Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, im Zusammenhang mit der neuen Solvabilitätsregelung 13 Versicherungsrichtlinien im Sinne der Rechtskonsolidierung zu einer Richtlinie zusammenzufassen. Damit wird ein notwendiger Beitrag dazu geleistet, das geltende EU-Recht übersichtlicher zu gestalten.
- 2. Der Bundesrat sieht es allerdings mit Sorge, dass die Richtlinie zum Anlass genommen werden soll, der Kommission in deutlich verstärktem Umfang die Möglichkeit zu ergänzenden Durchführungsbestimmungen einzuräumen.
Es ist grundsätzlich Aufgabe des Rates und des EU-Parlaments, Umfang und Reichweite der für das Versicherungsgewerbe nötigen Regelungen zu bestimmen.
Die Achtung der Kompetenzordnung des Vertrags und die Aufgabenverteilung zwischen den Organen der Union darf nicht über die in jüngster Zeit immer inflationärere Ausweisung von ergänzenden Regelungskompetenzen der Kommission umgangen werden.
Möglichst alle wesentlichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen sollten daher auf Level 1 des Lamfalussy-Prozesses definiert werden, um zu vermeiden, dass wesentliche Bestimmungen (z.B. hinsichtlich der Bemessung des Mindestkapitals - MCR - oder der Kriterien für die Erhebung und Berechnung des Kapitalaufschlags für die Gruppe - capital add-on) dem demokratischen Gesetzgebungsprozess entzogen werden. Nur die detaillierten Regelungen beispielsweise zu den Berechnungsverfahren (Vorgabe von konkreten Formeln und Korrelationsmatrizen zur Ermittlung der Solvenzkapitalanforderungen mittels Standardformel) sollten Durchführungsbestimmungen vorbehalten bleiben.
Es besteht sonst die Gefahr, dass die Durchführungsbestimmungen zentrale Regelungen und Prinzipien tangieren, die das gesamte Regelwerk betreffen.
Auf jeden Fall muss sichergestellt sein, dass Rat und EU-Parlament auch im Bereich dieser Richtlinie ein grundsätzliches Rückholrecht für die im Komitologieverfahren erlassenen Vorschriften haben.
- 3. Das vorgeschlagene Kategorisierungs- und Limitierungssystem der Eigenmittel sowie die Anforderungen an das qualitative Risikomanagement und das damit verbundene aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren sollten nicht dazu benutzt werden können, die mit den Modellen berechneten quantitativen Kapitalerfordernisse durch zusätzliche Kapitalzuschläge zu konterkarieren. Zudem müssten alle Risikopuffer voll anerkannt werden, wie z.B. für die freie Rückstellung für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung vorgesehen.
- 4. Der kompakte Ansatz der MCR-Berechnung generell (MCR als Prozentsatz des Zielsolvenzkapitals - SCR) wird unterstützt. Die Forderung, das MCR mindestens vierteljährlich zu berechnen und an die Aufsicht zu melden, wird jedoch als zu aufwändig erachtet. Stattdessen sollte das MCR unterjährig auf Basis der versicherungstechnischen Rückstellungen (Rst.) berechnet werden (MCR zu Jahresende als Prozentsatz der Rst. und dann angewandt auf zukünftige Rst.).
- 5. Bei der SCR-Berechnung ist betreffend der Kalibrierung des SCR-Standardmodells darauf zu achten, dass die Faktoren vorsichtig angesetzt sind - vor allem auch um Standardmodellergebnisse, die unter den Anforderungen interner Modelle liegen, zu verhindern.
- 6. Die IAS/IFRS-Bilanz und die Solvenzbilanz sollten möglichst kongruent sein (gemeinsame Datenbasis, Angleichung der Regeln).
- 7. Bei Säule 2 sind die Qualitätsanforderungen an die internen Kapitalbedarfsabschätzungen des ORSA (Own Risk and Solvency Capital Assessment) unklar. Es kommt in seinem Umfang und seiner Struktur einem internen Modell sehr nahe und könnte die Unternehmen zur Einführung eines internen Modells zwingen.
- 8. Bezüglich der Veröffentlichungspflichten sollten die konsolidierten IFRS-Reports Ausgangsbasis sein, da diese bereits sehr hohe Anforderungen an die externe Berichterstattung stellen. Es muss sichergestellt werden, dass keine sensiblen Informationen zu veröffentlichen sind. Keinesfalls darf es zu einer Veröffentlichungspflicht detaillierter Versicherungskonditionen und aktuarieller Rechnungsgrundlagen kommen. Auch eine detaillierte Beschreibung der Unterschiede zwischen dem internen Modell und dem Standardansatz ist abzulehnen, da dies einer Veröffentlichung des internen Modells gleichkäme.
- 9. Bei Säule 3 ist der Umfang der regelmäßigen und zusätzlichen Berichtspflichten an die Aufsicht noch unklar bzw. zu weit reichend. Die Aufsichtsanforderungen sollten europaweit harmonisiert sein.
- 10. Für eine effizientere Gruppenaufsicht sollten die Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen von Einzel- und Gruppenaufsicht sowie das Interventionsrecht für gruppenweite Themen klar definiert sein. Der Entwurf enthält an verschiedenen Stellen noch Eingriffsbefugnisse der Einzelaufsicht, die der Gruppenaufsicht vorbehalten bleiben sollten (vgl. Artikel 238 Abs. 6 und Artikel 239 b). Außerdem sollte es eine einheitliche Anwendung der Aufsichtsinstrumente in den verschiedenen Ländern geben.