843. Sitzung des Bundesrates am 25. April 2008
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Verkehrsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die im Rahmen der Mitteilung der Kommission ausgesprochene Empfehlung zum Abschluss mehrjähriger Finanzierungsverträge zur Instandhaltung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur. Er stellt fest, dass gemäß der im Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission dokumentierten Folgenabschätzung durch mehrjährige Verträge erhebliche Kosteneinsparungen und damit auch höhere Verkehrsanteile der Schiene zu erwarten sind.
- 2. Der Bundesrat teilt insbesondere die Feststellung der Kommission, dass in manchen Netzen ein Instandhaltungsrückstau besteht, der von den Infrastrukturbetreibern allein finanziell nicht zu bewältigen ist. Er stellt fest, dass angesichts des auch in Deutschland unbestrittenen Bedarfs eine Erhöhung und Verstetigung der Finanzierung erforderlich ist.
- 3. Der Bundesrat unterstreicht die Feststellung der Kommission, dass Infrastrukturleistungen in der Regel keinem Wettbewerb unterliegen, da die Infrastruktur ein natürliches Monopol darstellt, so dass nicht nur bestimmte Kostendaten, sondern der Zustand der Infrastruktur insgesamt der Öffentlichkeit transparent gemacht werden müssen. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass ein Infrastrukturregister, in dem unter anderem über die voraussichtliche Lebensdauer aller Anlagen informiert wird, eine Grundvoraussetzung für die notwendige Überwachung des Infrastrukturzustands ist. Er weist darauf hin, dass die für den interoperablen Verkehr vorgesehenen Inhalte des Infrastrukturregisters unter Berücksichtigung der Belange von Regionalnetzbetreibern, die staatliche Mittel für den Netzunterhalt bekommen, ergänzt werden müssen.
- 4. Der Bundesrat sieht sich durch die Mitteilung der Kommission in seinen Forderungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung nach Transparenz der Infrastrukturqualität und differenzierten Sanktionen bei Verfehlung der Ziele - bis hin zur Übertragung des Infrastrukturbetriebs von Teilnetzen auf Dritte - bestätigt; er verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes (vgl. BR-Drucksache 555/07(B) vom 12. Oktober 2007). Er fordert die Bundesregierung auf, die mit den Infrastrukturgesellschaften der Deutschen Bahn AG geplante Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung entsprechend diesen Anforderungen auszugestalten und mit den Ländern abzustimmen.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die Empfehlungen der Kommission zum Abschluss mehrjähriger Verträge sowohl auf staatliche als auch auf private Eisenbahninfrastrukturunternehmen beziehen, wobei die Vorschriften über staatliche Beihilfen zu beachten sind. Er fordert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf, die Instandhaltung und Modernisierung der gesamten öffentlichen Schieneninfrastruktur nach denselben Grundsätzen ohne Unterscheidung zwischen bundeseigenen und nichtbundeseigenen Eisenbahnen zu fördern.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Kommission in ihren Zielen zu unterstützen und sich im Hinblick auf eine Verbesserung der europäischen Schieneninfrastruktur und zur Stärkung auch des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs für die europaweite Umsetzung der Empfehlungen einzusetzen.
Begründung (nur gegenüber Plenum):
- - Die mit den Empfehlungen der Kommission verfolgten Ziele liegen im grundsätzlichen Interesse der Länder. Dieses gemeinsame Interesse erstreckt sich auch auf die möglichst verbindliche Einführung Effizienz steigernder Finanzierungswege in anderen EU-Ländern, um dort die Schieneninfrastruktur zu stärken. Auf Grund der starken Belastung durch steigende Verkehrsströme - insbesondere auch durch Transitverkehre - ist es im deutschen Interesse, wenn durch Verbesserung der Schieneninfrastruktur in den Nachbarländern mehr Transporte über die Schiene abgewickelt werden können.
- - Infrastrukturmängel im deutschen Schienennetz führen zur Verteuerung von Schienentransporten und verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern. Die Allianz pro Schiene hat ermittelt, dass die Pro-Kopf-Investitionen in die Schieneninfrastruktur in Deutschland mit 39 € pro Kopf p. a. (Stand 2006) deutlich niedriger sind, als in den meisten anderen europäischen Staaten.
- - Gemäß Artikel 24 der Richtlinie 2001/16 müssen für das konventionelle Eisenbahnsystem Infrastrukturregister veröffentlicht und jährlich aktualisiert werden. Die Inhalte dieser Register sind in den Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität genau anzugeben. Zur Berücksichtigung der Belange insbesondere auch des Regionalverkehrs sind diese Inhalte zu ergänzen.
- - Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten den Abschluss von mehrjährigen Verträgen mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Finanzierung von Instandhaltung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur mit dem Ziel der Qualitätssicherung und Kosteneinsparung. Sie verbindet diese Empfehlung mit der Aufforderung, klare abgestufte Sanktionen zu vereinbaren, die bei Nichterfüllung der vereinbarten Qualität und nach Scheitern einvernehmlicher Lösungen greifen sollen und auch die Übertragung von Teilen der Infrastruktur auf andere Betreiber zur Konsequenz haben sollen. Diese grundsätzlichen Empfehlungen entsprechen in wesentlichen Punkten den wiederholten und in der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Eisenbahnneuordnungsgesetzes (vgl. BR-Drucksache 555/07(B) vom 12. Oktober 2007) verankerten Anforderungen der Länder an eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit den Infrastrukturgesellschaften der DB AG.
- - Die öffentliche Eisenbahninfrastruktur der bundeseigenen und nichtbundeseigenen Eisenbahnen ergänzt sich und ist gleichermaßen diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Eisenbahnen zugänglich. In einigen Relationen besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen bundeseigenen und nichtbundeseigenen Strecken. Nach den derzeitigen Finanzierungsregelungen des Bundesschienenwegeausbaugesetzes werden Zuwendungen zur Eisenbahninfrastruktur nur bundeseigenen Eisenbahnen gewährt. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Eigentümern hinsichtlich des Zuwendungsanspruchs ist nicht sachgerecht und führt dazu, dass die Nutzungsentgelte der nicht zuwendungsberechtigten Bahnen höher sind beziehungsweise die Infrastruktur nicht im notwendigen Maße nachhaltig in Stand gehalten werden kann. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beziffert die Finanzierungslücke zum nachhaltigen Erhalt der NE-Infrastruktur mit jährlich 150 Mio. €.