Entschließung des Europäischen Parlaments zur humanitären Krise in den palästinensischen Gebieten und der Rolle der Europäischen Union Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Lage im Nahen Osten und insbesondere auf die Entschließungen vom 23. Oktober 2003 zu Frieden und Würde im Nahen Osten1, vom 27. Januar 2005 zur Lage im Nahen Osten2, und vom 2. Februar 2006 zu dem Ergebnis der Wahlen in Palästina und zur Lage in Ost-Jerusalem3,
- - unter Hinweis auf den Bericht der Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union in Palästina und die Erklärung der Beobachterdelegation des Europäischen Parlaments,
- - in Kenntnis der Resolutionen Nr. 242, 338, 1373 und 1397 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen,
- - in Kenntnis des Fahrplans für den Frieden ("Roadmap for Peace") des Nahost-Quartetts vom 30. April 2003,
- - in Kenntnis der Ergebnisse der nationalen Wahlen in Israel vom 28. März 2006,
- - unter Hinweis auf die Erklärung der Mitglieder des Nahost-Quartetts vom 9. Mai 2006 in New York,
- - unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" vom 15. Mai 2006 zum Friedensprozess im Nahen Osten,
- - unter Hinweis auf die Nachbarschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel sowie der Europäischen Union und Palästina,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass es nach den Wahlen in Palästina und Israel nunmehr an der Zeit ist, eine neue Grundlage für eine diplomatische und politische Initiative der Europäischen Union und des Nahost-Quartetts (Europäische Union, Vereinigte Staaten, Russische Föderation und Vereinte Nationen) zu schaffen, die ehrgeizige Ziele zur Wiederaufnahme von Verhandlungen und eines Prozesses im Hinblick auf eine dauerhafte und gangbare Friedenslösung verfolgen muss,
B. in der Erwägung, dass der ernsthaften Verschlechterung der humanitären und sozialen Lage sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland dringend begegnet werden muss, um Chaos und eine weitere politische Destabilisierung zu vermeiden,
C. in der Erwägung, dass in Palästina die nach internationalen Standards durchgeführten Wahlen zur Bildung einer Regierung geführt haben, deren Mitglieder der von der Hamas aufgestellten Liste "Wandel und Reform" entstammen, und dass die internationale Gemeinschaft nunmehr vor der Aufgabe steht, das demokratische Wahlergebnis zu respektieren,
D. in der Erwägung, dass die Hamas mit ihrer Entscheidung für eine Wahlteilnahme und ihrem Wahlsieg die Verantwortung übernommen hat, die von den Palästinensern unterzeichneten vorangegangenen Vereinbarungen, darunter die Verurteilung von Terrorismus und die Anerkennung des Existenzrechts Israels, einzuhalten, wie dies von der internationalen Gemeinschaft gefordert wird,
E. unter Hinweis darauf, dass das Nahost-Quartett am 9. Mai 2006 erneut seine Unterstützung zur Deckung der elementaren humanitären Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht und sich bereit erklärt hat, einen vorläufigen internationalen Mechanismus von begrenztem Umfang und begrenzter Dauer einzurichten, der die unmittelbare Bereitstellung von Hilfe für die Palästinenser gewährleistet, sowie in der Erwägung, dass die Europäische Union beauftragt worden ist, einen solchen Mechanismus auszuarbeiten und vorzuschlagen,
F. in der Erwägung, dass die Europäische Union mit Vorrang daran arbeitet, einen solchen Mechanismus zu entwickeln, der in erster Linie darauf ausgerichtet sein wird, die Grundbedürfnisse abzudecken, der Konsultationen mit internationalen Finanzinstitutionen und anderen wesentlichen Partnern umfasst, und mit dem weitere Geber aufgefordert werden, sich aktiv an den Bemühungen zur alsbaldigen Schaffung dieses Mechanismus zu beteiligen,
G. in der Erwägung, dass die neue israelische Regierung Leitlinien vorgelegt hat, die eine Verpflichtung zu Verhandlungen mit den Palästinensern enthalten, einseitige Maßnahmen zur Umsetzung des "Konvergenzplans" im Hinblick auf die Festlegung der endgültigen Grenzen jedoch nicht ausschließen,
H. in der Erwägung, dass Israel an seine Verpflichtungen aufgrund der Osloer Abkommen über die Grenzen von 1967, die Siedlungen und Ost-Jerusalem erinnert werden sollte und sich der gegenwärtigen ernsten Lage bewusst sein muss,
- 1. äußert seine tiefe Besorgnis über die Verschlechterung der humanitären, wirtschaftlichen und finanziellen Lage im Westjordanland und im Gazastreifen;
- 2. fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Initiativen unter Berücksichtigung folgender Empfehlungen zu verstärken:
- - innerhalb des Nahost-Quartetts darauf hinzuwirken, dass den Palästinensern dringend grundlegende Hilfsleistungen durch humanitäre Organisationen und Nichtregierungsorganisationen erbracht werden und dass der vom Nahost-Quartett vorgeschlagene, oben genannte, befristete internationale Hilfsmechanismus eingerichtet wird, damit die Direkthilfen über die Weltbank oder andere internationale Organisationen an die palästinensische Bevölkerung ausgezahlt werden können,
- - die Regierungen der USA und der anderen Geberländer aufzufordern, diesem Hilfsmechanismus einen weiten und flexiblen Geltungsbereich zu geben und ihn durch die direkte Einbindung des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde zu erleichtern, sowie die Finanzkontrolle und Kostenerfassung sicherzustellen,
- - einen solchen Mechanismus zu entwickeln, um eine größere humanitäre Krise in den palästinensischen Gebieten zu verhindern; fordert alle an der Entwicklung eines solchen zeitlich begrenzten internationalen Finanzierungsmechanismus beteiligten Institutionen auf, eine möglichst große Transparenz sicherzustellen, um jeden Betrug bzw. jede Unregelmäßigkeit bezüglich der Mittel zu verhindern,
- - fordert die Regierung Israels auf, den unmittelbaren Transfer einbehaltener palästinensischer Steuer- und Zolleinnahmen, die seit Januar 2006 blockiert sind, unverzüglich wieder aufzunehmen; nimmt zur Kenntnis, dass diese Mittel teilweise zur Zahlung von Stromlieferungen gemäß dem Pariser Protokoll von 1994 überwiesen wurden,
- - den Prozess des institutionellen Aufbaus in Palästina, dem mit den jüngsten Wahlen ein wichtiger Impuls verliehen wurde, neu zu beleben,
- - die EU-Präsenz in Rafah und die Umsetzung des Abkommens über Bewegungsfreiheit und Zugang fortzusetzen,
- - die Lage zusammen mit dem Hohen Vertreter für die GASP umfassend zu beurteilen, um die Kohärenz der Hilfsmaßnahmen und der politischen und diplomatischen Initiativen sicherzustellen und einen Dialog mit der Palästinensischen Autonomiebehörde durch ihren Präsidenten zu führen,
- - sicherzustellen, dass jede künftige Unterstützung im Lichte der Achtung dieser Grundsätze durch die palästinensische Regierung überprüft werden wird,
- - den Aktionsplan mit der Palästinensischen Autonomiebehörde im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik in vollem Umfang zu nutzen, wobei die Kommission die volle Umsetzung des Aktionsplans EU-Israel in Bezug auf die israelischen Verpflichtungen gegenüber der Palästinensischen Behörde sicherstellen muss;
- 3. begrüßt die Erklärung des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Abu Mazen, im Plenum des Parlaments am 16. Mai 2006, und fordert den Rat und die Kommission auf, den Präsidenten weiterhin bei seinen Bemühungen um einen Dialog mit Israel, der palästinensischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen;
- 4. unterstützt die Initiative des palästinensischen Präsidenten zur Förderung eines nationalen Dialogs und hofft, dass diese Vorschläge von allen Parteien angenommen werden; ist der Auffassung, dass der Präsident befugt ist, Verhandlungen zu führen und Verantwortung für die Verwaltung der internationalen Hilfe zu übernehmen;
- 5. ist der Auffassung, dass bei allen Kontakten zur neu ernannten palästinensischen Regierung das Ziel die Anerkennung des endgültigen Friedensabkommens sein sollte, und zwar auf der Grundlage einer Lösung mit zwei lebensfähigen Staaten und der Ablehnung von Gewalt durch die Regierung sowie durch die sie unterstützenden Gruppen; ist der Überzeugung, dass die Klarstellung durch die Regierung hinsichtlich der Verurteilung von Gewalt, der Anerkennung des Existenzrechts von Israel und der internationalen Verpflichtungen Palästinas für jede Form der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der palästinensischen Regierung von zentraler Bedeutung sind;
- 6. erklärt in dieser besonderen Phase nochmals, dass die Lösung des Nahost-Konflikts nur über die Aushandlung eines soliden und endgültigen Friedensabkommens, wie im Friedensplan dargelegt, möglich ist, und zwar ohne Vorbedingungen und auf der Grundlage der Existenz zweier demokratischer, souveräner und lebensfähiger Staaten, die friedlich in sicheren und anerkannten Grenzen nebeneinander bestehen;
- 7. begrüßt das erste Treffen zwischen dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Israels, Schimon Peres, sowie der stellvertretenden Ministerpräsidentin und Außenministerin, Tzipi Liwni, nach den Wahlen in Israel am 20. Mai in Sharmel-Sheikh, was ein ermutigendes Zeichen für die Ebnung des Wegs zum geplanten Treffen zwischen Mahmoud Abbas und Israels Ministerpräsident Ehud Olmert darstellt, und hofft, dass diese Kontakte schließlich zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen führen, die den lange Zeit festgefahrenen Friedensprozess voranbringen sollen;
- 8. weist darauf hin, dass es zu bilateralen Verhandlungen keine Alternative gibt und dass einseitige Schritte die Bemühungen um eine dauerhafte und umfassende Streitbeilegung schwächen könnten;
- 9. verurteilt erneut den weiteren Ausbau von Siedlungen, insbesondere in Ost-Jerusalem und den Bau der Mauer hinter den Grenzen von 1967, und fordert deren unmittelbare Einstellung, da dies gegen internationales Recht verstößt und auch ein Hindernis für die Wiederherstellung eines Klimas des Dialogs darstellt;
- 10. fordert alle betroffenen Parteien auf, den Fahrplan umfassend umzusetzen, und fordert das Nahost-Quartett auf, die Verhandlungen im Hinblick auf eine gerechte und dauerhafte Lösung des Konflikts im Nahen Osten, der zu einem verlässlichen und endgültigen Friedensvertrag gemäß dem Fahrplan führt, zu unterstützen;
- 11. unterstützt die konstruktive Haltung der Kommission und des Rates im Quartett bei der Festlegung der Bedingungen für die künftigen Beziehungen zur Palästinensischen Autonomiebehörde;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die GASP, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, dem Palästinensischen Legislativrat, der Knesset und der israelischen Regierung, den Regierungen der USA und der Russischen Föderation sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.