. Denn obwohl die Sozialhilfe ab 1. Januar 2005 eine Sozialleistung für nicht erwerbsfähige Personen darstellt, ist es für die Motivation der Erwerbstätigen wichtig, sich deutlich besser zu stellen, als die von ihren Steuergeldern lebenden, nicht erwerbstätigen Personen.

Zu Nummer 4 (§ 29)

Der Hilfeempfänger hat eine Informationspflicht vor Anmietung einer anderen Wohnung (§ 29 Abs. 1 Satz 4). Bei Nichtbefolgung und Unangemessenheit der neuen Wohnung erhält der Hilfesuchende keinerlei Unterkunftskosten mehr erstattet. Dies ist sachgerecht, da der Hilfesuchende, sofern er seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ordnungsgemäß angegeben hat, ohnehin nicht in der Lage wäre, den Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Mietkosten und den vom Sozialamt erstatteten angemessenen Kosten zu tragen. Selbst die Zahlung des angemessenen Teils der Mietkosten durch das Sozialamt könnte einen Wohnungsverlust wegen Mietrückständen nicht verhindern, sofern es nicht gelingt, durch Untervermietung oder auf andere Weise die Wohnkosten auf das angemessene Maß zu senken. Dies ist auch zumutbar, da der Hilfesuchende die Situation selbst verschuldet hat und überdies ein wirtschaftlicher Druck angezeigt ist, auf eine Senkung der Mietkosten hinzuwirken.

Zu Nummer 5 (§ 40)

Folgeänderung zu Nummer 3.

Zu Nummer 6 (§ 75 Abs. 2)

Sozialhilfeträger müssen die Möglichkeit haben, den Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 SGB XII mit Einrichtungen, die nicht bedarfsgerecht sind, zu verweigern.

Zu Nummer 7 (§ 77 Abs. 2)

Bislang gelten Vereinbarungen nach Ablauf der Vertragsdauer gesetzlich bestimmt für unbegrenzte Dauer fort. Um die Vertragspartner zum zügigen Abschluss neuer, den evtl. geänderten Verhältnissen angepassten Vereinbarungen anzuhalten, erscheint es sachdienlich, die Fortgeltung abgelaufener Vereinbarungen nur für die Dauer von sechs Monaten gesetzlich fortzuschreiben.

Zu Nummer 8 (§ 82)

Der neue Satz 3 des Absatzes 1 stellt klar, dass Kindergeld, auch wenn die Eltern oder ein Elternteil Bezugsberechtigte sind, dem Sozialhilfeempfänger als Einkommen zuzurechnen ist, wenn er Hilfe nach dem Vierten Kapitel oder in einer stationären Einrichtung Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung oder Hilfe zur Pflege erhält. Das Kindergeld ist von ihm deshalb als Einkommen einzusetzen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung zum Grundsicherungsgesetz ist das Kindergeld beim Antragsteller nur anzurechnen, wenn eine erkennbare zweckorientierte Zuwendung der Eltern an das Kind erfolgt. Die Vermutung der Bedarfsdeckung und des gemeinsamen Wirtschaftens einer Haushaltsgemeinschaft gilt nur im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt. Die unterschiedliche Handhabung der Anrechnung von Kindergeld bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist nicht gerechtfertigt. Es bedarf der gesetzlichen Klarstellung, dass das Kindergeld auch dem Grundsicherungsempfänger als Einkommen zuzurechnen ist. Dafür sprechen auch die Regelungen des § 74 Abs. 1 EStG bzw. § 48 Abs. 1 SGB I, nach denen das Kindergeld auch an das Kind selbst ausgezahlt werden kann, wenn der Kindergeldberechtigte diesem gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.

Soweit einem Sozialhilfeempfänger in einer stationären Einrichtung Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung oder Hilfe zur Pflege gewährt wird, ist eine Zurechnung des Kindergeldes als dessen Einkommen gerechtfertigt, da dieser in der Einrichtung eine Vollversorgung erhält. Dafür soll auf das Kindergeld zurückgegriffen werden können. Mit einer entsprechenden Neuregelung wird dem Unverständnis begegnet, dass Eltern, deren Kinder im Rahmen der Eingliederungshilfe oder der Hilfe zur Pflege außerhalb des Elternhauses untergebracht sind und dort den Lebensunterhalt sowie Hilfe nach dem Sechsten oder Siebten Kapitel erhalten, gleichwohl Kindergeld beziehen. Durch die Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes wird gewährleistet, dass dieses nach Maßgabe der §§ 85 ff. SGB XII einzusetzen ist.

Zu Nummer 9 (§§ 97 bis 99)

Die Änderung dient der Rückholung und Stärkung von Länderkompetenzen. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit wird künftig ausschließlich durch Landesrecht bestimmt. Einer bundeseinheitlichen Regelung der örtlichen Zuständigkeiten bedarf es nicht. Durch Absprachen der Länder ist es möglich, divergierende Regelungen der einzelnen Länder mit der Folge von unterschiedlichen örtlichen Zuständigkeiten in Grenzen zu halten, insbesondere auch im Hinblick auf die Regelungen zur Kostenerstattung.

Zu Nummer 10 (§ 102)

Die Erbenhaftung wird verschärft:

Es wird eine unbeschränkte Haftung des Nachlasses eingeführt. Hinterlässt der Sozialhilfeempfänger Vermögenswerte, sind diese künftig unbeschränkt zur Rückzahlung der gewährten Hilfe einzusetzen.

Nach geltendem Recht kann Sozialhilfe gewährt werden, obwohl der Betroffene über "geschützte" Vermögenswerte, wie z.B. ein angemessenes Hausgrundstück, angemessener Hausrat, Familien- und Erbstücke, kleineres Barvermögen verfügt. Die Erben sind zur Rückzahlung der in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Hilfeempfängers aufgewandten Sozialhilfe verpflichtet, allerdings nur mit den Mitteln des Nachlasses und unter Abzug zum Teil erheblicher Freibeträge (§ 92c BSHG; ab 1. Januar 2005 § 102 SGB XII).

Die Rückzahlungspflicht wird erweitert:

Künftig muss der gesamte Nachlass eingesetzt werden, ohne Freibeträge und ohne Begrenzung auf einen Zehn-Jahres-Zeitraum. Eine Ausnahme kann allenfalls in außergewöhnlichen Härtefällen zugestanden werden, z.B. wenn ein angemessenes Hausgrundstück vererbt wird, das vom Erben zum Zeitpunkt des Erbfalls mitbewohnt wird, und wenn der Erbe andernfalls obdachlos würde.

Der Leistungsbezieher selbst muss die erhaltene Sozialhilfe, sofern er sie rechtmäßig bezogen hat, wie nach bisherigem Recht nicht zurückbezahlen. Anders als bisher kann er die Vermögenssubstanz jedoch nicht mehr teilweise oder vollständig den Erben erhalten. Die stärkere Erbenhaftung stellt insoweit eine notwendige Korrektur dar, weil es nicht gerechtfertigt ist, wenn steuerfinanzierte Sozialleistungen zur Bereicherung der Erben des Leistungsbeziehers führen.

Zu Artikel 2 Buchstabe b (Änderung des Artikels 4 Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -)

Zum 1. Januar 2005 tritt das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außer Kraft; gleichzeitig werden die entsprechenden Vorschriften in das neue SGB XII als Viertes Kapitel eingeordnet. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ab diesem Zeitpunkt nur noch eine besondere Leistungsform der Sozialhilfe. Von daher ist es gerechtfertigt und geboten, Empfänger von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII hinsichtlich der Krankenversorgung ebenso zu behandeln wie sonstige Sozialhilfeempfänger. Die in Artikel 4 Nr. 7 Buchstabe a des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch geregelte Neufassung des § 264 Abs. 2 SGB V nimmt die Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von der ansonsten für alle anderen Leistungsempfänger geltenden Regelung aus, so dass die Krankenbehandlung gegen Kostenerstattung durch die Sozialhilfeträger von den Krankenkassen übernommen wird. Artikel 2b schließt diese Lücke, indem der Anwendungsbereich des § 264 Abs. 2 SGB V auch auf die Empfänger von Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII erstreckt wird. Es wird jedoch an dem Ziel des Artikels 28 Gesundheitsstrukturgesetz festgehalten, auf Dauer alle Leistungsempfänger in die gesetzliche Pflichtversicherung einzubeziehen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -)

In § 33 Satz 3 SGB I wird bezüglich der Rechte von Leistungsempfängern (aus sämtlichen Büchern des SGB) festgelegt, dass bei bestehenden Wunsch- und Wahlrechten den Wünschen der Berechtigten entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind. Bei der Prüfung der "Angemessenheit" spielt bislang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kostenträgers keine entscheidende Rolle. In Gerichtsverfahren vor den Verwaltungs- bzw. Sozialgerichten wurde entschieden, ohne dass die Rechtsprechung der finanziellen Situation des Leistungserbringers bei der notwendigen Abwägung aller Gesichtspunkte eine besondere Bedeutung beigemessen hätte. Durch die vorgeschlagene Ergänzung der Vorschrift wird die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit als Abwägungsgesichtspunkt ausdrücklich mit einbezogen.

Durch die Anfügung von Satz 4 in § 33 SGB I wird bewirkt, dass bei allen Vorschriften der Bücher des SGB, die Wunsch- und Wahlrechte enthalten, die Finanzkraft des öffentlichen Trägers als Abwägungsgesichtspunkt bei der Entscheidung über die Ausgestaltung der Leistungen zu berücksichtigen ist.

Durch Satz 5 wird erreicht, dass bei Verhandlungen bei Vereinbarungen nach allen Büchern des SGB die Finanzkraft des öffentlichen Trägers zu berücksichtigen ist.

Zu Artikel 4 (Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -)

Zu Nummer 1 (§ 67a)

Buchstabe a regelt, dass auch stichprobenhafte Nachfragen zur Kontrolle des Leistungsmissbrauchs ohne Anfangsverdacht möglich sein müssen. In der bisherigen Rechtspraxis kommt es immer wieder zu Streitigkeiten darüber, ob solche Datenerhebungen auf die Generalklauseln des SGB X gestützt werden können. Während bisher überwiegend anerkannt worden ist, dass z.B. in den Fällen der §§ 116, 117 BSHG, § 21 Abs. 4 SGB X Daten auch ohne konkretes Verdachtsmoment im Interesse der vorbeugenden Leistungskontrolle übermittelt werden dürfen, wird dies in den übrigen Fällen, in denen als Rechtsgrundlage nur die allgemeinen Vorschriften (§ 67a und § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X) zur Verfügung stehen, uneinheitlich gesehen.

Die Änderung ist zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtspraxis und im Interesse der Schaffung effektiver Generalklauseln für die Missbrauchskontrolle geeignet und erforderlich.

Buchstabe b erleichtert die Erhebung der Daten bei Dritten. Nach der bisherigen Rechtslage erfolgen Abfragen in der Regel beim Betroffenen selbst bzw. über diesen, also mit dessen Einverständnis bei Dritten. Direkte Anfragen an andere Sozialleistungsträger (oder an sonstige Träger des Sozialgeheimnisses), die zur Überprüfung der Angaben des Betroffenen erforderlich sind, sind bisher nur dann zulässig, wenn die Direktabfrage zugleich der Vermeidung eines unverhältnismäßigen Aufwandes dient (§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe b SGB X). Es soll künftig als Erhebungsgrund ausreichend sein, wenn die Abfrage zur Überprüfung der Angaben des Betroffenen erforderlich ist. Durch die Direktanfrage kann z.B. auch vermieden werden, dass gerade in Fällen erheblichen Missbrauchsverdachts der Betroffene um seine Mitwirkung bei der Überprüfung ersucht werden muss und Verdunklungsmaßnahmen einleiten kann.

Zu Nummer 2 (§ 69)

Die Änderung erstreckt die Neuregelung der Erhebungsbefugnisse (Nummer 2 Buchstabe a) auf die Übermittlungsbefugnisse und bringt Erhebungs- und Übermittlungsbefugnisse in Einklang. Hierdurch wird sichergestellt, dass die von der anfragenden Sozialbehörde zur Missbrauchskontrolle benötigten Daten durch die angefragte Sozialbehörde auch übermittelt werden dürfen.

Zu Artikel 5 (Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung -)

Bislang gelten Pflegesätze nach Ablauf des vereinbarten Zeitraumes gesetzlich bestimmt für unbegrenzte Dauer fort. Um die Pflegezusatzparteien zum zügigen Abschluss neuer, den evtl. geänderten Verhältnissen angepassten Pflegesätzen anzuhalten, erscheint es sachdienlich, die Fortgeltung abgelaufener Pflegezusatzvereinbarungen nur für die Dauer von sechs Monaten gesetzlich fortzuschreiben.

Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)

Artikel 6 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Eine Übergangsfrist ist dabei notwendig. Für die Aufhebung des § 86 Abs. 6 SGB VIII (Artikel 1 Nr. 26 Buchstabe a des Gesetzes und des § 89a SGB VIII (Artikel 1 Nr. 29 des Gesetzes) ist eine längere Übergangsfrist bis 1. Januar 2007 notwendig.