Der Bundesrat hat in seiner 989. Sitzung am 15. Mai 2020 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Mitteilung der Kommission zum Investitionsplan für ein zukünftiges Europa - Investitionsplan für den europäischen Grünen Deal.
Der Investitionsplan zeigt Finanzierungsmöglichkeiten zur Umsetzung des europäischen Grünen Deals der Kommission insbesondere im Bereich des Klimaschutzes auf.
- 2. Der Bundesrat begrüßt ferner, dass die Kommission das hohe Investitionserfordernis eines verstärkten Klimaschutzes anerkennt und als Ziel eine moderne, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft ausgibt. Er betont die Bedeutung attraktiver und effizienter Anreize, um das beabsichtigte private Investitionsvolumen auszulösen.
- 3. Der Bundesrat betont, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft ein wichtiges politisches Ziel ist und begrüßt, dass das Europäische Parlament am 15. Januar 2020 eine Entschließung (P9_TA-PROV (2020)0005) zum europäischen Grünen Deal mit großer Mehrheit angenommen hat. Der Bundesrat begrüßt, dass gleichzeitig ein ehrgeiziger Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft sowie Anreize für Innovationen, für nachhaltige Unternehmen und Märkte für klimaneutrale, kreislauforientierte schadstofffreie Produkte gefordert werden. Hierfür sollten beispielsweise auch Maßnahmen der öffentlichen Abfallentsorgung im Rahmen der Daseinsvorsorge förderfähig werden und die Mitgliedstaaten bei Beihilfen für die Kreislaufwirtschaft (unter anderem Maßnahmen zu Recycling, Wiederverwendung von Abwärme, Wiederverwendung von CO₂ oder getrennte Sammlung von Abfallströmen) einen größeren Spielraum erhalten.
- 4. Er merkt kritisch an, dass unter dem Punkt "Investitionsherausforderungen" die Sanierung von Altlasten nicht genannt wird. Deshalb wird eine Ergänzung dahin gehend vorgeschlagen, dass es auch erheblicher Investitionen zur Beseitigung der mit Altlasten verbundenen Umweltgefährdungen bedarf. Die Sanierung von Altlasten stellt anhaltend eine große ökologische Herausforderung dar. Die Sanierung von Altlasten sollte gerade wegen der Bedeutung des Bodens für die mit dem Klimawandel verbundenen Veränderungen eine prioritäre Rolle spielen. Deutschland und auch andere Mitgliedstaaten haben unverändert mit vielen und schweren Altlasten bzw. Schadstoffbelastungen aufgrund der historischen Standorte der (chemischen) Industrie und des Bergbau- und Hüttenwesens zu kämpfen.
- 5. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, bei den ehrgeizigen Zielsetzungen beim EU-Haushalt und bei den damit verbundenen Programmen sicherzustellen, dass die vorgesehenen Mittel auch tatsächlich für effiziente Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden. Zahlungen, die keinen oder nur einen marginalen Beitrag zum Klimaschutz beinhalten, dürfen nicht angerechnet werden, um die angestrebten Ziele mit den vorhandenen Mitteln auch zu erreichen.
- 6. Er ist besorgt, dass im nun vorliegenden Investitionsplan für den europäischen Grünen Deal die Kosten zum Erhalt und zur Wiederherstellung von Ökosystemen und der biologischen Vielfalt nicht berücksichtigt sind. Neben dem Klimaschutz stellt die Erhaltung der biologischen Vielfalt eine weitere große umweltpolitische Herausforderung dar.
- 7. Der Bundesrat sieht wie die Kommission die Notwendigkeit, die Modernisierungsquote des Gebäudebestands zu steigern.
Er teilt die Auffassung, dass sich die EU und die Mitgliedstaaten an einer "Renovierungswelle" für öffentliche und private Gebäude beteiligen sollten. Dies muss in den Strukturfonds stärker verankert werden.
- 8. Der Bundesrat hält das Finanzierungsinstrument InvestEU für eine geeignete Maßnahme, um bei Investitionslücken oder Marktversagen die notwendige Investitionsbereitschaft herzustellen, sofern der bestehenden Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den sozialen Wohnungsbau Rechnung getragen wird. Er hält es für unabdingbar, dafür zu sorgen, dass Investitionen auf der Grundlage von InvestEU nicht zu einer Verdrängung und damit zur Wirkungslosigkeit bestehender Förderregime von Bund oder Land führen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, die derzeit im Rat und Europäischen Parlament zu beratenden Investitionsleitlinien (delegierter Rechtsakt) mit folgenden Maßgaben aktiv zu begleiten: Bei der Durchführung von Investitionen im sozialen Wohnungsbau haben die Bestimmungen regionaler, nationaler oder föderaler Förderregime zwingend zu gelten. Eine Benachteiligung der mitgliedstaatlichen Förderung, insbesondere auch durch die Geltung unterschiedlicher beihilferechtlicher Bestimmungen, muss vermieden werden. Im Übrigen dienen Investitionen auf der Grundlage von InvestEU lediglich der Refinanzierung bestehender Förderung von Wohnraum, auch für Studierende oder Menschen mit Behinderungen.
- 9. Die Kommission weist im Zusammenhang mit einem nachhaltigen Finanzwesen als eine wesentliche Maßnahme auf die Ausarbeitung näherer Einzelheiten der EU-Taxonomie zu den Zielen des Klimaschutzes und zu anderen Umweltzielen in delegierten Rechtsakten hin. Wegen der weitreichenden Auswirkungen der Taxonomie auf die Produktions- und Lieferketten spricht sich der Bundesrat für eine angemessene Einbeziehung der Expertise von Vertretern sowohl der Finanzwirtschaft als auch der Realwirtschaft in voller Abdeckung aller relevanten Sektoren in der Plattform für nachhaltiges Finanzwesen sowie der Sachverständigengruppe der Mitgliedstaaten aus.
Da sich mittelbar aus der Taxonomieverordnung auch Transparenzpflichten für kleine und mittelständische Unternehmen ergeben werden, zum Beispiel in ihrer Funktion als Zulieferer und Kreditnehmer für bzw. von Unternehmen, die zu einer nichtfinanziellen Berichterstattung und Einhaltung der Transparenzanforderungen nach den einschlägigen europäischen Regelwerken verpflichtet sind, sollten die technischen Evaluierungskriterien zudem möglichst schlank, klar und in der Praxis einfach anwendbar ausgestaltet werden. Nur auf diese Weise kann überbordender Bürokratie für den Mittelstand entgegengewirkt werden.
Der Bundesrat fordert die Kommission auf, den anstehenden Erarbeitungsprozess der technischen Evaluierungskriterien zur Taxonomieverordnung möglichst transparent auszugestalten, um die Voraussetzungen für ein effektives Monitoring durch das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
- 10. Er begrüßt grundsätzlich die Einrichtung eines "Fonds für einen gerechten Übergang", da die geplante Umstellung der Wirtschaft auf Klimaneutralität mit erheblichen sozioökonomischen Herausforderungen einhergeht. Er betont darüber hinaus, dass diese Umstellung nicht alleine den Energiesektor betrifft, sondern auch zahlreiche weitere Industriezweige. Er erachtet daher den von der Kommission angedachten Zuteilungsmechanismus als Schritt in die richtige Richtung.
Der Bundesrat weist allerdings darauf hin, dass die Finanzierung des "Fonds für einen gerechten Übergang" nicht zu Lasten der bewährten Instrumente der europäischen Kohäsionspolitik gehen darf. Diese dürfen durch den "Fonds für einen gerechten Übergang" weder in ihrem Volumen noch in ihren Zielen und Einsatzmöglichkeiten beeinträchtigt werden.
Er fordert rasche Klarheit über die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen des "Fonds für einen gerechten Übergang". Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Planungen zur Programmierung in den Ländern bereits fortgeschritten sind und die Einrichtung eines neuen Fonds eine zeitgerechte Umsetzung nicht gefährden darf.
- 11. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.