Der Bundesrat hat in seiner 922. Sitzung am 23. Mai 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission, den Zugang zu unbedenklichem Trinkwasser und zu einer besseren Abwasserentsorgung für alle Menschen innerhalb und außerhalb Europas zu verwirklichen. Wesentlich ist hierbei das Bekenntnis der Kommission zur vollständigen Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Der Bundesrat stimmt der Kommission darin zu, dass Wasser als öffentliches Gut für den vollen Genuss des Lebens und aller Menschenrechte unverzichtbar ist.
- 2. Er verweist auf seine Stellungnahmen vom 2. März 2012 und 30. März 2012 (BR-Drucksachen 874/11(B) und 874/11(B) (2)) und begrüßt, dass die Kommission der darin enthaltenen Forderung, den Wassersektor aus dem Anwendungsbereich der Konzessionsvergaberichtlinie" title="Schlagwortsuche">EU-Konzessionsvergaberichtlinie auszunehmen, nachgekommen ist. Damit konnte die Gefahr einer Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung deutlich verringert werden.
- 3. Der Bundesrat bekräftigt seine Überzeugung, dass der hohe und europaweit führende Qualitätsstandard des Trinkwassers in Deutschland in hohem Maße auf die von den Kommunen verantwortete Wasserversorgung zurückzuführen ist. Die Trinkwasserversorgung ist als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge nicht dem grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zugänglich; bei einer europaweiten Ausschreibung stünde vielmehr zu befürchten, dass die Qualität dieser Versorgung zum Nachteil der Bevölkerung signifikant sinkt. Auch im Rahmen zukünftiger Rechtsetzungsverfahren ist darauf zu achten, die Wasserversorgung in Europa nicht unter Privatisierungsdruck zu bringen und den Zugang zu Wasser für alle zu sichern.
- 4. Im Hinblick auf die Forderung der Europäischen Bürgerinitiative nach einer gesetzlichen Verankerung des Menschenrechts auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen stellt der Bundesrat fest, dass die Ankündigung der Kommission, eine EU-weite Konsultation zur Prüfung von Verbesserungen durchzuführen, deutlich hinter dieser Forderung zurückbleibt.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, dass Freihandelsabkommen die Einhaltung der hohen europäischen Standards im Verbraucher- und Umweltschutz sicherstellen müssen. Die Errungenschaften der nationalen und europäischen Gesetzgebung beim Umwelt- und Verbraucherschutz dürfen ebenso wenig wie die in den EU-Vergaberichtlinien erreichten Ausnahmen für Daseinsvorsorgeleistungen in Frage gestellt werden.
- 6. Er bittet die Bundesregierung, bei laufenden oder kommenden Beratungen und Gesetzesinitiativen gegenüber der EU insbesondere folgende Aspekte sicherzustellen:
- - Weiteren Bestrebungen auf EU-Ebene zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorgeleistungen ist eine klare Absage zu erteilen; - Insbesondere darf die EU keinem Abkommen zustimmen, das die in den EU-Vergaberichtlinien gefundenen Kompromisse unterläuft und den Druck zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorgeleistungen wie der Wasserversorgung verstärkt. Die hohen deutschen und europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards müssen erhalten bleiben; auch die Vergabe öffentlicher Aufträge nach ökologischen oder sozialen Kriterien darf nicht erschwert oder gar unmöglich gemacht werden;
- - In hochentwickelten Rechtsstaaten wie den USA und den Mitgliedstaaten der EU sollten Investitionsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten verhandelt werden. Die Ankündigung der Bundesregierung, sich bei der Kommission für ein Ausklammern von Investor-Staat-Schiedsverfahren im Freihandelsabkommen mit den USA einzusetzen, begrüßt der Bundesrat. Sollte dennoch eine Investitionsschutzvereinbarung im Rahmen des Abkommens getroffen werden, erwartet der Bundesrat, dass mit dieser bestehende Defizite der existierenden Schiedsverfahren beseitigt und ambitionierte Standards gesetzt werden. Dazu gehört u.a., dass Handlungsspielräume der EU sowie der Parlamente und Regierungen der Mitgliedstaaten nicht eingeschränkt und neue, nicht diskriminierende Gesetze und Regulierungen nicht als enteignungsgleicher Eingriff in Investorenrechte gewertet werden. Die Aussetzung der Gespräche zum Freihandelsabkommen mit den USA zu diesem Punkt und die geplante öffentliche Befragung werden ausdrücklich begrüßt;
- - Laufende und zukünftige Verhandlungen zu Freihandelsabkommen müssen transparent und unter Einschluss der Öffentlichkeit stattfinden.