Der Bundesrat hat in seiner 912. Sitzung am 5. Juli 2013 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Einrichtung eines Nanoprodukt-Registers
- 1. Der Bundesrat sieht Nanotechnologien als Schlüsseltechnologien an, von denen Anstöße zu innovativen Entwicklungen in den verschiedensten technologischen Bereichen und gesellschaftlichen Anwendungsfeldern zu erwarten sind. Nanotechnologien zeichnen sich durch vielseitige Anwendungsbereiche aus. Neben ihrem Einsatz im Energie-, Material- oder Gesundheitsbereich halten Nanotechnologien einen rasanten Einzug in den Alltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern (z.B. Kosmetika, Lacke, Textilien).
- 2. Er stellt fest, dass insbesondere für verbrauchernahe Produkte ein großes Informationsinteresse bei Verbraucherinnen und Verbrauchern über die darin enthaltenen Nanomaterialien besteht.
Insbesondere die unzureichende Informationslage bei verbrauchernahen Anwendungen führt zu Verunsicherungen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Um die Innovationskraft dieser neuen Technologie aufrechtzuerhalten, ist Transparenz für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz erforderlich.
- 3. Der Bundesrat stellt ferner fest, dass die bei der Entwicklung der Nanotechnologien erforderliche Begleitforschung zu Gesundheits- und Umweltauswirkungen derzeit nicht ausreichend berücksichtigt wird. Er sieht die Stärkung dieser Begleitforschung als notwendig an, die auch einen wichtigen Beitrag zur Steigerung von Akzeptanz und Vertrauen und somit der Chancen der Schlüsseltechnologien liefert.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich nachdrücklich für die Schaffung einer Nano-Produktdatenbank auf EU-Ebene einzusetzen.
- 5. Er fordert die Bundesregierung ferner auf, im Rahmen eines dialogorientierten Prozesses mit den jeweiligen Interessenvertretern (Industrie, Umwelt- und Verbraucherverbände, Bund und Länder etc.) Eckpunkte eines europaweiten Nanoprodukt-Registers zu erarbeiten und diese auf EU-Ebene einzuspeisen. Es sollte geprüft werden, wie diese Aktivitäten auf nationaler Ebene begleitet werden können mit dem Ziel, den Aufbau eines Nanoprodukt-Registers auf EU-Ebene strukturell, inhaltlich und hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen vorzubereiten und zu unterstützen. In diesem Zusammenhang bittet der Bundesrat die Bundesregierung um eine zeitnahe Auswertung und Bewertung der Aktivitäten anderer EU-Mitgliedstaaten zu Meldepflichten und Produktregistern.
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung außerdem auf, die aus der Forschungsförderung des Bundes und den Forschungsaktivitäten der Bundesbehörden gewonnenen Erkenntnisse zu Eigenschaften und Wirkungen nanoskaliger Stoffe und Verbindungen in einer auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich aufbereiteten Datenbank öffentlich zugänglich zu machen.
Begründung:
Die Verwendung der Nanotechnologie mit ihren vielfältigen Möglichkeiten zur Optimierung vorhandener und Schaffung neuer innovativer Produkte ist weltweit bereits in nahezu allen Branchen etabliert. Neben den erwarteten Chancen sind aber auch mögliche Risiken der Technologie für Mensch und Umwelt deutlich geworden, die vielfach noch nicht ausreichend untersucht sind und die auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern Besorgnis ausgelöst haben. Deshalb besteht gerade für verbrauchernahe und umweltoffene Produkte ein großes Interesse sowohl für die Kontrollbehörden als auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher, Informationen über bereits auf dem Markt befindliche Nanoprodukte zu erhalten.
Vertreter der Kommission haben wiederholt erklärt, dass die Kommission nicht beabsichtige, ein supranationales Nanoprodukt-Register zu etablieren. Einzelne Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Belgien, Dänemark oder Italien prüfen derzeit nationale Regelungen. In Frankreich ist bereits seit Anfang 2013 ein Gesetz zur Nanotechnologie in Kraft getreten, das u.a. auch Meldepflichten für Hersteller, Verwender oder Inverkehrbringer von Nanomaterialien enthält. Diese Entwicklung verstärkt den Druck auf die Kommission, ihre Haltung zu überdenken und sollte die Bundesregierung veranlassen, ein EU-weites Register einzufordern. Denn die Einführung von nationalen Registern statt eines EU-weiten Produktregisters ist umstritten, da dies zu unnötigen Wettbewerbsverzerrungen und einem übermäßigen Bürokratieaufbau führen kann.
Ungeachtet der Schwierigkeiten der Nanokommission, eine Position zu einem Nanoproduktregister zu erarbeiten, sollten die Eckpunkte für ein Nanoproduktregister auf europäischer Ebene im Rahmen eines offenen, breiten und übergreifenden Dialogs mit allen Interessenvertreterinnen und -vertreter erarbeitet werden. Die Vorgabe konkreter Ziele sollte bewusst vermieden werden. Ungeachtet dessen sollte in diesem Dialog über die Möglichkeiten einer nach Produkten aufrufbare Datenbank und deren Inhalte über den gesamten europäischen Binnenmarkt diskutiert werden.
Die Erarbeitung und Einspeisung von Eckpunkten ist ein fundamentaler und wegweisender Schritt hin zu einem europäischen Nanoprodukt-Register und ermöglicht die Berücksichtigung aller beteiligten Kreise in Deutschland. Ein Ausgangspunkt für die Diskussion könnte das Konzept des Umweltbundesamtes vom 4. Juni 2012 sein. Der Bund sollte darüber hinaus prüfen, inwieweit der Aufbau eines europäischen Nanoproduktregisters zusätzlich durch nationale Aktivitäten unterstützt werden kann.
Die Forschungsförderung des BMBF zur Etablierung der Nanotechnologie in der Anwendung wie auch die auf die Ermittlung der Risiken ausgerichtete Forschung der Bundesoberbehörden haben nanoskalige Stoffe und Verbindungen - und damit zunächst nicht die Produkte - im Fokus. Die vorliegenden Studien der Verbraucherforschung zeigen eine Aufgeschlossenheit gegenüber der Nanotechnologie, deren möglicher Nutzen anerkannt wird. Die aktuelle Vermittlung von Ergebnissen aus der Forschung bietet somit die Chance, diese Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhalten und den Marktzugang für künftige Produkte zu erleichtern. Die Aktivitäten anderer EU-Mitgliedstaaten sollten auf ihre Wirksamkeit für den Umwelt- und Verbraucherschutz wie auch die Folgen für die Innovationstätigkeit der Unternehmen kritisch überprüft werden.