COM (2018) 241 final; Ratsdok. 8561/18
Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung des Richtlinienvorschlags, Verfahrensvorgaben für grenzüberschreitende Mobilitätsmaßnahmen zu schaffen, die den Schutz von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherstellen und den durch das sogenannte Polbud-Urteil des EuGH (Urteil vom 25. Oktober 2017, Rechtssache C-106/16) eröffneten Missbrauchsgefahren begegnen.
- 2. Er begrüßt ferner, dass für grenzüberschreitende Formwechsel (derzeit in den Artikeln 86a des Richtlinienvorschlags fortfolgende als "Umwandlung" bezeichnet) und Spaltungen ein strukturiertes, zweistufiges Verfahren geschaffen wird, das Schutzvorkehrungen zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Gesellschaftern und Gläubigern beinhaltet. Nicht ersichtlich ist jedoch, warum für grenzüberschreitende Verschmelzungen andere Vorgaben gelten sollen als für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen, obwohl Missbrauchsgefahren in allen Fällen gleichermaßen drohen.
- a) Um einen kohärenten Rechtsrahmen für alle grenzüberschreitenden Mobilitätsmaßnahmen sicherzustellen, sollten nach Auffassung des Bundesrates für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Formwechsel und Spaltungen deshalb einheitliche Vorgaben gelten. Durch einheitliche Vorgaben ließe sich verhindern, dass die bislang in der Praxis überwiegend genutzte grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine im Zuzugsmitgliedstaat gegründete Kapitalgesellschaft zukünftig dazu genutzt wird, die strengeren Vorgaben für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen zu umgehen.
- b) Der Bundesrat schlägt daher vor, den von der Kommission für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen vorgeschlagenen Rechtsrahmen auch für grenzüberschreitende Verschmelzungen anzuwenden.
- 3. Aus Sicht des Bundesrates kann der Kommission nicht in der Annahme gefolgt werden, die Kosten für die Umsetzung könnten mittel- und langfristig durch Einsparungen von Zeit und Ressourcen ausgeglichen werden. Die notwendigen Anpassungen der Fachverfahren und des gemeinsamen Registerportals der Länder lassen erhebliche Auswirkungen auf den Justizhaushalt der Länder erwarten. Die Höhe der Kosten wird von der Kommission nicht beziffert und kann derzeit auch nicht ansatzweise abgeschätzt werden. Zukünftige Einspareffekte sind nicht zu erwarten, da die Kommunikation mit den Registergerichten bundesweit schon jetzt vollständig elektronisch erfolgt.
- 4. Der Bundesrat hat Bedenken im Hinblick auf die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bestimmte Verfahrenshandlungen und Rechtsgeschäfte vollständig online durchführen zu müssen (Artikel 86m Absatz 3, Artikel 86p Absatz 3, Artikel 127 Absatz 1, Artikel 128 Absatz 3, Artikel 60o Absatz 3 und Artikel 160r Absatz 3 sowie Artikel 86h Absatz 4, Artikel 123 Absatz 4 und Artikel 160j Absatz 4 des Richtlinienvorschlags).
- a) Es erscheint schon nicht überzeugend, warum die Mitgliedstaaten zwar die in Anhang I des Richtlinienvorschlags genannten Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich der Online-Gründung ausnehmen dürfen (Artikel 13f Absatz 1 Satz 2 des Vorschlags über digitale Werkzeuge (BR-Drucksache 163/18 (PDF) )), für grenzüberschreitende Umwandlungen solcher Gesellschaften jedoch sicherstellen müssen, dass die Pflichten vollständig online erfüllt werden können.
- b) Um die in Deutschland bewährte Einbindung der Notare fortführen zu können, bedarf es aus Sicht des Bundesrates zumindest einer klarstellenden Regelung nach dem Vorbild von Artikel 13f Absatz 4 Buchstabe e des Vorschlags über digitale Werkzeuge (BR-Drucksache 163/18 (PDF) ), wenn auch mit klarerem Wortlaut als in der dortigen derzeitigen Fassung. Es sollte daher im Regelungstext ausdrücklich klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten Notare in das Verfahren einbinden können. In diesem Zusammenhang sollte den Mitgliedstaaten auch größere Flexibilität bei der Beurteilung eingeräumt werden, wann die physische Anwesenheit der Beteiligten erforderlich ist.
- c) Aus Sicht des Bundesrates erscheint auch das Verhältnis des Richtlinienvorschlags zu nationalen Formvorschriften klarstellungsbedürftig. Obwohl der Vorschlag über digitale Werkzeuge (BR-Drucksache 163/18 (PDF) ) den Einsatz digitaler Instrumente als für die grenzüberschreitende Expansion von Unternehmen besonders wichtig erachtet (vergleiche BR-Drucksache 163/18 (PDF), Seite 2), verhält sich der vorliegende Richtlinienvorschlag hierzu nicht oder allenfalls punktuell.
Die Regelungen der Artikel 86j Absatz 3 Satz 3, Artikel 126a Absatz 3 Satz 3 und Artikel 160l Absatz 3 Satz 3 des Richtlinienvorschlags lassen vermuten, dass Online-Medien auch bei Rechtsgeschäften im Rahmen von grenzüberschreitenden Formwechseln, Verschmelzungen und Spaltungen Verwendung finden können oder gar sollen. Es muss aber sichergestellt werden, dass zum Beispiel die Regelungen zur elektronischen Übermittlung des Angebots über die Veräußerung von Geschäftsanteilen im Rahmen des Austrittsrechts der Gesellschafter nationale Formvorschriften bei der Übertragung von Geschäftsanteilen (etwa § 15 Absatz 3, Absatz 4 GmbHG) unberührt lassen. Erst recht müssen nationale Form- und Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Vertragsschlüsse zu grenzüberschreitenden Formwechseln, Verschmelzungen und Spaltungen unberührt bleiben. Dies sollte ausdrücklich klargestellt werden.
- d) Der Richtlinienvorschlag verhält sich weder im verfügenden Teil noch in den Erwägungsgründen des Richtlinienvorschlags zu der Frage der Formbedürftigkeit der Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung zu Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung. Deswegen sollte die Kommission um Klarstellung ersucht werden, dass die Formbedürftigkeit der Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung nach nationalem
Recht durch Artikel 86i des Richtlinienvorschlags und die für die Verschmelzung und Spaltung entsprechenden Vorschriften nicht berührt wird.
- 5. Nach Ansicht des Bundesrates darf die Möglichkeit, welche die Mitgliedstaaten den Gesellschaften eröffnen müssen, für die Erstellung des jeweiligen Plans und aller damit zusammenhängenden Unterlagen eine in der internationalen Wirtschafts- und Finanzwelt gebräuchliche Verkehrssprache zu verwenden (Artikel 86d Absatz 2, Artikel 122 Unterabsatz 2, 160e Absatz 4 des Richtlinienvorschlags), nicht dazu führen, dass die Amtssprache missachtet wird und Gerichte sich gezwungen sehen, fremdsprachige Pläne und Unterlagen zu prüfen. Die entsprechenden Vorschriften sollten daher entweder gestrichen oder dahingehend klargestellt werden, dass es sich um eine nicht verbindliche Sprachfassung handelt.
Zum Richtlinienvorschlag im Einzelnen
Zum Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Formwechsel, Artikel 86a fortfolgende des Richtlinienvorschlags
- 6. Nach Auffassung des Bundesrates sollte deutlicher als bislang zum Ausdruck kommen, dass der grenzüberschreitende Formwechsel keinen Rechtsträgerwechsel, sondern einen bloßen Wechsel des Rechtskleides bei Rechtsträgeridentität darstellt. Das Verständnis der Rechtsträgeridentität liegt ausweislich der Definition der "grenzüberschreitenden Umwandlung" in Artikel 86b Nummer 2 auch dem Richtlinienvorschlag zugrunde. Folge eines Formwechsels ist daher weder ein Übergang von Aktiva und Passiva kraft Gesetzes noch ein Gesellschafterwechsel (wovon indes Artikel 86s Absatz 1 Buchstabe a bis c des Richtlinienvorschlags auszugehen scheint). Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte daher statt auf den Begriff der "Umwandlung" besser auf den Begriff des "Formwechsels" abgestellt werden. Formulierungen im Richtlinienvorschlag, die auf einen Rechtsträgerwechsel hindeuten, sollten gestrichen oder umformuliert werden (insbesondere Artikel 86s Absatz 1 Buchstabe a bis c, Artikel 86b Nummer 6 und Artikel 86d Absatz 1 Buchstabe g des Richtlinienvorschlags).
- 7. Im Hinblick auf die von der Behörde des Wegzugsmitgliedstaates zu prüfenden Voraussetzungen begrüßt der Bundesrat im Grundsatz die vorgeschlagene Missbrauchskontrolle (Artikel 86c Absatz 3 und Artikel 160d Absatz 3 des Richtlinienvorschlags).
- a) Allerdings bedarf es nach Auffassung des Bundesrates zwingend einer deutlicheren Konturierung der bislang sehr vagen Missbrauchsdefinition. Ein einheitlicher europäischer Missbrauchsbegriff und die sekundärrechtliche Festlegung dessen, was unter einer sogenannten künstlichen Gestaltung zu verstehen sein soll, sind im Sinne der Rechtssicherheit unabdingbar. Sowohl die zuständigen Behörden als auch die betroffenen Unternehmen und der unabhängige Sachverständige müssen insofern genau wissen, was Gegenstand der Missbrauchsprüfung sein soll. Andernfalls besteht die Gefahr, dass dieses Kontrollinstrument angesichts der sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Unwägbarkeiten leerläuft bzw. unzumutbare Haftungsrisiken entstehen. Wenn kein verlässlicher Rechtsrahmen für die Missbrauchskontrolle geschaffen werden kann, steht die Tauglichkeit und Zweckmäßigkeit dieses Instruments insgesamt in Frage.
- b) Deshalb erscheint es aus Sicht des Bundesrates erwägenswert, die Missbrauchskontrolle durch eine klare, wirkungsvolle und europarechtlich unbedenkliche Regelung zu ersetzen, wonach der Zuzugsmitgliedstaat verpflichtet ist, einen realwirtschaftlichen Bezug zum Zuzugsmitgliedstaat zu verlangen und die Verlegung nur des Satzungssitzes als Anknüpfung für eine seinem Recht unterliegende Gesellschaft nicht zu akzeptieren.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die vorgeschlagene Einführung eines unabhängigen Sachverständigen (Artikel 86g, Artikel 160i des Richtlinienvorschlags), der den Plan für die grenzüberschreitende Umwandlung und die von der Gesellschaft erstellten Berichte prüfen und den Sachverhalt zusammenstellen soll, auf dessen Grundlage die Behörde sodann untersucht, ob es sich um eine künstliche Gestaltung handelt.
- 9. Der Bundesrat bittet darum, die vorgeschlagene zwingende Ausnahme für kleine und Kleinstunternehmen (Artikel 86g Absatz 6 und Artikel 160i Absatz 6 des Richtlinienvorschlags) nochmals zu überprüfen, da auch bei diesen in gleicher Weise wie bei größeren Unternehmen eine Missbrauchsgefahr bestehen kann, die nicht ohne Weiteres einfacher erkennbar ist. Dies gilt umso mehr, als internationale Großkonzerne im Rahmen ihrer Steuervermeidungsmodelle häufig eine große Zahl von Zwischenholdinggesellschaften einsetzen, die als reine Briefkastengesellschaften fungieren und mangels Geschäftsbetrieb in der Regel als Kleinstunternehmen oder kleine Unternehmen einzustufen sind.
- 10. Im Hinblick auf die Rolle des Sachverständigen sollte klargestellt werden, dass dieser zur Beurteilung, ob es sich um eine künstliche Gestaltung handelt, nicht nur Stellungnahmen der Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Gläubiger und Gesellschafter einholen kann, sondern - ähnlich wie die Behörde des Wegzugsmitgliedstaates (Artikel 86n Absatz 2 Satz 2 des Richtlinienvorschlags) - auch Stellungnahmen Dritter, wie beispielsweise der Finanz- oder Sozialversicherungsbehörden.
- 11. Die Frist für die Bestellung des Sachverständigen von nur fünf Arbeitstagen (etwa: Artikel 86g Absatz 2 des Richtlinienvorschlags) sollte auf in der Regel 21 Arbeitstage verlängert werden. Dies ist schon deshalb erforderlich, um die Prüfung etwaiger Interessenkollisionen zu ermöglichen und die Neutralität des Sachverständigen sicherzustellen. Außerdem sollte klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten darüber entscheiden können, welche Personen zum Sachverständigen bestellt werden können und auf welche Art und Weise die Bestellung erfolgt.
- 12. Um die Missbrauchsprüfung durch die zuständige Behörde zu erleichtern, sollte die Gesellschaft im Umwandlungsplan Angaben zu den Motiven des beabsichtigten Formwechsels machen müssen, die ebenfalls einer Prüfung durch den unabhängigen Sachverständigen unterliegen sollten.
- 13. Artikel 86i Absatz 4 des Richtlinienvorschlags sieht einen gesonderten Beschluss der Gesellschafterversammlung über die notwendigen Änderungen der Errichtungsakte der Gesellschaft vor. Diese Vorschrift sollte gestrichen werden. Denn Artikel 86d Absatz 1 Buchstabe c des Richtlinienvorschlags sieht bereits vor, dass der Errichtungsakt Inhalt des Umwandlungsplans sein muss. Klargestellt werden sollte allerdings, dass insbesondere die neue Satzung für die Gesellschaft in neuer Rechtsform Umwandlungsplaninhalt sein muss. Ein gesonderter Beschluss der Gesellschafter zu den Änderungsakten erscheint überflüssig und könnte auch nicht sachgerecht vorbereitet werden. Durch die Streichung wird Artikel 86d Absatz 1 Buchstabe c des Richtlinienvorschlags auch mit den Regelungen für die Verschmelzung (Artikel 122 Buchstabe i des Richtlinienvorschlags) harmonisiert.
- 14. Anders als für die grenzüberschreitende Verschmelzung enthält der Richtlinienvorschlag keine Vorgaben dazu, welche Behörde des Wegzugsmitgliedstaates für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels/der grenzüberschreitenden Spaltung zuständig ist (vergleiche Artikel 86c Absatz 3 und Artikel 160d Absatz 3 des Richtlinienvorschlags). Entsprechend den Regelungen für die Verschmelzung (Artikel 127 Absatz 1 der Richtlinie (EU) Nr. 1132/2017) sollte daher klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten hierzu Gerichte, Notare oder Behörden bestimmen können. Der Bundesrat weist bereits jetzt darauf hin, dass die Registergerichte mit den für die folgenschwere Versagungsentscheidung anzustellenden Prüfungen gegebenenfalls überfrachtet werden.
- 15. Aus seiner Sicht sollte die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Zweimonatsfrist für die Beantragung der Bestellung des unabhängigen Sachverständigen (Artikel 86g Absatz 1 des Richtlinienvorschlags) gestrichen werden. Die Bestellung des Sachverständigen muss regelmäßig schon zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen, damit der Bericht rechtzeitig vor der Gesellschafterversammlung vorliegt (Artikel 86h Absatz 1 Buchstabe b des Richtlinienvorschlags). Dementsprechend sieht die Richtlinie (EU) Nr. 1132/2017 auch bislang für sachverständige Prüfungen keine Frist für den Antrag auf Bestellung des Sachverständigen vor (vergleiche Artikel 96 Absatz 1, Artikel 125 Absatz 1 und Artikel 142 Absatz 1 der Richtlinie (EU) Nr. 1132/2017).
- 16. Zwar begrüßt der Bundesrat die Bestrebungen der Kommission, ein effizientes und beschleunigtes Verfahren für grenzüberschreitende Formwechsel, Verschmelzungen und Spaltungen vorzusehen.
- a) Es erscheint jedoch fraglich, ob die vorgeschlagenen starren Fristen (zum Beispiel die einmonatige Prüffrist zur Erteilung einer Vorabbescheinigung, (Artikel 86m Absatz 7 des Richtlinienvorschlags) oder die Frist für die eingehende Prüfung im Falle eines Missbrauchsverdachts (Artikel 86n Absatz 2 Satz 3 des Richtlinienvorschlags) eine sachgerechte Prüfung ermöglichen. Den entsprechenden Fristen sollte daher ein "in der Regel" vorangestellt werden. Andernfalls müsste beispielsweise die zuständige Behörde die Erteilung der Vorabbescheinigung gemäß Artikel 86m Absatz 7 Buchstabe b Satz 2 des Richtlinienvorschlags verweigern, wenn Klage gegen die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Umwandlung erhoben wird. Denn in diesem Fall steht nicht innerhalb der Monatsfrist fest, dass "alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt" sind.
- b Außerdem sollten die Behörden des Wegzugsmitgliedstaates das Recht haben, einen Kostenvorschuss zu verlangen, da die Verfahrenskosten andernfalls unter Umständen im Ausland beigetrieben werden müssen. Die Prüffrist sollte in diesem Fall frühestens zu dem Zeitpunkt laufen, zu dem der Behörde die Zahlung der Kosten nachgewiesen ist.
- 17. Aus Sicht des Bundesrates ist positiv zu bewerten, dass die Vorabbescheinigung des Wegzugsmitgliedstaates für die Behörden des Zuzugsmitgliedstaates verbindlich sein soll (Artikel 86p Absatz 5 des Richtlinienvorschlags). Allerdings sollte dies auch im Wortlaut ausdrücklich zur Geltung kommen. Denn die vorgeschlagene Formulierung, wonach die Vorabbescheinigung als "schlüssiger Beweis" für die ordnungsgemäße Erledigung des Verfahrens im Wegzugsmitgliedstaat anerkannt werde, suggeriert, dass auch die Behörde im Zuzugsmitgliedstaat grundsätzlich noch einmal das gesamte Verfahren überprüfen kann.
- 18. Klarstellungsbedarf besteht außerdem im Hinblick auf den vorgesehenen Rechtsschutz gegen die Versagung oder Erteilung der Vorabbescheinigung (Artikel 86o und 160q Absatz 1 des Richtlinienvorschlags). Der Begriff der "Parteien" ist unbestimmt. Es sollte daher ausdrücklich festgelegt werden, wer gegen die Erteilung der Vorabbescheinigung Rechtsmittel einlegen können soll. Es sollte weiter jedenfalls in den Erwägungsgründen klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten Rechtsschutzmöglichkeiten im Hinblick auf die Versagung oder Erteilung der Vorabbescheinigung im Einklang mit der Richtlinie auch dann vorsehen dürfen, wenn die Prüfbehörde ein Gericht ist. Die Mitgliedstaaten sollten außerdem Regelungen treffen können, mit denen ausgeschlossen wird, dass aufgrund der Vorabbescheinigung die Eintragung im Zuzugsmitgliedstaat erfolgt, obwohl der Umwandlungsbeschluss angefochten wurde.
- 19. Zu begrüßen ist, dass die Eintragung im Register des Zuzugsmitgliedstaates erst nach Vorliegen der Vorabbescheinigung erfolgen darf. Durch diese Regelungen werden unzulässige voreilige Eintragungen verhindert, mit denen bisher Schutzmechanismen des Wegzugsmitgliedstaates umgangen und Gesellschaften von anderen Mitgliedstaaten "gekapert" werden konnten.
- 20. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich die vorgeschlagenen Bestimmungen zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern.
- a) Ein Austrittsrecht nebst Anspruch auf angemessene Barabfindung sollte jedoch nur Gesellschaftern zustehen, die gegen den Beschluss der Gesellschaft ausdrücklich Widerspruch erklärt haben. Um der Gesellschaft zu ermöglichen, den zu erwartenden Liquiditätsabfluss durch Barabfindungen kalkulieren zu können, genügt es nicht, dass der jeweilige Gesellschafter dem Umwandlungsplan nicht zustimmt. Denn der Gesellschafter könnte auch auf sein Austrittsrecht verzichten und sich mit der Umwandlung abfinden.
- b) Die Fristen für die Annahmemöglichkeit des Barabfindungsangebots durch den Gesellschafter (Artikel 86j Absatz 3 des Richtlinienvorschlags) und die Auszahlungsfrist (Artikel 86j Absatz 4 des Richtlinienvorschlags) von jeweils maximal einem Monat tragen aus Sicht des Bundesrates dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass sich der Gesellschafter unter Umständen rechtlich beraten lassen muss und die Auszahlungsfrist im Falle eines größeren Liquiditätsbedarfs für die Gesellschaft problematisch sein könnte. Sie sollten daher auf zwei Monate nach Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Formwechsels verlängert werden.
- c Um eine "Allesodernichts"-Lösung zu vermeiden, sollte es den Mitgliedstaaten außerdem ermöglicht werden, in bestimmten Konstellationen eine Zuzahlungsmöglichkeit als Kompensation für eventuelle Rechtsbeeinträchtigungen für den Fall vorzusehen, dass der Gesellschafter keinen Gebrauch von seinem Austrittsrecht macht und in der Gesellschaft verbleibt.
- 21. Der Bundesrat begrüßt ferner die Bemühungen der Kommission, Mindestvorgaben für Schutzvorkehrungen zugunsten von Gläubigern zu schaffen.
- a) Im Hinblick auf die in Artikel 86k Absatz 1 des Richtlinienvorschlags fakultativ vorgesehene Solvenzerklärung sollte nicht nur in Erwägungsgrund 17 des Richtlinienvorschlags, sondern auch im verfügenden Teil der Richtlinie klargestellt werden, dass Mitgliedstaaten eine Haftung für die Richtigkeit der Erklärung vorsehen können.
- b) Der Bundesrat unterstützt den Grundgedanken des Artikels 86k Absatz 2 des Richtlinienvorschlags (und entsprechend auch der Artikel 126b Absatz 2 und 160m Absatz 2 des Richtlinienvorschlags). Allerdings ist die Formulierung "Schutz (...) nicht zufriedenstellend erachten" unbestimmt. Daher sollte die Regelung dahingehend umformuliert werden, dass den Gläubigern, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können, Sicherheit zu leisten ist, wenn sie glaubhaft machen, dass der Formwechsel die Erfüllung ihrer Forderung gefährden wird. Die Monatsfrist zur Beantragung einer angemessenen Sicherheit bei der zuständigen Behörde sollte auf mindestens zwei Monate verlängert werden.
- c Die Vermutungsregelungen in Artikel 86k Absatz 3 des Richtlinienvorschlags (und entsprechend auch in den Artikeln 126b Absatz 3 und 160m Absatz 3 des Richtlinienvorschlags) sind dagegen unklar und sollten gestrichen werden.
- 22. Von zentraler Bedeutung sind aus Sicht des Bundesrates die vorgeschlagenen Regelungen zum Schutz der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er unterstützt insbesondere die 4/5-Lösung, wonach die Verhandlungspflicht bereits dann eingreift, wenn die durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vier Fünftel des nationalen Schwellenwertes des Wegzugsmitgliedstaates übersteigt, der die unternehmerische Mitbestimmung auslöst.
- a) Um die in Artikel 86l Absatz 3 und 4 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Verhandlungspflicht effektiv durchzusetzen, sollte diese nach Auffassung des Bundesrates jedoch in einem neuen Absatz 5 um eine Auffangregelung ergänzt werden, wonach bei einem Scheitern der Verhandlungen die Mitbestimmungsregelungen des Wegzugsmitgliedstaates Anwendung finden sollten, sofern die Gesellschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Formwechsel den Schwellenwert des Wegzugsmitgliedstaates im Zuzugsmitgliedstaat erreicht.
- b) Kritisch beurteilt der Bundesrat die zulässige Absenkung des Mitbestimmungsniveaus in Artikel 86l Absatz 4 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags (Möglichkeit des besonderen Verhandlungsgremiums, die Verhandlungen nicht zu eröffnen oder abzubrechen mit der Folge, dass die Vorschriften des Zuzugsmitgliedstaates gelten, in der deutschen Übersetzung fehlerhaft mit "Wegzugsmitgliedstaat" übersetzt) und Artikel 86l Absatz 4 Buchstabe b des Richtlinienvorschlags (Absenkungsmöglichkeit des Mitbestimmungsniveaus auf ein Drittel). Die Regelungen sollten daher gestrichen werden.
- c) Der vorgeschlagene dreijährige Bestandsschutz der Arbeitnehmermitbestimmung für nachfolgende nationale und grenzüberschreitende Umwandlungen (Artikel 86l Absatz 7 des Richtlinienvorschlags) sollte auf mindestens fünf Jahre verlängert werden. Der Bundesrat hält es für geboten, die vereinbarte Mitbestimmung für diesen längeren Zeitraum sicherzustellen.
- d) Im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung bittet der Bundesrat die Kommission um Prüfung, ob die Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch eine Auffangregelung ergänzt werden könnten, wonach die Mitbestimmungsregelungen, die auf einen bestimmten Betriebsteil bezogen sind, unberührt bleiben, soweit und solange dieser Betrieb im Wegzugsmitgliedstaat fortgeführt wird, es sei denn, die Beschäftigtenzahl sinkt unter die nach nationalem Recht vorgesehenen Schwellenwerte.
Zum Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Artikel 120 fortfolgende des Richtlinienvorschlags
- 23. Wie einleitend bereits ausgeführt, sollte ein kohärenter Rechtsrahmen für alle grenzüberschreitenden Mobilitätsmaßnahmen geschaffen werden. Hierzu sollten die von der Kommission für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen vorgeschlagenen Regelungen nebst den vorgenannten Änderungsvorschlägen auch auf grenzüberschreitende Verschmelzungen Anwendung finden. Ein überzeugender Grund für eine unterschiedliche Behandlung der grenzüberschreitenden Mobilitätsmaßnahmen ist bislang nicht ersichtlich. Insbesondere lässt die Verschmelzung im Vergleich zum Formwechsel oder zur Spaltung nicht weniger Missbrauchspotenzial befürchten.
- 24. Einer erneuten Überprüfung bedürfen aus Sicht des Bundesrates die Vorschriften zum Rechnungslegungsstichtag (Artikel 122a des Richtlinienvorschlags für die Verschmelzung und Artikel 160f des Richtlinienvorschlags für die Spaltung). Diese sind unklar und widersprechen zum Teil den in den Erwägungsgründen geschilderten Vorgaben (vergleiche Erwägungsgrund 30 des Richtlinienvorschlags).
Zum Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Spaltungen, Artikel 160a fortfolgende des Richtlinienvorschlags
- 25. Der Bundesrat begrüßt die Schaffung eines Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Spaltungen, der gleichzeitig einen Beitrag zur Beseitigung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit leistet und den Beteiligten einen angemessenen Schutz bietet.
- 26. Im Hinblick auf das zweistufige Prüfverfahren, das sich an den Vorgaben zum grenzüberschreitenden Formwechsel orientiert, gelten die dortigen Ausführungen entsprechend.
Direktzuleitung an die Kommission
- 27. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.