Auswärtiges Amt Berlin, 22. Juni 2018
Staatsminister für Europa
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Europäische Kommission empfiehlt in ihrer Mitteilung zur Erweiterungsstrategie 2016 - 2018 vom 17. April 2018, Beitrittsverhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien auf der Basis der erzielten Fortschritte aufzunehmen. Dabei ist aus Sicht der Kommission die derzeitige Reformdynamik in Bezug auf die dringenden Reformprioritäten aufrechtzuerhalten und zu verstärken.
Sie würdigt damit die neue reformorientierte mazedonische Regierung, die seit Mai 2017 Maßnahmen ergriffen hat, um nach schwerster politischer Krise die gegenseitige Kontrolle der Gewalten schrittweise wiedereinzuführen sowie die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken.
Die Europäische Kommission gelangt zu der Einschätzung, dass die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, die aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen umzusetzen und auch dem Wettbewerbsdruck im europäischen Binnenmarkt standzuhalten.
Die Europäische Kommission zeigt sich optimistisch, dass bilaterale Fragen mit Griechenland, die nicht die Kopenhagener Kriterien betreffen, während der Beitrittsverhandlungen gelöst werden können.
Die umfassende Analyse der Europäischen Kommission zur Reformbilanz, die dem strikten Prinzip der Beurteilung ausschließlich nach eigenen Leistungen folgt, entspricht der Einschätzung der Bundesregierung.
Mit der Überwindung des innenpolitischen Stillstands der letzten Jahre hat das Land entscheidende Weichenstellungen für wichtige rechtsstaatliche, wirtschaftliche und strukturpolitische Anpassungen vorgenommen und politische Reformen auf den Weg gebracht.
Aus Sicht der Bundesregierung spricht die Reformbilanz der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Eine Zustimmung wäre das richtige positive Signal an die mazedonische Regierung, den Reformkurs auch gegen politischen Druck von innen und außen fokussiert fortzusetzten. Zugleich muss jedoch die Konditionalität erhalten bleiben.
Wir setzen uns angesichts der Verhandlungslage im Rat als vermittelnde Lösung für eine gegenüber Albanien erleichterte Verhandlungseröffnung für die ehemalige jugoslawischen Republik Mazedonien ein. Notwendig ist, dass bestimmte Voraussetzungen bereits vor der ersten Beitrittskonferenz vorliegen müssen: deutlich belastbare Fortschritte bei der Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz; weitere Anstrengungen bei der Reform der öffentlichen Verwaltung, z.B. bei der Personalpolitik; sowie eine Priorisierung der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Korruption, insbesondere (durch Struktur- und Effizienzstärkung), und hierzu eine regelmäßige Erfolgsbilanz.
Um weiter bestehende Herausforderungen vor allem im Bereich Rechtsstaatlichkeit, d.h. Justizreform, Grundrechte und innere Sicherheit, zu bewältigen, ist es aus Sicht der Bundesregierung unerlässlich, die Verhandlungen mit den prioritären Kapiteln zur Rechtsstaatlichkeit (Kapitel 23 und 24, Justiz, Grundrechte und innere Angelegenheiten) zu eröffnen, diese kontinuierlich abzuarbeiten und weitere Verhandlungsfortschritte von Fortschritten in diesen Kapiteln abhängig zu machen.
Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien soll wie andere Beitrittskandidaten im Verhandlungsprozess auch verpflichtet werden, Aktionspläne für Reformen vorzulegen, deren Umsetzung die Europäische Kommission kontinuierlich prüfen und über die sie regelmäßig berichten wird. Die Bundesregierung wird ihrerseits den Bundestag regelmäßig über Fortschritte im Implementierungsprozess unterrichten.
Die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten hat bereits signalisiert, dass sie baldmöglichst eine Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen anstrebt.
Die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft hat deutlich gemacht, dass sie eine Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen herbeiführen will und strebt hierfür die Befassung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten am 26. Juni 2018 und des Europäischen Rates am 28./29. Juni 2018 an.
Das Auswärtige Amt steht den zuständigen Gremien des Bundesrats jederzeit für eine weitergehende Unterrichtung und Aussprache zur Verfügung. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer fortlaufenden Unterrichtung den Bundesrat kontinuierlich über die weitere Entwicklung der Vorgänge informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth