Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung sowie einer Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen

Der Bundesrat hat in seiner 982. Sitzung am 8. November 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 und 2, § 6 Absatz 2, § 7 WoBerichtsG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Bundesstatistiken sollen neben den Informationsbedürfnissen des Bundes auch die der Länder und Gemeinden berücksichtigen (vergleiche § 1 Absatz 1 Satz 4 und § 5 Absatz 1 Satz 2 des Bundesstatistikgesetzes - BStatG). Die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigten Datenerhebungen können sowohl für Zwecke der sozialpolitischen Planung auf der Bundes- wie auch auf der Landes- und der kommunalen Ebene genutzt werden.

Mit dem Gesetzentwurf wird beabsichtigt, eine zentrale amtliche Statistik über Personen, die wohnungslos sind, beim Statistischen Bundesamt anzuordnen. Dies ist unter verfassungsrechtlichen, fachlichen und auch verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten abzulehnen.

Mit den für den Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen wird bezweckt, die Erstellung dieser Bundesstatistik den hierfür fachlich zuständigen Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder zuzuweisen. Diese Fachbehörden nehmen den ihnen unter anderem durch das Bundestatistikgesetz übertragenen Generalauftrag zur Gewinnung, Aufbereitung und Veröffentlichung von Daten unter Beachtung der jeweils aktuellen Bedarfe eines sozialen, föderativ gegliederten Bundesstaates sowie spezifischer rechtlicher und fachlicher Regelungen in bewährter Aufgabenteilung als gemeinschaftliche Aufgabe wahr.

Aufgaben der amtlichen Statistik werden in Deutschland grundsätzlich von spezialisierten Fachbehörden, das heißt Statistikämtern auf Bundes- und Landesebene, wahrgenommen (Prinzipien der fachlichen und funktionalen Zentralisation sowie der regionalen Dekonzentration). Deren Auftrag umfasst die Erstellung und kontinuierliche Pflege einer Informationsbasis, die - mit Blick auf die abzudeckenden Nutzerbedarfe - thematisch vielgestaltig sowie fachlich und regional differenziert sein muss. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder schaffen in diesem föderativ gegliederten Gesamtsystem der amtlichen Statistiken die Grundlage für eine am Sozialstaatsprinzip ausgerichtete Politik (vergleiche § 1 BStatG). Im Rahmen der jeweiligen verfassungsrechtlichen Kompetenzen ist der Bund für die Gesetzgebung der amtlichen Statistik (Artikel 73 Absatz 1 Nummer 11 GG) und die Länder sind für die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen (Artikel 83 GG) verantwortlich. Der Bund darf zwar Aufgaben des Verwaltungsvollzugs übernehmen, jedoch müssen zum einen diesbezüglich zwingende Gründe vorliegen, und zum anderen dürfen die von der Verfassung vorgegebenen Kompetenzen nicht ausgehöhlt werden. Da bisher die Statistischen Ämter der Länder auf der Grundlage der geltenden Sozialgesetzgebung regelmäßig Statistiken zu einer Vielzahl hier einschlägiger Sachverhalte erstellen und veröffentlichen, bestehen keine hinreichenden Gründe, dieses Prinzip aufzulösen. Bei Umsetzung des Gesetzentwurfs würde die etablierte und rechtlich verbindliche Aufgabenzuweisung im Bereich der amtlichen Statistik insofern willkürlich aufgehoben.

Die Erhebung, Aufbereitung und Veröffentlichung von Bundesstatistiken in arbeitsteiliger, ämterübergreifend koordinierter Weise folgt - ungeachtet ökonomischer Überlegungen - dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gewaltenteilung entsprechend auf horizontaler (inhaltlicher) Ebene in fachlich konzentrierten Verwaltungseinheiten, die neutral, objektiv und wissenschaftlich unabhängig sowie auf vertikaler (räumlicher) Ebene dekonzentriert (eine Bundes- und 14 Landesbehörden) agieren. Durch Übertragung der Datenerhebung und -aufbereitung an die Statistischen Ämter der Länder werden deren fachspezifischen Kompetenzen sowie deren Vor-Ort-Kenntnisse optimal genutzt und so auch den in § 3 BStatG genannten Vorgaben zur Aufgabenteilung Rechnung getragen. Die in der Begründung zu dem Gesetzentwurf an mehreren Stellen benannten Gründe für die Etablierung einer zentralen Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen (Vermeidung zusätzlicher Belastungen für die Länder in Verbindung mit vermeintlich geringeren Gesamtkosten sowie Aktualitätsvorteilen) sind nicht nachvollziehbar. Vielmehr sind Kostensteigerungen, Aktualitätsdefizite sowie Qualitätseinschränkungen zu erwarten, wenn diese Statistik als zentrale Bundesstatistik geführt wird. Die größere Nähe der Statistischen Landesämter zu ihren jeweiligen Berichtsstellen und die hieraus resultierende bessere Kenntnis der örtlichen Gegeben- und Besonderheiten sowie die fachliche Spezialisierung auf die Erhebungs- und Aufbereitungsprozesse sichern in Bundestatistiken eine effiziente Durchführung und hohe Qualität der Ergebnisse.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es in der Gesamtschau sowohl verfassungsrechtlich, statistischmethodisch und auch verwaltungsökonomisch nicht zu rechtfertigen, dass der Gesetzentwurf die Aufgabe der Erstellung einer amtlichen Bundesstatistik untergebrachter wohnungsloser Personen als zentrale Statistik beim Statistischen Bundesamt vorsieht. Diese neue Statistik fügt sich vielmehr schlüssig in die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder dezentral geführten Statistiken auf dem Gebiet des Sozialwesens und das föderativ geführte Gesamtsystem der amtlichen Statistiken ein und ist dementsprechend diesen Fachbehörden unter Beachtung der bewährten Aufgabenteilung zu übertragen.

2. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren darzulegen, aus welchen Gründen Bundesstatistiken in der jüngeren Vergangenheit vermehrt zentral Bundesbehörden, insbesondere dem Statistischen Bundesamt, und nicht dezentral den Statistischen Ämtern der Länder übertragen wurden bzw. werden sollen.

Begründung:

In der Bundesgesetzgebung ist die Entwicklung zu beobachten, die Durchführung von Bundesstatistiken vermehrt Bundesbehörden zu übertragen. Beispielhaft sei hier auf die folgenden Gesetzgebungsverfahren aus den vergangenen Monaten verwiesen: