925. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2014
A
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission zu Energieeffizienz und ihren Beitrag zur Energieversorgungssicherheit. Dies gilt vor dem Hintergrund sowohl der wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Bedeutung als auch der Bedeutung der Energieeffizienz für den Klimaschutz. Die in der Mitteilung angewandte ganzheitliche Betrachtung wird ausdrücklich unterstützt.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die erreichten Energieeffizienzerfolge zur Umsetzung des 20-Prozent-Einsparziels bis 2020, allerdings sind zur Zielerreichung noch zusätzliche Anstrengungen notwendig.
- 3. Der Bundesrat bedauert, dass das von der Kommission vorgeschlagene Energieeinsparungsziel von 30 Prozent für 2030 hinter dem vom Europäischen Parlament geforderten Ziel von 40 Prozent zurückbleibt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen an der Stellungnahme des Bundesrates vom 14. März 2014 (BR-Drucksache 022/14(B) ) und am Beschluss des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2014 (P7_TA(2014)0094) zu orientieren. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass von den europäischen Staats- und Regierungschefs am 23. Oktober 2014 ein ambitionierteres Energieeffizienzziel als das von der Kommission vorgeschlagene 30-Prozent-Ziel festgelegt wird.
Begründung zu Ziffern 1 bis 3 (nur gegenüber dem Plenum):
Das Europäische Parlament hat am 5. Februar 2014 mit großer Mehrheit ein verbindliches Energieeffizienzziel von 40 Prozent beschlossen. Die Kommission hat hingegen am 23. Juli 2014 ein Effizienzziel von 30 Prozent vorgeschlagen. Dabei wird das 30-Prozent-Ziel damit begründet, dass ein Einsparpotential von 30 Prozent kosteneffizient erreichbar sei, während höhere Einsparziele in einer Kosten-/Nutzenbetrachtung nicht zu rechtfertigen seien. Dem widersprechen jedoch aktuelle Gutachten des Fraunhofer-Instituts ISI, die von einem kosteneffizienten Einsparungsziel von 41 Prozent sprechen.1 Vor diesem Hintergrund hält der Bundesrat ein Einsparziel von 30 Prozent für nicht ausreichend ambitioniert. Daneben ist insbesondere die fehlende Verbindlichkeit der nationalen Einsparziele zu kritisieren, da hierdurch die positiven Effekte von Energieeffizienzmaßnahmen für Wirtschaft und Klimaschutz verschleppt oder gar nicht eintreten könnten.
Das von der Kommission vorgeschlagene Energieeffizienzziel von 30 Prozent führt nicht zu zusätzlichen Anstrengungen für Energieeffizienzmaßnahmen. Ein verbindliches Ziel von 40 Prozent hingegen eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten, sichert und schafft zusätzliche Arbeitsplätze und steigert die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.
Ein ambitioniertes Energieeffizienzziel ist zur Umsetzung einer anspruchsvollen Klimaschutzpolitik ebenso notwendig wie zur Reduzierung der Importabhängigkeit fossiler Brennstoffe. Mit jedem Prozent eingesparter Energie sinken die Gaseinfuhren der EU um 2,6 Prozent. Angesichts des weiterhin erwarteten Anstiegs der Preise für fossile Rohstoffe ist das Ausschöpfen der erheblichen Potenziale im Bereich Energieeffizienz dringend geboten. Insbesondere vor dem Hintergrund der Mitteilung "Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung" COM (2014) 330 final,
die die große Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft durch Energieimporte und das damit verbundene Kostenrisiko für Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher betont, scheint es dem Bundesrat geboten, dass stärkere Anstrengungen zur Reduzierung des Energieverbrauchs und damit zur Verringerung der Importabhängigkeit unternommen werden. Die von der Kommission vorgelegten Berechnungen, nach denen jede weitere Steigerung der Energieeffizienz um 1 Prozent bis zu einem Schwellenwert von 35 Prozent zu einer Einsparung von 2,6 Prozent aller europäischen Gasimporte führt, legen dies eindrucksvoll dar.
- 4. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag der Kommission für ein Energieeffizienzziel der EU von 30 Prozent bis zum Jahre 2030 zur Kenntnis.
- 5. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission für ein Energieeffizienzziel der EU von 30 Prozent bis zum Jahre 2030.
- 6. Der Bundesrat erinnert an seine Stellungnahme vom 14. März 2014 (BR-Drucksache 022/14(B) ), wonach zwingend eine ambitionierte Rahmenvorgabe für die Energieeffizienz bzw. Energieeinsparung in die Energie- und Klimapolitik im Zeitraum 2020 bis 2030 der EU aufgenommen werden muss. Mit dem von der Kommission vorgeschlagenen Energieeffizienzziel setzt sich die EU ein ausgewogenes und verbindliches, aber zugleich ambitioniertes Ziel für die Steigerung der Energieeffizienz.
- 7. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass sich der bisherige Rahmen, basierend auf einem indikativen Ziel für die EU und einem Mix aus verbindlichen EU-Vorschriften und nationalen Maßnahmen, als wirksame Entwicklungstriebfeder erwiesen hat.
- 8. Der Bundesrat weist ausdrücklich auf das Ziel der EU hin, den Anteil der Industrie am BIP von 15 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen.
- 9. Der Bundesrat erinnert an das Ziel der EU, den Anteil der Industrie am BIP von 15 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen.
- 10. Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz sollten sowohl der Absenkung der Energieabhängigkeit als auch der Erhöhung des industriellen Beitrags zur Wertschöpfung dienen.
- 11. Der Bundesrat spricht sich für die Einrichtung eines Sicherheitsnetzes aus, das bei der Realisierung der Klima- und Energieziele der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedstaaten schafft.
- 12. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass bei der Realisierung der Klima- und Energieziele der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedstaaten geschaffen werden.
- 13. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass das größte Energieeinsparpotential im Gebäudesektor liegt und hierfür umfangreiche Privatinvestitionen erforderlich sind. Er unterstützt die Aussage der Kommission, dass die Mitgliedstaaten innerhalb des laufenden mehrjährigen Finanzrahmens bis 2020 erhebliche Anteile der Kohäsionsfonds zur Mobilisierung privaten Kapitals verwenden sollten. Umso mehr bedauert der Bundesrat, dass die Kommission im Rahmen der Verhandlungen zur Partnerschaftsvereinbarung mit Deutschland die Förderung der energetischen Sanierung von Wohnraum mit EU-Mitteln weitgehend ausgeschlossen hat.
Begründung zu Ziffern 4 bis 13 (nur gegenüber dem Plenum):
Energieeffizienz ist mittelfristig die nachhaltigste Möglichkeit zur Reduzierung der Energieimportabhängigkeit. Von einer ehrgeizigen, aber realistischen Energieeffizienzpolitik sind erhebliche positive wirtschaftliche Effekte zu erwarten.
Entscheidend ist aber, dass der Energieverbrauch durch Innovationen und Effizienzverbesserungen gesenkt wird und nicht durch die Verlagerung energieintensiver Tätigkeiten in Drittländer. Die Erarbeitung der Ziele und Maßnahmen zur Energieeinsparung muss daher strategisch kohärent zum industriepolitischen Ziel der Union (Erhöhung des industriellen Anteils an der Wirtschaftsleistung der EU von 15 Prozent auf 20 Prozent bis Ende des Jahrzehnts (vgl. BR-Drucksache 018/14 (PDF) ) erfolgen.
Die Energieeffizienzziele werden derzeit nicht als verbindliche Ziele auf die einzelnen Mitgliedstaaten heruntergebrochen, dies sollte beibehalten werden. Ein Sicherheitsnetz soll unverhältnismäßige Belastungen einzelner Länder vermeiden und die Freiräume der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung erhalten.
Der Gebäudebereich ist für 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland verantwortlich, insbesondere durch den Einfluss von Raumwärme und Warmwasser. Gebäudebestand wie auch Neubauten bieten große Einsparpotenziale, die gleichermaßen einen Beitrag zur Kosteneinsparung für den Nutzer als auch zum Klimaschutz leisten können. Dabei besteht oftmals ein Sanierungserfordernis außerhalb eines regulären Gebäude-Sanierungszyklus, da zum Bau- bzw. letzten Sanierungszeitpunkt vor 20 bis 30 Jahren keine oder nur sehr geringe gesetzliche Anforderungen an den Wärmeschutz existierten. Derartige Investitionen können in der Regel nur durch attraktive Förderangebote aktiviert werden.
B
- 14. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Verkehrsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.
- 1. Fraunhofer Institut (2013): "Analysis of a European Reference Target System for 2030 - Report to the Coalition of Energy Savings", In: http://www.isi.fraunhofer.de/isiwAssets/docs/x/de/publikationen/Fraunhofer-ISI ReferenceTargetSystemReport.pdf