952. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016
A
- 1. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, dem Gesetz gemäß Artikel 105 Absatz 3, Artikel 107 Absatz 1 Satz 2 sowie Artikel 108 Absatz 4 Satz 1 und Absatz 5 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließungen zu fassen:
- 2.
- a) Durch die Steuervermeidung internationaler Konzerne gehen den Staaten beträchtliche Steuereinnahmen verloren. Ihre Strategien sind mit der Zeit immer ausgefeilter geworden. Sie beruhen in der Regel auf der grenzüberschreitenden Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer. Es werden dabei die Unstimmigkeiten und Lücken zwischen den einzelnen Steuersystemen der Staaten ausgenutzt. Die Steuervermeidung wird aber auch durch den schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Staaten begünstigt.
- b) Steuerflucht und Steuerhinterziehung erschweren die Finanzierung öffentlicher Güter und enthalten dem Staat zulasten aller ehrlichen Steuerzahler die Mittel für notwendige Investitionen etwa in Bildung und Infrastruktur vor. Um eine faire Finanzierung der öffentlichen Haushalte und die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens zu sichern, müssen die Staaten auch in abgestimmter Weise gegen die grenzüberschreitende Steuervermeidung vorgehen.
- c) Im Rahmen des Aktionsplans gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen (BEPS = Base Erosion and Profit Shifting) hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Oktober 2015 einen Katalog von Regelungen gegen Steuergestaltungspraktiken multinationaler Unternehmen vorgelegt. Aus Sicht des Bundesrates bietet der BEPS-Aktionsplan eine geeignete Grundlage für die Überarbeitung und Erweiterung der internationalen steuerlichen Standards gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen. Die von der OECD aufgezeigten Unstimmigkeiten zwischen den Steuersystemen und die Schlupflöcher und Lücken innerhalb der nationalen Steuersysteme müssen geschlossen werden.
- d) Das vorliegende Gesetz enthält erste Maßnahmen zur Umsetzung des BEPS-Aktionsplans mit Blick auf den Informationsaustausch von Tax-Rulings und das Countryby-Country-Reporting. Es stellt einen ersten notwendigen Schritt für die Umsetzung der BEPS-Maßnahmen in Deutschland dar. Über das vorliegende Gesetz hinaus hält der Bundesrat weitere Initiativen für dringend erforderlich, die verschiedenen, teilweise abstrakt formulierten Einzelvorhaben im Rahmen des BEPS-Aktionsplans in konkrete Gesetzesvorhaben zu überführen und im nationalen Steuerrecht umzusetzen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, die begonnenen Arbeiten zügig fortzusetzen und in enger fachlicher Abstimmung mit den Ländern mit der Erarbeitung von Regelungen zur Umsetzung auch der übrigen BEPS-Aktionspunkte im deutschen Steuerrecht zu beginnen, damit entsprechende Neuregelungen schnellstmöglich in Kraft treten können.
- e) Der Bundesrat erinnert die Bundesregierung an ihre Zusage, bereits bis Herbst 2015 gemeinsam mit den Ländern die Kriterien für schädlichen Steuerwettbewerb zu überarbeiten sowie ergänzende Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken zu erarbeiten. Die mittlerweile im ECOFIN beschlossene Richtlinie des Rates vom 12. Juli 2016 (sog. Anti-Tax Avoidance Directive - ATAD) bietet hierfür den geeigneten Rahmen, um die entsprechenden nationalen Regelungen anzupassen.
- f) In diesem Zusammenhang sollten auch die nach der Aufforderung des Bundesrats vom Mai 2014 mittlerweile aufgenommenen Arbeiten zur Implementierung einer gesetzlichen Anzeigepflicht für Steuergestaltungen zügig zum Abschluss gebracht werden. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, noch in dieser Legislaturperiode die Regelungen für eine effiziente gesetzliche Anzeigepflicht für Steuergestaltungen zu verabschieden. Eine solche Anzeigepflicht leistet einen wesentlichen präventiven Beitrag zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken, weil sie den Gesetzgeber frühzeitig in die Lage versetzt, effektiv auf Steuergestaltungen zu reagieren.
- g) Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf für das vorliegende Gesetz festgestellt, dass das Gesetz der Ergänzung um Maßnahmen zur Verhinderung des Doppelabzugs von Betriebsausgaben bei Personengesellschaften bedarf. Derartige Gestaltungen werden in einer Vielzahl von Fällen zur Erzielung von Steuervorteilen in erheblichem Ausmaß genutzt. Der Bundesrat begrüßt, dass die vorgeschlagene Regelung im weiteren Verfahren in das Gesetz aufgenommen worden ist.
- h) Der Bundesrat hat die Bundesregierung im Übrigen bereits im Mai 2013 dazu aufgefordert, sich auf europäischer Ebene intensiv dafür einzusetzen, die Möglichkeit zur doppelten Nichtbesteuerung von Einkünften (so genannte "weiße Einkünfte") zu beenden und den doppelten Abzug von Betriebsausgaben ("Double Dip") unmöglich zu machen. Die Bundesregierung hat im Dezember 2014 dem Bundesrat zugesagt, in Abstimmung mit den Ländern rasch einen Gesetzentwurf vorzulegen, der insbesondere Maßnahmen zur Verhinderung hybrider Gestaltungen umfasst. Ein solcher Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt bis heute nicht vor. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund mit besonderem Nachdruck dazu auf, gemeinsam mit den Ländern umfassende gesetzgeberische Maßnahmen zur möglichst vollständigen Beseitigung unversteuerter Einkünfte bzw. eines doppelten Betriebsausgabenabzugs durch hybride Gestaltungen vorzubereiten.
- i) Ein zentraler Bereich der Steuergestaltung liegt bei immateriellen Wirtschaftsgütern wie Patenten und Lizenzen. Sondersteuerregime für Einkünfte aus Patenten und Lizenzen gehören zu den besonders schädlichen Steuerpraktiken und haben in besonders starkem Umfang zur Verlagerung von Gewinnen mit dem Ziel der Steuervermeidung geführt. Es ist ein Gebot der Steuergerechtigkeit, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Nach Auffassung des Bundesrates sollte die Vorzugsbesteuerung bei Patent- und Lizenzboxen international langfristig abgeschafft werden. Die internationale Einigung auf den sog. Nexus-Approach, der die steuerliche Begünstigung an eine Forschungstätigkeit im betreffenden Staat knüpft, ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer fairen Besteuerung dieser Einkünfte. Wegen der langen Übergangsfristen bis zum Jahr 2021 und berechtigter Zweifel, ob tatsächlich alle Staaten ihre Lizenzboxen auf den Nexus-Ansatz beschränken, hält es der Bundesrat für erforderlich, nationale Abwehrmaßnahmen zur Sicherung des Steuersubstrats zu ergreifen, die sowohl verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen als auch EU-rechtskonform sind. Auch hier sollten die aufgenommenen Arbeiten auf Bund-Länder-Ebene zügig fortgesetzt werden, um noch in dieser Legislaturperiode zu einem beschlussfähigen Ergebnis als Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen zu gelangen. Zudem sollte die Bundesregierung weiter konsequent auf eine Änderung der Zins- und Lizenzrichtlinie hinwirken, um eine Erhebung der Quellensteuer bei grenzüberschreitenden Lizenzzahlungen zu ermöglichen, wenn der (Letzt-)Empfänger keiner oder einer nur niedrigen Besteuerung unterliegt.
- 3.
- a) Das Gesetz enthält weitreichende Ergänzungen, die über die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf hinausgehen. Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Fassung stellt nunmehr insbesondere auch die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des sächlichen Existenzminimums entsprechend den Vorgaben des 11. Existenzminimumberichts sicher.
Zu diesem Zweck werden der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und der Kinderfreibetrag in zwei Schritten jeweils zum 1. Januar 2017 und 1. Januar 2018 erhöht. Gleichzeitig wird die Anhebung des Kinderfreibetrags durch eine Erhöhung des Kindergelds um zwei Euro im Jahr 2017 und durch weitere zwei Euro ab dem Jahr 2018 nachvollzogen. Nach den Angaben der Bundesregierung werden die öffentlichen Haushalte durch die genannten Maßnahmen ab dem Jahr 2018 in Höhe von rund 3,8 Mrd Euro in der vollen Jahreswirkung belastet, wovon ein Betrag in Höhe von rund 2,1 Mrd Euro und damit mehr als die Hälfte auf die Haushalte von Ländern und Kommunen entfällt.
- b) Neben diesen verfassungsrechtlich gebotenen Maßnahmen sieht das Gesetz eine Rechtsverschiebung aller übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs in zwei Schritten um 0,73 Prozent im Jahr 2017 und um weitere 1,65 Prozent ab dem Jahr 2018 vor, um der sogenannten kalten Progression entgegenzuwirken. Die Tarifentlastung führt zu zusätzlichen steuerlichen Mindereinnahmen von jährlich rund 2,4 Mrd Euro ab dem Jahr 2018, wovon jeweils rund 1,3 Mrd Euro von den Haushalten von Ländern und Kommunen zu tragen sind. Im Unterschied zu früheren Initiativen der Bundesregierung mit dem Ziel eines Abbaus der kalten Progression ist im vorliegenden Gesetz keine Kompensation der Steuerausfälle bei Ländern und Kommunen durch den Bund vorgesehen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Abbau der kalten Progression eine solide Finanzierung durch eine entsprechende Kompensation von Ländern und Kommunen durch den Bund voraussetzt.
- c) Die im Gesetz nunmehr vorgesehene weitere Tarifentlastung zum Abbau der so genannten kalten Progression ist aus Sicht des Bundesrates zwar dem Grundsatz nach zu begrüßen. Der Bundesrat bedauert aber, dass die Anpassungen des Einkommensteuertarifs und des Familienleistungsausgleichs nicht als eigenes Gesetzesvorhaben eingebracht worden sind. Er betont mit Blick auf künftige Gesetzgebungsvorhaben, dass insbesondere Anpassungen des Steuertarifs zur Korrektur der so genannten kalten Progression das Resultat einer politischen Festlegung sind; sie bedürfen deshalb stets einer regulären Beratung unter Teilnahme des Bundesrates.
- d) Der Bundesrat stellt fest, dass die in dem vorliegenden Gesetz vorgesehene Anpassung des Einkommensteuertarifs eine mit dem Einkommen der Steuerpflichtigen zunehmende Entlastung bewirkt. Er erinnert in diesem Zusammenhang insbesondere daran, dass in einem früheren Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abbau der kalten Progression im Jahr 2011 - anders als im vorliegenden Gesetz - vorgesehen war, auf eine Rechtsverschiebung auch des Beginns der zweiten Proportionalzone ("Reichensteuer") ausdrücklich zu verzichten (BR-Drs. 847/11 (PDF) ). Der Bundesrat ist der Auffassung, dass aus vergleichbaren verteilungspolitischen Erwägungen heraus die Notwendigkeit einer Entlastung auch der hohen und höchsten Einkommen im Fall der aktuellen Tarifanpassung in Frage zu stellen ist. Er erwartet, dass dies bei künftigen Gesetzgebungsverfahren zur Anpassung des Einkommensteuertarifs beachtet wird.
- a) Das Gesetz enthält weitreichende Ergänzungen, die über die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf hinausgehen. Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Fassung stellt nunmehr insbesondere auch die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des sächlichen Existenzminimums entsprechend den Vorgaben des 11. Existenzminimumberichts sicher.