Der Bundesrat hat in seiner 950. Sitzung am 4. November 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat spricht sich unter dem Eindruck weltweit steigender Flüchtlingszahlen ausdrücklich dafür aus, dass unionsweit sichere und legale Wege in die EU für Personen geschaffen werden, die internationalen Schutz benötigen. Dies ist ein wirksames Mittel, irreguläre Migrationsbewegungen über gefährliche Fluchtrouten und die Ausbeutung durch Schleusernetze einzudämmen und so Menschenleben zu retten.
Er unterstützt die Bemühungen der Kommission, eine gerechte Verteilung von Schutzsuchenden auf die Mitgliedstaaten zu erreichen und Gefahren für Flüchtlinge zu minimieren.
Im Kontext des von der Kommission vorgelegten Gesamtpakets zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems kann der Grundgedanke einer gezielten Neuansiedlung von Schutzbedürftigen in Mitgliedstaaten der EU hilfreich sein, um diesen Zielen näherzukommen.
Der von der Kommission vorgelegte Vorschlag zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmens kann mithin nach Auffassung des Bundesrates einen Beitrag zur Verstärkung dieser Bemühungen leisten.
- 2. Der Bundesrat stellt insofern fest, dass für bisherige Neuansiedlungsinitiativen kein einheitliches Verfahren vorliegt, und begrüßt ausdrücklich, dass durch eine Verordnung ein stärker strukturierter, harmonisierter und dauerhafter Rahmen für Neuansiedlungen in der gesamten Union geschaffen wird, der es der EU erleichtert, im Rahmen globaler Neuansiedlungsinitiativen zu agieren. Er hält einheitliche Standards und Verfahren für Schutzbedürftige im Rahmen der Neuansiedlung generell für notwendig, betont jedoch, dass es den Mitgliedstaaten obliegt zu entscheiden, ob sie außerhalb des unionsweiten Rahmens zusätzlich schutzbedürftige Personen aufnehmen. Er tritt daher jeglicher (auch zukünftigen) Ausschließlichkeit des vorgeschlagenen EUNeuansiedlungsrahmens entgegen.
- 3. Der Bundesrat gibt weiterhin zu bedenken, dass Neuansiedlungsplätze grundsätzlich für besonders schutzbedürftige Personen vorgesehen sind. Familienangehörige von in der EU anerkannten Flüchtlingen haben bereits nach der Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung) ein Recht auf Familienzusammenführung in der EU. Die Mitgliedstaaten sollten daher ihre für den Neuansiedlungsrahmen angegebenen Selbstverpflichtungen für Neuansiedlungsplätze nicht durch derartige Familienzusammenführungen erfüllen können dürfen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass der Verordnungsvorschlag für jede Neuansiedlung innerhalb des EU-Rahmens 10 000 Euro für den aufnehmenden Mitgliedstaat vorsieht.
Hinsichtlich des Vorschlags, den Mitgliedstaaten 10 000 Euro pro neu angesiedelter Person aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds zuzuweisen, muss sichergestellt sein, dass jeweils ausgerichtet am jährlichen Neuansiedlungsplan ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Des Weiteren müssen die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den Mitgliedstaaten angemessen und gegebenenfalls mittels variabler Beträge berücksichtigt werden.
Der Bundesrat regt an, dass sich diese Förderung zumindest mittelfristig an den tatsächlichen Kosten des Mitgliedstaates orientiert.
Es muss zudem gewährleistet sein, dass die Mittel zweckgebunden eingesetzt werden.
- 5. Erwogen werden sollte dabei auch, die Aufwendungen für die aus einer positiven Übernahme-Entscheidung erwachsenden Kosten für Reisevorkehrungen und die Überstellung in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Mitgliedstaats als förderfähig einzubeziehen.
- 6. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass durch die Anrechnung der tatsächlich erfolgten Neuansiedlungen auf den durch die vorgeschlagene neue Dublin-Verordnung vorgesehenen Korrekturmechanismus die Bedeutung der Neuansiedlung im Rahmen der gemeinsamen Asylpolitik unterstrichen wird.
- 7. Er bittet die Bundesregierung, auf die anderen Mitgliedstaaten einzuwirken, angesichts global steigender Flüchtlingszahlen die Möglichkeiten des Neuansiedlungsprogramms auszuschöpfen und auch selbst verstärkt Plätze anzumelden - auch um die Verantwortung mit Drittstaaten zu teilen, die eine hohe Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen haben.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, sich gegenüber der EU und den anderen Mitgliedstaaten für einen Ausbau der Möglichkeiten für privat finanzierte Aufnahmeprogramme ("private sponsoring"/Aufnahme per Verpflichtungserklärung) einzusetzen.