A. Zielsetzung
- Nach § 16 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) haben Bund und Länder den Eisenbahngesellschaften Ausgleichsleistungen u.a. für
- 1. auferlegte Kindergeldzuschläge für Arbeitnehmer, die andere Verkehrsunternehmen nicht zu tragen haben und
- 2. auferlegte Ruhegehälter und Renten, die von den Eisenbahnen unter anderen als für den für andere Verkehrsträger geltenden Bedingungen zu tragen sind, zu leisten. Ursprung der Ausgleichspflicht war die ehemals den Eisenbahnen vorgeschriebene beamtenmäßige Besoldung und Versorgung ihrer Beschäftigten.
- In Folge der Bahnreform und der Überleitung der früheren Staatsbahn in eine privatrechtliche Gesellschaft ist die Ausgleichspflicht für den Bund entfallen.
- Sie besteht nur noch für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) und hier für die sog. "Alt-NE", die bereits vor der Bahnreform bestanden haben. Neueren NE wurde die o.g. Verpflichtung bereits nicht mehr vorgeschrieben.
- Angesichts der Entwicklung im Eisenbahnsektor nach der Bahnreform, in deren Verlauf eine Vielzahl von nicht ausgleichsberechtigten NE entstanden ist die im Wettbewerb mit ausgleichsberechtigten Unternehmen stehen, erscheint ein Ausgleich für die o.g. Tatbestände nicht mehr zeitgemäß.
B. Lösung
- Die Gesetzesänderung verfolgt das Ziel, die Auferlegung zusätzlicher Kindergeldzuschläge, Ruhegehälter und Renten für Eisenbahnen durch eine Änderung des § 16 Abs. 1 AEG aufzuheben. Damit würden die Ausgleichspflicht für neu eingestelltes Personal entfallen und für das vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung beschäftigte Personal mit dessen Ausscheiden mit der Zeit auslaufen.
C. Alternativen
- Keine
D. Finanzielle Auswirkungen
- Durch die Gesetzesänderung ergibt sich bei den Ländern eine dauerhafte Haushaltsentlastung, die je nach Bundesland mehrere Millionen Euro pro Jahr betragen kann.
- Bei den betroffenen NE entstehen künftig entsprechend der Haushaltsentlastung bei den Ländern höhere Personalkosten, die sich jedoch auf mehrere NE verteilen.
Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 10. April 2007
Der Staatssekretär
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
zuzuleiten.
Ich bitte, gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen zu veranlassen.
Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung Julian Würtenberger
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
Das Allgemeine Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396, 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 13.12.2006 (BGBl I S. 2919), wird wie folgt geändert:
- § 16 Abs. 1 wird wie folgt geändert:
- Nach Ziff. 3 werden folgende Sätze 2 und 3 eingefügt:
"Die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes bestehenden Verpflichtungen zur Zahlung zusätzlicher Kindergeldzuschläge und zum Abschluss zusätzlicher Ruhegehaltsansprüche und Rentenansprüche treten zum 01.01.2008 außer Kraft. Den nichtbundeseigenen öffentlichen Eisenbahnen, für deren Arbeitnehmer bis zum 31.12.2007 aufgrund einer Auferlegung eine Zusatzversorgung begründet wurde oder die bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund einer Auferlegung Kindergeldzuschläge erhalten haben, werden für die bis zu diesem Zeitpunkt eingestellten und anspruchsberechtigten Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 1 und 2 weiter Ausgleichszahlungen geleistet."
- Nach Ziff. 3 werden folgende Sätze 2 und 3 eingefügt:
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A Allgemeiner Teil
1. § 16 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) sieht eine Ausgleichspflicht der Länder und des Bundes vor für:
- 1. auferlegte Kindergeldzuschläge für Arbeitnehmer, die andere Verkehrsunternehmen nicht zu tragen haben,
- 2. auferlegte Ruhegehälter und Renten, die von den Eisenbahnen unter anderen als für den für andere Verkehrsträger geltenden Bedingungen zu tragen sind und
- 3. Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung höhengleicher Kreuzungen, wenn die Eisenbahn für mehr als 50 % der Aufwendungen aufkommen muss.
Während der Ausgleich zu Ziffer 3 unstrittig und wohl auch gerechtfertigt ist - die Eisenbahn trägt die Lasten aus der Kreuzung mit dem Verkehrsträger Straße, während dieser die Kreuzung kostenfrei nutzen kann -, ist der Ausgleich für Kindergeldzuschläge, Renten und Ruhegehälter nicht mehr zeitgemäß.
Die Auferlegung der beamtenrechtlichen Besoldung und Versorgung bei den Nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) erfolgte zumeist in den vor 1945 erteilten Konzessionen. Neuen, nach Inkrafttreten des alten AEG konzessionierten NE wurde diese Versorgung in der Regel nicht mehr auferlegt. Allerdings gilt die o.g. Verpflichtung Kraft Gewohnheitsrecht für die vor Inkrafttreten des alten AEG bestehenden NE fort und gilt dabei auch für neu eingestelltes Personal, sofern eine förmliche Entpflichtung der NE nicht erfolgte. Eine förmliche Entpflichtung kann nur kraft Gesetz oder Verwaltungsakt seitens des seinerzeit verpflichtenden Landes erfolgen.
Zwischenzeitlich sind alle NE tarifvertragliche Verpflichtungen eingegangen, wonach die Beschäftigten, unabhängig vom Vorliegen einer von der Konzessionsbehörde auferlegten bzw. Kraft Gewohnheitsrecht geltenden Verpflichtung, der Pensionskasse oder der Zusatzversorgungskasse (bei kommunalen Gesellschaften) und dementsprechend der beamtenähnlichen Versorgung zuzuführen sind. Hieraus leiten Arbeitgeberverband, Pensionskasse und Gewerkschaften den Anspruch ab, dass die Ausgleichspflicht auch weiterhin bestehen bleiben müsse.
Die tarifvertragliche Verpflichtung ist aber eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern und daher nicht einer die Ausgleichspflicht nach § 16 AEG auslösenden Verpflichtung gleichzusetzen. Insoweit kann der Argumentation der Gewerkschaften, des Arbeitgeberverbandes und der Pensionskasse nicht gefolgt werden.
In Folge der Bahnreform hat sich die Tätigkeit der NE stark ausgeweitet, mit der Folge, dass in nicht unerheblichem Maße Personal eingestellt wurde, für das die Länder Ausgleichsleistungen zahlen. Damit werden die Landeshaushalte zunehmend belastet.
Auch unter Wettbewerbsaspekten ist eine Beibehaltung der Ausgleichspflicht kritisch zu sehen. So sind Eisenbahnen und Straßenbahnen gleichermaßen tarifvertraglich verpflichtet, die Beschäftigten in der Pensions- oder Zusatzversorgungskasse zu versichern, ein Ausgleich dafür wird aber nur den Eisenbahnen gewährt obwohl diese u.U. gleichzeitig Straßenbahnen betreiben.
Auch stehen ausgleichsberechtigte Eisenbahnunternehmen im Wettbewerb mit solchen, die keine Ausgleichsleistungen erhalten, ihre Beschäftigten aber auf Grund tarifvertraglicher Regelungen dennoch gleich versichern müssen.
Die ausgleichsberechtigten Eisenbahnunternehmen haben somit im Vergleich mit anderen Verkehrsunternehmen einen Wettbewerbsvorteil: soweit andere Verkehrsunternehmen demselben Tarifvertrag unterfallen, müssen diese die Kosten für die Zusatzversorgung selbst tragen; soweit sie keine Zusatzversorgung anbieten haben sie Nachteile bei der Anwerbung von qualifiziertem Personal.
Ein Festhalten an der Auferlegung ist daher nicht mehr gerechtfertigt. Die Aufhebung der Auferlegung durch eine Gesetzesänderung gewährleistet eine bundeseinheitliche Regelung. Eine bundeseinheitliche Regelung ist erforderlich, da die NE auf Grund der bestehenden Rechtslage bundesweit tätig werden können und dasjenige Land ausgleichspflichtig ist, in dem der Verkehr erbracht wird. Dies führt insbesondere im Güterverkehr zu der Situation, dass eine ausgleichsberechtigte Eisenbahn in einem Bundesland tätig wird, mit der Folge, dass dieses Ausgleich leisten, ohne dass es aber Einfluss darauf hat, ob die NE in seinem Gebiet überhaupt tätig wird.
Eine Entpflichtung von der Ausgleichspflicht kann nur unter Wahrung des Besitzstandes, also ex nunc, ausgesprochen werden.
B Besonderer Teil
Zu Artikel 1: Änderung § 16 Abs. 1 AEG des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
Satz 1 stellt sicher, dass sämtliche NE bundeseinheitlich zum gleichen Datum entpflichtet werden. Ab diesem Zeitpunkt besteht keine vom Konzessionsgeber auferlegte Pflicht zur beamtenähnlichen Versorgung der Beschäftigten mehr. Die durch Tarif zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft eingegangene vertragliche Verpflichtung bleibt hiervon unberührt.
Satz 2 dient sowohl der Besitzstandswahrung der vor dem Stichtag eingestellten Arbeitnehmer als auch dem Vertrauensschutz der bis dato zur beamtenähnlichen Versorgung ihrer Beschäftigten verpflichteten Eisenbahnen.
Zu Artikel 2: Inkrafttreten
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.
C Finanzielle Auswirkungen
Für die Länder, die bisher Ausgleichsleistungen an NE gezahlt haben, entsteht über die gesamt Zeit des Auslaufens der Leistungen eine kontinuierliche Haushaltsentlastung, die sich - abhängig von der Zahl der im jeweiligen Land ausgleichsberechtigten NE- und der dort beschäftigten Mitarbeiter - über die gesamte Laufzeit auf einen mehrstelligen Millionenbetrag summieren wird.
Andererseits werden die einzelnen NE belastet, da sie keine Personalkostenzuschüsse mehr erhalten, gleichwohl aber ihr Personal auf Grund der Tarifverträge der Zusatzversorgung bzw. der Pensionskasse zuführen müssen. In der Summe wird sich die Belastung der NE in der gleichen Höhe bewegen, wie die Entlastung der Länder. Allerdings wird die einzelne NE nur in einem Ausmaß belastet, der erträglich erscheint da sie die erhöhten Personalkosten zumindest zum Teil auf die Preise weitergeben dürfte.